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1993 | Buch | 2. Auflage

Prozesse der Macht

Zur Entstehung, Stabilisierung und Veränderung der Macht von Akteuren in Unternehmen

verfasst von: Univ.Prof. Dr. Karl Sandner

Verlag: Physica-Verlag HD

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Über dieses Buch

Die Betriebswirtschaftslehre ist eine anwendungsorientierte Wissenschaft. In ihrem Zentrum hat daher eine Theorie der Durchsetzung, d.h. eine Theorie der Macht zu stehen. Dies mag trivial und alltagspraktisch erscheinen; dennoch zeichnet sich das Theoriegebäude der Betriebswirtschaftslehre bisher durch eine konsequente Vernachlässigung machttheoretischer Fragestellungen aus. Von dieser Situation ausgehend werden die Entstehung, die Stabilisierung und die Veränderung der Macht in Unternehmen untersucht. Im Mittelpunkt steht ein Verhandlungsmodell der Macht. In einem dynamischen Ansatz wird die Entstehung der Macht vorerst an Hand dyadischer Machtrelationen gezeigt und anschließend auf Netzwerke und Koalitionen erweitert. Auf der Grundlage eines subjektiven Forschungsprogramms geht mit der Aufgabe gesetzesmäßiger Ursache-Wirkung-Beziehung Macht nicht mehr von einem ressourcenkontrollierenden Machthaber aus, sondern entsteht aus der Akzeptanz des späteren Machtunterworfenen. Unternehmen stellen aber keine Dyaden, sondern strukturierte Handlungsfelder dar. In Unternehmen geht Macht daher in Steuerung über. Vor allem vier dominante Steuerungsstrategien sind dabei festzustellen: die technologische, die bürokratische, die psychologische und die kulturelle Steuerung.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Problemstellung
Zusammenfassung
Die Märchen unserer Kindheit zeichnen sich durch eine besondere Qualität aus: Sie diskriminieren zwischen Gut und Böse, und sie lassen das Gute siegen. Während die Betriebswirtschaftslehre als angewandte Sozialwissenschaft in ihrem Umgang mit Normativität noch immer eine beträchtliche Unsicherheit zeigt, unterscheidet sich ihr traditionelles Erklärungsmodell der Durchsetzung von Zielvorstellungen von dem der Märchen nicht: In Märchen siegen die Helden, weil ihnen überlegene Ressourcen wie Körperstärke, Weisheit, außergewöhnliche Fähigkeiten und Fertigkeiten, Armeen oder Zaubermittel zur Verfügung stehen. Auch in der Betriebswirtschaftslehre setzen sich die Akteure deshalb durch, weil ihre Machtgrundlagen den Machtgrundlagen ihrer Konfliktgegner überlegen sind. Die Botschaft ist die gleiche: Wenn du Überlegenheit anstrebst, dann erwirb die notwendigen Ressourcen, damit du sie im gegebenen Fall einsetzen kannst. In Märchen erfolgt die Beschaffung der Machtgrundlagen meist extern durch Feen, Zauberer und Hexen. In der Betriebswirtschaftslehre dagegen kommt es traditionell zu einem tautologieverdächtigen Zirkelschluß: Der Machthaber hat Macht, weil er über Machtressourcen verfügt; er verfügt über solche Ressourcen, weil er Macht hat.
Karl Sandner
2. Zum Stand der organisationstheoretischen Machtforschung
Zusammenfassung
Angesichts der inzwischen auch in der betriebswirtschaftlichen Organisationstheorie unbestrittenen Relevanz des Phänomens Macht (Staehle, 1988; Reber, 1980a) überrascht seine marginale theoretische Präsenz:
  • Von wenigen Ausnahmen abgesehen existiert sie nicht.
  • Diese wenigen Ausnahmen gehen im allgemeinen — anstatt Macht zu erklären — bereits von ihrem Bestehen aus. Trotz ungeklärter Voraussetzungen werden dann Aussagen über deren Einsetzbarkeit, Wirkungen u.Fä. getroffen (z.B. Acs, 1980; Richter, 1979).
  • Wird in betriebswirtschaftlich-organisationstheoretischen Lehrbüchern Macht — reproduzierend — thematisiert, findet sich nahezu immer der Verweis auf M. Webers Machtbegriff (orig. 1922 [!]) und im Anschluß daran die Typologie von French/Raven (orig. 1959 [!]). Beide sind bejahrte, historische Theoriebezüge. Solche eklektische Verknüpfungen von Definition und Typologie übersehen, daß damit die Produkte zweier unterschiedlicher und inkompatibler Forschungsprogramme verquickt werden.
  • Soweit darüber hinaus in betriebswirtschaftlichen Lehrbüchern auf Machtphänomene Bezug genommen wird, geht man methodologisch davon aus, daß ‚Macht‘ eine Fähigkeit eines sog. Machthabers sei. Dieser verfügt über sog. Machtbasen oder Machtressourcen und setzt sie ein ( z.B. Staehle, 1989:371 ff.; Schanz, 1982: 187 ff.).
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3. Die Entstehung der Macht
Zusammenfassung
Die Diskussion des state of the field hat Stärken und Schwächen sowie Möglichkeiten und Grenzen der gegenwärtigen organisationstheoretischen Machtforschung deutlich gemacht. In der Folge wird auf der Grundlage eines handlungstheoretischen Bezugsrahmens ein Modell der Entstehung (und damit auch der Veränderung) von personaler Macht in Unternehmen entwickelt. Die Entscheidung für einen handlungstheoretischen Bezugsrahmen wird begründet:
1)
mit dem Entwicklungsstand der betriebswirtschaftlich—organisationstheoretischen Machtdiskussion: Führungsprozesse als zentraler Bereich betriebswirtschaftlicher Forschung und Lehre beruhen zwar auf einer Theorie der Macht (und Herrschaft), die Betriebswirtschaftslehre verfügt aber bisher über eine solche Theorie bestenfalls rudimentär24. Soweit in der betriebswirtschaftlichen Theorie auf Machtprozesse eingegangen wird, bleibt deren Voraussetzung, nämlich die Entstehung der Macht, weitgehend im Dunkeln oder auf einem niedrigen Erklärungsniveau. Um sinnvoll über Macht reden und Führungsprozesse damit theoretisch begründen zu können, ist es daher im gegenwärtigen Entwicklungsstand vordringlich, Voraussetzungen und Prozesse der Entstehung von Macht zu untersuchen. Ein subjektives Forschungsprogramm erscheint 1) unter Bedachtnahme auf die Schwächen und Grenzen objektiver Theorien der Macht und 2) wegen der Bindung an die Handlungen der Beteiligten für diese Zwecke gegenüber einem objektiven Forschungsprogramm besser geeignet25;
 
