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1984 | Buch

Physik und Erkenntnistheorie

verfasst von: Wolfgang Pauli

Verlag: Vieweg+Teubner Verlag

Buchreihe : Facetten der Physik

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Die Aufsätze und Vorträge

1. Die Materie
Zusammenfassung
Die Materie war seit jeher einer der Hauptgegenstände der Physik und wird es auch stets bleiben. Wenn ich also von der „Materie als einer Seite des Wesens der Dinge“ spreche, so ist es meine Absicht, Ihnen einen Eindruck davon zu vermitteln, wie man Naturgesetze, die die Materie betreffen und die in den Bereich der Physik gehören, finden kann und wie sie sich Schritt für Schritt entwickeln. Zwar werden diese Gesetze und unsre Anschauungen von der Wirklichkeit, deren Existenz sie voraussetzen, immer abstrakter; aber auch für einen Fachmann ist es nützlich, daran erinnert zu werden, daß hinter der fachlichen und mathematischen Gestalt der Gedanken, die den Naturgesetzen zugrunde liegen, immer noch die Schicht des Alltagslebens mit seiner landläufigen Sprache liegt. Die Naturwissenschaft ist eine systematische Verfeinerung der Alltagsbegriffe, die uns eine tiefere und, wie wir sehen werden, nicht unmittelbar sichtbare Wirklichkeit hinter der Alltagswirklichkeit der farbigen und tönenden Dinge enthüllt. Aber es darf nicht vergessen werden, daß diese tiefere Wirklichkeit aufhören würde, Gegenstand der Physik zu sein — anders als die Gegenstände der reinen Mathematik und der reinen Spekulation —, wenn ihre Verknüpfungen mit den Wirklichkeiten des täglichen Lebens ganz und gar unterbrochen würden.
Wolfgang Pauli
2. Die philosophische Bedeutung der Idee der Komplementarität
Zusammenfassung
Die Veröffentlichung dieses Vortrages erfolgt in der Hoffnung, mit diesem kleinen Beitrag diejenigen größeren Bestrebungen zu fördern, welche im allgemeinen das Ziel verfolgen, die verschiedenen Teildisziplinen, in welche unsere Geistigkeit auseinandergefallen ist, einander wieder näherzubringen. Die Abspaltung der Naturwissenschaften und der Mathematik als selbständige Teildisziplinen aus einer ursprünglich einheitlichen, aber vorwissenschaftlichen Naturphilosophie, welche im 17. Jahrhundert einsetzte, war zwar eine notwendige Bedingung für die weitere geistige Entwicklung des Abendlandes. Aber heute scheinen mir die Voraussetzungen für ein erneutes Einverständnis der Physiker und der Philosophen über die erkenntnistheoretischen Grundlagen der wissenschaftlichen Naturbeschreibung erfüllt zu sein. Die Entwicklung der Atomistik und Quantentheorie seit 1910 hat nämlich dazu geführt, daß die Physik allmählich gezwungen war, ihren stolzen Anspruch, im Prinzip die ganze Welt verstehen zu können, aufzugeben. Alle Physiker, welche die Entwicklung bejahen, die in der systematischen Konstruktion des mathematischen Formalismus der Wellenmechanik im Jahre 1927 einen vorläufigen Abschluß fand, müssen zugeben, daß wir heute zwar Naturwissenschaften, aber kein naturwissenschaftliches Weltbild mehr besitzen. Eben dieser Umstand könnte aber als Korrektur der früheren Einseitigkeit den Keim eines Fortschrittes in Richtung auf ein einheitliches Gesamtweltbild in sich tragen, in welchem die Naturwissenschaften nur ein Teil sind. Hierin möchte ich die allgemeinere Bedeutung der Idee der Komplementarität erblicken, welche dank dem dänischen Physiker Niels Bohr aus dem Boden der Physik gewachsen ist.
Wolfgang Pauli
3. Wahrscheinlichkeit und Physik
Zusammenfassung
Der mathematische Wahrscheinlichkeitsbegriff ist entstanden durch das Bestreben, die einmalige subjektive Erwartung möglichst zu objektivieren. Um dies zu erreichen, muß diese ersetzt werden durch die objektive durchschnittliche Häufigkeit eines Ereignisses bei Wiederholung unter gleichen Bedingungen. Man nimmt an, daß die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses A sich bei großer Zahl der Wiederholungen nur wenig vom Quotienten m/n unterscheidet, worin n die Zahl der Wiederholungen, m die Zahl der Eintritte von A ist. Wir begegnen hier also dem Motiv der einen zu objektivierenden Erwartung und der vielen Ereignisse.
