Skip to main content

2011 | Buch

Unsicherheiten in Arbeit und Biographie

Zur Ökonomisierung der Lebensführung

verfasst von: Friedericke Hardering

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

insite
SUCHEN

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Einleitung
Zusammenfassung
Die Diagnose „unsicherer Zeiten“ zählt gegenwärtig zu einer der populärsten Zeitdiagnosen in den Sozialwissenschaften (Castel/Dörre 2009: 11; van Dyk/Lessenich 2008). Im Zentrum dieser Diagnose stehen insbesondere die neuen Unsicherheiten, die sich aus dem Wandel des Sozialstaates und den Veränderungen der Arbeitswelt ergeben. Zudem werden die neuen Unsicherheiten mit einer neuen sozialen Frage in Verbindung gebracht, die nicht länger als Problem am Rande der Gesellschaft, sondern als Problem gesamtgesellschaftlicher Kohäsion in Erscheinung tritt (vgl. Castel 2000; 2005; Kronauer 2002; Vogel 2006; 2009). Die soziale Frage, so die allgemeine These, sei in das Zentrum der westlichen Erwerbsarbeitsgesellschaften zurückgekehrt. Sie stellt sich innerhalb der verschiedenen gesellschaftlichen „Zonen“ (Castel 2000) je anders: In der Zone der Integration mit stabilen Beschäftigungsverhältnissen und stabiler Sozialintegration offenbart sie sich als Statusangst, als Gefühl der Verunsicherung darüber, inwieweit das Versprechen auf den Erhalt der eigenen Position noch Gültigkeit hat. In der Zone der Prekarität zeigt sich bereits eine strukturelle Unsicherheit in Gestalt prekärer Beschäftigungsverhältnisse und prekären Wohlstands, und in der Zone der Entkoppelung zeigt sich die soziale Frage als Problematik gesellschaftlichen Überflüssigseins (vgl. Bude/Willisch 2008). Als Ursache der Diffusion neuer Unsicherheiten wird die Zunahme von prekären Beschäftigungsverhältnissen angenommen, durch welche Unsicherheitsgefühle in alle gesellschaftlichen Bereiche ausstrahlen (Castel 2000; Dörre 2006). Prekarisierung und Prekarität stehen damit für die „fundamentale Verunsicherung aller Lebens- und Arbeitsbereiche“ (vgl. Rademacher/Lobato 2008: 118; Damitz 2007).
Friedericke Hardering
1. Die Ökonomie der Unsicherheit
Zusammenfassung
Bei der Suche nach einer einheitlichen Terminologie, mit der das qualitativ Neue des gegenwärtigen Kapitalismus benannt werden kann, stößt man auf eine immense Pluralität der Beschreibungskategorien, mit denen die Phase nach dem „kurzen Traum immerwährender Prosperität“ (Lutz 1984) bezeichnet werden soll. Hier stehen solche Begrifflichkeiten, die veränderte Rationalisierungslogiken der industriellen Fertigung benennen wie z.B. lean production, neben jenen, die bemüht sind, die Verschiebung dominanter Wirtschaftssektoren wie den Dienstleistungssektor in den Vordergrund der Analyse zu stellen (vgl. Bell 1985; Gartner/Riessmann 1978). Diagnosen wie die eines „Finanzmarktkapitalismus“ (Windolf 2005) oder Shareholder-Value-Kapitalismus, in denen die Entwicklung der Ökonomie und Gesellschaft zentral an das Geschehen auf den globalen Finanzmärkten rückgebunden wird, oder Diagnosen eines „neuen Marktregimes“ (Dörre/Röttger 2003) knüpfen an die Vorstellung an, dass in der „Verschiebung von Marktgrenzen“ (Brinkmann 2003) der deutlichste Kontrast zu früheren Konfigurationen des Kapitalismus liegt. Diese Einschätzung, dass der „Markt“ nunmehr die zentrale Bezugsgröße und auch semantische Bezugsfigur im aktuellen „postfordistischen“ Regime ist, gilt in der gegenwärtigen deutschsprachigen Debatte als äußerst populär.
Friedericke Hardering
2. Fragile Anerkennung, verzeitlichte Zeit: Karriereskripte im Wandel
Zusammenfassung
