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Open Access 2023 | OriginalPaper | Buchkapitel

31. Zielkonflikte, Synergien und negative Emissionen in der Klimapolitik

verfasst von : Stefan Schäfer, Jürgen Scheffran

Erschienen in: Klimawandel in Deutschland

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Zusammenfassung

Dieses Kapitel verdeutlicht die Verbindungen zwischen klimapolitischen Maßnahmen und anderen politischen Handlungsfeldern, wobei insbesondere auch negative Emissionen als aufkommende Strategie zur Bekämpfung des Klimawandels berücksichtig werden. Es zeigt sich, dass die Klimapolitik durch Zielkonflikte mit anderen Handlungsfeldern geprägt ist, die sich aus Strategien und Maßnahmen zur Emissionsvermeidung und Anpassung an den Klimawandel ergeben, aber auch durch die Möglichkeit, Synergien und co-benefits zu realisieren. Es ist davon auszugehen, dass in Zukunft Technologien zur Erzeugung von negativen Emissionen eine zunehmend wichtigere Rolle spielen werden. Deshalb gilt es, die damit in Zusammenhang stehenden Herausforderungen früh zu erkennen, um Synergien zu fördern und Zielkonflikte zu vermeiden.
In Artikel 2 der Klimarahmenkonvention (UNFCCC) wurde 1992 das Ziel verankert, die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre auf einem Niveau zu stabilisieren, das eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems verhindert. Ein „sicheres Niveau“ soll in einem Zeitrahmen erreicht werden, in dem drei Kriterien gewährleistet sind: Anpassung von Ökosystemen, Ernährungssicherheit und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung1 (Ott et al. 2004).
Im Pariser Klimaabkommen von 2015 fixierte die internationale Staatengemeinschaft das ambitionierte Ziel, die globale Erwärmung gegenüber dem vorindustriellen Wert auf deutlich unter zwei Grad Celsius und bevorzugt auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen (hier kurz 1,5–2 °C). Dazu müssen weltweit tiefgreifende Einschnitte in die Treibhausgasemissionen implementiert werden, damit die Emissionen so schnell wie möglich ihren Höhepunkt erreichen und danach rapide reduziert werden. Bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts soll so ein Gleichgewicht zwischen Emissionen und Treibhausgassenken entstehen – es sollen also nicht mehr Treibhausgase emittiert werden als auch wieder aus der Atmosphäre entfernt werden. Während das 1997 verabschiedete Kyoto-Protokoll noch zentralisierte Verhandlungen über Emissionsreduktionen auf internationaler Ebene mit rechtlich verbindlichem Charakter vorsah, sind die Mitgliedsstaaten des Pariser Abkommens dabei lediglich dazu angehalten, der Vertragsstaatenkonferenz ihre freiwilligen „national festgelegten Beiträge“ (nationally determined contributions, NDCs) mitzuteilen. Diese sollen alle fünf Jahre überprüft werden.
Die Vision einer gemeinwohlorientierten, demokratischen und gerechten Klimapolitik, die die Ziele des Pariser Abkommens für eine klimaneutrale Zukunft verfolgt, sieht vor, Allianzen für den Wandel aufzubauen, Eigeninteressen zu überwinden sowie ordnungsrechtliche, finanz- und wirtschaftspolitische Instrumente einzusetzen (UN-Emissions Gap Record 2019). Die Herausforderungen der so zu bewältigenden Großen Transformation erfordern dabei Zusammenarbeit, Vernetzung und Koordination sowie kollektive Entscheidungen und Verhandlungen zwischen