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2014 | Buch

Krise und Zukunft des Sozialstaates

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Über dieses Buch

Heute leugnet kaum noch jemand, dass sich der Sozialstaat in einer tiefen Krise befindet, aber ist es tatsächlich die Krise des Sozialstaates, oder wird dieser nur zum Hauptleidtragenden einer Entwicklung, deren Ursachen ganz woanders liegen? Um welche Sachfragen und Kontroversen es bei der Diskussion darüber geht, macht dieses Buch deutlich. Sein Verfasser stellt Zusammenhänge zwischen der Entwicklung des Weltmarktes („Globalisierung“), dem demografischen Wandel sowie den Strategien von Parteien und gesellschaftlichen Interessengruppen her. Inhaltlich schlägt Butterwegge einen weiten Bogen von den Bismarck’schen Sozialreformen im 19. Jahrhundert über die Entwicklung des Wohlfahrtsstaates nach dem Zweiten Weltkrieg sowie seinen „Um-“ bzw. Abbau in der Gegenwart bis zu einer solidarischen Bürgerversicherung, die seiner Meinung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen vorzuziehen und am ehesten geeignet ist, das historische Projekt der Gewährleistung sozialer Sicherheit und Gerechtigkeit durch Staatsintervention fortzusetzen. Daneben werden konkrete Alternativen zur gegenwärtigen Arbeitsmarkt-, Wirtschafts-, Finanz-, Steuer- und Familienpolitik erörtert.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Grundlagen und Organisationsstrukturen des Sozialstaates
Zusammenfassung
Will man die aktuellen Kontroversen über die Krisenerscheinungen und den „Um-“ bzw. Abbau des Sozialstaates verstehen, muss man seine Strukturen, Konstruktionsprinzipien sowie Entstehung und Entwicklung zumindest in Grundzügen kennen. Hier wird deshalb in Terminologien, Theorien und Typologien des Wohlfahrtsstaates eingeführt und seine Geschichte stichwortartig nachgezeichnet, bevor wir uns einer Analyse sowohl der liberalkonservativen als auch der schwarz-roten und der rot-grünen Sozialpolitik mitsamt ihren gesellschaftlichen, ökonomischen und ideologischen Rahmenbedingungen zuwenden.
Christoph Butterwegge
2. Das „goldene Zeitalter“ des Wohlfahrtsstaates: Auf-, Ab- und Ausbau des Systems der sozialen Sicherung
Zusammenfassung
Deutschland gilt als Mutterland des Sozialstaates. Da dieser nicht am Reißbrett konstruiert, sondern im Laufe eines Jahrhunderts gewachsen und das Ergebnis gesellschaftlicher Konflikte wie politischer und geistig-ideologischer Auseinandersetzungen ist, erschließen sich seine Institutionen nur aus ihrem je konkreten Entstehungszusammenhang heraus. „Was an sozialen Sicherungssystemen etabliert ist und welche gesellschaftliche Funktion diese tatsächlich haben – d.h. auch: wie repressiv sie gegebenenfalls wirken –, das lässt sich nur in einer historischen Konstellation analysieren.“ Um die momentanen Finanz-, Akzeptanzund Legitimationsprobleme des Wohlfahrtsstaates verstehen zu können, muss man also seine Geschichte nachzeichnen sowie seine ökonomischen, soziokulturellen und politischen Wurzeln aufspüren.
Christoph Butterwegge
3. Vom Modellfall zum Auslaufmodell? – Medienberichterstattung und Akzeptanzprobleme des Sozialstaates
Zusammenfassung
Seit es den Sozialstaat gibt, ist er heftig umstritten. Während er für seine Anhänger die wichtigste politische Errungenschaft der Moderne darstellt, weil er die Menschen vor Armut, Not und Elend bewahrt, halten ihn seine Gegner für ein großes Übel, weil er die Freiheit beschneide, die Faulheit fördere und die Wirtschaft lähme bzw. daran hindere, ihre ganze Dynamik zu entfalten. Heute steht der Wohlfahrtsstaat im Kreuzfeuer der Kritik, die von unterschiedlicher Qualität und Reichweite ist. Hier wird zwischen prinzipiellen Einwänden, die sich hauptsächlich in der wissenschaftlichen Fachliteratur finden und theoretisch mehr oder weniger fundiert sind, einerseits sowie populären Einwänden, die – von den Medien verbreitet – stärker das Alltagsbewusstsein beeinflussen, andererseits differenziert. Natürlich sind die Grenzen zwischen den beiden Argumentationsebenen fließend, und beide wirken wechselseitig aufeinander ein. Schließlich ist zu untersuchen, welche konkreten Wirkungen die Argumente der Kritiker bei den Bundesbürger(inne)n zeitigen, anders gesagt: ob der Sozialstaat bei diesen an Rückhalt verliert.