Wolfgang Pauli
4. Niels Bohr zum 60. Geburtstag
Zusammenfassung
Dieser Band, zu dem Wissenschaftler aus vielen Nationen dreier Erdteile trotz der Ungunst der Zeitverhältnisse Beiträge geliefert haben, bezeugt, daß Professor Niels Bohrs 60. Geburtstag, der 7. Oktober 1945, nicht nur sein privater, persönlicher Festtag ist, sondern ein hohes Fest der ganzen wissenschaftlichen Gemeinde der Physiker *).
Wolfgang Pauli
5. Sommerfelds Beiträge zur Quantentheorie
Zusammenfassung
Die früheren Arbeiten A. Sommerfelds hatten sich teils mit Anwendungen der Mathematik der Wellentheorie, wie z. B. Integration der Maxwellschen Gleichungen bei Problemen der Beugung und der drahtlosen Telegraphie, teils mit Problemen der klassischen Elektronentheorie beschäftigt. Die bei Bremsung von Elektronen emittierte Röntgenstrahlung hatte ihn bereits mit der Quantentheorie konfrontiert [1]; auch hatte ihn die formale Voigtsche Theorie des anomalen Zeemaneffektes der Dublettspektren, die er durch Betrachtung der Emission statt der Absorption wesentlich vereinfachen konnte [2], mit dem großen Fragenkreis der Erklärung der Spektren in Berührung gebracht. Bald darauf wurde durch Bohrs grundlegende Arbeiten (seit 1913) Rutherfords Kernmodell des Atoms mit Plancks Quantentheorie der Wärmestrahlung in Verbindung gebracht und die Rydbergsche Konstante der Spektra auf das Wirkungsquantum und auf die Ladung und Masse des Elektrons (mit einer zusätzlichen Korrektur für die Mitbewegung des Kernes) zurückgeführt. Es war Ende 1915, als sich Sommerfeld unter dem großen Eindruck dieser neuen Entwicklung der theoretischen Deutung der Spektren und damit auch den Problemen des Atombaues zuwandte. Man kann sagen, daß seit dieser Zeit ein neuer Abschnitt in Sommerfelds wissenschaftlicher Tätigkeit einsetzte, der mit dem Wechsel des Gegenstandes auch eine wesentliche Veränderung der in seinen Arbeiten verwendeten Methoden mit sich brachte.
Wolfgang Pauli
6. Arnold Sommerfeld
Zusammenfassung
Am 26. April 1951 starb im 83. Lebensjahr in München an den Folgen eines etwa vier Wochen vorher erlittenen Verkehrsunfalls A. Sommerfeld, einer der bedeutendsten deutschen Physiker seiner Generation. Es war ihm noch vergönnt, fünf von geplanten sechs Bänden seiner Vorlesungen über theoretische Physik in endgültiger Form der Nachwelt zu übergeben, nur ein Band, die Thermodynamik, blieb unvollendet.
Wolfgang Pauli
7. Rydberg und das Periodische System der Elemente
Zusammenfassung
Es ist nicht so gut bekannt, wie es sein sollte, daß Rydbergs Beschäftigung mit den Spektrallinien ihren Ursprung in seinem Interesse am Periodischen System der Elemente hatte, ein Interesse, das ihn durch sein ganzes Leben begleitet hat.
Wolfgang Pauli
8. Paul Ehrenfest
Zusammenfassung
Am 25. September 1933 brachte Paul Ehrenfest unter tragischen Umständen zur Bestürzung seiner Familie und seiner zahlreichen Freunde und Bekannten seinen unheilvollen Entschluß zur Ausführung, die ihm zu schwer gewordene Last des Lebens von sich abzuwerfen. An uns ist es nun, das Andenken an sein wissenschaftliches Wirken und das Bild seiner Persönlichkeit frei von jenen Minderwertigkeitsgefühlen und Sorgen, die sein Gemüt in den letzten Jahren mehr und mehr verdüstert haben, festzuhalten. Es ist das Bild jenes geist- und witzsprühenden Mannes, der mit scharfer Kritik, aber zugleich mit tiefer Einsicht in die Grundlagen der wissenschaftlichen Betrachtung in die Diskussion eingreift und die Aufmerksamkeit auf einen bisher nicht oder zu wenig beachteten, wesentlichen Punkt richtet.
