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2014 | Buch

Entscheidungstheorie

verfasst von: Helmut Laux, Robert M. Gillenkirch, Heike Y. Schenk-Mathes

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

Buchreihe : Springer-Lehrbuch

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Über dieses Buch

Dieses Lehrbuch gibt eine gründliche Einführung in die normative und deskriptive Entscheidungstheorie. Es richtet sich an Studierende der Wirtschaftswissenschaften, Dozenten und Praktiker, die sich das Rüstzeug für die Lösung von Entscheidungsproblemen aneignen wollen. Aufbauend auf den allgemeinen Grundlagen zur Darstellung und Lösung von Entscheidungsproblemen, werden Entscheidungsprobleme bei Risiko anwendungsbezogen analysiert. Fragen der Bewertung unsicherer Überschüsse, der Bewertung von Informationen und der Teilung von Risiken werden ebenso behandelt, wie Entscheidungen in Gruppen. Drei Kapitel sind zudem der Fundierung finanzwirtschaftlicher Unternehmensziele und der Herleitung damit kompatibler Entscheidungskriterien gewidmet.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Grundlagen

Frontmatter
1. Probleme und Lösungskonzepte der Entscheidungstheorie: ein Überblick
Zusammenfassung
In diesem ersten Kapitel des Buches wird ein Überblick über unterschiedliche entscheidungstheoretische Betrachtungsweisen, über Probleme praktischer Entscheidungen sowie über Problemstellungen und Lösungskonzepte der Entscheidungstheorie gegeben. Die Ausführungen sind Grundlage für alle nachfolgenden Kapitel, in denen spezifische Problemstellungen der Entscheidungstheorie dargestellt und Ansätze zu ihrer Lösung beschrieben werden. Sie sollen es erleichtern, die spezielleren Darstellungen in den folgenden Kapiteln zu verstehen und gedanklich einzuordnen.
Dieses Buch befasst sich mit Entscheidungsproblemen, die in vielen Lebensbereichen, insbesondere auch in Unternehmen auftreten. Das Problem der Entscheidung ist für alle Menschen von existentieller Bedeutung. Immer wieder müssen wir Entscheidungen treffen, deren Folgen unsere Lebensbedingungen nachhaltig beeinflussen und die uns deshalb stark in Anspruch nehmen. Die Formulierung und Lösung von Entscheidungsproblemen sind für verschiedene wissenschaftliche Disziplinen zu einem zentralen Thema geworden. Darüber hinaus hat sich als interdisziplinärer Forschungsschwerpunkt die Entscheidungstheorie entwickelt, die sich in systematischer Weise mit dem Entscheidungsverhalten von Individuen und Gruppen befasst. Entscheidungstheoretische Untersuchungen werden in der Absicht vorgenommen, beschreibende (deskriptive) oder vorschreibende (präskriptive) Aussagen zu gewinnen. Entsprechend lässt sich, je nach dem im Vordergrund stehenden Forschungsziel, zwischen deskriptiver und präskriptiver (oder normativer) Entscheidungstheorie unterscheiden.
Die deskriptive Entscheidungstheorie will beschreiben, wie in der Realität Entscheidungen getroffen werden, und erklären, warum sie gerade so und nicht anders zustande kommen. Ihr Ziel ist es, empirisch gehaltvolle Hypothesen über das Verhalten von Individuen und Gruppen im Entscheidungsprozess zu finden, mit deren Hilfe bei Kenntnis der jeweiligen konkreten Entscheidungssituation Entscheidungen prognostiziert bzw. gesteuert werden können.
Die präskriptive (oder normative) Entscheidungstheorie will nicht die tatsächlichen Entscheidungsprozesse beschreiben und erklären, sondern zeigen, wie Entscheidungen „rational“ getroffen werden können und damit Antwort geben auf die Frage, was Entscheider in unterschiedlichen Entscheidungssituationen tun sollen. Im Rahmen der präskriptiven Entscheidungstheorie werden Grundprobleme der Auswahl aus mehreren einander ausschließenden Handlungsalternativen untersucht, die in allen oder zumindest in zahlreichen Entscheidungssituationen entstehen. Dabei stehen Entscheidungen im Vordergrund, die im Hinblick auf mehrere zueinander in Konflikt stehende Ziele und angesichts einer ungewissen Zukunft zu treffen sind.
Auch in der Betriebswirtschaftslehre stehen Entscheidungen im Zentrum des wissenschaftlichen Interesses. Daher wird die Betriebswirtschaftslehre überwiegend entscheidungsorientiert gesehen; in diesem Sinne ist sie eine spezielle (oder angewandte) Entscheidungstheorie.
In diesem Kapitel wird der Gegenstand der Entscheidungstheorie erläutert, und die beiden grundlegenden Betrachtungsweisen der Entscheidungstheorie – die normative und die deskriptive – werden charakterisiert. Darüber hinaus werden die grundlegenden Elemente von Entscheidungsproblemen beschrieben, werden gegenseitige Abhängigkeiten zwischen den Elementen aufgezeigt und wird eine Entscheidung als Prozess charakterisiert.
Helmut Laux, Robert M. Gillenkirch, Heike Y. Schenk-Mathes
2. Struktur und Bedeutung von Entscheidungsmodellen
Zusammenfassung
Die Entscheidungsprobleme, mit denen man täglich konfrontiert wird, mögen auf den ersten Blick äußerst heterogen erscheinen. So hat z. B. die Auswahl eines Mittagessens aus einer Speisekarte in materieller Hinsicht nur wenig mit der Entscheidung über eine neue Arbeitsstelle zu tun. Dennoch gibt es eine allgemeine Struktur, auf die alle Entscheidungsmodelle zur Formulierung und Lösung von Entscheidungsproblemen zurückgeführt werden können. Entsprechend existiert auch eine gemeinsame Grundstruktur für Entscheidungsmodelle, auch wenn sich diese im Detail sehr unterscheiden mögen.
In diesem zweiten Kapitel des Buches wird diese gemeinsame Grundstruktur erläutert. Es wird gezeigt, dass jedes Entscheidungsmodell aus den Bausteinen „Handlungsalternativen“, „Ergebnisse“, „Umweltzustände“ und „Entscheidungsregel“ besteht. Dabei bezeichnet ein Umweltzustand eine Kombination von Ausprägungen derjenigen Daten, von denen die Ergebnisse der erwogenen Alternativen abhängen. Zu seiner Beschreibung gehört die Angabe seiner Eintrittswahrscheinlichkeit, sofern der Entscheider diese anzugeben in der Lage ist. Ergebnisse werden mit Hilfe jener „Zielgrößen“ beschrieben, an denen sich der Entscheider orientiert.
Ein Entscheidungsmodell kann seine Aufgabe, die logische Ableitung der Entscheidung aus der Darstellung des Entscheidungsproblems im Modell, nur erfüllen, wenn Zielvorstellungen präzisiert und erfasst werden. Die Problematik der Abbildung von Zielen in Entscheidungsmodellen wird eingehend betrachtet. Abschließend werden unterschiedliche Systematiken von Entscheidungsmodellen diskutiert und es wird erläutert, welche grundsätzliche Bedeutung Entscheidungsmodellen für die Lösung von Entscheidungsproblemen zukommt.