Dem Vorschlag Richard Sennetts (1998), gegenwärtigen Kapitalismus als „flexiblen Kapitalismus“ auszuweisen, sind zahlreiche Gesellschaftsdiagnosen gefolgt (Dörre 2003). Im flexiblen Menschen nutzt Sennett daneben auch die Formel des „kurzfristig agierende(n) Kapitalismus“ (1998: 31) und zielt damit insbesondere auf die veränderte Zeitordnung des Kapitalismus, die als charaktergefährdend eingestuft wird. Der flexible Kapitalismus verhindere durch seine Zeitstruktur die Festigung eines Charakters, da dessen Entwicklung auf Langfristigkeit angewiesen sei (ebd.: 31). In einer Gesellschaft, die aus „Episoden und Fragmenten“ besteht, sei es unmöglich, seine Identität und Lebensgeschichte zu einer Erzählung zu bündeln“ (ebd.: 31), so Sennett. An diesen Formulierungen zeigt sich die enge Verbindung zwischen den Zeitrhythmen der Arbeitswelt und der zeitlichen Dimension des Selbst. Man muss nun nicht Sennetts Vorschlag folgen, der eine Parallelität von Zeitlogiken des Kapitalismus und des Selbst annimmt, insofern er berufliche Diskontinuität als biographische Diskontinuität und damit als ‘unerzählbar’ interpretiert, um doch zu der Einschätzung zu gelangen, dass insbesondere die Umstellung auf eine Kurzfrist-Logik mit zahlreichen Konsequenzen für die Lebensführung verbunden ist.
Friedericke Hardering
3. Zum Wandel biographischer Skripte
Zusammenfassung
Der Prozess der De-Institutionalisierung des Lebenslaufes steht nicht allein fär den Wandel von Mustern des Lebenslaufes und der Karriere, sondern gleichermaßen fär die Erosion des dominanten Biographiemusters oder biographischen Skripts. Damit ist der Wandel von kulturellen Mustern angesprochen, die die Normalform der Biographie bestimmen. Bei Martin Kohli (1994: 221) wurde dieser Wandel des Biographiemusters mit dem Aufbrechen des Codes der Biographizität in Verbindung gebracht: Das Leben sei nach Kohli nicht länger als gerichtete Bewegung hin zu einem biographischen Ziel zu deuten. Die teleologische Perspektive, die auf „das verwirklichte Selbst“ oder auf „die entfaltete Lebensstruktur“ (ebd.: 221) hinauslaufe, sei ebenso wenig möglich wie die „narrative(.) Erfahrungsstruktur, in der das eine aus dem anderen folgt“, in der also verschiedene vorgezeichnete Sequenzen aneinander gefägt werden. Damit verliert das Biographiemuster seine Richtung und Chronologie. Was an die Stelle der biographischen Perspektive tritt, ist Individualität und die „permanente Suche nach ihr“ (ebd.: 233). Insofern ist das neue Biographiemuster inhaltlich ausgehöhlt, es verfägt äber keine integrierende Zeitperspektive mehr und verweist die Subjekte bei der Orientierungssuche auf sich selbst.
Friedericke Hardering
4. Fazit: Biographische Unsicherheiten, revisited
Zusammenfassung
Der populären Gegenwartsdiagnose folgend, dass der „Verlust der Planbarkeit des eigenen Lebens“ als „Schlüsselerfahrung“ unserer Zeit gilt (Dörre 2009b: 19), und somit die Wahrnehmung erwerbsbiographischer Unsicherheiten in der Gesellschaft gewachsen ist (Bonß 2006), wurde in der vorliegenden Untersuchung der Frage nach der Möglichkeit einer Bestimmung biographischer Unsicherheiten unter den Bedingungen eines durch Prozesse der Prekarisierung und der Subjektivierung der Arbeit veränderten Erwerbssystems nachgegangen. Erkenntnisleitend war hier insbesondere die Frage danach, entlang welcher Vermittlungsschnittstellen die neuen Unsicherheiten kommuniziert und so für die Subjekte wahrnehmbar werden.
Friedericke Hardering
Backmatter
Metadaten
Titel
Unsicherheiten in Arbeit und Biographie
verfasst von
Friedericke Hardering
Copyright-Jahr
2011
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-94048-9
Print ISBN
978-3-531-18351-0
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-94048-9

Premium Partner