Christoph Butterwegge
4. Wirtschaft, Soziales und Wohlfahrt in der (Sinn-)Krise
Zusammenfassung
Während der Weltwirtschaftskrise 1974/75 manifestierte sich der Grundwiderspruch des modernen Wohlfahrtsstaates in aller Schärfe: Je mehr Personen wegen zunehmender Arbeitslosigkeit und Armut auf staatliche Unterstützungsleistungen angewiesen waren, umso weniger kamen sie in deren Genuss. Da es keine hohen Zuwächse des Bruttoinlandsprodukts mehr zu verteilen gab, entfiel nun auch in der Bundesrepublik die Grundlage für einen sozialen Konsens aller gesellschaftlich relevanten Kräfte, der nach dem Zweiten Weltkrieg und im Zeichen des „Wirtschaftswunders“ die Inklusion benachteiligter Minderheiten ohne Einbußen für die große Mehrheit und die Privilegierten ermöglicht hatte.
Christoph Butterwegge
5. Die rot-grüne Regierungspolitik: Auflösung des „Reformstaus“ oder Verschärfung des Sozialabbaus?
Zusammenfassung
SPD und Bündnis 90/Die Grünen erhielten bei der Bundestagswahl am 27. September 1998 vermutlich nicht zuletzt deshalb die Mehrheit der gültigen (Zweit-)Stimmen, weil viele Millionen Wähler/innen, von der liberalkonservativen Wirtschafts- und Sozialpolitik tief enttäuscht, den Regierungsparteien CDU, CSU und FDP ihre Zustimmung entzogen. Obwohl die SPD mit ihrem Slogan „Innovation und Gerechtigkeit“, Gerhard Schröder als Kanzlerkandidat und dem damaligen Parteivorsitzenden Oskar Lafontaine für eine andere, solidarischere Form der gesellschaftlichen Modernisierung stand, wurden die Hoffnungen auf eine „Kehrtwende“ in der Wirtschafts- und Sozialpolitik nicht einmal ansatzweise erfüllt. Denn schon bald rückten SPD und Bündnisgrüne von Wahlversprechen, einzelnen Punkten ihrer Koalitionsvereinbarung und sogar Grundpositionen, die sie vorher bezogen hatten, schrittweise wieder ab.
Christoph Butterwegge
6. Die zweite Koalition von CDU, CSU und SPD: Sozialpolitik paradox – großzügig und kleinkariert
Zusammenfassung
Bei der Bundestagswahl am 18. September 2005 erreichten CDU und CSU mit 35,2 Prozent der Zweitstimmen zusammen nur rund 1 Prozent mehr als die SPD, während die FDP aufgrund einer Zweitstimmenkampagne zulasten der Union mit 9,8 Prozent, aber auch die Linkspartei.PDS mit 8,7 Prozent relativ gut abschnitten. Hingegen bekamen die Bündnisgrünen nur 6,8 Prozent der Zweitstimmen. Sucht man es zu interpretieren, erweist sich das Wahlergebnis als widersprüchlich: Weder vermochten die bisherigen Regierungsparteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen ihre absolute Mehrheit der Mandate zu behaupten, noch errangen die in einem Lagerwahlkampf als Herausforderer angetretenen CDU/CSU und FDP eine solche. Vielmehr verhinderte die neue Linksfraktion im Bundestag durch ihre Existenz, dass es für eines der beiden Lager zur Stimmenmajorität reichte, ohne dass sie fähig war, einen (sozial)politischen Kurswechsel zu bewirken.
