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2011 | Buch

Das Neue am Neo-Institutionalismus

Der Neo-Institutionalismus im Kontext der Organisationswissenschaft

verfasst von: Konstanze Senge

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Über dieses Buch

Die vorliegende Publikation offeriert eine Analyse des soziologischen Neo-Institutionalismus und versucht, Gründe für den Erfolg dieses Forschungsprogramms zu ermitteln. Die Argumentation wird von der Frage geleitet, was das tatsächlich Neue am Neo-Institutionalismus ist. Die wissenschaftssoziologische Analyse richtet sich vor allem auf theorieimmanente Entwicklungen innerhalb der US-amerikanischen Organisationswissenschaft. Ergänzt wird diese durch wissenssoziologische Betrachtungen der US-amerikanischen Wirtschaft, der Politik und des akademischen Feldes.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Einleitung
Zusammenfassung
Der Neo-Institutionalismus zählt heute zu den bedeutendsten Ansätzen in den Sozialwissen¬schaften. Seit Ende der 1970er Jahre verhandeln Soziologen, Ökonomen, Politik- und Or¬ganisationswissenschaftler über die wiederentdeckte Bedeutung von Institutionen für die Gesellschaft. Während dieser nunmehr fast 40 Jahre sind die Veröffentlichungen zum Neo-Institutionalismus derart exponentiell gewachsen, dass der Neo-Institutionalismus in seiner evolutionären Entwicklung mittlerweile den Reifegrad der „normal science“ erreicht hat. Mit anderen Worten: Der Neo-Institutionalismus ist erfolgreich. Mitunter sogar derart erfolg¬reich und inspirierend, dass wir eine Konjunktur der Neo-Institutionalismen erleben dürfen. Es finden sich in den sozialwissenschaftlichen Gazetten Ausführungen zum Soziologischen Neo-Institutionalismus (Powell/DiMaggio 1991; Senge/Hellmann 2006), zum Old Instituti¬onalism (Merton 1968; Stinchcombe 1965), zum Skandinavischen Institutionalismus (Czar¬niawska/Sevón 2005, 1996), zum Französischen Institutionalismus (Diaz-Bone 2009), zum Rational-Choice-Institutionalismus (Brinton/Nee 1998) und last but not least zum Histori¬schen Institutionalismus im Anschluss an Steinmo, Thelen, Longsstreth (1992). Das gemein¬same Fundament der disziplinenübergreifenden Diskussion ist jedoch nicht sehr stabil. Dies liegt zum einen daran, dass sich die jeweiligen Disziplinen bezüglich herangezogener Theo¬rietraditionen und Forschungsfragen unterscheiden, zum anderen aber auch an der konzepti¬onellen Diffusität zentraler Termini wie dem Schlüsselbegriff der „Institution“. Einig ist man sich aber zumindest, dass Institutionen wichtig sind. Was Institutionen sind, worin sich ihre Bedeutung manifestiert, wie dies zum Ausdruck kommt, wie Institutionen entstehen, beste¬hen und sich wandeln, wird vehement diskutiert. Angesichts dieser Pluralität neu entdeckter und neu geschaffener Institutionentheorien, beschränke ich mich mit meiner Analyse auf den so genannten Soziologischen Neo-Institutionalismus wie er insbesondere in der Organisati¬onsforschung zur Anwendung kommt. Im Besonderen versucht die vorliegende Publikation Gründe für den Erfolg dieses Forschungsprogramms zu ermitteln. Die Argumentation wird von der Frage geleitet, was das tatsächlich Neue am Neo-Institutionalismus ist. Die Antwort auf die Frage findet sich in der Unterscheidung des Neo-Institutionalismus und einer ansons¬ten in ihren dominanten Strömungen als ökonomistisch zu bezeichnenden Fachrichtung. Der analytische Fokus des Neo-Institutionalismus, insbesondere seine weite gesellschaftlich ori¬entierte Perspektive markiert das zentrale Unterscheidungsmerkmal.
Konstanze Senge
2. Die Dominanz einer ökonomistischen Perspektive seit den 1960er Jahren
Zusammenfassung
In diesem Kapitel sollen die neueren organisationswissenschaftlichen Ansätzen, die seit den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts die US-amerikanische Theorienlandschaft prägten, vor¬gestellt und analysiert werden. Im Einzelnen werden die Kontingenztheorie (2.1), der Res¬sourcen-Dependenz-Ansatz (2.2), der Populationsökologische Ansatz (2.3) und die Transak¬tionskostentheorie (2.4) untersucht werden. Die Analyse hat zum Ziel, die ökonomistische Perspektive der genannten Ansätze herauszuarbeiten; sie hat nicht zum Ziel, die jeweiligen Ansätze allumfassend vorzustellen. Konkret wird es darum gehen zu zeigen, dass zum einen vornehmlich Wirtschaftsorganisationen bzw. Prozesse in Wirtschaftsorganisationen unter¬sucht werden und dass zum anderen im Wesentlichen die ökonomische Umwelt in der Ana¬lyse beachtet wird.
