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2001 | Buch

Fern-Sehen im Alltag

Zur Sozialpsychologie der Medienrezeption

verfasst von: Ralph Weiß

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Einleitung
Zusammenfassung
Die Kommunikationswissenschaft befindet sich, so stellt Schönbach mit Blick auf die Analyse der politischen Kommunikation fest, „in ihrer ,Jäger-und-Sammler’-Phase“ (1998, 119). Sie sei damit beschäftigt „herauszufinden, was überhaupt wahr sein könnte an im Grunde eher vagen Ausgangsideen wie der ,wachsenden Wissenskluft’, den Einflüssen einer Zeitungsredaktion auf journalistische Entscheidungen und der angeblich zunehmenden Skandalorientierung der Medienberichterstattung“ (Schönbach 1998, 119 f.). Diesen frühen und unfertigen Status in der Entwicklung zu einer Wissenschaft attestiert McQuail der Theorie der Massenkommunikation im Ganzen. In seiner oft zitierten Übersicht kommt er zu dem Schluss:
The corpus of work described in a summary way in this book is still very fragmentary and variable in quality. At best, it barely amounts to more than a posing of many questions plus some empirical generalization based on a set of fragmentary observations which are not fully representative. Included in our assemblage of theory is much that is speculative and also essentially normative — promoting value judgements rather than providing explanations or a basis for prediction. In this respect, even so, it is neither better nor worse than most of the behavioural sciences or sociology, except in terms of its relative youth and the sparcity of the research effort which has been made relative to the very large range of mass media activities. (McQuail 1996, 375 f.)
Ralph Weiß
2. Das Alltagsleben
Zusammenfassung
Habermas sucht in seiner „Theorie des kommunikativen Handelns“ den Zugang zu seinem Gegenstand, dem Handeln, über eine kritische Diskussion der Begriffe, die sich Soziologen von Weber über Parsons bis Mead von ihm gemacht haben (1988, 1, 115–141). Indem er diesen Begriffen ihre jeweilige „Einseitigkeit“ nachweist (142 f.), gelangt Habermas zu einer Differenzierung von drei unterschiedlichen „Bezüge(n) zwischen Aktor und Welt“ (115), die er als Momente im Begriff des kommunikativen Handelns zu umfassen sucht. Habermas unterscheidet:
  • „Wahrheit für Aussagen oder Existenzpräsuppositionen“ als Leitmotiv eines objektivierenden Bezuges auf die äußere Welt (149), wobei die „Wahrheit“ mit der „Wirksamkeit“ zusammengedacht, die Objektivität als Kategorie zur Bestimmung von Verstandesleistungen also mit der Instrumentalität und Effektivität als Referenzen auf den praktischen Willen verkoppelt werden;
  • „Richtigkeit“ und Gültigkeit „für legitim geregelte Handlungen und deren normativen Kontext“ (ebd.) als Elementarleistungen des Bezuges auf die soziale Welt sowie
  • „Wahrhaftigkeit für die Kundgabe subjektive(r) Erlebnisse“ (ebd.) als bestimmende Größe des (expressiven) Bezuges auf die soziale Umgebung und des reflexiven Bezuges des Subjektes auf sich.
Ralph Weiß
3. Das Alltagsbewusstsein
Zusammenfassung
Die Logik des „praktischen Sinns“, die Praxeologie, ist im vorhergehenden Abschnitt in ihren drei generativen „Grundeinstellungen“ bestimmt und anhand von deren Verhältnis diskutiert worden. Diese Grundeinstellungen sind im Sinne Bourdieus auf Grundstrukturen der Praxis zurückgeführt, erweisen sich mit Blick auf diesen Ursprung jedoch als Transformation, die der praktischen Bezugnahme des Subjekts auf die soziale Welt einen perspektivischen Eigensinn verleiht. Die nächste Aufgabe liegt darin zu untersuchen, wie sich die generative Potenz des praktischen Sinns in der Entwicklung von Praxisentwürfen und Wahrnehmungsmustern so entfaltet, dass sich umfassende Lebenskonzepte und kohärente Identitäten ausbilden können.
