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2009 | Buch

Weiterbildung und informelles Lernen älterer Arbeitnehmer

Bildungsverhalten. Bildungsinteressen. Bildungsmotive

verfasst von: Bernhard Schmidt

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Einleitung
Zusammenfassung
Der „fünfte Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland“ kritisiert heftig massive Einschnitte in der Weiterbildungsförderung durch die Bundesagentur für Arbeit, die v.a. zu Lasten älterer Arbeitssuchender gingen. Diese Einschnitte sieht die Expertenkommission als eine – dem Grundgedanken des lebenslangen Lernens zuwiderlaufende – einseitige Förderung der Bildung im Kindes- und Jugendalter und als wesentliche Ursache für die geringe Weiterbildungsbeteiligung Älterer (vgl. BMFSFJ 2005b, S. 124). Die im Vergleich zu jüngeren Altersgruppen in der Weiterbildung unterrepräsentierten älteren Erwachsenen und die im internationalen Vergleich bestenfalls durchschnittliche Weiterbildungsquote in Deutschland werden zu Recht mit staatlicher Bildungspolitik und der Kürzung von Förderprogrammen in Verbindung gebracht. Dennoch ist auch die Frage nach der individuellen Perspektive zu stellen. Persönliche Bildungsentscheidungen werden nicht allein auf Basis monetärer Überlegungen getroffen, auch wenn die mit Weiterbildung verbundenen Kosten in diese Entscheidungsprozesse einbezogen werden und – nicht zuletzt in Abhängigkeit von den jeweiligen finanziellen Möglichkeiten – unterschiedlich gewichtet werden. Darüber hinaus dürften weitere Faktoren auf der „Kostenseite“ von Bildung eine Rolle spielen (z.B. Zeitaufwand, Anstrengung, etc.), aber auch die zu erwartetenden Erträge, wie beruflicher Aufstieg, persönliche Weiterentwicklung oder Spaß am gemeinsamen Lernen. Diese Seite von Weiterbildungsentscheidungen soll in dieser Arbeit stärker ausgeleuchtet werden.
Bernhard Schmidt
1. Ältere Arbeitnehmer in der Gesellschaft
Zusammenfassung
Ziel dieses Kapitels ist es, einen Überblick über aktuelle Entwicklungen auf Ebene der Gesellschaft und des Arbeitsmarktes zu geben und die besondere Position Älterer als Erwerbstätige und als Bildungsteilnehmer herauszuarbeiten. Dabei wird auch auf die Besonderheiten der Lebensphase „höheres Erwachsenenalter“ aus einer entwicklungspsychologischen Perspektive und unter besonderer Berücksichtigung des Übergangs in die Nacherwerbsphase eingegangen. Auf eine Aufarbeitung der einschlägigen gesellschaftstheoretischen Modelle und vertiefte Diskussion der entwicklungstheoretischen Zugänge wird an dieser Stelle verzichtet, da für die Zielsetzung der Arbeit eine Deskription der Rahmenbedingungen ausreichend erscheint. Die für die Arbeit zentralen bildungs-, lern- und motivationstheoretischen Modelle werden in den Kapiteln 2, 3 und 4 eingeführt.
Bernhard Schmidt
2. Lernen älterer Arbeitnehmer
Zusammenfassung
Bevor der Frage nach den Auswirkungen von Alterungsprozessen auf Lernverhalten und Lernfähigkeit nachgegangen werden kann, muss zunächst geklärt werden, welcher Lernbegriff diesen Analysen zugrunde liegt. Die Gleichsetzung von Lernen mit jeder Form der Informationswahrnehmung, -verarbeitung und -aneignung würde eine Entgrenzung des Lernbegriffs nach sich ziehen und Lernen einem allgegenwärtigen und in seinen Formen und Facetten nicht mehr überschaubaren Konglomerat kognitiver Prozesse gleichsetzen. Ein derart weit gefasster Lernbegriff ließe kaum mehr verallgemeinerbare Aussagen über „das Lernen“ zu und entzöge sich somit der wissenschaftlichen Analyse. Wird der Lernbegriff hingegen auf den Aufbau expliziter Wissenstrukturen begrenzt, so wird z.B. der Aufbau von Erfahrungswissen, das sowohl explizite als auch implizite Wissensbestände umfasst (vgl. Koller/Plath 2000) und gerade in beruflichen Kontexten von zentraler Bedeutung sein kann, ausgeblendet. Schäffter (2001) definiert Lernen aus einer systemtheoretischen Perspektive auch als die „kognitiv strukturierende Aneignung von neuartigen Anteilen aus der je systemspezifischen Umwelt“ (ebd., S. 166).
Bernhard Schmidt
3. Informelles Lernen
Zusammenfassung