In diesem Kapitel geht es um den prinzipiellen Aufbau von Entscheidungsmodellen. In den nachfolgenden Kapiteln wird gezeigt, wie derartige Modelle bei Sicherheit und Unsicherheit bezüglich der Umweltzustände bzw. der Ergebnisse der Alternativen konstruiert werden können. In diesem Kapitel wird außerdem für unterschiedliche Entscheidungssituationen untersucht, wie die optimale Problemlösung von den jeweils entscheidungsrelevanten Zusammenhängen abhängt. Damit geben die dargestellten Entscheidungsmodelle auch dann Orientierung für das Treffen komplexer Entscheidungen, wenn sie gar nicht explizit angewendet werden.
Helmut Laux, Robert M. Gillenkirch, Heike Y. Schenk-Mathes
3. Entscheidungskriterien und Entscheidungsmodelle bei Sicherheit
Zusammenfassung
In diesem dritten Kapitel des Buches werden Entscheidungsprobleme untersucht, bei denen der Entscheider die Ausprägungen aller entscheidungsrelevanten Daten und folglich auch das Ergebnis, das bei Wahl einer Alternative erzielt wird, mit Sicherheit kennt. In der Realität sind Entscheidungen zwar im Allgemeinen bei unsicheren Erwartungen zu treffen. Dennoch haben Entscheidungsmodelle bei Sicherheit große theoretische und praktische Bedeutung, auch für die nachfolgenden Kapitel, in denen der Unsicherheit Rechnung getragen wird.
Sofern sich der Entscheider nur an einer Zielgröße (z. B. nur am Gewinn) orientiert, sind Wahlprobleme bei Sicherheit aus entscheidungstheoretischer Sicht einfach zu lösen, wenn auch die praktische Bestimmung einer optimalen Alternative erhebliche rechentechnische Probleme verursachen kann. Der Fall einer einzigen Zielgröße ist aber wenig realistisch. In realen Entscheidungssituationen sind im Allgemeinen die Alternativen unter Berücksichtigung mehrerer Zielgrößen zu beurteilen. Dieser komplexere Fall steht im Vordergrund dieses Kapitels.
Zunächst werden Grundprobleme der Entscheidung bei zwei oder mehr Zielgrößen diskutiert. Darauf aufbauend wird gezeigt, wie Entscheidungsprobleme bei zwei Zielgrößen graphisch analysiert werden können. Bei mehr als zwei Zielgrößen kann der direkte Vergleich von Ergebnissen (von Zielgrößenvektoren) wesentlich schwieriger sein als bei zwei Zielgrößen. Wie jedoch gezeigt wird, kann der Vergleich beliebiger Zielgrößenvektoren auf den sukzessiven Vergleich von Vektoren zurückgeführt werden, die sich nur bezüglich zweier Zielgrößen unterscheiden (Transformationskonzept).
Bei der Formulierung eines mathematischen Entscheidungsmodells stellt sich das komplexe Problem, die Präferenzvorstellungen des Entscheiders in einer Zielfunktion auszudrücken. In diesem Kapitel wird gezeigt, dass enge Grenzen bezüglich der Ermittlung und formalen Darstellung einer (Nutzen-) Funktion, die die Präferenzen „exakt“ widerspiegelt, bestehen. Daher werden „Ersatzkriterien“ diskutiert, die eine Vereinfachung ermöglichen.
Wegen der Komplexität realer Entscheidungsprobleme besteht im Allgemeinen ein Zwang zur Modellvereinfachung. Eine Möglichkeit der Vereinfachung besteht darin, nicht alle als möglich erachteten Ausprägungen für die entscheidungsrelevanten Daten im Modell zu berücksichtigen. Im einfachsten Fall werden für alle Daten feste Werte angenommen, um danach so damit zu rechnen, als seien sie sicher („Quasi-Sicherheit“).
Die Annahme sicherer Erwartungen hat auch didaktische Bedeutung, denn sie ermöglicht es, Entscheidungsprobleme und Lösungskonzepte in vereinfachter Form zu analysieren. Entscheidungsmodelle, die unter der Annahme sicherer Erwartungen konzipiert werden, können für den Unsicherheitsfall erweitert werden. Damit befassen sich vor allem die nachfolgenden Kap. 4, 5, 8 und 9.
Helmut Laux, Robert M. Gillenkirch, Heike Y. Schenk-Mathes
4. Entscheidung bei Unsicherheit: Grundlagen
Zusammenfassung
In der Realität lässt sich in aller Regel nicht mit Sicherheit vorhersagen, zu welchem Ergebnis eine Alternative führen wird. Es besteht Unsicherheit, d. h. das Ergebnis einer Alternative hängt von dem zum Zeitpunkt der Entscheidung noch unbekannten Umweltzustand ab.
In diesem vierten Kapitel des Buches werden einige Grundlagen der Entscheidung bei Unsicherheit geschaffen. Zunächst werden klassische Entscheidungskriterien für Unsicherheit im engeren Sinne diskutiert. Unsicherheit i. e. S. liegt dann vor, wenn der Entscheider sich zwar ein Urteil darüber bilden kann, welche Umweltzustände bzw. Ergebnisse der Alternativen möglich sind, er aber nicht quantifizieren kann, wie wahrscheinlich sie sind.
In realen Entscheidungssituationen besteht im Normalfall jedoch keine Unsicherheit i. e. S., sondern Risiko. In einer Entscheidungssituation bei Risiko kann der Entscheider den denkbaren Umweltzuständen bzw. Ergebnissen Eintrittswahrscheinlichkeiten zuordnen. Die Relevanz von Wahrscheinlichkeiten für das Treffen von Entscheidungen wird begründet und es werden Grundtypen von Wahrscheinlichkeiten erläutert. Besondere Beachtung finden dabei subjektive Wahrscheinlichkeiten, die dazu dienen, persönliche Erfahrungen und Informationen bei Entscheidungen zu berücksichtigen.
Anschließend wird verdeutlicht, dass Entscheider aufgrund unterschiedlicher Risikoeinstellungen in Risikosituationen nicht unbedingt die gleiche Alternative wählen, und es wird diskutiert, wie sich solche Risikopräferenzen im Entscheidungskalkül abbilden lassen. Allerdings ist es nicht einfach, eine solche Abbildung in konkreten Entscheidungssituationen konsequent vorzunehmen. Daher werden in diesem Kapitel Dominanzkriterien behandelt, mit deren Hilfe ein Entscheider eine Vorauswahl von Alternativen treffen kann. Dominanzkriterien stellen nur geringe Anforderungen an die Präferenzvorstellungen eines Entscheiders. Mit einem Kriterium der Vorauswahl kann zwar grundsätzlich ein Entscheidungsproblem nicht gelöst werden, es kann jedoch die Entscheidungsfindung durch die mit der Vorauswahl einhergehende Reduzierung der Alternativenmenge erleichtern.
Nach Reduzierung der Alternativenmenge durch Dominanzkriterien wird die eigentliche Entscheidung mit Hilfe eines Entscheidungskriteriums bei Risiko getroffen. Mit der μ-Regel und dem (μ,σ)-Prinzip werden zwei klassische Entscheidungskriterien bei Risiko vorgestellt, die eine relativ einfache Auswahl aus einer Alternativenmenge ermöglichen. Bei der μ-Regel wird im Präferenzwert für eine Alternative nur der Erwartungswert (μ) der Zielgröße berücksichtigt, beim (μ,σ)-Prinzip zusätzlich noch ihre Standardabweichung (σ) als Maß für das Risiko. Wie gezeigt wird, können jedoch beide Kriterien zu problematischen Entscheidungen führen. Grund dafür ist, dass weder bei der μ-Regel noch bei dem (μ,σ)-Prinzip explizit berücksichtigt wird, welche konkreten Ergebnisse der Alternativenwahl zugrunde liegen und welche Wahrscheinlichkeiten ihnen entsprechen.