Ralph Weiß
4. Fern-Sehen als symbolisches Handeln im Alltag
Zusammenfassung
Das Fernsehen wendet sich an den Gesichtssinn. Die sinnliche audiovisuelle Wahrnehmung ist ohne Zweifel konstitutiv für die Aneignung dessen, was das Fernsehen darbietet. Umstritten ist allerdings, wie die Bedeutung der sinnlichen Wahrnehmung für den Vorgang des Fern-Sehens begriffen werden soll. Das Lob der Sinnentätigkeit setzt bei der lakonischen Feststellung ein, sie gehöre zum Menschen als Daseinsweise und Bedürfnis einfach dazu (Schurian 1998, 63f.) und reicht bis zu der Idee, die Sinnenwahrnehmung sei ein privilegierter Zugang zur Wirklichkeit, der dem verständigen Denken nicht nur vorausgehe, sondern ihm den Vorzug besonderer Fülle und Dichte voraushabe (Arnheim 1972, 13–24, 147; Lorenzer 1986, 51f). Die Kritik der Sinnenlust denunziert das Sichtbare als „Pornographie“, die Geist und Vorstellungskraft überwältige (Schurian 1998, 57). Namentlich die Atemlosigkeit, mit der sich immer neue Bilder dem Betrachter aufdrängten, raubten dem Zuschauer Sinn und Verstand, wie Virilio im Gespräch mit Kloock vermutet (Kloock 1995, 222). In milderer Form wird gegen die visuelle Anschauung zu bedenken gegeben, dass Ideen in Zeichen nicht nur verdinglicht, sondern auch dogmatisiert würden, was dem praktischen Verstand die Souveränität über seine eigenen Vorstellungen und der sozialen Verständigung ihre Grundlage raube (Pörksen 1997, 165f, 221).
Ralph Weiß
5. Schluss
Zusammenfassung
Die vorliegende Arbeit hat ihren Anfang bei der Selbstkritik der Kommunikationswissenschaft genommen, es mangele ihr an hinreichenden Grundlagen, um den lebensweltlichen Sinn des Mediengebrauchs entschlüsseln zu können. Tatsächlich lässt sich an kognitivistisch oder funktionalistisch orientierten Ansätzen, aber ebenso auch bei kulturwissenschaftlichen Arbeiten unschwer erkennen, dass es ihrer weiteren Entwicklung im Wege steht, wenn sie auf Spekulationen darüber angewiesen sind, wozu denn beispielsweise „Gratifikationen“ eigentlich nütze sind, welche Art von subjektiver „Alltagsrationalität“ den Medieninhalten einen „Einfluss“ verschafft oder worein sich prägende Fernseherlebnisse einschreiben (vgl. hierzu Kapitel 1). Der Versuch, die theoretischen Fundamente für die Analyse des Mediengebrauchs verbreitern zu helfen, muss von dessen Betrachtung zunächst zurücktreten, um seinen lebensweltlichen Kontext in den Blick zu bekommen. Zwar scheinen manche Kommunikationswissenschaftler geneigt, den Mediengebrauch, der im Fokus ihres theoretischen Interesses steht, auch wie den Kern moderner „Sozialcharaktere“ zu behandeln. Aber dadurch wird die Rolle der Medien im Alltag einerseits überzeichnet; andererseits bekommt sie nur vage, unbestimmt bezeichnete Konturen.489 Mehr Klarheit lässt sich erst dann erwarten, wenn der „Text“ der alltäglichen Praktiken gelesen werden kann, in den der Mediengebrauch eingetragen ist.
Ralph Weiß
Backmatter
Metadaten
Titel
Fern-Sehen im Alltag
verfasst von
Ralph Weiß
Copyright-Jahr
2001
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-322-90781-3
Print ISBN
978-3-531-13589-2
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-322-90781-3