Zivilgesellschaft, Regierungen und Unternehmen, die an einem Strang ziehen und sich nicht gegenseitig blockieren. Um Alternativen zu einer auf fossilen Energieträgern basierenden Lebensweise durchzusetzen, sind die Beteiligung von und Dialoge mit kommunalen Behörden, Stadtplanern, Verbrauchergruppen, Unternehmen, Gewerkschaften und NGOs vorgesehen, wobei die spezifischen Vorteile verschiedener Verhandlungsarenen genutzt werden sollen (Grin 2016). Soziale Mobilisierung, Zusammenhalt, Partizipation und Akzeptanz sollen die Legitimität der Dekarbonisierung stärken. Auf allen Ebenen arbeiten Akteure zusammen, um eine fortschrittliche Klimapolitik umzusetzen und sich über erfolgreiche Praktiken auszutauschen.
Während diese Vision bestimmte politische und wirtschaftliche Handlungen legitimiert, hat sie in der Praxis bisher jedoch keine umfassende Transformation anzuleiten vermocht. Die große Bedeutung, die zum Beispiel mit dem Gebrauch fossiler Brennstoffe im Rahmen der unternehmerischen Profiterzeugung verbunden ist, bleibt in vielen Bereichen nach wie vor ungebrochen. Modellrechnungen zufolge ist daher das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 bis 2 °C über dem vorindustriellen Wert zu begrenzen, mit herkömmlichen Instrumenten kaum noch zu erreichen. Globale Kohlendioxidemissionen müssten sofort um 3 bis 5 % pro Jahr reduziert werden, haben jedoch in den letzten Jahrzehnten um durchschnittlich 2 % jährlich zugelegt (IPCC 2013, 2018). Selbst für den Fall, dass alle Staaten ihre Selbstverpflichtungen einhalten, sagen Berechnungen voraus, dass die Erderwärmung um mehr als 2 °C ansteigen wird – auf 2,4 bis 2,7 °C gegenüber dem vorindustriellen Wert.2 Um die Pariser Temperaturziele dennoch einhalten zu können, müsste eine rapide weltweite Transformation der Energie-, Transport-, Landwirtschaft- und Konsumgütersektoren sowie der Chemie-, Stahl- und Zementindustrie stattfinden. Zusätzlich berücksichtigen fast alle Zukunftsszenarien zur Einhaltung der Pariser Temperaturziele die Möglichkeit, durch carbon dioxide removal (CDR) – oftmals synonym verwendet zu negative emission technologies (NETs) – große Mengen Kohlendioxid (CO2) aktiv aus der Atmosphäre zu entfernen (Fuss et al. 2014) und so „negative Emissionen“ zu erzeugen.
In all diesen Bereichen sind einerseits Zielkonflikte zu erwarten, andererseits gilt es auch, Synergien zu erkennen und umzusetzen. In wissenschaftlichen und öffentlichen Debatten steht dabei oftmals der negative Nexus der mit dem Klimawandel verbundenen Probleme weit mehr im Fokus als der Positivnexus der Problemlösungen und Synergien. Um die Pariser Klimaziele zu erreichen und zugleich Klimaanpassung und Resilienz gegenüber den Klimafolgen zu stärken, müssten mit der Klimapolitik verbundene Problem- und Politikfelder so verknüpft werden, dass Konflikte und Trade-offs minimiert und Synergien und wechselseitige Vorteile (co-benefits) verstärkt werden. Auf diese Weise würde der Problemnexus in einen Transformationsnexus der Politikfelder umgewandelt.
Dieser Beitrag analysiert integrierte klimapolitische Konzepte und Strategien, Synergien und Zielkonflikte in Deutschland und im Kontext der internationalen Klimapolitik vor dem Hintergrund der ambitionierten Pariser Temperaturziele, insbesondere auch für Vorschläge zur Erzeugung „negativer Emissionen“ durch CDR-Technologien.

