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2010 | Buch

Soziale Innovation

Auf dem Weg zu einem postindustriellen Innovationsparadigma

herausgegeben von: Jürgen Howaldt, Heike Jacobsen

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Soziale Innovation – Zur Einführung in den Band

Soziale Innovation – Zur Einführung in den Band
Zusammenfassung
Innovation ist zu einem Schlüsselbegriff der gegenwärtigen wissenschaftlichen und politischen Diskussion geworden. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen dabei technologische Innovationen als zentrale Impulsgeber der ökonomischen Dynamik. Die sozialwissenschaftliche Innovationsforschung konzentriert sich aus unterschiedlicher Perspektive und mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen auf die Relevanz des Sozialen im Innovationsprozess. Im Zentrum stehen die sozialen Voraussetzungen und Einflussfaktoren für (vor allem technische) Innovation, das Wechselverhältnis von technischer und sozialer Innovation, von Innovation und sozialem Wandel, der institutionelle Kontext und die Interaktion der am Innovationsprozess Beteiligten, die Organisation von Innovation, das Problem der Plan- und Steuerbarkeit sowie der Folgenunsicherheit. Mit ihren Erkenntnissen hat sie einen wesentlichen Beitrag geleistet, ein erweitertes und komplexes Innovationsverständnis zu etablieren.
Jürgen Howaldt, Heike Jacobsen

Zum Stand und zu den Herausforderungen sozialwissenschaftlicher Innovationsforschung

Frontmatter
Die Innovationen der Gesellschaft
Zusammenfassung
Wenn von Innovation die Rede ist, dann sind in der Regel ökonomische Innovationen gemeint. Von Schumpeter bis zu aktuellen Definitionen geht es um die Einführung und Verbreitung von neuen und verbesserten Produkten, Prozessen, Systemen und Geräten zur kommerziellen Nutzung in der Ökonomie (z. B. Freeman 1974: 22; OECD 1997: 133). Aber gibt es in der Gesellschaft nicht auch viele Innovationen von nicht-ökonomischer Art, die z. B. Wissenschaft und Bildung, Politik und Alltagsleben, Kunst und Kultur folgenreich verändern?
Werner Rammert
Innovation: Realisierung und Indikator des sozialen Wandels
Zusammenfassung
Die hier vorgelegte soziologische Rekonstruktion unternimmt den Versuch, einige Elemente für einen genuin soziologischen Begriff von Innovation zu entwickeln. Zu diesem Zweck betten wir diesen in ein Konzept von gesellschaftlicher Strukturbildung und -wandlung ein. Im Rahmen unserer Argumentation legen wir dar, inwieweit es sich um eine Erkenntnisblockade handelt, wenn an der alltagstheoretischen wie oftmals auch forschungsleitenden Unterscheidung zwischen technologischen und sozialen Innovationen festgehalten wird. Als Alternative möchten wir ein dezidiert soziologisches Verständnis von Innovation entwickeln, um damit Distanz zu gewinnen gegenüber all denjenigen ‚Innovationen‘, die von den Massenmedien, den Wirtschaftswissenschaften und den Ingenieurgemeinschaften als solche bezeichnet werden. Ein soziologisch grundiertes Verständnis schließt Innovation in Gestalt von Sachtechnik durchaus ein. Im Rückgriff auf Theorien der Technisierung ist es möglich, das was alltagspraktisch, massenmedial, betriebswirtschaftlich etc. als technische Innovation wahrgenommen wird, als soziale zu rekonstruieren und zu beobachten.
Holger Braun-Thürmann, René John
Die ‚Hightech-Obsession‘ der Innovationspolitik
Zusammenfassung
Der Fokus staatlicher Forschungs- und Innovationspolitik richtet sich traditionell auf Spitzentechnologien. Genannt werden hier Technologiebereiche wie Nanotechnologien, Biotechnologien, optische Technologien, Mikrotechnologien und Informationstechnologien. Die Förderung dieser Technologien sei deshalb sinnvoll, weil es sich um ‚Treibertechnologien‘ handele, die vielfältige Anwendungen erlaubten und Wirtschaftsbranchen veränderten (BMBF 2006: 27). Die Prämisse dieser Politik ist, dass sich im Zeitalter der Globalisierung und der sich verschärfenden Innovationskonkurrenz das hiesige Wohlstandsniveau allein über die forcierte Entwicklung von Technologien höchster und besonderer Qualität auf Dauer halten lässt; nur auf diesem Wege seien wirkliche Konkurrenzvorteile und damit hohe Preise insbesondere gegenüber den Konkurrenten aus Niedrigkostenländern zu erzielen.
Hartmut Hirsch-Kreinsen