Helmut Laux, Robert M. Gillenkirch, Heike Y. Schenk-Mathes
5. Rationale Entscheidung bei Risiko: Das Bernoulli-Prinzip
Zusammenfassung
Dieses fünfte Kapitel des Buches befasst sich mit dem Problem, wie Entscheidungen bei Risiko rational getroffen werden können. Hierzu wird das Bernoulli-Prinzip vorgestellt, bei dem ein Entscheider den Präferenzwert einer Alternative als Erwartungswert des Nutzens aus den Ergebnissen der Alternative bestimmt. Das Bernoulli-Prinzip beruht, anders als die klassischen Entscheidungskriterien bei Risiko, auf plausiblen Axiomen rationalen Verhaltens. Aufgrund dieser axiomatischen Fundierung ist das Bernoulli-Prinzip das wichtigste normative Entscheidungskriterium bei Risiko. Da sich ein Bernoulli-rationaler Entscheider am Erwartungswert seines Nutzens orientiert, wird die auf dem Bernoulli-Prinzip beruhende normative Entscheidungstheorie bei Risiko auch Erwartungsnutzentheorie genannt.
Bei der Anwendung des Bernoulli-Prinzips wird zunächst auf der Grundlage relativ einfacher hypothetischer Entscheidungssituationen eine Nutzenfunktion ermittelt, die jedem möglichen Ergebnis einen (subjektiven) Nutzen zuordnet. Gewählt wird dann jene Alternative, die den Erwartungswert des Nutzens der möglichen Ergebnisse maximiert. Die Fragen, wie eine Nutzenfunktion in unterschiedlichen Entscheidungssituationen ermittelt werden kann und welche Eigenschaften sie aufweist, nehmen in diesem Kapitel einen breiten Raum ein. Zudem wird gezeigt, wie das Bernoulli-Prinzip anschaulich aus einfachen und plausiblen Axiomen rationalen Handelns deduziert werden kann.
Über die Nutzenfunktion werden im Bernoulli-Prinzip die individuellen Risikopräferenzen eines Entscheiders erfasst. Aufbauend auf den grundlegenden Darstellungen werden Maße für solche Risikopräferenzen dargestellt. Schließlich werden kritische Einwände gegen das Bernoulli-Prinzip diskutiert und es wird untersucht, unter welchen speziellen Bedingungen die klassischen Entscheidungskriterien des Kap. 4, die μ-Regel und das (μ,σ)-Prinzip, im Einklang mit dem Bernoulli-Prinzip stehen.
Dieses Kapitel ist von grundlegender Bedeutung für das Veständnis der Darstellungen in allen folgenden Kapiteln. In Kap. 6 wird das Bernoulli-Prinzip mit deskriptiven Entscheidungstheorien bei Risiko konfrontiert. In den späteren Kapiteln, die sich primär mit der Problematik rationaler Entscheidung in unterschiedlichen Entscheidungssituationen bei Risiko befassen, wird davon ausgegangen, dass sich der bzw. die Entscheider am Bernoulli-Prinzip orientieren.
Helmut Laux, Robert M. Gillenkirch, Heike Y. Schenk-Mathes
6. Deskriptive Entscheidungstheorie bei Risiko
Zusammenfassung
Das in Kap. 5 diskutierte Bernoulli-Prinzip (die Erwartungsnutzentheorie) zeigt Menschen, die rational im Sinne der zugrunde liegenden Axiome handeln wollen, wie optimale Entscheidungen begründet und getroffen werden können. Allerdings ist es nicht einfach, dieses Prinzip bei konkreten Entscheidungen konsequent umzusetzen, vor allem wenn die Entscheidungen intuitiv und nicht modellfundiert getroffen werden. Daher ist es nicht verwunderlich, dass in der Realität häufig Entscheidungen beobachtet werden, die im Widerspruch zum Bernoulli-Prinzip stehen. Hinzu kommt, dass abweichende Entscheidungen auch daraus resultieren können, dass Axiome des Bernoulli-Prinzips von den betreffenden Entscheidern gar nicht akzeptiert werden.
An diesen Beobachtungen knüpft dieses sechste Kapitel des Buches an, das deskriptive Entscheidungstheorien bei Risiko vorstellt. Deskriptive Entscheidungstheorien beruhen auf Beobachtungen aus zahlreichen Laborexperimenten, bei denen die Teilnehmer mit einfachen Entscheidungssituationen (bei Risiko) konfrontiert wurden und mit großer Mehrheit und in systematischer Weise Entscheidungen trafen, die gegen Axiome des Bernoulli-Prinzips verstoßen. Deskriptive Entscheidungstheorien versuchen, den beobachteten Verstößen Rechnung zu tragen.
Nach einer Erläuterung der Bedeutung deskriptiver Entscheidungstheorien gibt das Kapitel zunächst eine Übersicht über empirische Befunde, die systematische Abweichungen realer Entscheidungen von den Axiomen des Bernoulli-Prinzips aufzeigen. Danach werden Entscheidungskriterien bzw. Modelle diskutiert, die den beobachteten Abweichungen Rechnung tragen. Besondere Beachtung findet das am weitesten verbreitete Modell der deskriptiven Entscheidungstheorie, die Prospect-Theorie von Kahneman und Tversky in der ursprünglichen Fassung aus dem Jahr 1979. In der Prospect-Theorie tritt eine spezielle, von einem Referenzpunkt abhängige Wertfunktion an die Stelle der Nutzenfunktion des Bernoulli-Prinzips. Außerdem werden die Eintrittswahrscheinlichkeiten der Ergebnisse durch subjektive Wahrscheinlichkeitsgewichte ersetzt.
Aufbauend auf den Darstellungen der ursprünglichen Prospect-Theorie wird ihre Erweiterung zur Kumulativen Prospect-Theorie diskutiert, bei der die Wahrscheinlichkeitsgewichte für die Ergebnisse einer Alternative davon abhängen, welchen Rang das jeweilige Ergebnis in der Präferenzordnung über alle Ergebnisse dieser Alternative einnimmt.
Die abschließenden Darstellungen des Kapitels sind dem Vergleich der deskriptiven Ansätze mit dem Bernoulli-Prinzip gewidmet. Dabei steht der Erklärungsgehalt der deskriptiven Ansätze für komplexe Entscheidungssituationen und ihre Bedeutung für die Fundierung ökonomischer Theorien im Mittelpunkt der Betrachtung.
Erkenntnisse der deskriptiven Entscheidungstheorie sind auch für solche Entscheider von grundlegender Bedeutung, die sich am Bernoulli-Prinzip orientieren und die betreffenden deskriptiven Entscheidungstheorien aus normativer Sicht ablehnen: Wenn das Verhalten anderer die eigene Entscheidungssituation beeinflusst, ist es eben sinnvoll, dieses Verhalten im eigenen Entscheidungskalkül zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob man dieses Verhalten als „rational“ oder als „irrational“ beurteilt. Bei der Prognose von Entscheidungen geht es eben primär nicht darum, welche Entscheidungen gemäß der präskriptiven Entscheidungstheorie getroffen werden sollten, sondern um die tatsächlich zugrunde gelegten Entscheidungskriterien.
Helmut Laux, Robert M. Gillenkirch, Heike Y. Schenk-Mathes