Konstanze Senge
3. Der Institutionenbegriff im Neo-Institutionalismus
Zusammenfassung
Die vorangegangene Darstellung organisationssoziologischer Ansätze erfolgte unter einem bestimmten Blickwinkel. Es ging dabei nicht so sehr darum, die Ansätze in ihrer Vollständig¬keit zu würdigen, sondern jenes Merkmal herauszuarbeiten, welches diese Ansätze charakte¬ristisch vom Neo-Institutionalismus unterscheidet. Wie gezeigt werden konnte, zeichnen sich die bislang untersuchten Ansätze alle durch eine ökonomistische Perspektive aus. Das heißt, die Ökonomie ist der vorrangige, und zum Teil sogar der einzige Bezugspunkt der Analyse. Organisationstypus, Variablenwahl und Umweltbezug, mitunter das gesamte zugrundeliegen¬de Handlungsmodell sind einem Ökonomismus geschuldet, der dazu führt, dass mit diesen Ansätzen ein umfassender gesellschaftstheoretischer Bezug nicht möglich ist. In der Kon¬tingenztheorie, dem Ressourcen-Dependenz-Ansatz, dem Populationsökologischen Ansatz und der Transaktionskostentheorie wird „Gesellschaft“ weitgehend ausgeblendet, bzw. die moderne Gesellschaft wird als ein auf ökonomische Aspekte begrenzter Bereich konzipiert.
Konstanze Senge
4. Organisationswissenschaft mit Gesellschaft: der Neo-Institutionalismus
Zusammenfassung
Der Neo-Institutionalismus hat zum Ziel, die Existenz von Organisationen und deren Struk¬turen als auch die Prozesse in Organisationen zu verstehen und zu erklären. Dabei unterschei¬den sich die neo-institutionalistischen Erklärungsversuche in signifikanten Aspekten von den Erklärungsversuchen anderer Ansätze. Eines seiner charakterisierenden und unterscheiden¬den Elemente ist die Wiederentdeckung von Institutionen in ihrer Bedeutung für das organi¬sationale Geschehen. Institutionen sind, wie im vorangegangen Kapitel 3 dargelegt, eine be¬sondere Art von Regeln, die in typisierter Form Anweisungen für (organisationales) Handeln beinhalten. Derartige Institutionen sind demnach, gerade weil sie Handlungen generieren, bedeutende Einfluss- und Bedingungsgrößen für Organisationen. Die Kennzeichnung und Beschreibung der Wirkungen dieser institutionellen Einflussgrößen steht im Zentrum einer neo-institutionalistischen Untersuchung. Dabei hat sich herausgestellt, dass die für Organisa¬tionen relevanten Institutionen zum großen Teil von „außen“ auf die Organisationen Einfluss nehmen. Das heißt, Organisationen werden mit institutionellen Einflüssen konfrontiert, die zum großen Teil außerhalb der Organisation generiert werden und sogar außerhalb eines or¬ganisationalen Feldes. Die Pointe des Neo-Institutionalismus besteht nun darin, Institutionen in den Blick zu nehmen, deren Bedeutung für Organisationen bislang in den dominanten An¬sätzen der US-amerikanischen Organisationswissenschaft nicht wahrgenommen wurde, wie Werte, Professionen, der Staat usw. Das Überraschungsmoment resultiert also aus einem bis¬lang noch nicht beobachteten Kausalitätszusammenhang zwischen spezifischen gesellschaft¬lichen Institutionen und einer Fokalorganisation (oder einem organisationalen Feld). Denn die im Neo-Institutionalismus untersuchten Institutionen folgen gerade nicht nur einer ökonomi¬schen Logik, sondern eben auch politischen, kulturellen, professionslogischen etc. Maximen. Die Darstellung dieser Heterogenität ist das zentrale Anliegen dieses Kapitels.
Konstanze Senge
5. Institutionelle Einflüsse auf Not-For-Profit-Organisationen: Multikontextualität und Organisationstypenvielfalt
Zusammenfassung
