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2013 | OriginalPaper | Buchkapitel

3. Alles Brüder? Eine kurze Geschichte der humanitären Hilfe

verfasst von : Ulrike von Pilar

Erschienen in: Handbuch Humanitäre Hilfe

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Zusammenfassung

Die Geschichte der humanitären Hilfe ist sowohl von Erfolgen als auch von folgenschweren Misserfolgen geprägt. Sie ist eine Geschichte des Missbrauchs ebenso wie der problematischen Fehlurteile – und vor allem auch eine Geschichte, die das Schicksal der Opfer der Konflikte und Katastrophen widerspiegelt. Die Geschichte der modernen humanitären Hilfe beginnt mit Henry Dunant, der Gründung des Internationalen Roten Kreuzes und der Genfer Abkommen in den 1860er Jahren. Während der Erste Weltkrieg trotz aller Grausamkeiten auch einen großen Erfolg der Rotkreuz-Idee darstellte, zeigte die Hungerkatastrophe Anfang der 1920er Jahre in der Sowjetunion, dass humanitäre Hilfe nie in einem Zustand der Unschuld nur dem Wohle Not leidender Menschen dient: Lenin versuchte, die internationale Hilfe für seine politischen Ziele einzuspannen – und hatte Erfolg. Diese Erfahrung sollte sich in den folgenden Jahrzehnten und dann bis heute regelmäßig wiederholen.
Nazi-Deutschland, der sowjetische Gulag, China unter Mao – die internationalen humanitären Organisationen waren abwesend. Biafra, Kambodscha, Äthiopien und Afghanistan waren prägende Stationen in den Jahren des Kalten Krieges. Obwohl humanitäre Organisationen Hunderttausende von entkräfteten Flüchtlingen das Leben retteten, waren Missbrauch und politische Manipulation ebenso Teil der Erfahrung.
Mit dem Ende des Kalten Krieges allerdings änderte sich das politische Umfeld erheblich: Die Regierungen entdeckten das Feld der „humanitären Politik“ für sich und setzten mehr und mehr humanitäre Rhetorik, aber auch Hilfsprogramme direkt zur Unterstützung politischer Ziele ein. Als Beispiele dienen der Völkermord in Ruanda und die Katastrophe in den Flüchtlingslagern danach und die Balkankriege – schwerste Bewährungsproben auch für die humanitären Organisationen.

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Fußnoten
1
„Humanitär“ bedeutet „menschenfreundlich, das Wohl der Menschen fördernd“ – der Begriff „humanitäre Krise“ oder „humanitäre Katastrophe“ ist deshalb ein Widerspruch in sich, ein „humanitärer Krieg“ erst recht.
 
2
So preist sich Harkhuf, Gouverneur von Ober-Ägypten, auf einer Grabinschrift: „Ich gab den Hungernden Brot, den Nackten Kleidung.“ (Walker u. Maxwell 2009, S 13 f).
 
3
Von „refuge“ = „Schutzhütte“/„Zuflucht“.
 
6
Allerdings waren bei den Franzosen zunächst die Frauen, bei den Amerikanern die Sklaven von der Menschheit ausgeschlossen, und nur die „Eigenen“ genossen Bürgerrechte.
 
7
Balkanforum: Biografie des Sultan Abdülmecid, http://​www.​balkanforum.​info/​f16/​irische-hungersnot-sultan-217842/​. Zugegriffen: 4. Januar 2013.
 
8
Zum Verhältnis Florence Nightingale – Henry Dunant s. auch Kap. 19.
 
10
Dies bezieht sich hier in erster Linie auf das IKRK. Es war allerdings von Anfang an vorgesehen, dass die Nationalen Rotkreuzgesellschaften bei Bedarf in die Sanitätseinheiten des Militärs integriert werden können. Sie sind deshalb nicht unabhängig und hier nicht gemeint (Bouchet-Saulnier 2002, S. 318).
 
11
Inzwischen ist es ein Kriegsverbrechen, diese anzugreifen (Bouchet-Saulnier 2002, S. 232–235).
 
12
Siehe zu dieser Debatte auch Kap. 19 und Magone et al. (2011).
 
13
Titel eines ZEIT-Artikels über die vietnamesischen boat people in Malaysia (Joffe 1979).
 
14
Ärzte der Welt (Médecins du Monde, MdM), Action Contre la Faim (ACF) und Handicap International.
 
15
Für eine eindrückliche Darstellung dessen, was Unabhängigkeit für MSF bedeutet, siehe Meyer (2008, S. 180–188).
 
16
Es ist nicht erwiesen, ob diese Zahlen korrekt sind (de Waal 1997).
 
17
Als spannenden Roman über diese Zeit kann man Rufin 2001 empfehlen.
 
18
Siehe dazu auch Shawcross 1984; Terry 2002; Brauman 1996.
 
19
So wie später während des Kosovo-Krieges vom damaligen Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping (Eberwein 2004, S. 6).
 
20
Einem Mitbegründer von MSF, der aber bereits 1978 die Organisation verlassen hatte.
 
21
Zur Problematik der Terminologie siehe Kap. 19.
 
22
Die Armee war bis 1991, dem Austritt Sloweniens und Kroatiens aus der Bundesrepublik Jugoslawien und Beginn der Jugoslawienkriege, ein multiethnischer Verband. In der Folge fiel sie immer mehr unter die Kontrolle Serbiens.
 
