“Insgesamt zeigen die aktuellen Wettbewerbsprozesse vor allem in der mikroelektronischen Industrie, aber auch in der deutschen Automobilindustrie sowie in anderen Branchen, daß auch die jeweiligen Marktführer ihre Wettbewerbsfähigkeit immer erneut unter Beweis stellen müssen und es somit in einer funktionsfähigen Marktwirtschaft keine uneinholbaren Wettbewerbsvorsprünge gibt.” (Bundeskartellamt 1991/92, S. 6)
Wenn, wie Arndt in Übereinstimmung mit der herrschenden Wettbewerbstheorie herausstellte, die Freiheit der wirtschaftlichen Handlungsträger in einem Umfeld wirksam wird, das diesen gleiche Chancen einräumt, dann beobachten wir dynamischen Wettbewerb auf den Märkten. Leistungswettbewerb war für ihn der Inbegriff aller Anpassungs- und Innovationsvorgänge, die auf Märkten nicht nur idealtypisch auftreten, sondern durchaus die tägliche Realität bestimmen.
Die Definition des wirtschaftlichen Wettbewerbs, die Beschreibung wettbewerblicher Marktprozesse und die Erläuterung seiner gesamtwirtschaftlichen Aufgaben — der Wettbewerbsfunktionen — bilden die Grundlage für die Formulierung einer angemessenen Wettbewerbstheorie.
Die spezifisch im deutschen Sprachraum verbreitete Variante einer Neuorientierung der Wettbewerbstheorie geht insbesondere auf verschiedene Veröffentlichungen Hoppmanns zurück, die dieser auf der Grundlage des Ordoliberalismus (Freiburger Schule) und der Lehre F. A. v. Hayeks seit den 60er Jahren verfaßt hatte.
Der Sinn aller wettbewerbspolitischen Maßnahmen besteht im Grunde darin, Freiheit und Dynamik des Wettbewerbs zu sichern. Auf dieses übergeordnete Ziel laufen alle unterschiedlichen wettbewerbspolitischen Markteingriffe hinaus, über die später ausführlicher zu berichten sein wird.
Wettbewerbsbeschränkungen als Herausforderungen an die Wettbewerbspolitik treten nach wettbewerbstheoretischer Analyse und Beachtung von Markterfahrungen prinzipiell aus folgenden Gründen auf:
wegen wettbewerbsbeschränkenden Marktverhaltens,
wegen wettbewerbsbeschränkender Marktstrukturen,
wegen der Existenz von Märkten, auf denen Wettbewerb wegen der besonderen Produktions- bzw. Distributionsformen (z. B. wegen des Versorgungsleitungsnetzes) ein schlechtes Marktergebnis bringt (“natürliche Monopole”). Daher wird der Wettbewerb zugunsten staatlicher Regulierung oder privatwirtschaftlicher Lenkung aufgegeben.
Nach Herdzina umfaßt der Begriff des kollektiven Marktverhaltens “alle Formen von Marktverhalten, welche auf Zusammenarbeit (Kooperation) bzw. Zusammenspiel (Kollusion) rechtlich selbständig bleibender Marktteilnehmer der gleichen Wirtschaftsstufe beruhen.” (1993, S. 145) Es geht dabei um eine bewußte Abstimmung der Geschäftspolitik von Unternehmen, die damit ihr Marktverhalten in der Zukunft (”ex ante“) gleichförmig ausrichten.
Die zweite Fallgruppe wettbewerbsbeschränkenden Marktverhaltens wirkt hauptsächlich in vertikaler Richtung, beeinflußt somit die Wettbewerbsfreiheit der vorbzw. nachgelagerten Wirtschaftsstufe. Es handelt sich dabei um Bindungen genannte Maßnahmen, mit denen “einzelne Marktteilnehmer auf die Geschäftspolitik anderer Marktteilnehmer Einfluß” nehmen (Herdzina 1993, S. 161).
Es war insbesondere die neoklassische Wettbewerbstheorie, die den Schwerpunkt ihrer Analysen auf die Beziehungen zwischen den Marktstrukturen und dem Marktergebnis gelegt hatte. Dabei war die Theorie einen weiten Weg gegangen:
Ausgangspunkt war die Marktmechanik im preistheoretischen Modell des vollkommenen Wettbewerbs mit der Annahme einer unendlich großen Zahl kleinster, machtloser Mengenanpasser am Markt. Unternehmenskonzentration gab es auf diesen Märkten nicht.
Es folgte das Modell des monopolistischen Wettbewerbs als beachtliche Annäherung an die Realität. Preis- und Wettbewerbstheorie gingen von heterogenen Produkten und der Existenz einer begrenzten Zahl von Anbietern aus. Auch wenn das nur als eine “Marktunvollkommenheit” begriffen worden war, lernte die Wettbewerbstheorie, analytisch mit den Folgen eines “unvollkommenen” Wettbewerbs umzugehen. Die damalige Antwort auf die Herausforderung der nachweisbaren Konzentration war die Aufforderung an die Politik, alle Marktstrukturelemente so weit als möglich dem Ideal des vollkommenen Wettbewerbs anzunähern.
Die als Fusionskontrolle bezeichneten wettbewerbspolitischen Eingriffe in die externe Unternehmenskonzentration haben erst spät Eingang in das wettbewerbspolitische Instrumentarium gefunden. Sieht man von den USA ab, wo der Clayton Act von 1914 – 24 Jahre nach Verabschiedung des Sherman Antitrust Act — als erstes Fusionskontrollgesetz der Welt erlassen worden war, so waren bei beiden im Mittelpunkt dieser Abhandlung wichtigen Gesetze, GWB und EWG-Vertrag, Eingriffe gegen die Konzentration erst nachträglich eingefügt worden.
Die Mißbrauchskontrolle ist eine wettbewerbspolitische Überwachung und Korrektur des Verhaltens von Marktbeherrschern (aber auch von zugelassenen Kartellen). Diese Kontrolle baut auf für sie gegebenen Marktstrukturen auf, die sie mit ihrer Verhaltensaufsicht nicht verändert. Das unterscheidet diese Politik wesentlich von den Ex-ante-Struktureingriffen der Fusionskontrolle und den Expost-Eingriffen der Entflechtung.
Die Wettbewerbstheorie hatte sich seit A. Smith und seiner Lehre von den “natürlichen Monopolen” mit dem Problem auseinanderzusetzen, daß es Bereiche in einer Volkswirtschaft geben kann, bei der wettbewerbliche Marktprozesse zu schlechten Marktergebnissen (überhöhte Preise, unzureichendes Angebot, schlechte Qualitäten) führen. Aus diesem Grund war es dann geboten, diese Wirtschaftsbereiche der Dynamik des Wettbewerbs zu entziehen. Stattdessen sollten die betreffenden Branchen
entweder durch staatliche Lenkungseingriffe gesteuert werden (“Regulierung”) oder
einer privatwirtschaftlichen, wenn auch staatlich überwachten Kontrolle unterliegen.