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2011 | Buch

Prekäre Kommunikation

Die Vernehmung in der multikulturellen Gesellschaft

verfasst von: Jan Rommerskirchen

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Einleitung
Zusammenfassung
Das Zusammenleben der Menschen mit ihren unterschiedlichen Kulturen scheint weltweit schwieriger zu werden. Nach den Anschläge in New York am 11. September 2001 breitete sich auch in Europa eine Welle des Terrors und der Gewalt aus: Bombenanschläge in London und Madrid, Straßenschlachten in Paris oder die Ermordungen des Regisseurs Theo van Gogh in Amsterdam sowie der Ägypte- rin Marwa el-Sherbini im Landgericht Dresden.
Jan Rommerskirchen
2. Kommunikation
Zusammenfassung
Eine Vernehmung als eine Form von Kommunikation zu betrachten, ist auf den ersten Blick nicht unproblematisch. Allzu offensichtlich treffen hier gegensätzliche Interessen aufeinander. Dem Vernehmer geht es um die Tat- und Schuldaufklärung zur Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs, dem Beschuldigten geht es zumeist darum, dies zu verhindern. Die Vernehmung scheint vor allem „ein Kampf um die Dominanz“ (Schröer 2004: 524) zu sein: Auf der einen Seite demonstriert der Beschuldigte seine Macht über das Wissen um die Wahrheit durch ausweichende Antworten, Lügen oder Schweigen. Auf der anderen Seite beherrscht der Vernehmende den Schauplatz - Ort und Zeit, Art und Inhalt der Fragen sowie die Atmosphäre der Befragung liegen in seiner Hand.
Jan Rommerskirchen
3. Kultur
Zusammenfassung
Um die Kommunikation in der interkulturellen Beschuldigtenvernehmung zu verstehen, habe ich in einem ersten Schritt die Beziehung zwischen zwei Akteuren in der interpersonellen Kommunikation untersucht. Im zweiten Schritt will ich nun untersuchen, welche Auswirkung die Kultur der Sprecher in der interkulturellen Vernehmung hat. Den Vernehmenden und den zu Vernehmenden betrachte ich dabei zunächst nicht als Polizisten beziehungsweise als Beschuldigten, sondern als jeweils selbstständige Individuen mit eigener Identität und individueller Kultur. Um die wichtigen Konzepte der Identität und der Kultur einer Person zu verstehen, löse ich die Untersuchung wiederum zunächst von der konkreten Situation der Beschuldigtenvernehmung. Die Ergebnisse der allgemeinen Überlegungen übertrage ich dann anschließend auf die spezielle Kommunikationssituation in der Vernehmung.
Jan Rommerskirchen
4. Vernehmungen
Zusammenfassung
Die Vernehmung eines Beschuldigten durch einen Polizeibeamten ist eine prekäre Art der Kommunikation. Für den Zeitraum der Vernehmung müssen der Polizeibeamte und der Beschuldigte eine Beziehung zueinander herstellen, die beiden Akteuren irgendeine Form des sozialen Handelns und der Kommunikation ermöglicht – denn beide Akteure haben in der Vernehmung eine Intention, die sie durchsetzen wollen: Der Vernehmende will die Wahrheit über einen Tatvorwurf erfahren, der Beschuldigte sich gegen diese Vorwürfe verteidigen und gegebenenfalls die Wahrheit verschweigen. Und auch wenn sich die Intentionen beider Akteure widersprechen, so hat doch jeder von ihnen das Ziel, seiner eigenen Handlungsabsicht in einem kommunikativen Prozess zum Erfolg zu verhelfen. Der Vernehmende und der Beschuldigte wollen kommunizieren.
Jan Rommerskirchen
5. Vernehmungen in der multikulturellen Gesellschaft
Zusammenfassung
Im Umgang mit ethnischen Gruppen herrscht in der Bundesrepublik Deutschland oftmals eine angespannte Situation. Vor allem aus historischen Gründen, die über die Zeit des Nationalsozialismus hinausweisen, gilt etwa die Diskussion über den Zusammenhang von ethnischen Gruppen und Kriminalität als Tabu. Gerade in einer multikulturellen Gesellschaft muss der Diskurs hierüber aber offen geführt werden, denn für die Gesellschaft und für die Politik sind die vermeintlichen ‚kriminellen Ausländer’ ein andauerndes Streitthema in jedem modernen Staat - in Großbritannien, Frankreich, der Schweiz und eben auch in Deutschland. Der erfahrene Kriminalist Klaus Habschick stellt hierzu nüchtern fest: „Die Kriminalität von Ausländern und Teilen der nicht deutsch sprechenden Aussiedler stellt für das deutsche Rechtssystem in vielfacher Weise ein sehr großes Problem dar“ (Habschick 2006: 434).
Jan Rommerskirchen
6. Zusammenfassung
Zusammenfassung
Menschen sind moralfähige Lebewesen und sie definieren als Gemeinschaft Recht und Unrecht. Menschen können Recht und Unrecht unterscheiden und sie können sich für eine mögliche Handlungsweise entscheiden. Recht und Unrecht sind insofern ein Ausdruck der menschlichen Freiheit. Konstitutiv für eine Gemeinschaft freier und rechtsgleicher Menschen sind daher ein Staat und eine Polizei, die das Recht festigen und gegen Unrecht vorgehen. Die polizeiliche Vernehmung von Beschuldigten ist deshalb ein wesentliches Element im Zusammenschluss freier Menschen und in der Beziehung zwischen Gesellschaft und Staat, zwischen Bürgern und Polizei in einem Rechtsstaat.
Jan Rommerskirchen
7. Ausblick
Zusammenfassung
Meine Arbeit begann mit dem Fallbeispiel der Vernehmung des Terroristen Abu Zubaydah durch den FBI-Ermittler Ali Soufan. Die kommunikationswissenschaftliche Untersuchung in dieser Arbeit führt hoffentlich zu einem besseren Verständnis, warum es Soufan gelang, wichtige Informationen zu vergangenen und bevorstehenden Terroranschlägen zu erhalten. Nicht zuletzt sollte meine Arbeit aber auch erklären, warum es in interkulturellen Beschuldigtenvernehmungen nicht zielführend ist, einen Beschuldigten zu diskriminieren, zu demütigen oder gar körperlich zu foltern. Vernehmer, die sich derartiger Maßnahmen bei Terrorverdächtigen bedienen, sind ebenso kontraproduktiv wie die orangefarbenen Overalls der Gefangenen im US-Lager in der Bucht von Guantánamo – all dies stärkt lediglich die deontischen Einstellungen der Beschuldigten untereinander. Die Motivation zu einem Geständnis wird dadurch jedoch nicht geweckt – die kommunikationswissenschaftlichen Gründe hierfür hat meine Arbeit dargestellt.
Jan Rommerskirchen
Backmatter
Metadaten
Titel
Prekäre Kommunikation
verfasst von
Jan Rommerskirchen
Copyright-Jahr
2011
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-92723-7
Print ISBN
978-3-531-17929-2
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-92723-7