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2012 | Buch

Einführung in die interaktionistische Ethnografie

Soziologie im Außendienst

verfasst von: Michael Dellwing, Robert Prus

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Über dieses Buch

Ethnografie hat weiterhin den Geruch von Abenteuer. Der vorliegende Band bietet eine Heranführung an die ethnografische Haltung und Praxis, mit der das immersive Abenteuer der Feldarbeit und das akademische Abenteuer der Schreibarbeit zusammen bestritten werden können.

Als von Interaktionisten verfasste Einführung bietet er Einsteigern eine klassische, zurück zu den Chicagoer Wurzeln führende Praxis an, in der Intersubjektivität, Offenheit, Unwägbarkeit, Aufs-Feld-Einlassen und kreative Neuschöpfung aus dem Feld heraus betont werden. Dabei ist er theoretisch fundiert und feldpraktisch ausführlich gehalten: Mit reichhaltigen Beispielen zeigt er auf, wie die Sammlung von Material, die begleitende Analyse und das schlussendliche Verfassen eines analytisch gebundenen Feldberichts organisiert werden können. Zugleich aber steht er in der interaktionistischen Tradition, die "Realität des Feldes" als primäre Realität zu sehen, die nicht durch extern angelegte Theorie oder Methode planiert werden darf. Damit ist es eine Einleitung in eine kreative, pluralistische und bescheidene ethnografische Haltung.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Eine Einladung zur Ethnografie
Zusammenfassung
Ethnografen gehen und sehen in fremde Umfelder, dorthin, „where the action is“ (Goffman 1967), wo es action gibt/wo etwas los ist. Dort „hängen sie rum“, machen mit. Sie lassen sich nieder und ein, lassen sich mitnehmen und belehren: Sie schlüpfen in einem mittel- bis langfristigen Prozess in die Rolle der Laien, in der sie sich den Realitäten der Anderen zumindest zeitweise ergeben, um die Prozesse, in denen die Menschen ihre Welt machen, in „intimer Bekanntschaft“ (Blumer 1986 [1968]) zu erfahren. Sie sind daher häufig als sozialwissenschaftliche Abenteurer romantisiert worden. Zwar wehren „Feldforscher sich gerne und schnell gegen das Bild des die Gefahr suchenden ‚Indiana Jones‘, das andere ihnen öfter mal zuschreiben“ (Lee 1995: vii), aber Ethnografie hat den Geruch von Abenteuer nicht völlig zu Unrecht: Sie kann durchaus aufregend und sogar unterhaltsam sein – es gibt sicherlich trockenere Arten, sich soziologisch zu betätigen.
Michael Dellwing, Robert Prus
1. Die Welt in Prozessen: Ausgehandelte Bedeutungen und Intersubjektive Welten
Zusammenfassung
Jacques Attali (2003) bemerkt, die Grundidee eines Werkes sollte sich zunächst in einigen Sätzen, dann in einigen Absätzen, und letztlich als Text in Langform ausdrücken lassen. Wir möchten damit beginnen, die dieser Einführung zugrundeliegenden Ideen erst in einigen Absätzen explizieren, um dann zügig zu einem Beispiel zur Interpretationspraxis zu gelangen: Als Pragmatisten vertreten wir den Standpunkt, dass emulierte Praxis eine wesentlich bessere Einführung bietet als theoretische Exposition. In Folge werden wir dann wieder zu diesen Ideen zurückkehren und sie in einer ausführlicheren Schleife, an Interessefelder gebunden, darstellen.
Michael Dellwing, Robert Prus
2. Grundzüge offener Forschung
Zusammenfassung
Ethnografische Forschung will die Prozesse kartografieren, in und mit denen Menschen ihre Welt machen. Letztliches Ziel ist eine ethnografische Arbeit, die entweder ein Set von verwobenen Prozessen auf einem bestimmten Feld oder einen engeren Prozess über verschiedene Felder hinweg ordnet, dicht beschreibt und an die Soziologie anbindet. Die Forscherin will das Feld breit überblicken, aber vor allem will sie „auf die Hinterbühne“. Das heißt: Sie darf nicht lediglich die Versionen, mit denen nach außen dargestellt wird, was die Mitglieder des Feldes machen, für eine Repräsentation ihrer Eigenlogik halten (wobei allerdings der Prozess, wie sie ihre Fassaden für die Öffentlichkeit aufbauen, wieder spannend ist). Sie muss durch Immersion, also durch Eintauchen in die Lebenswirklichkeit anderer