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2012 | Buch

Der Demokratische Verfassungsstaat

Entstehung, Elemente, Herausforderungen

verfasst von: Birgit Enzmann

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Über dieses Buch

Macht tendiert dazu, missbraucht zu werden. Beruhend auf dieser Erkenntnis etabliert der demokratische Verfassungsstaat ein komplexes System von Machtstreuung und -beschränkung: Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung, eine mit justiziablem Vorrang bewährte Verfassung und demokratische Kontrollen machen ihn zu einem Erfolgsmodell, das die Bürger in vorher nie gekanntem Ausmaß vor Unterdrückung und Willkür schützt. Aber hat er auch Zukunft? Wie verträgt sich der demokratische Verfassungsstaat beispielsweise mit Forderungen nach mehr innerer Sicherheit, mit den Sonderbedingungen junger postautoritärer Demokratien oder mit der schwierigen Zuschreibung von Verantwortlichkeit in Mehrebenensystemen? In kompakter Form stellt dieses Buch die Entwicklung und tragenden Elemente des demokratischen Verfassungsstaats vor und skizziert die wichtigsten neuen Herausforderungen.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Abgrenzung: Rechts- oder Verfassungsstaat?
Zusammenfassung
Wir sind es gewohnt, Staats- und Regierungsformen danach zu klassifizieren, in wessen Händen die Herrschaftsgewalt liegt, z. B. in denen eines Tyrannen oder Fürsten, des Adels, einer Elite, einer Klasse oder denen des Volkes. Doch schon inmitten der Überlegungen zu solchen Herrschaftsformen findet sich bei dem griechischen Philosophen Aristoteles (384–322 v.Chr.) die These, dass es im Grunde besser wäre, wenn gar nicht Menschen, sondern Gesetze regieren würden. Denn das Gesetz sei „eine Vernunft ohne Streben“. Im Lauf der Zeit immer weiter verbessert sei es das geronnene Wissen Vieler und überbrücke so das Problem, dass ein Mensch weder alles wissen könne noch unfehlbar sei. Außerdem erziehe das Gesetz den Menschen, indem es ihn hindere, aus persönlicher Abneigung oder Gunst zu handeln, den Bürger ebenso wie den Inhaber eines öffentlichen Amtes. Nur dort, wo Gesetze nicht alles im Voraus regeln könnten, solle die freie Entscheidung von Menschen ihren legitimen Platz haben. Dabei geben aber Gesetze vor, durch wen und nach welchen Grundsätzen diese Entscheidungen getroffen werden sollen. Über 2000 Jahre später wird hierfür im angloamerikanischen Raum die Formel „a government of laws and not of men“ geprägt, im deutschen Sprachraum der Begriff „Rechtsstaat“ und im französischen der Begriff „Etat de droit“. Ihnen allen liegt die Idee zugrunde, dass die mangelnde Erkenntnisfähigkeit, Fehlbarkeit und Verführbarkeit des Menschen eine weitgehende Einhegung ihrer Entscheidungsfreiheit durch feststehende allgemeine Regeln erforderlich machen. Die so installierte Herrschaft des Rechts
Birgit Enzmann
2. Meilensteine der Entwicklung
Zusammenfassung
Für die Entstehung des Demokratischen Verfassungsstaates gibt es keine klare Geburtsstunde. Die meisten seiner Elemente – formaler und materieller Rechtsstaat, Verfassung, Gewaltenteilung, Grundrechte, Mitbestimmung und Verfassungsgerichtsbarkeit – haben Wurzeln, die bis ins Mittelalter oder die Antike zurück reichen. Eine knappe Einführung beschränkt sich daher zwangsläufig auf Punkte, an denen sich die Ereignisse beschleunigen, an denen bisher getrennt verlaufende Entwicklungsstränge zusammentreffen oder Etappenziele auf dem Weg zum Verfassungsstaat erreicht werden. Hierzu gehören die Vollendung des ersten gewaltenteiligen Rechtsstaats im 17. Jahrhundert in England, die Entstehung der USA als erstem modernen Verfassungsstaat im 18. Jahrhundert, der Beginn des Konstitutionalismus in Europa im Anschluss an die Französische Revolution von 1789 und schließlich die Entwicklung und Verbreitung der Verfassungsgerichtsbarkeit im 19. und 20. Jahrhundert.