Zum Konzept und Stellenwert sozialer Innovation

Frontmatter
Soziale Innovation – Konzepte, Forschungsfelder und -perspektiven
Zusammenfassung
Dieser Beitrag beschäftigt sich mit theoretischen Konzepten, empirischen Forschungsfeldern und beobachtbaren Trends im Bereich sozialer Innovationen. Ausgangspunkt ist die Wahrnehmung, dass das Thema in den letzten 20 Jahren in westlichen Gesellschaften zwar einen deutlichen Aufschwung und immer größere Aufmerksamkeit erfahren hat, dabei gleichzeitig aber sowohl begrifflich, konzeptionell als auch inhaltlich äußerst unscharf und diffus geblieben ist. Eine Vielzahl höchst unterschiedlicher Sachverhalte, Gegenstandsbereiche, Problemdimensionen und Problemlösungserwartungen werden unter dem Stichwort ‚soziale Innovationen‘ subsummiert, ohne sie in ihrer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedeutung, ihren Ermöglichungs- und Entstehungsbedingungen, ihrer Genese und Verbreitung hinreichend zu erfassen und von anderen Formen des sozialen Wandels wie der Innovation trennscharf zu unterscheiden.
Jürgen Howaldt, Michael Schwarz
Probleme mit der Unscheinbarkeit sozialer Innovationen in Wissenschaft und Gesellschaft
Zusammenfassung
Es gibt einschneidende Veränderungen und Ereignisse, deren Bedeutung recht schnell deutlich wurde; wie beispielsweise bei den Erfindungen der Dampfmaschine oder der Atombombe, beim Fall der Berliner Mauer oder beim 9/11- Terroranschlag. Andere Neuerungen hingegen offenbaren ihre Veränderungskraft spät oder zuweilen nur unmerklich. In einem Gespräch mit Martina Löw hebt Rainer Lepsius fast nebenbei die Relevanz der neuen Sozialfigur der modernen Frau hervor, die er als „größte der sozialen und kulturellen Revolutionen des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet. Dabei geht es ihm nicht vordergründig um die Auflösung traditioneller Stereotypisierungen oder um sich wandelnde Rollenverständnisse, sondern um den Hinweis, dass sich die gesamten Lebensbedingungen von Frauen grundlegend verändert haben (Hepp/ Löw 2008: 47).
Jens Aderhold
Innovation und Kultur am Beispiel von Crowdsourcing. Herausforderung für die Innovationsforschung
Zusammenfassung
Die Kultur einer Nation vermag deren Innovativität zu behindern oder zu befördern. Der Widerstand, den Joseph A. Schumpeter für den Fall der Durchsetzung von Neuem beobachtet hat, gilt für manche Gesellschaften mehr und für andere weniger. In dieser Sicht kann die Kultur einer Gesellschaft zum Hemmnis für die Durchsetzung von Neuem werden, die sich als technology push manifestiert, also von der Wirtschaft ausgeht. Nationale Kultur kann aber auch Innovationen im Sinne von technology pull befördern, wenn die Nachfrageseite Innovationen erwartet. Eine besondere Form sind Innovationen, die auf Druck der Gesellschaft durchgesetzt werden, z. B. nachhaltige Innovationen (Katalysator, Hybridantrieb, schadstoffarme Handys). Auch hier spielt die Kultur der Gesellschaft eine Rolle, da sich das Leitbild der Nachhaltigkeit nicht in allen Gesellschaften in gleichem Maße durchsetzt.
Birgit Blättel-Mink
Web 2.0 zwischen technischer und sozialer Innovation: Anschluss an die medientheoretische Debatte
Zusammenfassung
Seit 2004 präsentiert sich das ‚Web 2.0‘ als neue Entwicklung, die – folgt man jeweils euphorischen oder kritischen Stimmen – nicht mehr und nicht weniger bietet als die endgültige Durchsetzung wahrer Demokratie oder: gar nichts Neues. Beide Perspektiven haben übrigens nachvollziehbare Argumente; doch dazu später. Fakt ist: Der Begriff des Web 2.0 wurde 2004 vom O'Reilly-Verlag geprägt, der nach dem Platzen der ‚dot-com-Blase‘ Internet-Experten zu einer Konferenz zur Zukunft des Internet lud. Der Titel der Konferenz – ‚Web 2.0 Conference‘ – war eher dem Marketing der Veranstaltung geschuldet, als einem Ansatz, Ziel oder Konzept zu folgen. Doch er griff: ‚Web 2.0‘ wird heute weltweit als Synonym für eine große Anzahl unterschiedlicher Angebote verwendet und erfreut sich einer regen Diskussion auch in ‚klassischen‘ Massenmedien und verschiedenen Fachdiskursen.
Bastian Pelka, Christoph Kaletka