Christoph Butterwegge
7. Die neuerliche Koalition von CDU, CSU und FDP: Mehr Freiheit durch weniger soziale Sicherheit, Gleichheit und Gerechtigkeit?
Zusammenfassung
Da die Zusammenarbeit zwischen CDU, CSU und SPD trotz mancher Reibungsflächen und Konflikte während der 16. Legislaturperiode des Bundestages auf der parlamentarischen wie auf der Regierungsebene überraschend gut funktioniert hatte, taten sich viele Spitzenrepräsentant(inn)en der Koalitionsparteien schwer, in aggressiver Weise gegeneinander Stellung zu beziehen. Besonders die christdemokratische Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie ihre beiden populärsten sozialdemokratischen Minister Frank-Walter Steinmeier als Kanzlerkandidat und Peer Steinbrück als „ranghöchster Krisenmanager“ der Republik machten aus ihrer großkoalitionären Gesinnung kein Hehl und gingen im Bundestagswahlkampf 2009 sehr behutsam miteinander um. Nicht zuletzt daher litt dieser unter „Langeweile“, mangelte es doch an kontroversen Themen und inhaltlicher Zuspitzung seitens der beiden größten Parteien.
Christoph Butterwegge
8. Debatten über die gegenwärtige und zukünftige Entwicklung des Wohlfahrtsstaates
Zusammenfassung
Die aktuelle Sozialstaatsdebatte wird von Begriffen dominiert, die Stephan Hebel, damals Mitglied der FR-Chefredaktion, an George Orwells „Neusprech“ erinnerten. „Unter dem Wort-Beschuss der Wirtschaftslobby hat sich zunächst in der geschlossenen Gesellschaft der Berliner Machtzentralen eine Stimmung entfaltet, in der bestenfalls belächelt wird, wer an Worten und Werten wie Gerechtigkeit und Gleichheit in ihrer ursprünglichen Bedeutung festhält. Im schlechteren Fall muss er sich vorwerfen lassen, sich aus der ‚Mottenkiste‘ bedient zu haben.“ Hebel differenzierte zwischen drei Methoden dieser „Gehirnwäsche“, wie er sich ausdrückte: der Umdeutung tradierter Begriffe (z.B. „Reform“), der Diskreditierung ethisch-moralischer Kategorien („Solidarität“) und der Schönfärberei (z.B. ungerechter Verhältnisse).
Christoph Butterwegge
9. Alternativen zum neoliberalen „Um-“ bzw. Abbau des Sozialstaates
Zusammenfassung
Bei jenem Transformationsprozess, der normalerweise als „Umbau des Sozialstaates“ bezeichnet wird, handelt es sich um eine Strukturveränderung von historischer Tragweite, die das geistige Klima der Bundesrepublik ebenso nachhaltig verändert hat wie das Leben ihrer Bewohner/innen. Meinhard Miegel, Gründer des „Bürgerkonvents“ und Vorstandsvorsitzender von „Denkwerk Zukunft – Stiftung für kulturelle Erneuerung“, vermisst gleichwohl konkrete Aussagen der Parteien darüber, was sie unter einem solchen Umbau verstehen. „Dabei wissen die Kundigen, dass dieser Begriff nur der Gesichtswahrung von Traditionalisten und Sozialpolitikern alter Denkweise dient und im Übrigen einen Epochenwechsel verniedlichen soll. In Wahrheit geht es um einen massiven Rückbau und teilweisen Abriss. Mit der Beseitigung von hübschen Schnörkeln und Zierrat oder imposanten Balustraden und Erkern ist es nicht getan. Ganze Stockwerke, in denen sich manche häuslich eingerichtet haben, sind abzutragen. Wer will, kann das Umbau nennen. Nur sollte allen Beteiligten klar sein, dass es nach Abschluss der Arbeiten den heute vertrauten Sozialstaat nicht mehr geben und etwas anderes an seine Stelle getreten sein wird.“
Christoph Butterwegge
Backmatter
Metadaten
Titel
Krise und Zukunft des Sozialstaates
verfasst von
Christoph Butterwegge
Copyright-Jahr
2014
Electronic ISBN
978-3-531-19941-2
Print ISBN
978-3-531-19940-5
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-19941-2