Wolfgang Pauli
9. Einsteins Beitrag zur Quantentheorie
Zusammenfassung
Jede neue Naturerscheinung, die mit dem bisher anerkannten Theoriensystem noch unvereinbar ist, stellt ihren Entdecker vor die Frage, welche der bekannten, zur Naturbeschreibung verwendeten Prinzipien hinreichende Allgemeinheit besitzen, um die neue Situation zu erklären, und welche derselben abzuändern oder aufzugeben sind. Die Haltung verschiedener Physiker zu Problemen dieser Art, welche hohe Anforderungen an die Intuition und den Takt eines Wissenschaftlers stellen, hängt wesentlich vom persönlichen Temperament des betreffenden Forschers ab. Im Falle der Planckschen Entdeckung des Wirkungsquantums im Jahre 1900, die er im Zuge seiner berühmten Untersuchungen über das Strahlungsgesetz des schwarzen Körpers machte, lag es auf der Hand, daß die Erhaltungssätze von Energie und Impuls, sowie das Boltzmannsche, Entropie und Wahrscheinlichkeit verbindende Prinzip sich als zwei Säulen erweisen mußten, deren Tragkraft durch die der neuen Entdeckung folgende Entwicklung nicht erschüttert werden konnten. Tatsächlich war es gerade das Festhalten an diesen Prinzipien, welches Planck die Einführung der neuen Konstanten h, des Wirkungsquantums, in seine statistische Theorie des thermodynamischen Strahlungsgleichgewichtes ermöglichte.
Wolfgang Pauli
10. Raum, Zeit und Kausalität in der modernen Physik
Zusammenfassung
In vieler Hinsicht erscheint die heutige Zeit als eine Zeit der Unsicherheit der Grundlagen, des Wankens der Fundamente. Und auch die Entwicklung der exakten Wissenschaften ist von dieser Stimmung nicht ganz verschont geblieben, wie dies zum Beispiel in den Termini „Grundlagenkrise“ in der Mathematik, „Umsturz des Weltbildes“ in der Physik zum Ausdruck kommt. In der Tat erscheinen dem modernen Physiker viele Begriffe, die scheinbar direkt den aus den Sinnesempfindungen entlehnten Anschauungsformen entstammen und früher als selbstverständlich oder trivial oder unmittelbar evident galten, als in ihrer Anwendbarkeit begrenzt. Skeptisch blickt der moderne Physiker auf philosophische Systeme, die — wähnend die apriorischen Voraussetzungen der menschlichen Vernunft schlechthin endgültig erkannt zu haben — in Wahrheit nur die apriorischen Voraussetzungen des Systems der Mathematik und der Naturwissenschaften einer bestimmten Zeit aufstellen konnten.
Wolfgang Pauli
11. Relativitätstheorie und Wissenschaft
Zusammenfassung
Wenn wir die Relativitätstheorie in einem allgemeineren Rahmen als der Physik einschließlich Astrophysik betrachten wollen, so handelt es sich wohl in erster Linie um ihre Beziehung zur Mathematik auf der einen Seite, zur Erkenntnistheorie oder Naturphilosophie auf der anderen Seite. Ja, man kann sagen, daß die Beziehung der Physik zu diesen beiden Gebieten, die der Naturwissenschaft seit dem 17. Jahrhundert ihre charakteristische Prägung gibt, durch die Relativitätstheorie erneut in den Mittelpunkt des allgemeinen Interesses gerückt wurde.
Wolfgang Pauli
12. Impressionen über Albert Einstein
Zusammenfassung
Vor 50 Jahren läßt ein jüngerer Angestellter des Patentamtes in Bern, sobald dessen Chef Haller durch die Bureauräume geht, regelmäßig eine Gruppe von Papieren in der Schublade verschwinden und holt aus dieser rasch andere heraus, auf denen seine Gutachten über die Patentschriften niedergeschrieben sind. Ich bezweifle, daß Haller es nicht bemerkt hat. Warum sollte er es beanstanden, da er doch mit der Arbeit des Angestellten zufrieden war. Wenn heftige Einwendungen von Gesuchstellern gegen die Gutachten des Amtes auf Grund seiner Arbeit erfolgreich abgewiesen waren, sitzt Haller des Abends mit einem Stumpen bei einem Dreier und spricht befriedigt vor sich hin: „Wir werden denen schon zeigen, wo der Herrgott hockt!“
Wolfgang Pauli
13. Albert Einstein in der Entwicklung der Physik
Zusammenfassung
Angesichts der Ähnlichkeit der heute hier der Öffentlichkeit übergebenen Büste*) mit dem Menschen Einstein selbst erinnern wir uns daran, wie wir oft in Gesprächen mit ihm, sei es in Instituten, sei es in der freien Natur, die schwierigeren Probleme der Physik durchdiskutiert haben. Angesichts des Ausdruckes der Zeitlosigkeit, den uns das Kunstwerk ebenfalls vermittelt, müssen wir aber auch daran denken, wie Einsteins Ideen, von ihrem menschlichen Schöpfer abgelöst, nun ein selbständiges Leben weiterführen, das sich in uns unbekannte Fernen verliert.