Individualentscheidungen bei Risiko – Vertiefung

Frontmatter
7. Bewertung unsicherer Zahlungsüberschüsse
Zusammenfassung
In diesem siebten Kapitel des Buches werden die in den Kap. 4 und 5 geschaffenen Grundlagen des rationalen Entscheidens bei Risiko angewendet, um ein in realen wirtschaftlichen Entscheidungssituationen allgegenwärtiges Problem zu analysieren: Die subjektive Bewertung unsicherer Zahlungsüberschüsse.
Ansprüche auf unsichere Zahlungsüberschüsse resultieren beispielsweise aus dem Kauf von Aktien oder anderen Wertpapieren, bei denen die Rückflüsse (Dividenden, Zinsen, Erlöse beim späteren Verkauf) nicht sicher sind, aus der eigenen Arbeit, aus Sachinvestitionen (etwa dem Kauf eines Hauses zum Zweck, es zu vermieten) oder aus Lotterielosen. Diese Beispiele stehen repräsentativ für eine Vielzahl von Bereichen des täglichen Wirtschaftslebens, in denen Menschen Entscheidungen über den Kauf oder Verkauf von Ansprüchen auf unsichere Zahlungsüberschüsse treffen. Auf der Basis des Bernoulli-Prinzips wird gezeigt, wie Werte von Zahlungsüberschüssen ermittelt werden können und welche Höhe sie aufweisen.
Bei der subjektiven Bewertung eines Überschusses ist die Perspektive des Entscheiders zu berücksichtigen. Erwägt er, den Überschuss zu kaufen, so ist der Wert (der sogenannte Grenzpreis) aus der Käuferperspektive zu bestimmen. Erwägt er, ihn zu verkaufen, so ist der Wert aus der Verkäuferperspektive maßgeblich. Der Wert aus Käufersicht kennzeichnet den maximalen Preis, den der Entscheider (bei rationalem Verhalten) bereit ist zu zahlen, um den Überschuss zu kaufen, etwa die maximale Anschaffungsauszahlung für ein Investitionsprojekt, mit dem dieser Überschuss erzielt wird. Der Wert aus Verkäufersicht kennzeichnet den minimalen Preis, den der Entscheider erzielen muss, damit er bereit ist, den Überschuss zu verkaufen. Er wird in der Entscheidungstheorie auch Sicherheitsäquivalent genannt.
Zunächst wird das grundlegende Konzept der Bewertung nach dem Bernoulli-Prinzip abgeleitet. Darauf aufbauend wird das Konzept auf die Bewertung eines unsicheren Zahlungsüberschusses angewendet, der nicht isoliert, sondern im Kontext mit anderen Einkünften des Entscheiders zu betrachten ist. Dabei hängt der Wert eines unsicheren Zahlungsanspruchs grundsätzlich davon ab, welche Einkünfte der Entscheiders sonst noch erzielt und welche stochastischen Beziehungen zwischen diesen und dem zu bewertenden Überschuss bestehen.
Im Rahmen eines expliziten Vergleichs der Verkäufer- und der Käuferperspektive der Bewertung wird gezeigt, dass die beiden Perspektiven nur in Ausnahmefällen übereinstimmende Werte implizieren. Darauf aufbauend werden zwei Spezialfälle betrachtet, die auch in späteren Kapiteln zu Zwecken der Veranschaulichung der Zusammenhänge wiederholt aufgegriffen werden. Beide Spezialfälle erlauben eine Repräsentation der Präferenzfunktion des Entscheiders als (μ,σ)-Präferenzfunktion.
Das Kapitel schließt mit einer Diskussion von Anwendungsproblemen der Bewertung. Die Darstellungen schaffen die Grundlage für das Verständnis der Kap. 8, 13, 14 und 15.
Helmut Laux, Robert M. Gillenkirch, Heike Y. Schenk-Mathes
8. Mischung von Risiken
Zusammenfassung
Vor dem Hintergrund von Überlegungen des Kap. 7 wird in diesem achten Kapitel das Problem untersucht, wie ein Entscheider Risiken durch Portefeuillebildung mischen und auf diese Weise eine optimale Gesamtposition herstellen kann. Der klassische Anwendungsfall für dieses allgemeine Problem ist die Bildung eines Wertpapierportefeuilles, die im Rahmen der Portefeuilletheorie untersucht wird. Allgemein versteht man unter einem Portefeuille einen Bestand aus verschiedenen Vermögenspositionen. Ein Portefeuille muss also nicht unbedingt (nur) aus Wertpapieren bestehen.
Bei Risikoneutralität würde sich das Problem der Risikomischung erübrigen. Der Entscheider würde ohne Rücksicht auf das Risiko die Portefeuillebildung nur aufgrund von Ertragschancen vornehmen. In ein Portefeuille von Wertpapieren z. B. würde er sein gesamtes verfügbares Kapital nur in dasjenige Papier investieren, das den höchsten Erwartungswert der Rendite bietet. In der Realität sind jedoch Investoren im Allgemeinen risikoavers. Für sie ist es grundsätzlich optimal, nicht „alles auf eine Karte zu setzen“, sondern mehrere riskante Positionen miteinander zu mischen. Risikoaverse Entscheider nehmen aus Gründen der Risikomischung in gewissem Umfang auch solche Positionen in ihr Portefeuille auf, mit denen der Erwartungswert der Zielgröße (Rendite, Gewinn oder Endvermögen) sinkt.
In diesem Kapitel wird zunächst demonstriert, welche Vorteile die Mischung von Risiken einem risikoaversen Entscheider bietet. Darauf aufbauend wird gezeigt, wie für ein optimales Portefeuille aus Wertpapieren ermittelt werden kann und welche Eigenschaften dieses aufweist. Dabei werden zwei alternative Vorgehensweisen zur Ermittlung einer optimalen Risikomischung unterschieden. Bei der Ersten wird das Optimum gemäß dem Bernoulli-Prinzip direkt ermittelt. Die Zweite ist zweistufig und liegt der klassischen Portefeuille-Theorie zugrunde, in der unterstellt wird, der Entscheider orientiere sich am (μ,σ)-Prinzip. Dabei wird zunächst die Menge der sogenannten (μ,σ)-effizienten Portefeuilles (Risikomischungen) ermittelt, um daraus anschließend auf der Basis der (μ,σ)-Präferenzfunktion des Entscheiders ein optimales Portefeuille auszuwählen.
Die klassische Portefeuille-Theorie auf der Basis des (μ,σ)-Prinzips steht im Vordergrund des Kapitels. Besondere Beachtung finden dabei die Ermittlung und die Eigenschaften effizienter und optimaler Portefeuilles für unterschiedliche Entscheidungssituationen. Abschließend wird die Bedeutung unterschiedlicher Risikotypen für die optimale Risikomischung diskutiert.
Auf der Basis der Darstellungen in diesem Kapitel wird im Kap. 13 untersucht, wie die Preisbildung auf dem Kapitalmarkt erklärt werden kann und wie die Gleichgewichtspreise von ihren Determinanten abhängen. Es wird dann auch gezeigt, wie sich Vorteile der Portefeuillebildung in den Preisen der Wertpapiere niederschlagen. Die Darstellungen dieses Kapitels haben zudem grundlegende Bedeutung für die Fundierung von Zielen für die Unternehmenspolitik, die aufbauend auf Kap. 13 in den Kap. 14 und 15 vorgenommen wird.
Helmut Laux, Robert M. Gillenkirch, Heike Y. Schenk-Mathes
