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1990 | Buch

Riskante Entscheidungen und Katastrophenpotentiale

Elemente einer soziologischen Risikoforschung

herausgegeben von: Jost Halfmann, Klaus Peter Japp

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Technik und soziale Organisation im Widerspruch Zur Unwahrscheinlichkeit der Technokratie
Zusammenfassung
Eine zentrale Aufgabe der Risikosoziologie wird darin bestehen, eine Antwort auf die Frage zu finden, ob in modernen Gesellschaften die Risiken tatsächlich signifikant zugenommen haben oder ob sich „nur“ die Risikowahrnehmung enorm verfeinert hat. „Are dangers really increasing or are we more afraid?“ (Douglas/Wildavsky 1983: 1). In der öffentlichen Debatte dieser Frage entscheidet oft der politische Standpunkt über die Antwort. Auf der einen Seite finden sich die zumeist konservativen Interpreten politischer Konflikte um riskante Technologien, die in gestiegener Risikowahrnehmung vor allem ein Risiko für die Regierbarkeit moderner Staaten oder den Fortgang der wissenschaftlich-technischen Zivilisation sehen. Sie konstatieren eine Zunahme an „romantischen“ Motiven und schlagen Risikoalarmismus einer wachsenden Technologiefeindlichkeit zu, die sich wiederum einer generellen Ablehnung der Idee des Fortschritts verdanke1. Auf der anderen Seite wird der Zuwachs „objektiver“ Risiken in den Vordergrund gestellt. Theoretiker und Aktivisten moderner sozialer Bewegungen sehen das Wachstum der Risiken als Folge einer ihre Grenzen überschreitenden Moderne an, die sich bis in Formen des kollektiven „Exterminismus“ steigere (Thompson 1981).
Jost Halfmann
Das Risiko der Rationalität für technisch-ökologische Systeme
Zusammenfassung
In den folgenden Ausführungen werden zunächst gesellschaftstheoretische Bezugspunkte einer soziologischen Risikokonzeption eingeführt. Deren Stoßrichtung zielt auf die Verzahnung von selbstreproduktiven (autopoietischen) Funktionssystemen der Gesellschaft und Risikoproduktion (2.). Im Anschluß daran werden die hier im Mittelpunkt stehenden Überlegungen zu ‚Rationalität und Risiko‘ eingegrenzt (3.) und auf einen Begriffsrahmen bezogen, der zwei grundlegende Typen technischökologischer Risikopotentiale (‚normale Unfälle‚/‘schleichende Katastrophen‘) und ein Grundmuster kausaltechnologischer Rationalität miteinander verbindet (4.). Diese begrifflichen Verknüpfungen werden dann an zwei Fallbeispielen demonstriert (5.). Abschließend wird das Verhältnis von institutioneller (formale Organisationen) und sozialer (neue soziale Bewegungen) Entscheidungs- und Handlungsrationalität diskutiert (6./7.).
Klaus P. Japp
Dynamiken wissenschaftlich-technischer Innovation und Risikoproduktion
Zusammenfassung
Ulrich Becks Charakterisierung der gegenwärtigen Weltgesellschaft als globaler „Risikogesellschaft“ hat nicht nur in gesellschaftstheoretischen Diskussionen, sondern auch in der politischen Öffentlichkeit Aufmerksamkeit gefunden (Beck 1986). „Risikogesellschaft“ als „andere Moderne“: Dies ist zweifellos eine suggestive Pointierung bestimmter Erfahrungen und Beobachtungen, zu denen die gesellschaftliche Wirklichkeit eine wachsende Anzahl von Gesellschaftsmitgliedern provoziert. Allerdings vermag Beck nur höchst ungenau zu formulieren, aufgrund welcher neuartiger gesellschaftlicher Tatbestände wir seit wann in einer „Risikogesellschaft“ leben. Das Sammelsurium der von Beck als gesellschaftliche Risiken etikettierten Tatbestände reicht von den individuellen Identitätsproblemen, die eine Auflösung traditioneller Geschlechterrollen, Familienstrukturen und Berufsperspektiven mit sich bringen, bis zu den weltweiten ökologischen Gefahrenpotentialen verschiedener Großtechnologien. Dieser Vagheit in sachlicher Hinsicht korrespondiert eine zeitliche Unbestimmtheit des neuen Gesellschaftstypus. Ob die „Risikogesellschaft“ bereits existiert — und gegebenenfalls: seit wann — oder ob es sich um eine wie nahe auch immer gerückte zukünftige Gegenwart handelt, muß offen bleiben. Zwar thematisiert Beck durchaus gegenwärtig bereits anzutreffende Phänomene, ohne jedoch darüber Klarheit zu schaffen, ob es sich dabei jeweils um mehr oder weniger marginale Sachverhalte oder um — wie er zumindest implizit stets behauptet — Manifestationen zentraler gesellschaftlicher Entwicklungstendenzen handelt.