Wolfgang Pauli
14. Theorie und Experiment
Zusammenfassung
Die folgenden Gesichtspunkte sollen eine Ergänzung bilden zu den Bemerkungen und Thesen von F. Gonseth und P. Bernays, mit denen ich im Prinzip übereinstimme, die sich aber noch von anderen Seiten her illustrieren lassen.
Wolfgang Pauli
15. Phänomen und physikalische Realität
Zusammenfassung
Im folgenden will ich einige Hinweise geben, welche Probleme in Verbindung mit den Stichworten Phänomen und Realität in der heutigen Physik eine wichtige Rolle spielen, ohne Anspruch, dieses unerschöpfliche Thema auch nur annähernd bemeistern zu können. Dabei will ich aber auch kontroverse Fragen berühren, denn diese sind es ja, denen sich das allgemeine Interesse am meisten zuwendet. Zur Orientierung der Philosophen möchte ich gleich bemerken, daß ich selbst keiner bestimmten philosophischen Richtung angehöre, die einen mit den Silben „-ismus“ endenden Namen trägt. Darüber hinaus bin ich auch dagegen, spezielle physikalische Theorien wie zum Beispiel die Relativitätstheorie oder die Quanten- oder Wellenmechanik speziellen -ismen zuzuordnen, obwohl dies zuweilen von physikalischer Seite her geschieht. Meine allgemeine Tendenz ist vielmehr, zwischen extremen Richtungen eine gewisse Mitte einzuhalten. In diesem Sinne ist es wohl am besten, sich zunächst darüber zu besinnen, wie Phänomen und Realität im beruflichen Alltagsleben des Physikers vorkommen.
Wolfgang Pauli
16. Die Wissenschaft und das abendländische Denken
Zusammenfassung
Es ist sicher ein großes Wagnis, in einer so kurzen Zeit über ein Thema wie „Die Wissenschaft und das abendländische Denken“ zu sprechen, das ein ganzes Kolleg leicht füllen könnte.
Wolfgang Pauli
17. Naturwissenschaftliche und erkenntnistheoretische Aspekte der Ideen vom Unbewußten
Zusammenfassung
Der 80. Geburtstag von C. G. Jung, dem Vertreter der neuesten Richtung der Psychologie des Unbewußten, am 26. Juli dieses Jahres veranlaßt mich zu dem sicherlich gewagten Versuch, als Außenstehender durch vergleichende Betrachtung der Ideen über das Unbewußte mit denen anderer Wissensgebiete Gesichtspunkte über die hier vorliegenden Probleme und Möglichkeiten künftiger Entwicklungen zu gewinnen. Da mir nur der Standpunkt des Naturwissenschaftlers direkt zugänglich ist, müssen alle praktischen Anwendungen, die in das medizinische Gebiet der Therapie fallen, hier außer Betracht bleiben.
Wolfgang Pauli
18. Das Ausschließungsprinzip und die Quantenmechanik
Zusammenfassung
Die Geschichte der Entdeckung des Ausschließungsprinzips, für die mir im Jahre 1945 die Ehre der Verleihung des Nobelpreises zuteil geworden ist, reicht bis in meine Studentenjahre in München zurück. Nachdem ich mir schon als Schüler in Wien einiges Wissen in der klassischen Physik und von Einsteins damals neuer Relativitätstheorie erworben hatte, geschah es an der Universität München, daß ich durch Sommerfeld in den — vom Standpunkt der klassischen Physik aus etwas sonderbaren — Bau des Atoms eingeführt wurde. Mir wurde der Schock nicht erspart, den jeder Physiker, an die klassische Denkweise gewohnt, erhielt, als er zuerst Bohrs „Grundpostulat der Quantentheorie“ kennen lernte. Es gab damals zwei Wege, auf denen man sich den schwierigen mit dem Wirkungsquantum verknüpften Problemen nähern konnte. Der eine bestand in dem Bemühen, eine abstrakte Ordnung in die neuen Gedanken zu bringen, indem man nach einem Schlüssel zur Übersetzung der klassischen Mechanik und Elektrodynamik in die Quantensprache suchte, die eine logische Verallgemeinerung jener wäre. In diese Richtung zielte Bohrs Korrespondenzprinzip. Sommerfeld dagegen zog angesichts der Schwierigkeiten, die sich dem Gebrauch der auf kinematische Modelle bezüglichen Begriffe entgegenstellten, eine Deutung der Spektralgesetze mit Hilfe ganzer Zahlen vor, indem er, wie einst Kepler bei seiner Untersuchung des Planetensystems, einem inneren Gefühl für Harmonie folgte. Beide Methoden, die mir nicht unversöhnlich zu sein schienen, beeinflußten mich. Die Folge der ganzen Zahlen 2, 8, 18, 32, ..., die die Längen der Perioden im Periodischen System der Elemente angeben, wurde in München eifrig diskutiert, einschließlich der Bemerkung des schwedischen Physikers Rydberg, daß diese Zahlen die einfache Gestalt 2n 2 haben, wenn n die Reihe der ganzen Zahlen durchläuft. Sommerfeld versuchte insbesondere, die Zahl 8 mit der Zahl der Ecken eines Würfels zu verknüpfen.