Soziale Innovation und Nachhaltigkeit

Frontmatter
Die Bedeutung sozialer Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung
Zusammenfassung
Die allgegenwärtige Thematisierung des Innovationsbegriffs weist große Ähnlichkeiten mit der des Nachhaltigkeitsbegriffs auf: Zum einen gilt Innovation ebenso wie der Übergang zu einer nachhaltigen Entwicklung als eine unabdingbare Existenz- und Fortschrittsbedingung bzw. als Synonym einer universellen Problemlösung. Je nach Perspektive handelt es sich in beiden Fällen um einen Imperativ der modernen Gesellschaft, der als Leitbild politischer Programme sowie von Konzepten des wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und institutionellen Wandels seinen (alternativlosen) paradigmatischen Ausdruck findet. Zugleich aber bleibt das mit Innovation tatsächlich Gemeinte meist ebenso diffus, wie die verbreiteten Vorstellungen von einer nachhaltigen Entwicklung und ihrer Realisierbarkeit. Zwischen der wachsenden Bedeutung der Themen und ihrer systematischen wissenschaftlichen Aufarbeitung klafft eine deutliche Lücke. Verbunden mit einer eigentümlichen Ausblendung der mit Innovationen im Einzelnen verbundenen Probleme und Folgen verleiht dies dem Innovations- wie dem Nachhaltigkeitsparadigma den Charakter eines sich verselbständigenden Sozialmythos im Sinne eines unreflektierten Deutungssystems (vgl. auch Krücken 2006). Bei beiden Themen hat man es gleichermaßen mit hoher Wünschbarkeit wie mit hoher Komplexität und dementsprechend überwiegend mit „einfachen und nicht-hinterfragbaren Kausalerklärungen“, sowie „stark affektiv aufgeladene(n) und emotionalisierte(n) Sachverhalte(n)“ (Krücken 2006: 2), mit „semantischen Simplifizierungen und Asymmetrien“ (Aderhold/ John 2005: 8) zu tun.
Michael Schwarz, Martin Birke, Emanuel Beerheide
Nachhaltigkeit: Motor für schöpferische Zerstörung?
Zusammenfassung
Ein beschleunigter Klimawandel, eine weiterhin ungebremste Ausbeutung fossiler Rohstoffe und das zunehmende Wohlstands-Armuts-Gefälle in der Welt verweisen darauf, dass ein Großteil heutiger Wirtschafts- und Konsummuster nicht nachhaltig sind, und einen grundlegenden Strukturwandel erfordern. Wir wissen aber auch, dass ein durch Innovationen getriebener Strukturwandel keineswegs automatisch zu ökologischen Verbesserungen oder zum Abbau von Armut führt. Eine nachhaltige Entwicklung braucht zwar Innovationen, aber nicht irgendwelche. Das Bemühen um Nachhaltigkeit durch Innovation muss zwei zentrale Aspekte berücksichtigen:
1.
Nachhaltigkeitsorientierte Innovationen sind mit Blick auf das potenzielle Scheitern jedes Innovationsversuchs und angesichts möglicher nichtintendierter Rebound- und Nebeneffekte durch eine doppelte genuine Ungewissheit geprägt. Ein positiver Nachhaltigkeitsbeitrag kann zwar systematisch gefördert und unternehmerisch verfolgt, aber nicht garantiert werden.
 