Mit den Ansätzen John Deweys – der auch als Urheber des Begriffs genannt wird (vgl. Overwien 2005) – und Georg Kerschensteiners (vgl. Gerstenmaier & Mandl 2006) gingen bereits Elemente informellen Lernens in die klassische Berufsbildungstheorie ein (vgl. Dehnbostel & Gonon 2002). Heute wird der schillernde Terminus in verschiedenen Kontexten und Lesarten herangezogen, vor allem wenn es um die Ergänzung organisierter Lehr-Lernformen und die Überwindung von genuin mit diesen verbundenen Grenzen geht. Der vor allem in Zusammenhang mit Innovationen im Bereich beruflicher Bildung aktuell häufig verwendete Begriff beschreibt dabei keine neuen, revolutionären Lernformen sondern es handelt sich vielmehr um die Wiederentdeckung der ursprünglichsten Form menschlichen Erkenntnisgewinns. So wächst in Bildungsforschung und -praxis das Bewusstsein, dass das – wegen der begrenzten Erfahrungs- und Lernwelten und damit der eingeschränkten Möglichkeiten informellen Lernens erst eingeführte – formale Bildungssystem auch wiederum Grenzen und Einschränkungen unterliegt und seinerseits auf die Ergänzung durch informelle Lernprozesse angewiesen ist (vgl. Meder 2002, S. 8).
Bernhard Schmidt
4. Das Kapital-Modell
Zusammenfassung
Die Frage nach dem messbaren „Gewinn“, dem persönlichen und gesellschaftlichen „Outcome“ von Lern- und Bildungsaktivitäten, begleitet und prägt – gewollt oder ungewollt – bildungspolitische Diskussionen nicht erst in der modernen Informationsgesellschaft. Während ökonomische Erträge von Lernen immer wieder zur Rechtfertigung von Bildungsinvestitionen herangezogen werden, gleichzeitig aber gerade in erziehungswissenschaftlichen Diskursen äußerst umstritten sind, gehören die Entwicklung der Persönlichkeit, die Erweiterung der individuellen Handlungs- und Reflexionsfähigkeit sowie die Befähigung zu autonomen, mündigen Entscheidungen zu den auf breiter Basis konsensfähigen Bildungszielen. Weitere – oft nicht intendierte – Effekte von Bildungsmaßnahmen, wie z.B. das Knüpfen neuer zwischenmenschlicher Kontakte und daraus resultierend ein erweitertes soziales Netzwerk, werden in diesem Zusammenhang bisher noch wenig thematisiert. In Zeiten knapper öffentlicher Kassen kommen Bildungseinrichtungen und Bildungsforscher aber nicht mehr umhin, auf die mess- und quantifizierbaren Erträge von Bildung zu verweisen, um die staatliche Förderung und damit die Realisierung von Bildungsprojekten zu sichern. Dieser Argumentationsstil begann mit der Einführung des Humankapital-Begriffs (Schultz 1960) und dem damit verbundenen Verständnis von Bildung als einer auch ökonomisch langfristig sinnvollen Investition. Mit dem Terminus des Humankapitals machten US-amerikanische Wissenschaftler erstmals darauf aufmerksam, dass wirtschaftliche Erträge sich nicht nur in physischem Kapital niederschlagen, sondern auch in den Dispositionen der Bürger verankert sein können. Die hier noch dominierende gesellschaftliche Makroperspektive auf nichtphysisches Kapital ergänzt sich mit der Einführung des kulturellen und sozialen Kapitals (Bourdieu 1983) sowie des Identitätskapitals (Côté 1997) um Ressourcen, die stärker an das einzelne Individuum oder gesellschaftliche Gruppen gebunden sind und sich nur bedingt gesamtgesellschaftlich fassen lassen.
Bernhard Schmidt
5. Untersuchungsdesign und Fragestellungen
Zusammenfassung
Die ab Kapitel 6 vorgestellten Befunde sind Teile eines multimethodischen Forschungsprojekts (Kurzname EdAge), das – gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung – von September 2006 bis August 2008 an der Ludwig- Maximilians-Universität unter der Leitung von Rudolf Tippelt und Bernhard Schmidt durchgeführt wurde. Die der eigentlichen empirischen Erhebung vorgeschalteten dreizehn Interviews mit Expertinnen und Experten aus der Gerontologie, der Bildungsforschung und der Weiterbildungspraxis dienten primär der Hypothesengenerierung. Die methodische Anlage und Durchführung der Gespräche werden hier aber nicht eingehend vorgestellt, da es sich lediglich um Vorarbeiten handelte, die zwar in die Konstruktion der Erhebungsinstrumente, nicht aber in die Ergebnisdarstellung einbezogen wurden.
Bernhard Schmidt
6. Standardisierte Repräsentativerhebung
Zusammenfassung
Basis des quantitativen Teils dieser Studie ist die im Rahmen eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung von 2006 bis 2008 geförderten Forschungsprojektes durchgeführte repräsentative Befragung der 45 bis 80-jährigen Wohnbevölkerung in Deutschland. Für die vorliegende Arbeit werden – sofern nicht anders ausgewiesen – die Daten der 45 bis 65-jährigen Erwerbsbevölkerung (n=3086) bzw. der Erwerbstätigen (n=2012) herangezogen.
Bernhard Schmidt
7. Gruppendiskussionen
Zusammenfassung