31.1 Emissionsvermeidung, CO2-Entnahme und Anpassung zwischen aligning und mainstreaming

Der Prozess der Mitgliedsstaatenkonferenzen der Klimarahmenkonvention (UNFCCC) ist die Keimzelle für die globale Klimapolitik und umfasst verschiedene Aktivitäten zur Bewältigung des Klimawandels auf globaler, regionaler, nationaler und lokaler Ebene, insbesondere die Nationally Appropriate Mitigation Actions (NAMAs), National Adaptation Plans (NAPs) sowie weitere Programme und Bedarfsanalysen für Anpassung, Finanzen und Technologietransfer. Einige Staaten haben dabei bereits das Ziel ausgegeben, ab einem bestimmten Zeitpunkt weniger CO2 zu emittieren, als sie aus der Atmosphäre entfernen (netto negative Emissionen). Dazu zählen zum Beispiel Norwegen (2030), Finnland (2035), Großbritannien, Schweiz, Dänemark, Costa Rica, und Frankreich (alle 2050). Auf EU-Ebene finden derzeit Verhandlungen über das Ziel statt, bis 2050 EU-weit „Netto-Null“ zu erreichen (Honegger et al. 2019).
Für die Zukunft geht es um eine weitere Ausrichtung (alignment) nationaler und internationaler Strategien und Aktivitäten zur Transformation in Richtung emissionsarmer und klimaresistenter Wege, im Einklang mit den Kernzielen des Pariser Abkommens (Mitigation, Anpassung, Finanzierung) und den Zielen der nachhaltigen Entwicklung (Sustainable Development Goals). Diese betreffen Investitionen, Besteuerung und Finanzsysteme, Energie, Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion, Beschäftigung und Verkehr sowie Regional- und Städtepolitik (OECD 2019). Effektives Mainstreaming integriert den Klimawandel auf allen Ebenen in Planungen, Budgets, Programmen und Institutionen (OECD 2019), um eine erfolgreiche Transformation in eine kohlenstoffarme Welt zu erreichen. Eine wichtige Frage besteht darin, unter welchen Bedingungen Technologien mit negativen Emissionen in dieses Mainstreaming eingebunden werden können.
Synergien und co-benefits
Die komplexen Ursachen und Folgen des Klimawandels sowie Minderungs- und Anpassungsstrategien beeinflussen sich gegenseitig und betreffen alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche. Der IPCC-Sonderbericht über die Auswirkungen und die Erreichung des 1,5 °C-Ziels weist auf die Notwendigkeit und Bedeutung von integrativen, kooperativen und synergistischen Maßnahmen hin (IPCC 2018). Synergien und co-benefits können helfen, Emissionsdefizite und kohlenstoffintensive Infrastrukturen schneller zu überwinden, Kosten zu senken und Konflikte zwischen verschiedenen Zielen zu vermeiden, insbesondere zwischen Emissionsminderung, Anpassung, CO2-Entnahme und -Speicherung und nachhaltiger Entwicklung (Siabatto et al. 2017). Systemische und akteursorientierte Perspektiven lassen sich verbinden, um Pfade zu erkennen, Handlungsoptionen aufzuzeigen und zu priorisieren (Beck et al. 2011). Dies betrifft auch die Zusammenarbeit zwischen Sektoren, Akteuren und Regionen, über räumliche und zeitliche Skalen hinweg, unter Berücksichtigung lokaler Gegebenheiten, Unsicherheiten und Praktiken.
Positiver Nexus
Die Dekarbonisierung erfordert strukturelle Maßnahmen und Verhaltensänderungen, den Wandel von gesellschaftlichen Werten, Normen und Präferenzen ebenso wie co-benefits von Investitionen in den Klimaschutz und die Klimaanpassung von Volkswirtschaften, Infrastrukturen und Institutionen. Ein positiver Nexus entwickelt Verbindungen zwischen Energie, Wasser, Nahrung und Rohstoffen in Systemkontexten wie Gesundheitsversorgung, Ökosystemdienstleistungen und Kreislaufwirtschaft. Unterstützende politische Maßnahmen können diesen Prozess koordinieren, unter Nutzung interdependenter und komplementärer Mechanismen wie Angebot und Nachfrage von Schlüsselprodukten und Handlungen, um unerwünschte Entwicklungen zu verhindern und gewünschte zu fördern (UN-Emission Gap Report 2019). Voraussetzung ist, die Grundbedürfnisse für alle Menschen und die materielle Basis nachhaltiger Friedenssicherung zu gewährleisten.