Wolfgang Pauli
19. Die Verletzung von Spiegelungs-Symmetrien in den Gesetzen der Atomphysik
Zusammenfassung
Zur Diskussion der Symmetriegrade physikalischer Gesetze ist es zweckmäßig, die Wechselwirkungen der Physik in drei Kategorien einzuteilen: die starken Wechselwirkungen, unter welche diejenigen zwischen Nukleonen und zwischen Nukleonen und Mesonen fallen, die mittelstarken elektromagnetischen Wechselwirkungen, die auch für die äußere Atomhülle verantwortlich sind, und die schwachen Wechselwirkungen, zu denen alle Erscheinungen der Betaradioaktivität gehören, die mit Emission oder Absorption von Neutrinos verbunden sind, sowie auch der Zerfall der A- und K-Mesonen, in welchem Neutrinos nicht vorkommen.
Wolfgang Pauli
20. Zur älteren und neueren Geschichte des Neutrinos
Zusammenfassung
Das von J. Chadwick 1914 entdeckte [1] kontinuierliche Energiespektrum der Betastrahlen gab der theoretischen Deutung sogleich schwierige Probleme auf. War es direkt den primären, aus dem radioaktiven Kern emittierten Elektronen, oder war es sekundären Prozessen zuzuschreiben? Die erste Ansicht, die sich als die richtige erwies, wurde von C. D. Ellis [2], die zweite von L. Meitner [3] vertreten. Diese berief sich darauf, daß die Kerne, wie aus den Alpha- und Gammastrahlen bekannt war, diskrete Energieniveaus besitzen. Sie rückte die bei vielen Beta-radioaktiven Kernen ebenfalls beobachteten diskreten Energien von Elektronen in den Mittelpunkt der Diskussion. Diese konnte Ellis als durch innere Konversion durch monochromatische Kerngammastrahlen aus den äußeren Schalen geschleuderte Elektronen deuten und den beobachteten Röntgenlinien zuordnen. Nach L. Meitners Theorie sollte jedoch mindestens eines der Elektronen diskreter Energie ein echtes Primärelektron aus dem Kern sein, welches dann ebenfalls sekundär aus den äußeren Schalen andere Elektronen kleinerer Energien emittieren könnte [4]. Dieses postulierte Primärelektron diskreter Energie ließ sich jedoch niemals nachweisen. Überdies gibt es Beta-radioaktive Kerne wie Ra E, die keine Gammastrahlen emittieren und bei denen auch die Elektronen mit diskreter Energie ganz fehlen. In der zwischen Ellis und L. Meitner entstandenen Polemik faßt Ellis im Jahre 1922 seinen Standpunkt wie folgt zusammen:
„Frl. Meitners Theorie ist ein sehr interessanter Versuch, eine einfache Erklärung des ß-Zerfalls zu geben. Die experimentellen Tatsachen fügen sich jedoch nicht in den Rahmen dieser Theorie ein, und es hat allen Anschein, daß sich die einfache Analogie zwischen α- und ß-Zerfall nicht aufrecht erhalten läßt. Der ß-Zerfall ist ein bedeutend komplizierterer Vorgang, und die allgemeinen Andeutungen, die ich über denselben gemacht habe, erscheinen mir zurzeit den geringsten Zwang zu erfordern.“
Wolfgang Pauli
Backmatter
Metadaten
Titel
Physik und Erkenntnistheorie
verfasst von
Wolfgang Pauli
Copyright-Jahr
1984
Verlag
Vieweg+Teubner Verlag
Electronic ISBN
978-3-322-88799-3
Print ISBN
978-3-528-08563-6
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-322-88799-3