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2012 | Buch

Medienwirkungen kompakt

Einführung in ein dynamisches Forschungsfeld

verfasst von: Michael Jäckel

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Über dieses Buch

Medienwirkungen kompakt – angesichts der Differenzierung der Kanäle und Gattungen einerseits und der Themenvielfalt andererseits ein großes Anliegen in kleinem Format. Als Leitfaden dient – auch wegen der für Vermittlungszwecke bewährten Transparenz – die Lasswell-Formel in ihrer erweiterten Fassung: Wer sagt was durch welchen Kanal zu wem unter welchen Umständen zu welchem Zweck mit welchem Effekt? Das lässt eine Integration des Medienwandels, insbesondere auch der Sender-Empfänger-Beziehungen, ebenso zu wie eine Differenzierung nach intendierten und nicht-intendierten Effekten. Eine Diskussion des Wirkungs-Begriffs ist in diese Vorgehensweise eingebunden.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Medienwirkungsforschung und Mediensoziologie
Eine einleitende Übersicht
Zusammenfassung
Zu Beginn dieser kompakten Einführung in das Thema „Medienwirkungen“ steht eine kompakte Übersicht zur Medienwirkungsforschung aus vorwiegend soziologischer Perspektive. Naheliegend ist in diesem Zusammenhang die Ausgangsfrage: Wann beginnt die Mediengesellschaft ? Wenn so formuliert wird, ist auch an die Anfänge der Medienwirkungsforschung gedacht. Würde man die Antwort an der Etablierung der wissenschaftlichen Disziplinen, die sich mit Fragen der Medienwirkung auseinandersetzen, orientieren, müsste man den Beginn im 20. Jahrhundert suchen. Wer dagegen den Blick in die Mediengeschichte lenkt, wird nicht umhinkommen festzustellen, dass die Frage, wie Medien die Verfasstheit einer Gesellschaft verändert haben, eine sehr lange Tradition hat. Hans Joas hat die Aufgabe der Soziologie darin gesehen, die „Arten und Weisen, wie das menschliche Leben sozial organisiert wird“ (2007, S. 14), zu untersuchen. Eine Mediensoziologie betont daher in besonderer Weise den Blick auf Phänomene, die ohne die Existenz von (Verbreitungs-)Medien entweder nicht vorstellbar waren oder zumindest in der Wahrnehmung ihrer Bedeutung durch eine Vielzahl weiterer Kanäle verstärkt wurden. Mit Medien sind allgemein Artefakte, die Vermittlungsleistungen übernehmen, gemeint: Bilder, Texte, aber z. B. auch Münzen. Beobachtungen, die sich auf die Wirkung von Medien im weitesten Sinne beziehen, waren bereits vor dem Aufkommen einer akademischen Disziplin, die sich Kommunikationswissenschaft oder Publizistikwissenschaft nannte, weit verbreitet. Aber die Pluralität der Auffassungen ist ohne Zweifel auch das Ergebnis einer funktionalen Differenzierung moderner Gesellschaften, in denen eben nicht nur Wissenschaftler (Medienwissenschaftler, Kommunikationsforscher, Wirkungsforscher, Soziologen) den Blick auf ein kontinuierlich expandierendes Wort- und Bildmaterial lenken, sondern die Medien selbst eben diese Funktion übernehmen: Sie werden nicht nur als gesellschaftliche Einrichtung analysiert, sondern liefern quasi täglich selbst Beschreibungen von Gesellschaft, die mit sozialwissenschaftlichen Diagnosen konkurrieren können. Damit engt sich auch die Bedeutung des (Massen-)Medien-Begriffs ein: Statt der Realität der Massenmedien als Realität der Organisationen, der Druckerpressen, Funktürme und Serverräume steht hier die „Realität der Massenmedien als die in ihnen ablaufenden, sie durchlaufenden Kommunikationen“ (Luhmann 1996, S. 13) im Vordergrund, deren Aufgabe es ist, Beschreibungen und Selbstbeschreibungen der Gesellschaft anzubieten. Die Sozialwissenschaften wären ärmer, wenn sie diese Beobachtungen nicht hätten, sie müssen aufgrund ihrer eigenen Ergebnisse aber auch zu der selbstkritischen Auffassung gelangen, dass die Welt anders aussehen könnte, weil sie stets ein Werk von Beschreibungen ist. Niklas Maak stellte in einem Beitrag fest: „Das Bewusstsein einer Gesellschaft entsteht in den Geschichten, die sie sich erzählt und in den Formen, die sie für ihre Zeit erfindet.