23
„The situation [in Bezug auf die humanitäre Rolle des Militärs] certainly encouraged impressions that a humanitarian label was being used as a cover for military functions“ (UNHCR 2000); vgl. auch Sommaruga 1999.
 
24
„The location of camps established by EXCOM [Executive Committee] members in Northern Albania created considerable security risks by placing refugees in zones directly implicated in cross-border military activities.“ (UNHCR 2000).
 
Literatur
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Zurück zum Zitat Bouchet-Saulnier F (2002) The practical guide to humanitarian law. Rowman & Littlefield, Boston Bouchet-Saulnier F (2002) The practical guide to humanitarian law. Rowman & Littlefield, Boston
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Zurück zum Zitat Donini A (2012) The golden fleece. Manipulation and Independence in Humanitarian Action, Sterling, VA Donini A (2012) The golden fleece. Manipulation and Independence in Humanitarian Action, Sterling, VA
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Zurück zum Zitat Von Pilar U (2013) Wenn Elefanten kämpfen … – Der politische Missbrauch der Humanitären Hilfe im Namen der Sicherheit. Beispiele aus der Arbeit von MSF in Somalia und Afghanistan. In: Daase C, Engert S, Junk J (Hrsg) Verunsicherte Gesellschaft – Überforderter Staat. Zum Wandel der Sicherheitskultur. Campus, Frankfurt a. M. Von Pilar U (2013) Wenn Elefanten kämpfen … – Der politische Missbrauch der Humanitären Hilfe im Namen der Sicherheit. Beispiele aus der Arbeit von MSF in Somalia und Afghanistan. In: Daase C, Engert S, Junk J (Hrsg) Verunsicherte Gesellschaft – Überforderter Staat. Zum Wandel der Sicherheitskultur. Campus, Frankfurt a. M.
Zurück zum Zitat Redfield P (2013) Life in crisis: the ethical journey of doctors without borders. University of California Press, Berkeley Redfield P (2013) Life in crisis: the ethical journey of doctors without borders. University of California Press, Berkeley
Zurück zum Zitat Rufin JC (2001) Tage in Asmara (im Original: Les causes perdues). Claassen, Berlin Rufin JC (2001) Tage in Asmara (im Original: Les causes perdues). Claassen, Berlin
Zurück zum Zitat Rufin JC (1994) L’aventure humanitaire. Gallimard, Paris Rufin JC (1994) L’aventure humanitaire. Gallimard, Paris
Zurück zum Zitat Rufin JC (1993) Le piège humanitaire (1986), suivi de Humanitaire et politique depuis la chute du Mur. Überarbeitete Ausgabe, 1993. Éditions Jean-Claude Lattès, Paris Rufin JC (1993) Le piège humanitaire (1986), suivi de Humanitaire et politique depuis la chute du Mur. Überarbeitete Ausgabe, 1993. Éditions Jean-Claude Lattès, Paris
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Zurück zum Zitat Shawcros W (1984) The quality of mercy. Cambodia, Holocaust and Modern Conscience. Simon&Schuster, New York Shawcros W (1984) The quality of mercy. Cambodia, Holocaust and Modern Conscience. Simon&Schuster, New York
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Zurück zum Zitat Sommaruga C (1999) Humanität kann keine Kriege rechtfertigen – 50 Jahre Genfer Konventionen, Süddeutsche Zeitung (12. August 1999) Sommaruga C (1999) Humanität kann keine Kriege rechtfertigen – 50 Jahre Genfer Konventionen, Süddeutsche Zeitung (12. August 1999)
Zurück zum Zitat Suttner B von (1979) Lebenserinnerungen. Verlag der Nation Berlin, Berlin Suttner B von (1979) Lebenserinnerungen. Verlag der Nation Berlin, Berlin
Zurück zum Zitat Terry F (2002) Condemned to repeat? The paradox of humanitarian action. Cornell University Press, Ithaca Terry F (2002) Condemned to repeat? The paradox of humanitarian action. Cornell University Press, Ithaca
Zurück zum Zitat UNHCR (2000) The Kosovo refugee crisis: an independent evaluation of UNHCR’s emergency preparedness and response (February 20, 2000) UNHCR (2000) The Kosovo refugee crisis: an independent evaluation of UNHCR’s emergency preparedness and response (February 20, 2000)
Zurück zum Zitat Vieira de Mello S (1998) Politics and humanitarian action, final report of the seminar on humanitarian action. Perception and Security (Lisbon, 27.–28. March 1998): 46–51 Vieira de Mello S (1998) Politics and humanitarian action, final report of the seminar on humanitarian action. Perception and Security (Lisbon, 27.–28. March 1998): 46–51
Zurück zum Zitat Walker P, Maxwell D (2009) Shaping the humanitarian world. Routledge, London Walker P, Maxwell D (2009) Shaping the humanitarian world. Routledge, London
Metadaten
Titel
Alles Brüder? Eine kurze Geschichte der humanitären Hilfe
verfasst von
Ulrike von Pilar
Copyright-Jahr
2013
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-642-32290-7_3

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