9. Flexible Planung und Optimierung von Entscheidungsspielräumen
Zusammenfassung
Bei der Analyse von Entscheidungsproblemen bei Risiko in den vorherigen Kapiteln wurden die nachfolgenden Entscheidungen zukünftiger Zeitpunkte bzw. Perioden nicht explizit berücksichtigt. Die Trennung der gegenwärtigen Entscheidungen von zukünftigen mag sinnvoll erscheinen, weil es im Grunde zunächst nur darum geht, welche Maßnahmen gegenwärtig zu ergreifen sind; über die Aktionen zukünftiger Zeitpunkte kann immer noch dann entschieden werden, wenn diese Aktionen zur Auswahl stehen.
Gleichwohl bestehen zwischen den Entscheidungen über Aktionen zu verschiedenen Zeitpunkten im Allgemeinen enge (intertemporale) Abhängigkeiten, sodass die gegenwärtigen Aktionen nicht isoliert von den zukünftigen optimal bestimmt werden können. Andererseits sind in Risikosituationen die zukünftigen Aktionsmöglichkeiten sowie die zukünftigen Ausprägungen entscheidungsrelevanter Daten (die „Umweltentwicklung“) nicht mit Sicherheit bekannt. Da sich der Informationsstand im Zeitablauf verbessert, erscheint es sinnvoll, über die Maßnahmen eines zukünftigen Zeitpunkts letztlich erst dann zu entscheiden, wenn dieser Zeitpunkt eingetreten ist. Es können dann alle relevanten Informationen berücksichtigt werden, die bis zu diesem Zeitpunkt eingehen. Trotzdem darf nicht auf die Planung zukünftiger Maßnahmen verzichtet werden, da sonst die Basis für die Beurteilung gegenwärtiger Maßnahmen fehlt.
In diesem neunten Kapitel des Buches wird ein Ausweg aus diesem Dilemma aufgezeigt. Dieser besteht in dem Konzept der flexiblen Planung, bei dem für zukünftige Zeitpunkte bzw. Perioden bedingte (oder Eventual-) Pläne für alternative mögliche Umweltentwicklungen erstellt werden. Welcher dieser Pläne realisiert wird, hängt dann von der eintretenden Umweltentwicklung ab.
Zu Beginn des Kapitels wird zunächst die Bedeutung der flexiblen Planung als Entscheidungsprinzip verdeutlicht. Danach werden Modelle der flexiblen Planung diskutiert und Implikationen der flexiblen Planung verdeutlicht. Diese Implikationen werden mit denen der („rollenden“) „starren“ Planung verglichen, bei der zukünftige Maßnahmen nicht in Form bedingter Pläne, sondern einheitlich für alle möglichen Umweltentwicklungen geplant werden. Abschließend wird verdeutlicht, wie Handlungsspielräume als Optionen für zukünftige Maßnahmen interpretiert werden können und welche Bedeutung das Konzept der flexiblen Planung für die Bewertung, Gestaltung und Nutzung von Handlungsspielräumen hat.
Dieses Kapitel bietet wichtige Grundlagen für das Verständnis der Bewertungsmodelle für zusätzliche Informationen (Kap. 10) und die Fundierung von Unternehmenszielen im Mehrperioden-Fall (Kap. 15).
Helmut Laux, Robert M. Gillenkirch, Heike Y. Schenk-Mathes
10. Bildung eines Wahrscheinlichkeitsurteils und Bewertung von Informationen
Zusammenfassung
In diesem Buch stehen Entscheidungen bei Risiko im Vordergrund. Eine Entscheidungssituation bei Risiko liegt definitionsgemäß vor, wenn der Entscheider über ein Wahrscheinlichkeitsurteil bezüglich der maßgeblichen Umweltzustände und entsprechend der Ergebnisse der Alternativen verfügt. Die Bildung eines Wahrscheinlichkeitsurteils bzw. dessen Verbesserung erweist sich dabei als ein zentraler Bestandteil der Analyse von Alternativen. Damit befasst sich dieses zehnte Kapitel des Buches.
Ein Wahrscheinlichkeitsurteil kann insbesondere dadurch verbessert werden, dass der Entscheider zusätzliche Informationen über die möglichen Umweltzustände beschafft. Da solche Informationen im Allgemeinen nicht kostenlos sind, erfordert die Entscheidung über die Verbesserung eines Wahrscheinlichkeitsurteils ein Abwägen der Kosten und des Wertes der betreffenden Informationen. Im Vordergrund dieses Kapitels steht die Ermittlung dieses Wertes. Das Informationswertkonzept zeigt, wie der subjektive Wert zusätzlicher Informationen (ihr subjektiver Grenzpreis aus Sicht eines potentiellen Käufers) formal ermittelt werden kann. Das Informationswertkonzept hat prinzipielle Bedeutung für die Bewertung kognitiver Prozesse zur Präzisierung eines Wahrscheinlichkeitsurteils bei gegebenem Informationsstand.
Zunächst wird untersucht, wie subjektive Wahrscheinlichkeiten für die Umweltzustände bei gegebenem Informationsstand quantifiziert werden können. Da eine direkte Schätzung von Wahrscheinlichkeiten ein relativ großes Differenzierungsvermögen voraussetzt, sind indirekte Messverfahren entwickelt worden, bei denen der Entscheider einfache Entscheidungsprobleme zu lösen hat, in denen Wahrscheinlichkeiten nur implizit angesprochen werden. Einige davon werden zu Beginn dieses Kapitels dargestellt.
Danach wird gezeigt, wie ein rationaler Entscheider seine Wahrscheinlichkeitsvorstellungen bei Zugang zusätzlicher Informationen ändert. Darauf aufbauend wird das Informationswertkonzept dargestellt. Bei der Bewertung von Informationen sind die möglichen Änderungen der Wahrscheinlichkeitsvorstellungen sowie deren Einfluss auf die Alternativenwahl abzubilden. Entscheidend dabei ist, dass diese Abbildung a priori, d. h. vor Zugang der Informationen erfolgt, denn Modelle der Informationsbewertung müssen dem Umstand Rechnung tragen, dass der Entscheider die Informationen bewerten muss, bevor er ihren (genauen) Inhalt kennt. Die Informationsbewertung folgt daher dem Prinzip der flexiblen Planung (Kap. 9): Jedem möglichen Informationsergebnis wird eine Handlungsalternative zugeordnet, die bei diesem Informationsergebnis optimal ist und bei diesem Ergebnis folglich realisiert würde. Der Informationswert ergibt sich dann aus der Gegenüberstellung der optimalen Entscheidung ohne zusätzliche Information mit dem optimalen flexiblen Plan für den Fall der Informationsbeschaffung.
Auf der Grundlage der Darstellung des Informationswertkonzepts wird untersucht, wie die Höhe des Informationswertes von seinen Determinanten abhängt. Damit bieten Modelle zur Informationsbewertung auch ohne ihre explizite Anwendung Orientierungshilfe für die Entscheidung, darüber, ob zusätzliche Informationen eingeholt werden sollen oder nicht.
Abschließend wird die Problematik der Ermittlung eines optimalen Informationsstandes bei mehreren Informationsmöglichkeiten behandelt und der subjektive Charakter der Informationsverarbeitung und Informationsbewertung diskutiert.
Helmut Laux, Robert M. Gillenkirch, Heike Y. Schenk-Mathes