“ (2011, S. 17) An diese Beobachtung ließe sich eine Vielzahl von Forschungsfragen, die die Medienwirkungsforschung heute, aber auch in der Vergangenheit beschäftigt haben, anschließen. Ein Erzähler mag für sich allein seine rhetorischen Fähigkeiten in gekonnter Weise gegenüber seinem Publikum zur Geltung bringen. Sein Wirkungsradius ist im mündlichen Zeitalter, das noch keine effizienten Medien für die Überwindung von Raum und Zeit kennt, sehr begrenzt. Dieselben rhetorischen Fähigkeiten können in einem Massenmedium, das ein disperses Publikum (vgl. Maletzke 1963) erreichen kann, ein Einflusspotenzial entfalten, das die Gesellschaft selbst und eben auch ihre Beobachter in Unruhe versetzt.
Michael Jäckel
2. Umstände: die Medienentwicklung im Überblick
Zusammenfassung
Wer von der Evolution der Kommunikation spricht, verbindet damit unter anderem die Vorstellung, dass jede Erweiterung eines Mediums neue Über- und Vermittlungsmöglichkeiten schafft, aber auch eine Erweiterung des Empfängerkreises der Kommunikation bedeuten kann. Luhmann hat diesen Sachverhalt mit dem Begriff ‚Verbreitungsmedien‘ beschrieben. Je mehr sich diese Verbreitungsmedien von Orten und Personen lösen, desto unabhängiger wird die jeweilige Kommunikation „von der Anwesenheit dessen, der sie mitteilt.“ (Luhmann 1997, S. 314) Zugleich reduziert eine systematische Erweiterung der räumlichen Dimension von Kommunikation die Wahrscheinlichkeit von Zufällen. Die Nutzung mittelalterlicher Manuskripte illustriert dies: „Noch im Mittelalter war […] die semantische Evolution entscheidend davon abhängig, in welchen Bibliotheken welche Manuskripte aufbewahrt wurden und welche Zufälle Leser, die dadurch zu Ideen angeregt wurden, an die seltenen Manuskripte heranführten. Hier spielt […] der Körper von Individuen und damit ihr Aufenthalt an bestimmten Orten eine wichtige Rolle. Das ändert sich nach und nach mit der Verbreitung gedruckter Schriften.“ (Luhmann 1997, S. 314) Letztere beschleunigen gesellschaftliche Veränderungen und die Diffusion von Informationen2. Damit einher geht die Entstehung von Öffentlichkeit, die von diesen Öffnungen profitiert. Sobald die Kontrolle über den Zugang zu Informationen entfällt, ist der Empfängerkreis nicht eindeutig bestimmbar. Unter Rückgriff auf die Lasswell-Formel sind es hier die Umstände, die sich verändern.
Michael Jäckel
3. Wer ? Die Senderebene
Zusammenfassung
Wer ? Das Fragewort zielt auf Personen, nicht auf Apparaturen, die Signale versenden. Die Reduktion des Kommunikationsprozesses auf den Vorgang der Übermittlung von Informationen ist Kern der Informationstheorie von Shannon und Weaver. Die mathematisch-technische Ausrichtung dieses Modells betrachtet Kommunikation als einen linearen und einseitigen Vorgang der möglichst störungsfreien Informationsübermittlung. Das Verfehlen des Verständigungsziels wird hier vorwiegend auf Störquellen technischer Art zurückgeführt, nicht auf inhaltlich begründete Missverständnisse. Eine Informationsquelle formuliert eine Nachricht und überträgt diese mit Hilfe eines Übertragungsmediums (Sender, im engl. ‚transmitter‘) an einen technischen Empfänger, der diese wiederum an den Adressaten weiterleitet (vgl. Abbildung 3.1.).