2.
Innovation (Das Nachhaltige in die Welt bringen) ist neben Exnovation (Das Nicht-Nachhaltige aus der Welt schaffen) nur eine von mehreren möglichen Veränderungsmodi für eine nachhaltige Entwicklung (Paech 2005: 251 ff.). Zur Erzielung positiver Nachhaltigkeitseffekte kommt es auf das Zusammenwirken von Innovation und Exnovation an. Nachhaltigkeit verlangt also im Sinne Joseph Schumpeters eine Kultur der schöpferischen Zerstörung.
 
Klaus Fichter
Innovationen im politischen Prozess als Bedingung substantieller Nachhaltigkeitsfortschritte
Zusammenfassung
Überlegungen zur Art und Weise des Innovationsbedarfs, der mit dem Ziel der Beförderung von Nachhaltigkeit einhergeht, legen es nahe, sich zunächst einmal darüber zu verständigen, welche Besonderheiten der Nachhaltigkeitsproblematik für diesen Zusammenhang relevant sind. Im Vordergrund steht hier das Spannungsverhältnis von ‚messen und verhandeln‘ (Abschnitt 1). Die Frage des Innovationsbedarfs wird sodann in zwei Richtungen erörtert. Zum einen werden drei notwendige Erweiterungen des politischen Instrumentenkastens behandelt: intermediäre Institutionen des ‚science-policy interface‘, Achsen der Politikintegration und das Konzept des ‚transition-management‘ (Abschnitt 2). Der folgende Abschnitt diskutiert Nachhaltigkeit als eine verteilungspolitische Herausforderung (Abschnitt 3). Der Schwerpunkt liegt hier auf Befunden der empirischen Gerechtigkeitsforschung und der nachhaltigkeitspolitischen Notwendigkeit, etablierte Vorstellungen von Angemessenheit und Gerechtigkeit zu überwinden oder zumindest zu relativieren.
Hellmuth Lange