Teilung von Risiken

Frontmatter
11. Pareto-effiziente Risikoteilung
Zusammenfassung
In den vorangegangenen Kap. 1 bis 10 wurden Entscheidungsprobleme aus der Sicht eines einzelnen Entscheiders untersucht. Diese Sicht ist aber für viele Entscheidungssituationen nicht charakteristisch, denn regelmäßig partizipieren mehrere Personen an den aus einer Entscheidung resultierenden Ergebnissen. Betrachtet man Entscheidungen in Unternehmen, so sind es regelmäßig Gruppen, die Entscheidungen treffen und deren Konsequenzen gemeinsam tragen. Die Bildung von Gruppen erfolgt oft unter dem Gesichtspunkt, Risiken aus ungewissen finanziellen Erfolgen bzw. Überschüssen auf die Mitglieder der Gruppe zu verteilen. Z. B. werden unternehmerische Risiken auf die Eigentümer verteilt, aber auch Kreditgeber oder angestellte Mitarbeiter übernehmen Risiken. Dem grundsätzlichen Problem, wie unsichere Ergebnisse auf mehrere beteiligte Entscheider optimal aufgeteilt werden können, ist dieses elfte Kapitel des Buches gewidmet.
Zu Beginn dieses Kapitels wird gezeigt, dass die Aufteilung von Risiken den Beteiligten zwei grundsätzliche Vorteile bietet: Erstens können sie durch die Risikoteilung im Allgemeinen schon bei gegebenen riskanten Investitionen Vorteile erzielen. Zweitens können sie finanzielle Vorteile realisieren, indem sie gemeinsam riskante Investitionen durchführen, die für einen Einzelnen zu riskant wären.
Danach wird untersucht, wie so genannte Pareto-effiziente Teilungsregeln ermitteln werden können. Orientieren sich die Entscheider am Bernoulli-Prinzip, so ist eine Risikoteilung Pareto-effizient, wenn es nicht möglich ist, durch Umverteilung der Erfolge in den einzelnen Umweltzuständen den Erwartungswert des Nutzens mindestens eines der Beteiligten zu erhöhen, ohne den Erwartungswert des Nutzens mindestens eines anderen zu reduzieren. Aufbauend auf den Erläuterungen zur Ermittlung Pareto-effizienter Teilungsregeln wird untersucht, wie diese von den Risikoeinstellungen (den Nutzenfunktionen) der Beteiligten und ihren subjektiven Wahrscheinlichkeitsvorstellungen bezüglich der Umweltzustände bzw. der zu teilenden zustandsabhängigen Erfolge abhängen.
Die Darstellungen in diesem Kapitel werden im nächsten Kap. 12 erweitert, indem untersucht wird, wie sich Risikoteilungen auf die Präferenzen der beteiligten Entscheider bezüglich riskanter Alternativen auswirken und wie Risikoteilungen auszugestalten sind, damit alle beteiligten Entscheider die gleiche Präferenzordnungen bezüglich riskanter Alternativen bilden. Das Kap. 11 und das nächste Kap. 12 sind auch für das Verständnis der Kapitalmarkttheorie und für die Fundierung von Unternehmenszielen von grundlegender Bedeutung (Kap. 13, 14 und 15). In Kap. 13 wird z. B. gezeigt, inwieweit Risiken durch Handel mit Wertpapieren auf dem Kapitalmarkt Pareto-effizient geteilt werden. Eine solche Teilung ist eine Bedingung dafür, dass keine Konflikte zwischen den Gesellschaftern eines Unternehmens bestehen und für alle dasselbe finanzwirtschaftliche Unternehmensziel maßgeblich ist.
Helmut Laux, Robert M. Gillenkirch, Heike Y. Schenk-Mathes
12. Anreizkompatible Risikoteilung
Zusammenfassung
Wie bereits in Kap. 11 ist auch diesem zwölften Kapitel eine Gruppe von Entscheidern, die einen gemeinsamen unsicheren Erfolg untereinander aufteilen, Ausgangspunkt der Betrachtungen. Ausgehend von einer Pareto-effizienten Risikoteilung (Kap. 11) kann bei gegebener Wahrscheinlichkeitsverteilung über den Erfolg der Erwartungswert des Nutzens keines Entscheiders erhöht werden, ohne dass der eines anderen sinkt. Bei einer Änderung der Wahrscheinlichkeitsverteilung durch Investitionen oder andere Maßnahmen kann die Situation eintreten, dass bei der vereinbarten Teilungsregel einige einen Vorteil und andere einen Nachteil erzielen und sich dadurch Konflikte bezüglich der Durchführung der betreffenden Maßnahmen ergeben.
Um Konflikte zu vermeiden oder abzuschwächen, können die Gruppenmitglieder ein Interesse daran haben, eine anreizkompatible Teilungsregel zu vereinbaren, mit der bei beliebigen Maßnahmen alle Beteiligten simultan einen finanziellen Vorteil (einen höheren Erwartungswert des Nutzens) oder Nachteil erzielen. In diesem Kapitel wird untersucht, wie solche Teilungsregeln ermittelt werden können und welche Gestalt sie für unterschiedliche Konstellationen von Risikoeinstellungen (Nutzenfunktionen) der Beteiligten aufweisen. Außerdem werden Konflikte bei nicht anreizkompatiblen Teilungsregeln verdeutlicht. Dabei wird wie in Kap. 11 davon ausgegangen, die beteiligten Entscheider orientierten sich am Bernoulli-Prinzip.
Ideal wäre es, wenn eine vereinbarte anreizkompatible Teilungsregel das Risiko auch Pareto-effizient teilen würde. Wie jedoch gezeigt wird, besteht im Allgemeinen ein Konflikt zwischen anreizkompatibler und Pareto-effizienter Risikoteilung. Nur linearePareto-effiziente Teilungsregeln implizieren Anreizkompatibilität.
Schließlich werden zwei Grundformen der Risikoteilung diskutiert, auf die sich praktisch alle im Wirtschaftsleben verbreiteten Teilungen zurückführen lassen. Ihre potentiellen Vor- und Nachteile in unterschiedlichen Entscheidungssituationen werden vor dem Hintergrund der theoretischen Konstrukte Anreizkompatibilität und Pareto-Effizienz verglichen.
Die Darstellungen in diesem Kapitel sind Grundlage für die theoretische Fundierung von Unternehmenszielen in den Kap. 14 und 15. Nur wenn das Risiko zwischen den Gesellschaftern eines Unternehmens anreizkompatibel geteilt wird, existiert ein Unternehmensziel, das im Einklang mit den finanzwirtschaftlichen Interessen aller Gesellschafter steht.
Helmut Laux, Robert M. Gillenkirch, Heike Y. Schenk-Mathes