Um die Reaktion auf den Klimawandel zu verstärken und den größtmöglichen Nutzen aus gemeinsamen Vorteilen und Synergien zu ziehen, sind die Anstrengungen der Länder zu bündeln. In allen gesellschaftlichen Bereichen sind Transformationsprozesse notwendig, um in den nächsten Dekaden Energie-, Landwirtschafts-, Stadt-, Verkehrs- und Industriesysteme umzugestalten, nichtstaatliche Akteure einzubeziehen und Klimaschutzmaßnahmen in einen politischen Rahmen zu integrieren, der auch Arbeitsplätze, Sicherheit und die gezielte Nutzung von Technologien umfasst, inklusive solcher zur Erzeugung negativer Emissionen.
Sustainable Development Goals (SDGs) und Green New Deal
Für einen wirksameren Klimaschutz besonders relevant ist die beschleunigte Umsetzung der Ziele für Nachhaltigkeit (SDGs) (Abb. 31.1) und der Agenda für nachhaltige Entwicklung bis 2030. Neben dem Klimaschutzziel SDG 13 ist die in SDG 7 vorgesehene nachhaltige Energiewende von erheblicher Bedeutung für die Senkung der Treibhausgasemissionen. In ähnlicher Weise können eine nachhaltigere Industrialisierung in SDG 9, resiliente landwirtschaftliche Praktiken der Nahrungsmittelproduktion in SDG 2, eine Änderung der Verbrauchs- und Produktionsmuster im Einklang mit SDG 12 sowie eine nachhaltige Landnutzung in SDG 15 zur Emissionssenkung, Schaffung von Arbeitsplätzen und Armutsbekämpfung beitragen (Copenhagen 2019). Umgekehrt erleichtert die Begrenzung der globalen Erwärmung den Weg zu den SDGs, die mit Armut, Hunger, Wassernutzung, terrestrischen und ozeanischen Ökosystemen, Wäldern, Gesundheit und Gender-Gleichberechtigung zu tun haben. Viele Ziele und Vorgaben erleichtern Möglichkeiten der Anpassung, Resilienz und Katastrophenvermeidung sowie die Stabilität von Infrastrukturen und urbanen Räumen (Copenhagen 2019). Ein „New Deal“ in der globalen Klimapolitik zielt darauf ab, die Weltwirtschaft zu beleben und die Beschäftigung anzukurbeln und gleichzeitig den Kampf gegen Klimawandel, Umweltzerstörung und Armut zu beschleunigen. Hierzu gehört die Verbesserung der Rahmenbedingungen in Industrie- und Entwicklungsländern für den Ausbau und Transfer kohlenstoffarmer Technologien (Santarius et al. 2012). Dabei ist auch die Nutzung von Technologien mit negativen Emissionen zu berücksichtigen.
Synergien in der deutschen Klimapolitik
Die deutsche Klimapolitik verfolgt seit etwa einer Dekade Synergieeffekte. Die Deutsche Anpassungsstrategie (DAS) ermöglicht eine bessere Akzeptanz, Effizienz und Durchsetzbarkeit, wenn sie kohärent mit Maßnahmen in den betroffenen Sektoren abgestimmt wird. Dabei „sollten jene bevorzugt werden, die eine flexible Nachsteuerung ermöglichen, bestehende Unsicherheiten berücksichtigen und Synergieeffekte zu weiteren Politikzielen haben, die auf die Abschwächung anderer Stressfaktoren (wie Umweltverschmutzung, Klimaschutz, Flächenversiegelung) gerichtet sind“ (Bundesregierung 2008). Neben der 2015 und 2020 aktualisierten DAS schlägt auch das 2009 erarbeitete Konzept des Umweltbundesamtes zur Klimapolitik vor, Konflikte und Synergieeffekte frühzeitig zu erkennen, um den Blick für Alternativen zu öffnen (UBA 2009). Hierzu gehören relevante Bereiche und Infrastrukturen moderner Industriegesellschaften unter Einbeziehung verschiedener Politikfelder, z. B. zur Biodiversität, Nachhaltigkeit, Ernährungssicherung, Risikominimierung und zum Schutz kritischer Infrastrukturen, sowie Förderinstrumente wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz oder die Unterstützung ländlicher Räume (Beck et al. 2011). Sektorenübergreifend sind Konflikte zu mindern und Synergiepotenziale zu stärken. Dabei gilt es, eine gerechte Finanzierung klimapolitischer Maßnahmen sicherzustellen und die öffentliche Verwaltung zu stärken. Akteure und Institutionen können in ihren Verantwortungs- und Handlungsbereichen (Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft, Öffentlichkeit …) mitwirken und sich vernetzen, über Grenzen und Skalen hinweg (Beck et al. 2011).