Gruppen, Intersubjektivität mit dem Feld herstellen, um in deren Definitionen der Situation, deren Aushandlungen und Fixierungen eingebunden zu werden. Diese Immersion im Feld, das Erlernen der Feldrealität ist jedoch nicht Selbstzweck, sondern Mittel, um diese Eigenrealität in eine soziologische Studie zu übersetzen (Churchill 2005). Das heißt: In eine Studie, die von Ethnografenkollegen als sinnvolle, interessante, spannende und ethnografisch wertvolle Arbeit gesehen wird. Dazu benötigt die Ethnografin eine konzeptionelle Bindung an soziologische Interessen, und das bedeutet Immersion und Intersubjektivität mit der ethnografisch-soziologischen community. Die Intersubjektivität mit dem Feld erlaubt es, die Feldpraktiken als eigene Praktiken zu erlernen und sie damit berichten zu können. Die Intersubjektivität mit der Soziologie erlaubt dagegen, diese Praktiken überhaupt erst als Praktiken des „Machens“ der eigenen Welt erkennen zu können, eine Distanzierungsleistung, die von jenen, die in diesem Feld handeln, üblicherweise nicht erbracht wird.
Michael Dellwing, Robert Prus
3. In doppelter Intersubjektivität im Feld
Zusammenfassung
Wenn man sich im Feld befindet, ist keine Zäsur erreicht: „Methodenbücher erwecken den Eindruck, der Forscher könne die ‚passende Methode‘ vorab festlegen und dann befolgen. Viele Entscheidungen, wie sich eine Praxis beobachten lässt, sind dagegen pragmatischer Natur“, bemerkt Scheffer (2002: 353). Wir wollen daher festhalten, mit welchen praktischen Fragen die doppelte Intersubjektivität einhergeht. In Orientierung zum Feld hin kommen Fragen auf wie: Was sind Probleme des Zugangs, der Ethik, der Nachhaltigkeit des Feldes (ist es in einem halben Jahr noch da?), zu möglichen Rollen, die man im Feld einnehmen wird, zu Beziehungen und Gesprächen, zu einer Auseinandersetzung mit der Gefährlichkeit des Feldes und der Forschung in ihm. In Orientierung zur Soziologie kommen Fragen auf wie: Welche konzeptionelle Bindung zur Soziologie wird gesucht? Was ist in der Forschung gewonnen, erreicht, geleistet? Bevor der Weg ins Feld begonnen werden kann, ist es daher hilfreich, diese Schritte zu antizipieren, Vorstellungen darüber zu haben, was man tut und wie und wie Lösungen dieser Probleme (Handlungen) auf beiden Seiten aufgenommen werden.
Michael Dellwing, Robert Prus
4. Feldnotizen und Analyse
Zusammenfassung
Man hat ein Feld ausgewählt. Man hat Konzepte eingesetzt, als man in dieses Feld ging. Man hat Zugang, Rapport, Rollen und damit Immersion erreicht. All das war bereits analytische Arbeit: Wenn die Trennung zwischen Planung und Durchführung schon künstlich war, ist es die Trennung von Analyse und Feldphase durch und durch. Die Platzierung der Grundlagen ethnografischer Analyse in einer Forschungsstruktur ist daher problematisch. „Es gibt bei unserem Forschungsstil keine klare Trennlinie zwischen Datenerhebung, Auswertung und ‚Niederschrift‘“ (Breuer 2010: 103); diese sind keine Schritte, die nacheinander abgearbeitet werden, sondern Aspekte derselben Forschungsaktivität, die immer wieder überlappend und ineinandergreifend geschehen.
Michael Dellwing, Robert Prus
5. Das Ziel: Schreiben/Darstellen
Zusammenfassung
Hoffentlich ist die Ethnografie, die aus der Feldarbeit erwächst, keine Tragödie. Die Einsicht aber bleibt für die Geschichte, die zu erzählen ist, anwendbar: Es geht nicht um Charaktere, nicht um Personen und ihre Persönlichkeiten. Es geht Interaktionisten um Handlung und die sozialen Prozesse, in denen Aktivitäten der Teilnehmer stehen, und zum Zweck der Darstellung dieser Handlungen und Prozesse beziehen sie Charaktere ein. Aber sie konzentrieren sich nicht auf sie, sondern auf Prozesse und Praktiken im Feld.
Michael Dellwing, Robert Prus
Backmatter
Metadaten
Titel
Einführung in die interaktionistische Ethnografie
verfasst von
Michael Dellwing
Robert Prus
Copyright-Jahr
2012
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-94265-0
Print ISBN
978-3-531-18268-1
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-94265-0

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