Die zentrale Fragestellung dieser Untersuchung richtet sich auf die zwei zu Beginn festgeleg¬ten Kennzeichen einer ökonomistisch verengten Organisationswissenschaft, wie sie für die in Kapitel 2 vorgestellten Ansätze dargelegt wurde. Das wesentliche Merkmal einer solchen Perspektive wurde dabei in der Abhängigkeit von einer ökonomischen Umwelt gesehen, bei der vornehmlich Effizienzgesichtspunkte, Ressourcenfragen und Preisbewegungen im Mittel¬punkt stehen. Wie im vorangegangenen Kapitel gezeigt, ist eine solche Verkürzung organisa¬tionaler Einflussgrößen nicht für den Neo-Institutionalismus kennzeichnend. Weiterhin wurde eingangs betont, dass die in Kapitel 2 untersuchten Ansätze den Schwerpunkt ihrer Analysen auf Wirtschaftsorganisationen richten, wobei es hier durchaus einige Ausnahmen gab. In der Fokussierung auf Profit-Organisationen wurde das zweite Merkmal einer ökonomisch-vereng¬ten Organisationswissenschaft gesehen. Auch dieses Merkmal trifft auf den Neo-Institutiona¬lismus nicht zu. Der Neo-Institutionalismus untersucht nicht nur Profit-Organisationen, son¬dern auch Not-For-Profit-Organisationen, letztere standen anfangs sicherlich im Zentrum der Aufmerksamkeit. Wichtig für die Argumentation dieser Untersuchung ist nun, dass Not-For-Profit-Organisationen in der neo-institutionalistischen Perspektive ebenso unter Hinzunahme der gleichen Variablenvielfalt untersucht werden. Das bedeutet zum Beispiel für Kunstmu¬seen eine Penetration von institutionellen Einflüssen der Wirtschaft (z.B. durch die Orientie¬rung am New Public Management), der Politik (z.B. durch den politisch festgelegten bildungs¬spezifischen Auftrag von Museen), durch Professionen (z.B. durch das Selbstverständnis der Museumsfacharbeiter) und möglicherweise durch die World-Polity (man denke z.B. an die Weltkulturerbebemühungen der UN). Das gleiche Schema institutioneller Einflüsse, wie es in den Kapitel 4.1 und 4.2 angewendet wurde, lässt sich also auf Not-For-Profit-Organisatio¬nen übertragen. Es entspräche demnach einer verkürzten Darstellung des neo-institutionalis¬tischen Spektrums, ließe man diese anderen Forschungsbereiche unbeachtet. Deshalb soll im folgenden Kapitel 5 eine entsprechende Diskussion für Not-For-Profit-Organisationen erfol¬gen, die im Wesentlichen anhand zwei bedeutender Studien (DiMaggio 1991; Meyer/Frank/Horonaka/Schofe/Tuma 1997) verdeutlicht, dass im Neo-Institutionalismus auch Non-Pro¬fit-Organisationen durch eine Vielzahl institutioneller Einflüsse aus der Umwelt ausgesetzt sind, die für Formal- und Aktivitätsstruktur der untersuchten Organisationen bedeutsam sind.
Konstanze Senge
6. Das Neue am Neo-Institutionalismus: Die Wiedereinbettung von Organisation und Gesellschaft
Zusammenfassung
Richard W. Scott äußerte im Jahre 2004 die Sorge, dass Organisationssoziologen zunehmend ihre Untersuchungen und Fragestellungen an den Forschungsstrategien und Themen der Wirt¬schaftswissenschaftler anpassen werden. Bessere Forschungsbedingungen an den Business Schools in Form von Gehalt, Forschungsförderung und Zugang zum Untersuchungsgegen¬stand „Organisation“ führten zu einer Abwanderung von Soziologen an die Business Schools (Scott 2004; vgl. auch die deutsche Übersetzung Scott 2006: 221f.). Wie die vorliegende Un¬tersuchung deutlich machte, ist diese Sorge nicht ganz unberechtigt, zeigt doch die Entwick¬lung der Organisationswissenschaft ein deutliches „Bias“ in Richtung ökonomische Fragestel¬lungen sowie einen deutlichen Fokus auf die im Interesse stehenden Organisationen, nämlich gewinnorientierte Organisationen. Der Neo-Institutionalismus bietet eine kritische Alternati¬ve zur ökonomischen Engführung der in dieser Untersuchung dargelegten organisationswis¬senschaftlichen Perspektive zentraler Ansätze. Die wichtigsten Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung sollen im Folgenden noch einmal zusammengefasst (6.1) und einzelne zentra¬le Aspekte und deren Implikationen für wichtige den Neo-Institutionalismus betreffende Fra¬gen abschließend diskutiert werden (6.2).
Konstanze Senge
Backmatter
Metadaten
Titel
Das Neue am Neo-Institutionalismus
verfasst von
Konstanze Senge
Copyright-Jahr
2011
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-93008-4
Print ISBN
978-3-531-16605-6
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-93008-4

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