Uwe Schimank
Die Gesellschaft als Labor
Risikotransformation und Risikokonstitution durch moderne Forschung
Zusammenfassung
In der modernen Wissenschaft existieren Tendenzen, Forschungsprozesse und die mit ihnen verbundenen Risiken über die institutionalisierten Grenzen der Wissenschaft hinauszutreiben und die Gesellschaft mit der Durchführung von Experimenten zu belasten. Dies läßt sich vor allem beobachten an der Kernkrafttechnologie, an ökologischen Freisetzungsversuchen, am Umgang mit physiologisch belastenden Chemikalien, an der Einführung von Medikamenten und an modernen Militärtechniken. Diesen und weiteren Fällen ist gemeinsam, daß eine Legitimation für die Durchführung dieser Experimente allein zum Zwecke der Forschung nicht beschafft werden könnte. Sie müssen daher — einer eingespielten Terminologie und den rechtlichen Grundlagen entsprechend2 — als Implementierung erprobten Wissens deklariert werden, deren Betreibung und Berechtigung sich aus nicht-wissenschaftlichen Gründen ergeben. Andererseits ist aber, einhergehend mit dem gesteigerten Tempo technologischer Innovationen in den letzten Jahrzehnten, die Erfahrung immer unabweisbarer geworden, daß die Implementierung erprobten Wissens (nolens volens) die Erprobung unsicherer Implementierungen ist. Wir werden in Ermangelung eines geläufigen Begriffs für diese Prozesse von experimentellen Implementierungen oder von „Realexperimenten“ sprechen.
Wolfgang Krohn, Johannes Weyer
Großtechnische Systeme, Risiko und gesellschaftliche Unsicherheit
Zusammenfassung
Wenn heute von Risikogesellschaft (Beck 1986) gesprochen wird, so ist damit eine doppelte Erfahrung moderner Industriegesellschaften gemeint: Die zunehmende Möglichkeit katastrophaler Schäden (Super-GAU) und vermehrte riskante Entscheidungen im Alltagshandeln. Ersteres ist eine unmittelbare Folge der beschleu igten Technisierung der Gesellschaft. Kernkraftwerke, großtechnische chemische Anlagen, biotechnische Labors oder die Computerisierung gesellschaftlicher Kommunikation stehen nur als Beispiele für diese Entwicklung.
Gotthard Bechmann
Die Risiken der Gentechnologie in soziologischer Perspektive
Zusammenfassung
Dieser Beitrag untersucht am Beispiel der Gentechnologie, inwieweit sich allgemeine Überlegungen und Hypothesen der Risikosoziologie zum einen als Interpretationsrahmen für, zum anderen als inhaltlich-konkrete Aussagen über spezifische Risikotechnologien verwenden lassen.
Jobst Conrad
Komplexität und Kopplung Zum Verhältnis von ökologischer Forschung und Risikosoziologie
Zusammenfassung
Wenn man das gestellte Thema auf die Fragestellung spezifiziert, was man im Hinblick auf ’den’ gesellschaftlichen Umgang mit ökologischen Risiken (Risikosoziologie) von der ökologischen Forschung lernen könne, stellt sich zunächst eine Irritation ein: Es entsteht der Eindruck, man könne die Relevanz ökologischer Forschung für sich festlegen und dann auf den gesellschaftlichen Umgang mit ökologischen Risiken beziehen — so, als ob dieser nicht immer schon eigene Relevanzkriterien entwickeln würde. Gerade wegen dieser Irritation soll das Thema hier in der angedeuteten Weise verfolgt werdenl. Andererseits empfiehlt es sich schon aus darstellungstechnischen Gründen, ökologischer Forschung zunächst eigenständigen Raum zu geben und jene Irritation erst an später Stelle — im Rahmen einer Art risikosoziologischer Bilanzierung — wieder aufzugreifen.
Klaus P. Japp
Backmatter
Metadaten
Titel
Riskante Entscheidungen und Katastrophenpotentiale
herausgegeben von
Jost Halfmann
Klaus Peter Japp
Copyright-Jahr
1990
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-322-94149-7
Print ISBN
978-3-531-12216-8
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-322-94149-7