Fundierung von Unternehmenszielen

Frontmatter
13. Kapitalmarkttheoretische Grundlagen der Fundierung von Unternehmenszielen
Zusammenfassung
In diesem Kap. 13 und in den nachfolgenden Kap. 14 und 15 wird ein Problem untersucht, das für die (betriebswirtschaftliche) Entscheidungstheorie grundlegend ist: Welche finanzwirtschaftlichen Ziele bzw. Entscheidungskriterien sollen den Entscheidungen zugrunde gelegt werden, die in einem Unternehmen getroffen werden? Dabei wird davon ausgegangen, dass sich sowohl der oder die Eigentümer einer Personengesellschaft als auch die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft (etwa einer börsennotierten Aktiengesellschaft) am Ziel orientieren, gemäß dem Bernoulli-Prinzip den Erwartungswert des Nutzens ihrer finanziellen Überschüsse zu maximieren (subjektive Nutzenmaximierung). Zudem wird berücksichtigt, dass jeder Eigentümer ein grundsätzliches Interesse daran hat, über den Kapitalmarkt Risiken zu mischen (Kap. 8) bzw. mit anderen zu teilen (Kap. 11, 12). Die Möglichkeiten der Risikoteilung haben einen großen Einfluss auf die Formulierung von Unternehmenszielen.
Für die Risikoteilung und Fundierung von Unternehmenszielen ist von entscheidender Bedeutung, welche Eigenschaften der Kapitalmarkt aufweist. In diesem Kapitel werden daher die kapitalmarkttheoretischen Grundlagen für die Analysen in den folgenden Kapiteln gelegt. Zunächst werden die Voraussetzungen der Vollkommenheit, der Vollständigkeit und der Arbitragefreiheit des Kapitalmarktes dargestellt. Mit dem State Preference Ansatz (SPA) und dem Capital Asset Pricing Model (CAPM) werden daraufhin zwei Modelle vorgestellt und miteinander verglichen, die der Erklärung der Preisbildung auf dem Kapitalmarkt dienen. Dabei wird jeweils untersucht, wie die Preise (Marktwerte) von Wertpapieren von ihren Determinanten abhängen und wie das Risiko zwischen den Investoren auf dem Kapitalmarkt geteilt wird. Wie in Kap. 12 gezeigt wurde, ist eine effiziente Risikoteilung eine wichtige Bedingung für Anreizkompatibilität bezüglich der Gesellschafter eines Unternehmens.
Bei den Darstellungen werden wie in den vorangegangenen Kapiteln vorwiegend absolute Einkommensgrößen bzw. Überschüsse betrachtet und nicht, wie in Lehrbüchern zur Finanzwirtschaft üblich, Renditedarstellungen verwendet. Die Darstellungsform in absoluten Größen erleichtert die theoretische Analyse von Unternehmenszielen (Kap. 14 und 15) und damit kompatibler finanzwirtschaftlicher Entscheidungskriterien.
Helmut Laux, Robert M. Gillenkirch, Heike Y. Schenk-Mathes
14. Unternehmensziele und Entscheidungskriterien im Einperioden-Fall
Zusammenfassung
In diesem Kap. 14 wird aufbauend auf den Darstellungen im vorangegangenen Kap. 13 untersucht, wie finanzwirtschaftliche Ziele für ein Einzelunternehmen mit einem einzigen Eigentümer und für ein börsennotiertes Unternehmen mit vielen Eigentümern entscheidungstheoretisch fundiert werden können und welche Entscheidungskriterien mit diesen Zielen im Einklang stehen. Dabei wird der Einperioden-Fall betrachtet, und es wird wieder davon ausgegangen, dass sich der oder die Eigentümer des Unternehmens am Ziel orientieren, den Erwartungswert des Nutzens ihrer finanziellen Überschüsse (kurz: ihren subjektiven Nutzen) zu maximieren.
Von großer praktischer Bedeutung ist die Suche nach einem einmütig akzeptierten und zugleich operationalen Unternehmensziel, das personenunabhängig als Orientierung für die Unternehmenspolitik festgelegt werden kann. Daher findet das Problem besondere Beachtung, welche Beziehung zwischen dem Ziel der Maximierung des Marktwertes des Unternehmens und der Maximierung des subjektiven Nutzens eines einzelnen Eigentümers besteht. Es wird gezeigt, dass unter bestimmten Kapitalmarktbedingungen beide Ziele miteinander in Einklang stehen. Gemäß dem Ziel der Marktwertmaximierung können dann die für alle Gesellschafter optimalen Entscheidungen unabhängig von deren Nutzenfunktionen und Einkünften im privaten Bereich getroffen werden.
Als theoretische Grundlage der Analyse dienen der State Preference Ansatz (SPA) und das Capital Asset Pricing Model (CAPM), die in Kap. 13 dargestellt wurden. Für beide Modelltypen wird untersucht, unter welchen Bedingungen die beiden Ziele Marktwertmaximierung und subjektiver Nutzenmaximierung miteinander in Einklang stehen, aus welchen Gründen Konflikte zwischen den Zielen auftreten können und welche Implikationen für die Unternehmensplanung daraus resultieren.
Zudem wird in diesem Kapitel ausführlich untersucht, inwieweit Marktwertmaximierung als Ziel für das Einzelunternehmen (für einen einzelnen Eigentümer) geeignet ist und wie die Eignung dieses Ziels von den Eigenschaften des Kapitalmarktes und vom Kapitalmarktzugang des Eigentümers abhängt. Dabei wird gezeigt, dass bei Unvollkommenheit und/oder Unvollständigkeit des Kapitalmarktes der subjektive Wert einer Investition, dessen Kauf durch einen individuellen Investor erwogen wird, grundsätzlich niedriger ist als der Marktwert seines Überschusses. Damit wird ein grundsätzlicher Konflikt zwischen Marktwert- und subjektiver Nutzenmaximierung sichtbar. Die Investitionsplanung des Alleineigentümers muss sich dann explizit an einem subjektiven Entscheidungskriterium (etwa dem Bernoulli-Prinzip) orientieren, und ein optimales Investitionsprogramm kann nicht unabhängig von den optimalen Transaktionen des Eigentümers auf dem Kapitalmarkt ermittelt werden; beide Bereiche sind simultan zu planen.
Wie gezeigt wird, stellen Aspekte der Unvollkommenheit und der Unvollständigkeit des Kapitalmarktes das Ziel der Marktwertmaximierung für das börsennotierte Unternehmen (weit) weniger in Frage als für das Einzelunternehmen. Auf denDarstellungen aufbauend werden für beide Eigentümerstrukturen charakteristische Probleme der Entscheidung bzw. der Unternehmensplanung dargestellt und verglichen.
Helmut Laux, Robert M. Gillenkirch, Heike Y. Schenk-Mathes
15. Unternehmensziele und Entscheidungskriterien im Mehrperioden-Fall
Zusammenfassung
In diesem Kap. 15 wird untersucht, inwieweit sich die Ergebnisse des vorangegangenen Kap. 14 von dem dort betrachteten Einperioden-Fall auf den Mehrperioden-Fall übertragen lassen. Dazu wird angenommen, dass die unternehmerischen Aktivitäten letztlich dazu dienen, den Erwartungswert des Nutzens des Eigentümers, den dieser aus dem Strom seiner Konsumausgaben erfährt, zu maximieren. Die unternehmerische Zielsetzung sollte daher im Einklang mit seiner Nutzenfunktion für Konsumausgaben stehen.
Dieses Kapitel befasst sich daher zunächst mit den Eigenschaften und den Problemen der Ermittlung mehrperiodiger Nutzenfunktionen. Dabei wird insbesondere deutlich, dass für mehrperiodige Entscheidungsprobleme grundsätzlich keine theoretisch fundierten und zugleich operationalen Zielfunktionen existieren.
Danach werden Ergebnisse des Kap. 14 zur Kompatibilität von Marktwertmaximierung und subjektiver Nutzenmaximierung auf den Mehrperioden-Fall übertragen. Ist der Kapitalmarkt vollkommen und vollständig, so besteht zwar zwischen beiden Ziele auch im Mehrperioden-Fall kein Widerspruch. Jedoch stößt bereits hier die optimale Unternehmensplanung an enge Grenzen, weil die Ermittlung „exakter“ Marktwerte im Mehrperioden-Fall einen prohibitiv hohen Aufwand verursacht.
Ist der Kapitalmarkt nicht vollständig und vollkommen, so besteht grundsätzlich ein Konflikt zwischen Marktwertmaximierung und subjektiver Nutzenmaximierung. Die optimalen Investitionsentscheidungen für den Alleineigentümer eines Unternehmens können dann theoretisch „exakt“ nur auf der Basis eines Totalmodells getroffen werden, das simultan die Investitionsplanung, die Portefeuilleplanung und die Konsumplanung beinhaltet. Das setzt allerdings die Kenntnis der Nutzenfunktion des Eigentümers für Konsumausgaben und seiner Aktionsmöglichkeiten am Kapitalmarkt voraus. Aber selbst bei dieser Kenntnis werden die Formulierung und die Lösung eines Totalmodells am prohibitiv hohen Planungsaufwand scheitern.
Wenn der Kapitalmarkt nicht vollständig und vollkommen ist, besteht zudem grundsätzlich ein Konflikt zwischen den Gesellschaftern eines börsennotierten Unternehmens. Marktwertmaximierung kann dann nicht im Einklang mit kollektiver subjektiver Nutzenmaximierung stehen. Es existiert auch kein anderes Unternehmensziel, das im Sinne aller Gesellschafter ist. Bezüglich der Ermittlung eines für einen einzelnen Gesellschafter (oder einer homogenen Gruppe von Gesellschaftern) optimalen Investitionsprogramms ergeben sich dann analoge Probleme wie für den Fall eines Alleineigentümers.
In der Praxis behilft man sich mit Planungs- und Bewertungsmethoden, die stark vereinfachte direkte Bewertungen zukünftiger Investitionsüberschüsse vornehmen, ohne dabei den Implikationen für entsprechende Konsumnutzenwerte Rechnung zu tragen. Charakteristisch hierfür sind die Sicherheitsäquivalent- und die Risikozuschlagsmethode für die Bewertung, die nicht nur für die Ermittlung von Marktwerten, sondern auch für die Ermittlung subjektiver Werte aus Sicht individueller Investoren empfohlen und praktisch angewendet werden. Bei ihrer Analyse zeigt sich jedoch, dass die jeweiligen Vereinfachungen einen hohen Preis haben: nur unter äußerst speziellen Bedingungen impliziert ein nach diesen Methoden ermittelter höherer Wert auch einen höheren Erwartungswert des Konsumnutzens.
Helmut Laux, Robert M. Gillenkirch, Heike Y. Schenk-Mathes