Gruppendiskussionen sind, so Bohnsack, Przyborski und Schäffer (2006, S. 7), „auf dem besten Wege, sich zu einem Standardverfahren qualitativer Forschung zu entwickeln“. Betrachtet man insbesondere Studien zu Bildungsinteressen und -verhalten (z.B. Barz & Tippelt 2004b; Schäffer 2003; Tippelt, Weiland, Panyr & Barz 2003), so scheint sich das Verfahren in manchen Bereichen empirischer Sozialforschung bereits etabliert zu haben. Die bedeutsamste Stärke der Methode liegt in der Erfassung kollektiv geteilter Orientierungen bzw. handlungsleitenden Orientierungswissens in Realgruppen oder Kollektiven, d.h. einer Gruppe von Personen, die durch gemeinsames Schicksal oder gemeinsame soziale Lage verbunden sind (vgl. Bohnsack 2007, S. 107). Dieses Orientierungswissen bleibt als implizites und atheoretisches Wissen den Handelnden selbst oft unzugänglich und kann interpretativ herausgearbeitet und expliziert werden (vgl. Bohnsack 2004; 2007a). Im Forschungsprozess muss daher eine Offenheit gegenüber den Orientierungen und subjektiven Konstruktionen der Befragten erhalten bleiben und die begrifflichen wie theoretischen Konstruktionen der Forschenden an diese anknüpfen. Für die Exploration von Einzelperspektiven eignet sich die Methode der Gruppendiskussion dagegen nicht (vgl. Bohnsack 2007b, S. 106).
Bernhard Schmidt
8. Qualitative Interviews
Zusammenfassung
Der dritte methodische Baustein der Untersuchung waren qualitative Interviews, die gegenüber der Gruppendiskussion besser geeignet sind, die individuellen biografisch bedingten Sichtweisen zu erfassen, persönliche Deutungsmuster und Handlungsansätze zu identifizieren und durch komparative Analysen die individuellen aber auch kollektiv geteilten Wissensbestände und Anschauungen zu erfassen. Ziel ist u.a. die Entwicklung einer Typologie innerhalb der Gruppe älterer Erwerbspersonen hinsichtlich ihres Bildungshabitus und ihrer Bildungsmotive. Die erarbeiteten Typen können dann mit den quantitativen Daten abgeglichen werden. Zusätzlich ermöglichen erst die qualitativen Einzelinterviews einen angemessenen Einbezug der individuellen biografischen Hintergründe in die verstehende Annäherung an aktuelle Handlungs- und Deutungsschemata.
Bernhard Schmidt
9. Diskussion
Zusammenfassung
Die Typologie, wie sie aus den Interviews erarbeitet wurde, die sich insbesondere in den Gruppendiskussionen abzeichnenden Bildungsinteressen verschiedener Gruppen Älterer und die umfassenden Befunde aus der Repräsentativerhebung wurden bislang separat betrachtet. Ein vollständigeres Bild und eine fundierte Beantwortung der Forschungsfragen erfordert einerseits die Ergebnisse der verschiedenen forschungsmethodischen Zugänge aufeinander zu beziehen und andererseits diese in den entwickelten theoretischen Rahmen einzuordnen. Mit diesen beiden Herausforderungen sind die zentralen Inhalte des folgenden Kapitels umrissen.
Bernhard Schmidt
10. Resümee
Zusammenfassung
Aus den aktuellen und zukünftigen demografischen Entwicklungen ergeben sich umfassende Herausforderungen für Politik, Bildungssystem und Wirtschaft. Innerhalb der Betriebe macht ein steigendes Durchschnittsalter der Belegschaften sowie eine Verknappung junger Nachwuchskräfte auf dem Arbeitsmarkt eine altersgerechte Personalpolitik unumgänglich. Dazu gehört – neben einer Flexibilisierung des Berufsausstiegs und einer altersgerechten Gestaltung von Arbeitsplätzen – auch die Weiterbildung von Mitarbeitern über das gesamte Erwerbsleben hinweg oder sogar darüber hinaus. In der Vergangenheit haben viele Unternehmen primär auf den Zugang junger und gerade aus der Ausbildung kommender Fachkräfte gesetzt, um das Innovationspotenzial des Betriebs zu erhalten. Die demografischen Entwicklungen erfordern hier ein Umdenken, das sich erst langsam in den Unternehmen durchsetzt. Vor diesem Hintergrund gibt es einen nicht unbeträchtlichen Anteil älterer Erwerbspersonen, die als lernentwöhnt zu bezeichnen sind und erst allmählich wieder an Weiterbildung herangeführt werden müssen. Entsprechend sind für diese Gruppen u.U. separate Bildungsangebote sinnvoll und notwendig, wenngleich mittelfristig andere, eher präventive Strategien zur Integration Älterer in Bildungsprozesse zielführend sind (vgl. Winkels 2007).
Bernhard Schmidt
Backmatter
Metadaten
Titel
Weiterbildung und informelles Lernen älterer Arbeitnehmer
verfasst von
Bernhard Schmidt
Copyright-Jahr
2009
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-91894-5
Print ISBN
978-3-531-17036-7
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-91894-5

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