Michael Jäckel
4. Was? Ein Blick auf die Inhalte
Zusammenfassung
Es gab durchaus ernsthafte Bedenken, ob es überhaupt gelingen könne, regelmäßig eine Zeitung mit Informationen zu füllen oder genügend Material für ein Fernsehprogramm realisieren zu können. Heute reagieren Menschen verärgert, wenn die Zeitung nicht erscheint, Störungen beim Empfang von Radiooder Fernsehsendungen eintreten oder Netzverbindungen unterbrochen werden. Mediennutzung ist zu einer Gewohnheit geworden, die von Abwechslungen lebt. Programme unterschiedlichster Art werden auf Dauer gestellt, erwartbar und strukturieren den Alltag in zeitlicher Hinsicht mit. Aber sie lenken den Blick auch auf bestimmte Formen der Umweltwahrnehmung, sie lenken die Aufmerksamkeit des Publikums und nehmen Einfluss auf die öffentliche Agenda. In diesem permanenten Produktions- und Rezeptionsprozess Strukturen identifizieren zu können, setzt gute und flexible Beobachtungs- und Messintrumente voraus.
Michael Jäckel
5. In welchem Kanal? Besonderheiten der Trägermedien
Zusammenfassung
Wer das Wort „Kanal“ (im Engl. channel) hört, denkt vielleicht an das Bild der kommunizierenden Röhren, die, weil miteinander verbunden, Botschaften (auch im Sinne von Zustandsänderungen) unmittelbar wahrnehmen. Das impliziert Bewegung und Ortswechsel, gilt aber nun keineswegs für alle Kanäle, die hier zu behandeln sind. Höhlenmalereien beispielsweise bleiben ortsgebunden, die Gesetze des Hammurabi (1792 – 1750 v. Chr.) wurden unter anderem auf einer Stele festgehalten, Brieftauben wiederum transportieren zwar eine Botschaft, sind aber nicht das eigentliche Trägermedium. Die reitenden Postboten hatten Botschaften im Gepäck, konnten aber auch selbst als Träger von Informationen dienen. Im Falle der Rohrpost wird die Unschärfe noch evidenter: Die Rohrpost nutzt im technischen Sinne einen Kanal, in dem eine Nachricht in einem Container (Rohrpostbüchse) durch Einsatz von Druckluft an einen Empfänger weitergeleitet wird. Die Nachricht selbst kann wiederum auf einem Trägermedium sein, das ein weiteres Medium benötigt, um sichtbar zu machen, was denn eigentlich vermittelt werden sollte usw.
Michael Jäckel
6. Zu Wem? Das Publikum
Zusammenfassung
Zu einem Publikum gehört grundsätzlich ein Ereignis, das die Aufmerksamkeit einer kleineren oder größeren Personenzahl auf sich zieht. In einem leeren Theater finden keine Aufführungen statt, eine Zeitung, die von niemandem gelesen wird, verschwindet vom Markt. Die Idee der Marktregulierung tritt in historischer Hinsicht relativ spät auf die „Bühne“, weil entweder die Beteiligung an diesen Ereignissen ausgeschlossen wurde (Standesprivilegien) oder schlicht die Voraussetzungen fehlten, weil man beispielsweise des Lesens nicht mächtig war. Integriert wurde das Publikum insofern, als man den Ereignissen, zum Beispiel einer Theateraufführung, eine bestimmte Wirkung zuschrieb. Aristoteles versuchte die Wirkung der griechischen Tragödie mit dem Begriff Katharsis zu beschreiben, während des antiken Roms dienten Großereignisse eher der Unterhaltung der Massen, während der Gegenreformation betonte man die Propagandafunktion und im Zeitalter der Aufklärung die moralische Funktion (vgl. Sauter 2005, S. 253).