Soziale Innovation und Dienstleistungen

Frontmatter
Dienstleistungsinnovation als soziale Innovation: neue Optionen für produktive Aktivität der NutzerInnen
Zusammenfassung
Die wachsende Bedeutung von Dienstleistungen für Wirtschaft und Beschäftigung rückt Dienstleistungsinnovationen notwendigerweise zunehmend in das Zentrum des wissenschaftlichen und politischen Interesses. Wie entstehen neue Dienstleistungen, wie werden sie angenommen, wie setzen sie sich auf Dauer durch? Welche organisationalen, institutionellen und politischen Voraussetzungen stärken die Innovationsfähigkeit von Dienstleistungsunternehmen? Diese Fragen werden seit einigen Jahren lebhaft diskutiert. Für die sozialwissenschaftliche Innovationsforschung stellt sich die Frage, ob die Tertiarisierung des Innovationsgeschehens neue Probleme aufwirft, die sich nicht grundsätzlich mit den bisher vorwiegend anhand technischer bzw. materieller Neuerungen entwickelten Kategorien zur Analyse von Entstehung, Durchsetzung und Stabilisierung von Innovationen bearbeiten lassen.
Heike Jacobsen, Milena Jostmeier
Kooperative Dienstleistungssysteme zwischen technologischer und sozialer Innovation: Das Beispiel ‚Seltene Erkrankungen‘
Zusammenfassung
Die Dienstleistungsforschung steht vor der Herausforderung, dass sich mit dem Begriff der ‚Dienstleistung‘ der eigene Forschungsgegenstand in einem Veränderungsprozess befindet. Zugleich zeichnen sich neue, systemische Formen der menschlichen Zusammenarbeit ab, die bislang nicht im Zentrum der Dienstleistungsforschung standen. Am Beispiel des Anwendungsfeldes ‚Seltene Erkrankungen‘ werden die Konturen solcher ‚Kooperativer Dienstleistungssysteme‘ nachgezeichnet. Dabei wird erkennbar, dass in Kooperativen Dienstleistungssystemen die Unterscheidung von technologischer und sozialer Innovation an Trennschärfe verliert.
Bernd Bienzeisler, Walter Ganz, Michaela Klemisch
Soziale Innovation in der Pflege – Vernetzung und Transfer im Fokus einer Zukunftsbranche
Zusammenfassung
In der Gesundheitsbranche gilt vor allem medizinische, pharmazeutische und medizintechnische Forschung als innovativ: Hier entstehen neue Therapien, Arzneimittel und Produkte. Pflege dagegen wird durch die starke Verknüpfung des Innovationsbegriffs mit High-Tech-Medizin im Allgemeinen nicht mit Innovation in Verbindung gebracht. Die Bedeutung von Innovationen im Bereich der Pflege und der nicht unmittelbar medizinischen Versorgung wird unterschätzt, kaum als solche wahrgenommen und selten wissenschaftlich untersucht. Dies verwundert umso mehr, als Gesundheit und Pflege einem dynamischen Wandel unterliegen, der Innovationen auf vielen Feldern unumgänglich macht.
Kerstin Köhler, Monika Goldmann
Neue Technologien und soziale Innovationen im Sozial- und Gesundheitswesen
Zusammenfassung
Das Sozial- und Gesundheitswesen steht schon seit einiger Zeit vor tief greifenden Veränderungen: soziodemographischer Wandel, zunehmender Mangel an qualifiziertem Personal und zunehmender Personalmix, die Anforderung stärker kundenorientierte und individualisierte Versorgungskonzepte zu entwickeln, die Vernetzung und integrierte Versorgung auszubauen sowie die technologischen Entwicklungen und ihre steigende Bedeutung auch in der sozialen und pflegerischen Arbeit sind die z. B. in ‚Pflege 2015‘ formulierten Entwicklungstrends, mit denen sich Sozial- und Gesundheitseinrichtungen auseinandersetzen müssen (Klein/ Gaugisch/ Stopper 2008).
Barbara Klein
Integration und Vernetzung – Soziale Innovationen im Bereich sozialer Dienste
Zusammenfassung
Den nachfolgenden Überlegungen liegt ein Innovationsbegriff zugrunde, der über naturwissenschaftlich-technische Produkt- und Prozessinnovationen oder Marktinnovationen hinausgeht. Die zunehmende Bedeutung des Dienstleistungssektors und in unserem Kontext der sozialen Dienste erfordert die Erweiterung des Innovationsbegriffs um die Neukonfiguration sozialer Arrangements.
Rolf G. Heinze, Gerhard Naegele
Innovationsförderung als soziologisches Projekt – das Beispiel ‚Dienstleistungswettbewerb Ruhrgebiet‘
Zusammenfassung
Im Übergang von der Industrie- zu einer Wissens- oder Dienstleistungsgesellschaft rücken auch Dienstleistungsinnovationen in das Blickfeld. Wenn es um öffentliche, aber auch die betriebliche Förderung ging, führte der Dienstleistungsbereich lange eher ein Schattendasein. Nicht zuletzt auch deshalb, weil es sich um einen stark frauendominierten Bereich handelt. Das hat allerdings nichts damit zu tun, dass es in diesen Bereichen bislang keine Innovationen gab, sie wurden und werden nur allzu häufig nicht zur Kenntnis genommen. Hinzu kommen etliche regionale Besonderheiten in der Nutzung und Verbreitung und damit auch in der Kreativität bei der Entwicklung neuer Dienstleistungen. Mit Kehrbaum (2009) wird im Folgenden davon ausgegangen, dass Innovationen in komplexe soziale Prozesse eingebettet sind. „Menschen machen Innovationen“, hieß es kurz und treffend im Titel einer Veranstaltung der Gewerkschaft Verdi (Bsirske/ Endl/ Brandl/ Schröder 2005). Die Auseinandersetzung mit Innovationsprozessen stellt somit auch im Dienstleistungsbereich eine Herausforderung für die Soziologie dar.
Edelgard Kutzner