31.2 Ausgewählte Handlungsfelder für Synergien und co-benefits

Energiewende
Eine nachhaltige Energiewende umfasst ein Bündel von Maßnahmen, die auf Energieeinsparung, Effizienzsteigerung, Ausstieg aus fossilen und Förderung erneuerbarer Energien ausgerichtet sind, um zu einer Energieversorgung zu kommen, die keine Treibhausgase freisetzt, sicher, resilient und innovativ ist und von der Bevölkerung akzeptiert wird. Staatliche Unterstützung für eine nachhaltige Energiewende wird durch den erwarteten energetischen, wirtschaftlichen und ökologischen Nutzen erneuerbarer Energien gerechtfertigt. Darüber hinaus gibt es Zusatznutzen, wie die ländliche Elektrifizierung, Energiesicherheit durch Diversifizierung, lokale Umweltvorteile und internationale Finanzierung. In Deutschland sind die Energiewende, der geplante Ausstieg aus Kohle und Kernenergie und das Umsteuern auf klimafreundliche Produkte und Lebensweisen eng verbunden mit technischen Innovationen und dem zivilgesellschaftlichen Engagement von Wissenschaft, Unternehmen, Stiftungen, Umweltverbänden und Bewegungen für verschärfte Maßnahmen und Gesetze in Deutschland und Europa (insb. einem CO2-Preis), um einen Wandel für Klimaschutz und Dekarbonisierung zu beschleunigen.
Die Zielsetzungen der Energiewende werden in Deutschland von einer breiten Öffentlichkeit unterstützt, auch wenn Kritik an deren politischer Umsetzung zunimmt (Wolf 2020). Zu den Widersprüchen und Zielkonflikten gehören Landnutzungskonflikte und eine erhöhte ökologische Verletzlichkeit bei der Einführung erneuerbarer Energien, z. B. durch die landwirtschaftliche Erzeugung von Biomasse zur Gewinnung von Bioenergie. Ein ähnlicher Zielkonflikt ergäbe sich aus der CO2-Entnahmetechnologie BECCS (bioenergy with carbon capture and storage), die Bioenergieerzeugung mit CO2-Abscheidung und -Speicherung kombiniert. Auch gegen Hochspannungsleitungen, die aus Windenergie erzeugten Strom von Nord- nach Süddeutschland transportieren sollen, gibt es Widerstände. Zur Durchsetzung der Energiewende braucht es ein „förderliches Umfeld“ (enabling environment) in Politik und Gesellschaft, um technische, rechtliche und administrative Hindernisse abzubauen und Förderungen zu unterstützen, etwa durch eine solide Wirtschaftspolitik, Transparenz im privaten und öffentlichen Sektor und Investitionen in kritischen Bereichen (Scheffran und Froese 2016). Beispiele sind die Energieeffizienz von Alt- und Neubauten; der Ausbau erneuerbarer Energien und nachhaltiger Verkehrssysteme; sowie Technologien wie intelligente Netze, Systemoptimierung, Energiespeicherung, Elektrofahrzeuge oder Offshore-Windenergie.
Schutz von Biodiversität und Ökosystemen
Klimapolitik ist ein Beitrag gegen das Artensterben und für den Schutz von Ökosystemen und Biodiversität, die wiederum zum Klimaschutz beitragen und Klimafolgen abschwächen können. Synergien und Konflikte spielen eine Rolle bei der Umsetzung der Klimarahmenkonvention (UNFCCC), der Konvention über die biologische Vielfalt (CBD) und anderer Abkommen zum Schutz von Arten und Ökosystemen (Herold et al. 2001). In der Klimapolitik diskutierte Maßnahmen (etwa in der Landnutzung und Forstwirtschaft) haben sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf Biodiversität und Ökosysteme, während Biodiversitätsschutz klimarelevante Funktionen von Ökosystemen, wie die Kohlenstoffspeicherung, die Regulierung von Methan- und Lachgasemissionen, den Wasserkreislauf oder das Energiebudget beeinflussen kann (Naturkapital Deutschland – TEEB DE 2015).
Synergien zwischen Biodiversitäts- und Klimapolitik betreffen insbesondere den Schutz von Primärwäldern und Feuchtgebieten (Kap. 34). Die Konsistenz kann durch Instrumente gefördert werden, z. B. Richtlinien, Indikatoren, Verträglichkeitsprüfungen oder Partizipation der Öffentlichkeit, sowie eine verbesserte Zusammenarbeit der Konventionen (Beobachtung, Berichterstattung, Schutzgebiete, Finanzmechanismus, Forschung) (Herold et al. 2001). Die Erhaltung und Wiederherstellung natürlicher Land-, Süßwasser- und Meeresökosysteme und ihrer Biodiversität dienen auch der UNFCCC und können katastrophale Auswirkungen des Klimawandels wie Überschwemmungen und Sturmfluten verringern (Kap. 35). Win-win-Lösungen und Mehrfachnutzungen stärken Ökosystemdienstleistungen wie Kohlenstoffspeicherung in Pflanzen und Böden, Katastrophenschutz oder die Vielfalt von Nutzpflanzen zur Klimaanpassung. Um Arten und Ökosysteme gegen den Klimawandel zu stärken, braucht es Praktiken zur nachhaltigen Landnutzung und zur Erhaltung von Ökosystemen, besonders in Schutzgebieten. Zu verringern sind auch nichtklimatische Belastungen wie Verschmutzung, Übernutzung, Verlust und Fragmentierung von Lebensräumen sowie die Verbreitung invasiver Arten. Ökosystembasiertes Management umfasst z. B. die nachhaltige Bewirtschaftung, Erhaltung und Wiederherstellung von Ökosystemen, um Küstenüberflutungen und Küstenerosion zu verringern oder die Wasserverfügbarkeit zu sichern. Schutz von Wäldern und Agroforstsystemen dienen der Risikobewältigung, Stabilisierung und Regulierung von Landflächen, Wasserflüssen, Agrobiodiversität und des Genpools von Nutzorganismen. Auch hier gilt es, durch neue Technologien wie BECCS, zu deren Umsetzung beispielsweise der großflächige, monokulturelle Anbau von Energiepflanzen notwendig wäre, keine negativen Auswirkungen auf diese übergeordneten Ziele entstehen zu lassen.