Gruppenentscheidungen

Frontmatter
16. Elemente des Entscheidungsprozesses in Gruppen
Zusammenfassung
In Unternehmen und vielen anderen Lebensbereichen (in der Familie, im Verein, im Freundeskreis) werden Entscheidungen oft nicht durch einzelne Entscheider, sondern durch Gruppen von Entscheidern (Entscheidungsgremien) mit Hilfe eines demokratischen Abstimmungsprozesses getroffen. Dies geschieht in der Erwartung, dass „gerechtere“ oder im Hinblick auf (vor-)gegebene Ziele „bessere“ Entscheidungen getroffen werden als bei Entscheidung durch einen Einzelnen. In diesem Kap. 16 und im folgenden Kap. 17 werden solche Entscheidungsprozesse untersucht.
Das Problem, eine „gerechte“ Entscheidung in einer Gruppe zu treffen, kann sich insbesondere deshalb stellen, weil sich die Konsequenzen erwogener Alternativen für die einzelnen Gruppenmitglieder bzw. deren Bewertung durch sie erheblich unterscheiden. Die Beteiligung der Gruppenmitglieder an den zu treffenden Entscheidungen im Rahmen demokratischer Wahlverfahren, deren Kern Abstimmungsregeln sind, soll dann dazu dienen, einen „fairen Interessenausgleich“ herzustellen. In diesem Kap. 16 geht es zunächst grundsätzlich darum, durch welche Elemente der Entscheidungsprozess einer Gruppe gekennzeichnet ist. Aufbauend darauf wird in Kap. 17 untersucht, wie der Entscheidungsprozess ausgestaltet werden kann, damit es in der Gruppe zu einem möglichst „fairen“ Interessenausgleich kommt.
Zunächst werden die Grundlagen des Entscheidungsprozesses in einer Gruppe dargestellt. Der Entscheidungsprozess in einer Gruppe ist allgemein durch zwei Phasen gekennzeichnet: In der ersten Phase bildet sich jedes Mitglied nach Beschaffung von Informationen und deren Austausch in der Gruppe eine individuelle Präferenzordnung über die erwogenen Alternativen. In der zweiten Phase, der eigentlichen Entscheidungsfindung, wird nach einer Abstimmungsregel die Präferenzordnung der Gruppe (oder auch nur deren „Spitzenreiter“) bestimmt. Es wird gezeigt, wie die Gruppenmitglieder im Verlauf des Entscheidungsprozesses wechselseitig ihre Präferenzordnungen bilden bzw. beeinflussen und aus welchen Gründen sich die Präferenzordnungen der Gruppenmitglieder (auch) zum Zeitpunkt der Abstimmung unterscheiden können.
Anschließend werden Abstimmungsregeln dargestellt und ihre Implikationen bezüglich des Abstimmungsergebnisses verglichen. Dabei zeigt sich, dass die durch die Gruppe gewählte (d. h. in der kollektiven Präferenzordnung erstplatzierte) Alternative grundsätzlich von der Wahl der Abstimmungsregel abhängt. Die Wahl der Abstimmungsregel wird dann ihrerseits zu einem Entscheidungsproblem, dem das nachfolgende Kap. 17 gewidmet ist. Aufbauend auf den Darstellungen der Abstimmungsregeln wird gezeigt, wie die Gruppenmitglieder durch „strategisches“ Verhalten im Abstimmungsprozess Einfluss auf das Ergebnis der Abstimmung nehmen können.
Schließlich werden mögliche Vor- und Nachteile von Gremienentscheidungen im Vergleich zur Entscheidung durch einen einzelnen Entscheider gezeigt. Dabei wird auch deutlich, dass mit der Vergrößerung eines Entscheidungsgremiums nicht nur die Kosten steigen, sondern ab einer bestimmten Mitgliederzahl die Qualität der Entscheidung wieder sinkt.
Helmut Laux, Robert M. Gillenkirch, Heike Y. Schenk-Mathes
17. Problematik eines fairen Interessenausgleichs in Gruppen und „demokratische“ Legitimation finanzwirtschaftlicher Unternehmensziele
Zusammenfassung
Wenn sich die individuellen Präferenzordnungen der Mitglieder einer Gruppe (einer Familie, eines Vereins, einer Partei, einer Gruppe aus Gesellschaftern eines Unternehmens) über erwogene Alternativen unterscheiden, stellt sich das Problem, wie die Präferenzordnungen der einzelnen Individuen „möglichst gerecht“ oder „fair“ zu einer „kollektiven Präferenzordnung“ (zu einer Präferenzordnung für die Gruppe als Einheit) aggregiert werden können bzw. sollen. In diesem Kap. 17 wird gezeigt, wie dieses Problem präzisiert werden kann und welche Schwierigkeiten seiner Lösung entgegenstehen.
Das Kapitel baut auf dem vorangegangenen Kap. 16 auf, in dem alternative Abstimmungsregeln dargestellt wurden. Dort zeigte sich, dass unterschiedliche Abstimmungsregeln in Konfliktfällen grundsätzlich zu unterschiedlichen Abstimmungsergebnissen führen. Die Frage, wie die individuellen Präferenzordnungen „möglichst gerecht“ zu einer „kollektiven Präferenzordnung“ aggregiert werden sollen, ist daher gleichbedeutend mit der Suche nach der „besten“ Abstimmungsregel.
Die Funktion bzw. Abstimmungsregel, die alternativen Konstellationen individueller Präferenzordnungen der Mitglieder einer Gruppe jeweils eine „kollektive“ Präferenzordnung zuordnet, wird kollektive Wahlfunktion genannt. Die Gruppe könnte versuchen, sich auf Anforderungen zu einigen, um zu einer allseits akzeptierten („gerechten“ oder „fairen“) Wahlfunktion zu gelangen. Arrow hat indessen gezeigt, in welches Dilemma dieser Weg führt. Er hat einige plausible und zunächst harmlos erscheinende Anforderungen formuliert und nachgewiesen, dass überhaupt keine kollektive Wahlfunktion existiert, die alle diese Bedingungen erfüllt (Unmöglichkeitstheorem).
Nach Darstellung des Unmöglichkeitstheorems wird für einige klassische Abstimmungsregeln gezeigt, gegen welche Anforderungen Arrows sie verstoßen. Danach wird die Problematik von Versuchen diskutiert, einen Ausweg aus dem von Arrow aufgezeigten Dilemma zu finden.
Das Unmöglichkeitstheorem von Arrow zeigt, welche Bedeutung die Schaffung von Anreizkompatibilität hat, um finanzielle Interessenkonflikte zwischen den Gesellschaftern eines Unternehmens zu vermeiden (Kap. 12 bis 15). Aber auch bei Anreizkompatibilität können sich Interessenkonflikte ergeben, weil sich nicht alle Gesellschafter allein an ihrem finanziellen Nutzen, sondern auch an immateriellen Zielen orientieren. Vor dem Hintergrund des Unmöglichkeitstheorems wird untersucht, inwieweit dann trotzdem finanzwirtschaftliche Ziele (insbesondere das Ziel der Maximierung des Marktwertes eines Unternehmens) auf der Basis der Präferenzen der Gesellschafter „demokratisch“ legitimiert werden können.
Helmut Laux, Robert M. Gillenkirch, Heike Y. Schenk-Mathes

Vereinfachung von Entscheidungsmodellen

Frontmatter
18. Vereinfachung von Entscheidungsmodellen als Entscheidungsproblem
Zusammenfassung
Die Formulierung eines Entscheidungsmodells zur Beurteilung der Qualität von Handlungsalternativen stellt selbst ein Entscheidungsproblem dar. Bei der Lösung dieses Problems geht es im Kern darum, in welchem Ümfangünd in welcher Weise gegebene Informationen im Modell abgebildet werden sollen. Dabei besteht in realen Entscheidungssituationen stets die Notwendigkeit zu vereinfachen. Das Entscheidungsmodell ist somit immer eine mehr oder weniger stark vereinfachte Abbildung der „Wirklichkeit“.
Die Vereinfachung eines Entscheidungsmodells ist ihrerseits ein komplexes Entscheidungsproblem. Für die Entscheidung darüber, wie die Vereinfachung erfolgen soll, sind die Kosten der Formulierung und Lösung des Modells (Planungskosten) in Form von Ausgaben und/oder durch Einsatz von Arbeit und Zeit gegen den Ertrag abzuwägen, der mit der Kenntnis der Modelllösung verbunden ist (mit anderen Worten die „Güte“s der Entscheidung, zu der das Modell führen wird). Vor allem der Ertrag lässt sich in der Regel jedoch nur schwer abschätzen.
In diesem letzten Kap. 18 des Buches wird die Konstruktion von Entscheidungsmodellen als (Vor-)Entscheidungsproblem untersucht. Zunächst werden Grundformen der Modellvereinfachung und damit verbundene mögliche Konsequenzen diskutiert und es wird verdeutlicht, dass die Vereinfachung ihrerseits ein Entscheidungsproblem ist, das grundsätzlich nach dem Prinzip der flexiblen Planung (Kap. 9) angegangen werden sollte. Sodann werden Modellvereinfachungen aus normativer Sicht mit Erkenntnissen der deskriptiven Entscheidungstheorie (Kap. 6) verglichen. Abschließend werden Möglichkeiten und Grenzen der Vereinfachung komplexer Entscheidungsmodelle durch ihre Zerlegung in Partialmodelle behandelt.
Das Kapitel macht allgemein Grenzen der Anwendung des entscheidungstheoretischen Instrumentariums bei Vereinfachungen deutlich. Dadurch werden zugleich auch die Grenzen „rationaler“ Entscheidungen bei allen jenen Entscheidungsproblemen sichtbar, die in den vorhergehenden Kapiteln analysiert wurden. Trotz dieser Grenzen müssen jedoch Entscheidungen nicht willkürlich getroffen werden. Die in den vorhergehenden Kapiteln dargestellten Entscheidungsmodelle zeigen, welche Zusammenhänge für die jeweilige Problemlösung relevant sind. Damit geben sie zugleich Anregungen und Orientierung für vereinfachte Modellkonstruktionen; erst wenn eine problemadäquate, theoretisch fundierte Modellstruktur bekannt ist, kann beurteilt werden, welche Vereinfachungen überhaupt in Betracht kommen, wie sie sich auf die Qualität der Entscheidungen auswirken können und welche Informationen für „gute“ Entscheidungen besondere Bedeutung haben.
Helmut Laux, Robert M. Gillenkirch, Heike Y. Schenk-Mathes
Backmatter
Metadaten
Titel
Entscheidungstheorie
verfasst von
Helmut Laux
Robert M. Gillenkirch
Heike Y. Schenk-Mathes
Copyright-Jahr
2014
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-642-55258-8
Print ISBN
978-3-642-55257-1
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-642-55258-8

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