Soziale Innovation in der Management- und Organisationsforschung

Frontmatter
Qualitäts-Management als soziale Innovation
Zusammenfassung
Die Einführung von Systemen zur Verbesserung der Managementqualität, verstanden als Verbesserung der Organisationsqualität, ist eine soziale Innovation der späten achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts, die sich durchgesetzt hat. Sie basiert auf früheren sozialen Innovationen, darunter die der ‚wissenschaftlichen Betriebsführung‘. Sie alle sind zugleich sozialwissenschaftlich basierte Innovationen (gewesen). Dabei verhalten sich die Verbesserung der Qualität des Managements und Qualitätsmanagement zueinander wie die Einführung von Gruppenarbeit und die Rationalisierung nach den Taylorschen Prinzipien von Arbeitszerlegung und Arbeitsteilung. Beide haben sehr viel miteinander zu tun, bauen u. U. gar aufeinander auf, gehören aber zwei ursprünglich sehr unterschiedlichen Denkwelten an. Zwischen beiden liegt jeweils eine von sozialen Innovationen gespickte Entwicklung. Und beide waren ursprünglich selbst originäre soziale Innovationen. Das ist, in wenigen Worten, die These, die hier entwickelt werden soll. Eingebettet ist diese These in die vorgängige Erörterung des Charakters nur sozialer Innovation, will sagen, von sozialer Innovation, die nicht an technische Innovationsprozesse gebunden ist. Das schließt nicht aus, dass sie durch technische Innovationen erleichtert, in ihrer Ausbreitung beschleunigt oder gar modifiziert werden könnten.
Hans-Werner Franz
Innovationsmanagement im Enterprise 2.0 – Auf dem Weg zu einem neuen Innovationsparadigma?
Zusammenfassung
Die organisations- und managementbezogene Forschung spielt im Hinblick auf die Analyse und Gestaltung sozialer Innovationen traditionell eine wichtige Rolle. So gehen Moulaert, Martinelli, Swyngedouw und Gonzalez davon aus, dass soziale Innovationen als Thema der internationalen sozialwissenschaftlichen Literatur der 1990er Jahre fast ausschließlich der management- und unternehmensbezogenen Literatur vorbehalten war
Jürgen Howaldt, Emanuel Beerheide
Beteiligung als soziale Innovation
Zusammenfassung
Innovation gilt Vielen als ein Leitbegriff neuerer soziologischer Diskurse zum besseren Verständnis aktueller Modernisierungsprozesse. Ich würde eher von einem Modebegriff sprechen. Im ersten Abschnitt des vorliegenden Aufsatzes geht es daher darum, sich des eigenen Verständnisses dieses Begriffes zu vergewissern, ehe unter dem Innovationsaspekt ein genaueres Verständnis von Beteiligung der ArbeitnehmerInnen in der Wirtschaft erarbeitet und verschiedene Versuche, entsprechende Beteiligungsprozesse im System der industriellen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu implementieren, näher analysiert werden sollen. Dabei geht es um konfliktträchtige, häufig auch konfliktbehaftete Prozesse, die in verschiedenen Entwicklungsphasen von unterschiedlichen ‚strategischen‘ Akteuren in Auseinandersetzung mit gegebenen institutionellen Strukturen betrieben wurden. Wie zu zeigen ist, erwiesen sich Formen direkter Beteiligung der Beschäftigen – von Ansätzen zur Gestaltung ihrer unmittelbaren Arbeitsbedingungen bis hin zur Unterstützung oder Ermöglichung von Einflussnahmen ihrer repräsentativen Interessenvertretungen auf strategische Unternehmensentscheidungen – als Versuche sozialer Innovation, denen gegenüber das Institutionengefüge des korporatistischen deutschen Modells kooperativer Konfliktwertarbeitung sich immer wieder als ‚sperrig‘ erwiesen hat. Dies lässt sich über unterschiedliche Beteiligungskonjunkturen hinweg zeigen. Auch wo die funktionale Seite von Beteiligung schließlich mehr oder weniger unstrittig war, boten ihr dynamisches Potential und ihre immer auch enthaltene demokratische Dimension immer wieder Anlass zu Widerständen. Der Aufsatz mündet in die These, dass heute angesichts (1) der Subjektivierung, Flexibilisierung und teilweisen Entgrenzung von Arbeit, (2) fortgeschrittener Prozesse der Erosion überkommener institutioneller Strukturen sowie (3) zunehmend krisenhafter ökonomischer Entwicklungen Beteiligungspotentiale und -bereitschaften der Beschäftigten vorhanden sind, die es so in früheren Entwicklungsphasen von industrieller wie Dienstleistungsarbeit noch nicht gegeben hat und deren Nutzung eine wesentliche Voraussetzung zur stabilen Bewältigung gegenwärtiger Umbruchsprozesse sein dürfte.
Helmut Martens
Backmatter
Metadaten
Titel
Soziale Innovation
herausgegeben von
Jürgen Howaldt
Heike Jacobsen
Copyright-Jahr
2010
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-92469-4
Print ISBN
978-3-531-16824-1
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-92469-4

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