Birgit Enzmann
3. Zentrale Elemente
Zusammenfassung
Der Demokratische Verfassungsstaat baut auf den vom Rechtsstaat geschaffenen Grundlagen auf. Er integriert den Rechtsstaat als ein eigenständiges Prinzip, neben Verfassungs- und Demokratieprinzip. Die Bedeutung des Rechtsstaatsprinzips für den Verfassungsstaat liegt darin, die erforderlichen Anknüpfungspunkte für die Rechtswirkung der Verfassung und ihre gerichtliche Überwachung zu schaffen. Hierfür sichert zunächst die formale Rechtsstaatlichkeit, dass staatliches Handeln nur in Form und auf der Basis der Gesetze möglich ist, sodass die spätere Bindung des Gesetzgebers an die Verfassung auch bewirkt, dass insgesamt staatliches Handeln mit der Verfassung übereinstimmen muss. In einem zweiten Schritt gibt die materielle Rechtsstaatlichkeit dem staatlichen Handeln Ziele und inhaltliche Bewertungsmaßstäbe vor.
Birgit Enzmann
4. Herausforderungen
Zusammenfassung
Will man die Zukunftschancen einer Ordnungsform abschätzen, sind die für die Vergangenheit empirisch belegten Funktionsvoraussetzungen von großer Bedeutung. Aber auch sich andeutende neue Herausforderungen müssen berücksichtigt werden. Tatsächlich haben sich in den letzten Jahrzehnten die nationalen, supranationalen und internationalen Rahmenbedingungen für die bestehenden Demokratischen Verfassungsstaaten in Europa und den USA erheblich verändert. 1) Neue Dimensionen grenzüberschreitender Kriminalität und die Häufung von Terroranschlägen haben zu einer breiten Debatte über die Wehrhaftigkeit der westlichen Demokratien geführt. Muss nicht, so die Frage, die Rangfolge von Freiheit vor Sicherheit überdacht und umgekehrt werden, um die wesentlichen grundrechtlichen Errungenschaften langfristig sichern zu können? Konkret wird dabei die Zulässigkeit von Eingriffen in bürgerliche Freiheiten im Bereich justizieller Rechte und des Datenschutzes thematisiert. Auch das längst überwunden geglaubte Instrument der Folter erscheint wieder auf dem Tableau. 2) Erheblich veränderte Rahmenbedingungen für die Funktionsweise Demokratischer Verfassungsstaaten haben sich auch durch eine zunehmende Bewältigung von Aufgaben in intergouvernmentaler und supranationaler Kooperation ergeben. Hier stellt sich die Frage, wie die auf nationalstaatlicher Ebene geltenden Standards in den Bereichen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechtsschutz auch auf diesen Handlungsebenen gesichert werden können und welche Koordinierungsprobleme sich daraus ergeben könnten. 3) Auf globaler Ebene schließlich stellt sich die Frage nach der Universalisierbarkeit des Demokratischen Verfassungsstaats. Wurde er nach dem Zusammenbruch des Sowjetsystems zunächst als einzig verbliebenes Ordnungsideal gehandelt, gaben schon bald neue Ordnungsformen zwischen Diktatur und Demokratie Anlass zur Sorge. Sie hatten sich nach anfänglichen
Birgit Enzmann
Backmatter
Metadaten
Titel
Der Demokratische Verfassungsstaat
verfasst von
Birgit Enzmann
Copyright-Jahr
2012
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-18952-9
Print ISBN
978-3-531-18026-7
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-18952-9