Stadtklimapolitik
Urbane Zentren sind große Quellen von CO2-Emissionen und vom Klimawandel in starkem Maße betroffen. Einige Anpassungsmaßnahmen sind widersprüchlich, wie die Bekämpfung von Hitzewellen durch Klimaanlagen in Gebäuden, die zu erhöhtem Stromverbrauch und steigendem Treibhausgasausstoß führen, andere können Synergien entfalten, wie Baumaßnahmen oder Landnutzungsänderungen, die die Verletzlichkeit gegenüber dem Klimawandel senken, wie der Ausbau von Frischluftkorridoren, Grünanlagen oder die Entsiegelung im Hochwasserschutz im Rahmen der Stadtentwicklung. Als Kristallisationspunkt verschiedener Synergien und co-benefits dienen Smart-city-Konzepte. Transnationale Stadtnetzwerke arbeiten international zusammen und bilden Partnerschaften, um Minderungs- und Anpassungsmaßnahmen abzustimmen. Im Projekt zur Einrichtung eines regionalen Klimakatasters bemühen sich Kommunalverwaltungen, ihre Maßnahmen gegen den Klimawandel regelmäßig zu messen, zu berichten und zu überprüfen.3
Katastrophenschutz
Gelingt es nicht, einen gefährlichen Klimawandel zu verhindern, werden regional unterschiedliche Beeinträchtigungen von Ökosystemen und lebenswichtigen Ressourcen, von menschlicher Sicherheit und gesellschaftlicher Stabilität erwartet. Emissionsminderung und Schutzmaßnahmen mindern die Kosten und Risiken des Klimawandels. Für das Klimaschutzregime relevant ist das Sendai-Rahmenwerk für Katastrophenvorsorge, das insbesondere die Risikovermeidung und humanitäre Hilfe im Katastrophenfall regelt. Es dient als Katalysator für Aktivitäten der Zivilgesellschaft, die Rechte, Schutz- und Anpassungsmöglichkeiten betroffener Menschen zu stärken. Die Eindämmung des Klimawandels stärkt die Ziele des Sendai-Rahmens, besonders für kleine Inselstaaten, die am wenigsten entwickelten Länder und andere verwundbare Gruppen. Integrierte Governance-Mechanismen betreffen etwa die gemeinsame Überwachung und Berichterstattung über Indikatoren und Datensätze.
Klimabedingte Migration und Vertreibung
Klimaschutzpolitik vermindert Ursachen von Katastrophen und Konflikten, die Menschen vertreiben. Die Bewältigung klimabedingter Migration wurde beim Klimagipfel in Cancún 2010 erstmals angesprochen. Durch die Koinzidenz der Pariser Klimaverhandlungen mit der Flüchtlingskrise in Europa im Sommer 2015 rückte das Thema in den Brennpunkt von Politik, Medien und Wissenschaft (Nash 2018). In Paris wurde eine Task-Force zur klimabedingten Zwangsmigration eingerichtet. Mögliche Ansätze bietet die 2015 verabschiedete Schutzagenda der Nansen-Initiative für Menschen, die wegen Naturkatastrophen ins Ausland flüchten. Eine an den Menschenrechten orientierte Migrationspolitik vermeidet extreme und riskante Formen der Zuwanderung und stärkt die Anpassungsfähigkeit und Resilienz der Betroffenen in den Herkunftsgebieten. Soziale Netzwerke ermöglichen den Transfer von Wissen, Technologie und Geld zwischen Herkunfts- und Zielorten, etwa durch Rücküberweisungen und damit verbundene Entwicklungsperspektiven, die auch die Anpassung an den Klimawandel stärken (Scheffran et al. 2012). Die Fachkommission Fluchtursachen richtet entsprechende Handlungsempfehlungen an die Bundesregierung, um Synergien von Klima- und Migrationspolitik zu nutzen (Fachkommission 2021; vgl. Kap. 27).
Friedens- und Sicherheitspolitik
Klimaschutz trägt dazu bei, sicherheitspolitische Risiken des Klimawandels einzudämmen. Umgekehrt erleichtern Abrüstung und Konfliktvermeidung eine kooperative Lösung des Klimaproblems und die Minderung schädlicher Umwelt- und Klimafolgen von Aufrüstung und Krieg. 2007, 2011 und 2020 diskutierte der UNO-Sicherheitsrat auf Initiative Großbritanniens und Deutschlands die Sicherheitsrisiken des Klimawandels (Hardt und Viehoff 2020). Während OECD-Staaten und kleine Inselstaaten im Klimawandel eine Bedrohung für Frieden und Sicherheit sahen, lehnten Russland, China und viele G77-Staaten ein Klimamandat des Sicherheitsrates ab. Die Berliner Konferenzen zu Klimawandel und Sicherheit 2019 und 2020 präsentierten Vorschläge an den Sicherheitsrat für eine risikoorientierte Vorausschau und Planung, bessere regionale Handlungsfähigkeiten sowie eine Implementierung von nachhaltiger Entwicklung, Sicherheit und Friedenskonsolidierung im Einklang mit Klimaschutz und Anpassung in allen UNO-Programmen. Für die Zukunft geht es um Synergien zwischen der Klimapolitik, einer nachhaltigen Friedenssicherung und environmental peacebuilding, unterstützt durch Governance-Strukturen, Institutionen und Konfliktregelungsmechanismen.