Michael Jäckel
7. Für welchen Zweck ? Funktionszuschreibungen
Zusammenfassung
Mit der Frage „For what purpose ?“ erweiterte Braddock die ursprüngliche Lasswell- Formel um die Komponente des Zwecks (vgl. Braddock 1958). Über die Absichten eines Kommunikators wurden im Kapitel zur Komponente „Wer ?“ bereits Ausführungen gemacht. Aber es lassen sich mindestens zwei weitere Perspektiven unterscheiden, die hier im Mittelpunkt stehen sollen: der Zweck, der (Massen-) Medien selbst in modernen Gesellschaften zugeschrieben wird und die Absichten, die das Publikum äußert.
Michael Jäckel
8. Mit welchem Effekt ? Wirkungsfelder
Zusammenfassung
Die ‚Wiege‘ des Wirkungsbegriffs steht in den Naturwissenschaften. Vorstellungen von Ursache und Wirkung sind eng mit der Tradition des Behaviorismus verbunden. Die Reize der Umwelt, zu denen auch die Medienangebote zählen, werden im Hinblick auf ihre Reaktionen bei den Empfängern unter Beachtung strenger methodischer Bedingungen betrachtet. Die Verwendung des Wirkungs-Begriffs legt Kausalitätsannahmen nahe und wird im alltäglichen Sprachgebrauch auch mit solchen Implikationen verknüpft. Wirkung wird in der Regel mit Veränderung gleichgesetzt. Veränderung bedeutet, dass sich auf der Einstellungs- oder Verhaltensebene Beobachtungen machen lassen, die auf das Vorliegen eines bestimmten Stimulus zurückgeführt werden können. Diese müssen sich in beobachtbaren bzw. messbaren Reaktionen von Rezipienten manifestieren. Dieser Beschreibung entspricht auch die Grundstruktur des Modells, das in der Literatur verschiedene Namensgebungen erfahren hat. Die geläufigsten Bezeichnungen lauten:
  • Stimulus-Response-Modell
  • Reiz-Reaktions-Modell
  • Hypodermic Needle-Modell
  • Transmission Belt-Theorie
  • Magic Bullet-Theorie
Michael Jäckel
9. Ein Ausblick in die Medienzukunft – Prognosen und Überraschungen
Zusammenfassung
Propheten sind „vorwärts gewandte Geschichtsschreiber“ (Ruppelt 2010, S. V). Das Schreiben zukünftiger Geschichte birgt dabei jedoch häufig die Gefahr zweier gegenläufiger Entwicklungen: Selbsterfüllung (self-fulfilling prophecy) auf der einen Seite und Selbstzerstörung (self-destroying prophecy) auf der anderen. Prognosen tragen – im Sinne Hirschmans (1984, S. 19) – den Keim ihrer eigenen Zerstörung in sich. Das liegt nicht zuletzt an den „Wildcards“ – Ereignissen, die sich unmöglich vorhersehen lassen, von denen nicht einmal bekannt ist, dass sie nicht bekannt sind. In ähnlicher Weise hat sich der frühere US-amerikanische Verteidigungsminister Donald Rumsfeld in einer Rede geäußert: „Es gibt das gewußte Wissen und das gewußte Nichtwissen. Und dann gibt es Dinge, von denen wir nicht einmal wissen, daß wir sie nicht wissen.“ (zit. nach Geiselberger 2011, S. 7)
Michael Jäckel
Backmatter
Metadaten
Titel
Medienwirkungen kompakt
verfasst von
Michael Jäckel
Copyright-Jahr
2012
Verlag
Springer Fachmedien Wiesbaden
Electronic ISBN
978-3-531-19135-5
Print ISBN
978-3-531-18606-1
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-19135-5