3D-Druck ergänzt immer häufiger die Fertigungsverfahren in der Metallbearbeitung. Zwar ersetzen sie heute laut einer Studie der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Produktionstechnik (WGP) lediglich rund ein Prozent der bestehenden Bearbeitungsverfahren. Doch wird ihnen eine jährliche Zuwachsrate von rund 40 Prozent zugetraut. Diese rasante Entwicklung des Additive Manufacturing wird jedoch nach Worten von Volker Schulze, Sprecher der Institutsleitung des Instituts für Produktionstechnik (wbk) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) noch viel zu selten aus dem Blickwinkel der bestehenden Produktionssysteme betrachtet.
Schulze organisierte Ende September auf der WerkstoffWoche in Dresden das Symposium "Produktionstechnische Aspekte im Umfeld der additiven Fertigung" unter Beteiligung von zehn WGP-Professoren. Das Fazit: "Erst Produktionssysteme, die die gesamte Wertschöpfungskette von der Materialanlieferung und dem eigentlichen Additiv-Prozess bis hin zur Nachbearbeitung und automatischen Qualitätskontrolle abdecken, können der generativen Technologie zum dauerhaften Durchbruch in der Serienfertigung verhelfen." Das aber gelingt nach Ansicht von Schulz, der auch Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Materialkunde (DGM) ist, dem Ausrichter der WerkstoffWoche, nur in Kooperation mit anderen Wissenschaftsdisziplinen.
Wandlungsfähige Produktionsstrukturen
Eine überragende Bedeutung bei der Gestaltung von zukunftsfähigen Produktionssystemen komme der Informations- und Kommunikationstechnik zu, halten die Springer-Autoren Michael Schenk und Marco Schumann in ihrer Einleitung zu "Produktion und Logistik mit Zukunft" fest (Seite 14). "In der Produktion der Industrie 4.0 mit deren cyber-physischen Systemen erfolgt eine Vernetzung und Kommunikation der realen Objekte mit den virtuellen Systemen zur Planung mit einem zu erwartenden Paradigmenwechsel bei der Steuerung und Regelung von Wertschöpfungssystemen." Auf diese Weise würden autonome Kommunikations- und selbstständige Entscheidungsprozesse der Produktionssysteme ermöglicht und etwa auch ein Beitrag zur Umsetzung von wandlungsfähigen Produktionsstrukturen erreicht.
Im Additive Manufacturing überwiegen derzeit noch Stand-alone-Maschinen, die nicht die Produktivität kompletter Prozessketten erreichen können, gibt denn auch KIT-Wissenschaftler Volker Schulze in Dresden zu Protokoll. Es gebe zwar erste Ansätze von Anlagenherstellern, aber noch werde das Verfahren nicht als Teil einer Prozesskette betrachtet: "Und selbst Prozessketten schöpfen die Möglichkeiten der Effizienzsteigerung nicht voll aus", erläutert der Produktionstechniker und Materialwissenschaftler. "Wir müssen noch einen Schritt weitergehen und die komplette Logistik und Automation um die Prozesskette herum ins Auge fassen. Erst wenn wir ganze Produktionssysteme für additive Verfahren geschaffen haben, können wir effiziente additive Fertigung betreiben." Heute werde zum Beispiel das Pulver für das pulverbettbasierte Verfahren noch in kleinen Gebinden geliefert. "Diese Pulverlogistik eignet sich nicht für großtechnische Anwendungen mit gleichbleibender Qualität der Produkte."
Hybridmaschinen verlieren an Bedeutung
Dass der Fokus noch zu wenig auf ganze Produktionssysteme gesetzt wird, mag auch ein Grund dafür sein, dass viele Werkzeugmaschinenhersteller bisher auf Hybridmaschinen gesetzt haben. Doch in einer Maschine, die sowohl AM als auch Zerspanung beherrscht, können beide Prozesse nur nacheinander ablaufen. "Hier hat man einfach den großindustriellen Einsatz noch nicht im Blick", meint Schulze. "Wer möglichst viele Bauteile in möglichst kurzer Zeit produzieren will, muss Prozesse parallel laufen lassen, um die Taktzeit der Maschinen in der größten Hauptzeit anpassen zu können und die Produktivität zu steigern." Das habe zur Folge, dass nun vermehrt der Blick auf das Fabriklayout für Prozessketten mit Maschinen fällt, die entweder additiv oder zerspanend fertigen.
Die Prozessschritte, denen sich die Materialwissenschaftler widmen wie zum Beispiel Reinigung, Wärmebehandlung oder Oberflächenbehandlung, spielen laut Schulze in der Produktionstechnik nur eine marginale Rolle. "Unsere Prozesse befassen sich mehr mit Umformung und Zerspanung. Um eine komplette Prozesskette zur additiven Fertigung zu konzipieren, müssen wir die unterschiedlichen Schwerpunkte beider Disziplinen miteinander verbinden", appellierte er auf der WerktstoffWoche in Dresden. Den Bedarf an kompletten Systemen sieht auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Mithilfe einer aktuellen Ausschreibung sollen Fertigung, Vertrieb, Wartung und Prozessüberwachung bis hin zu standardisierten Softwarelösungen für additive Verfahren vorangetrieben werden – unter Berücksichtigung von Design und Ausgangsmaterialien.