31.3 Negative Emissionen und CO2-Entnahme

Die Möglichkeit, die Pariser Temperaturziele noch zu erreichen, ist bereits jetzt abhängig von der zukünftigen Verfügbarkeit von Technologien mit negativen Emissionen (negative emission technologies, NETs), die der Atmosphäre aktiv Kohlenstoff entziehen, um die CO2-Konzentration in der Atmosphäre zu reduzieren (Fuss et al. 2014). Diese Abhängigkeit wächst, solange weiter CO2 emittiert wird. Die CO2-Emissionen auf nahe Null zu reduzieren, bleibt dabei unumgänglich, selbst wenn zukünftig NETs zur Verfügung stehen sollten.
Unter dem Sammelbegriff NETs wird ein heterogenes Set an Vorschlägen zusammengefasst, die darauf abzielen, der Atmosphäre gezielt CO2 zu entnehmen (s. auch Schäfer et al. 2015; Lawrence et al. 2018; Minx et al. 2018; Fuss et al. 2018; Nemet et al. 2018), um es dauerhaft zu speichern (Tab. 31.1). Dabei wird oftmals weiterhin zwischen „technologischen“ Ansätzen (z. B. der direkten Abscheidung von CO2 aus der Umgebungsluft durch Einsatz industrieller Anlagen) und „naturbasierten“ Ansätzen (z. B. Aufforstung oder die Herstellung von Biokohle und deren Einbringung in Böden) unterschieden. Eine ausführliche Darstellung der einzelnen Verfahren erfolgt in den Kap. 34 und 35. Die Herausforderung besteht darin, NETs mit Minderung und Anpassung in einem integrierten Governance-Rahmen zu kombinieren (Geden und Schenuit 2020) und dabei Synergien zu nutzen und zu verstärken. Allerdings ist davon auszugehen, dass die vorgeschlagenen Techniken in den kommenden Jahrzehnten noch nicht realistisch auf globaler Ebene einsetzbar sein werden, sodass nicht damit gerechnet werden kann, dass sie maßgeblich zur Erreichung der Pariser Ziele beitragen werden (Lawrence et al. 2018).
Tab. 31.1
Technologien zur Erzeugung negativer Emissionen
Aufforstung
Schätzungen zum Potenzial gehen aufgrund unterschiedlicher Grundannahmen weit auseinander
Eine Wiederaufforstung aller entwaldeten Gebiete weltweit, wie sie in manchen Berechnungen angenommen wird, ist nicht möglich aufgrund damit verbundener Landnutzungskonflikte und Umweltauswirkungen (z. B. hoher Wasserverbrauch oder Verlust biologischer Vielfalt durch Monokulturen)
CO2 würde nur so lange gespeichert, wie die aufgeforsteten Gebiete aktiv geschützt und verwaltet werden
Da Aufforstung von zuvor nicht bewaldeten oder entwaldeten Gebieten die Erdoberfläche verdunkeln würde, könnte es zu einer Erwärmung kommen
Direkte Abscheidung von CO2 aus der Umgebungsluft
Bei der direkten Abscheidung von CO2 aus der Umgebungsluft wird in industriellen Anlagen CO2 aus der Luft gefiltert
Es existieren Prototypen, die eine solche Filterung erfolgreich vornehmen, allerdings wird das dabei gewonnene CO2 derzeit nicht langfristig gespeichert, sondern zum Beispiel als Kohlensäure, Düngemittel, Flugzeugtreibstoff oder im Rahmen der tertiären Ölförderung genutzt, sodass es nicht zu einer langfristigen Entnahme aus der Atmosphäre kommt
Die Verfahren sind sehr energieaufwendig und teuer
Ein Vorteil besteht darin, dass Anlagen zur CO2-Entnahme aus der Umgebungsluft in direkter Nähe zu geeigneten CO2-Speicherstätten gebaut werden könnten, sodass das abgeschiedene CO2 nicht transportiert werden muss
Bioenergieerzeugung mit CO2-Absonderung und Speicherung (BECCS)
Da Bioenergiepflanzen während der Wachstumsphase CO2 aufnehmen, das beim Verbrennungsprozess wieder freigesetzt wird, kann dieses durch Absonderung und Speicherung der Atmosphäre langfristig entzogen werden
Diese Technologie findet sich in fast allen computergenerierten Szenarien, um die Pariser Temperaturziele noch einzuhalten
Es wären große monokulturell bewirtschaftete Anbauflächen notwendig, was sehr wahrscheinlich negative Auswirkungen auf die biologische Vielfalt und die Nahrungsmittelsicherheit hätte
Sollten Bioenergiekraftwerke nicht in unmittelbarer Umgebung zu Speicherstätten gebaut werden, müsste das abgeschiedene CO2 transportiert werden
Der Aufbau einer industriellen Infrastruktur hätte wiederum CO2-Emissionen zur Folge
Biokohle
Durch die Überführung von Biomasse in „Biokohle“ und deren Einbringen in Böden soll der Atmosphäre langfristig CO2 entzogen werden
Das Potenzial dieser Maßnahme ist vor allem durch die Verfügbarkeit von geeigneter Biomasse, durch logistische Herausforderungen beim Einbringen der Biokohle in Böden sowie durch Landnutzungskonflikte begrenzt
Beschleunigte Verwitterung
Durch das Ausbringen von Karbonat- oder Silikatgestein an Land oder im Ozean soll die natürlich stattfindende Bindung von atmosphärischem CO2 in Böden und im Meer beschleunigt werden
Da die benötigten Rohmaterialien für die beschleunigte Verwitterung in großen Mengen vorhanden sind, besteht prinzipiell ein großes Potenzial
Allerdings müssten diese Rohmaterialien abgebaut, transportiert und ausgebracht werden, wofür eine sehr große industrielle Infrastruktur geschaffen werden müsste (ungefähr vom Ausmaß existierender extraktiver Industrien)
Ozeandüngung
In Teilen des Ozeans mit begrenztem Nährstoffgehalt könnte durch das Ausbringen von Nährstoffen (z. B. Eisen) das Wachstum von Phytoplankton angeregt werden
Sinkt dies Phytoplankton auf den Meeresboden, wäre das darin enthaltene CO2 langfristig gebunden
Einschätzungen der Effektivität von Ozeandüngung gehen weit auseinander. Signifikante Nebenfolgen für marine Ökosysteme sind wahrscheinlich

31.4 Ausblick

Zielkonflikte beim Ausbau von erneuerbaren Energien und von Ansätzen für negative Emissionen können zum Beispiel durch den Landverbrauch von Staudamm-, Bioenergie- und Aufforstungsprojekten oder durch die Einführung nichtheimischer Arten zur Kohlenstoffspeicherung oder Energiegewinnung entstehen. Begrenzt wird etwa das Potenzial von BECCS durch die Verfügbarkeit von Anbauflächen, durch die Nachhaltigkeitsprobleme, die mit intensivem, großflächigem Anbau von Monokulturen einhergehen, durch die Notwendigkeit einer großen industriellen Infrastruktur und die damit einhergehenden Energiebedürfnisse. Liegen Bioenergiekraftwerke nicht in direkter Umgebung einer Speicherstätte, müsste das CO2 noch transportiert werden (Tab. 31.1).
Zudem könnten Konflikte über die Lastenverteilung entstehen. Solange alle Beteiligten die langfristige Verpflichtung haben, die CO2-Emissionen auf Null zu senken, wird es immer Akteure geben, die voranschreiten, und andere, die hinterherhinken. Den „Anführern“ steht dabei in Aussicht, zukunftsfähige Technologien zu entwickeln und wichtige Märkte früh zu erschließen. Mit dem Aufkommen von CO2-Entnahmetechnologien werden die Karten jedoch neu gemischt, da nicht mehr alle Emissionen auf Null reduziert werden müssen, um „CO2-neutral“ zu werden (Geden und Schäfer 2016).
Eine weitere Herausforderung besteht im Umgang mit sogenannten Overshoot-Szenarien. Diese nehmen an, dass die Pariser Temperaturziele zwar überschritten werden, daraufhin jedoch der Atmosphäre so viel CO2 entzogen wird, dass die globalen Durchschnittstemperaturen im Laufe der Zeit wieder auf die gewünschten Werte zurückgeführt werden. Das könnte allerdings bis zum Ende des 22. Jahrhunderts dauern, möglicherweise gar mehrere Jahrhunderte (Ricke et al. 2017). Damit würden jedoch erhebliche zusätzliche Risiken einhergehen, möglicherweise gar der Verlust ganzer Ökosysteme (IPCC 2018). Auch ist nicht klar, warum auf eine weiterhin verschleppte Reduktion von CO2-Emissionen in der nahen Zukunft eine umso größere Anstrengung in der ferneren Zukunft folgen sollte (Lawrence und Schäfer 2019).
Bei der Umsetzung von CO2-Entnahmetechnologien wird es eine entscheidende Rolle spielen, wie die verschiedenen Ansätze in Politik und Gesellschaft aufgenommen werden. Zum Beispiel scheint es bei der BECCS-Technologie insbesondere in Deutschland fraglich, ob deren Umsetzung akzeptiert werden würde. Sowohl die Bioenergieerzeugung als auch die unterirdische Speicherung von CO2 waren Gegenstand politischer Kontroversen und gesellschaftlicher Widerstände in Deutschland, wenngleich die Bioenergie derzeit hierzulande den größten Anteil an erneuerbarer Energie stellt. Die Akzeptanz von neuen Maßnahmen in der Klimapolitik kann jedoch zwischen Ländern und Ansätzen variieren. Eine Einbindung der Bevölkerung in die Erforschung und Entwicklung der CO2-Entnahme ist für deren erfolgreiche Umsetzung von großer Bedeutung, wobei insbesondere transdisziplinäre Forschungsansätze geeignet scheinen (Benn 2021; Kap. 38).
Eine zentrale Befürchtung in Zusammenhang mit Ansätzen zur CO2-Entnahme ist, dass bereits deren Diskussion die „herkömmliche“ Emissionsreduktion negativ beeinflussen könnte – eine Befürchtung, die in den 1990er-Jahren auch im Rahmen der aufkommenden Diskussion um Anpassungsmaßnahmen bestand. Das genaue Ausmaß solcher Verdrängungseffekte ist nicht bestimmbar, doch scheinen entsprechende Vorsorgemaßnahmen angebracht. Eine Möglichkeit bestünde beispielsweise darin, nationale Ziele für die Emissionsreduktion und für die CO2-Entnahme separat anzugeben. So ließen sich sowohl die Plausibilität der gemachten Annahmen als auch die Investitionsbedarfe in die jeweiligen Ansätze sehr viel besser abschätzen, da der benötigte Umfang an Reduktionen bzw. Entnahmen direkt einsehbar wäre (McLaren et al. 2019).

31.5 Kurz gesagt

Das Pariser Klimaabkommen von 2015 fordert Staaten dazu auf, ihre Emissionen rapide zu senken, um die globale Erwärmung auf maximal 2 °C und bevorzugt auf 1,5 °C zu begrenzen. Um bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts eine Balance zwischen Treibhausgasquellen und -senken zu erreichen, werden dabei Ansätze zur Erzeugung „negativer Emissionen“, also die aktive Entnahme von Treibhausgasen aus der Atmosphäre, zunehmend diskutiert und erforscht. Dieses Kapitel verdeutlicht die Verbindungen zwischen klimapolitischen Maßnahmen und anderen politischen Handlungsfeldern, wobei insbesondere auch negative Emissionen als aufkommende Strategie zur Bekämpfung des Klimawandels berücksichtig werden. Es zeigt sich, dass die Klimapolitik durch Zielkonflikte mit anderen Handlungsfeldern geprägt ist, die sich aus Strategien und Maßnahmen zur Emissionsvermeidung und Anpassung an den Klimawandel ergeben, aber auch durch die Möglichkeit, Synergien und co-benefits zu realisieren. Da davon auszugehen ist, dass in Zukunft Technologien zur Erzeugung von negativen Emissionen eine zunehmend wichtige Rolle spielen werden, gilt es, die damit in Zusammenhang stehenden Herausforderungen früh zu erkennen, um Synergien zu fördern und Zielkonflikte zu vermeiden.
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Literatur
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Metadaten
Titel
Zielkonflikte, Synergien und negative Emissionen in der Klimapolitik
verfasst von
Stefan Schäfer
Jürgen Scheffran
Copyright-Jahr
2023
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-66696-8_31