2)
mit den drei maßgebenden Konzepten: Ressourcen, Relationalität und Dependenz bleiben der Betriebswirtschaftslehre ‚nahe‘ Konzepte als zentrale Ordnungskriterien dieser Untersuchung gewahrt. In einem handlungstheoretischen Bezugsrahmen erscheint es möglich, die theoretische Substanz dieser Konzepte nachhaltiger zu entwickeln, als dies bisher der Fall war;
 
3)
mit der Erwartung, Macht dann tatsächlich als einem interdependenten Phänomen gerecht zu werden: Jedem der in einen Machtzusammenhang involvierten Akteure wird auch theoretisch ein eigener Handlungsraum zugestanden. Damit wird das vielfache empirische Scheitern vorausgesagter objektiver Gesetzmäßigkeiten, das methodologisch den ‚Fehler‘ bei A suchen muß, überwunden;
 
4)
mit der Integration des Konzeptes der Ver- und Aushandlungsprozesse: Dadurch kommt es schließlich nicht nur zum Übergang von einer bisher vorwiegenden statischen Betrachtungsweise zu einer dynamisch-prozessualen, sondern auch zur Herstellung der Realität durch die beteiligten Akteure.
 
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4. Strategien der Steuerung
Zusammenfassung
Die bisherige Machtdiskussion hat sich auf die interaktive Herstellung einer Überund Unterordnungsrelation konzentriert. Unter analytischen Gesichtspunkten wurde dabei die Sequenz Unterordnungsaufforderung — Verhandlung — Akzeptanz als Grundmodell der Entstehung von Macht entwickelt. Die Machtausübung des A, so die zentrale Aussage, wird erst mit der Akzeptanz der Unterordnungsbedingungen durch B möglich. Stimmt B nicht zu, kommt es auch zu keiner Machtausübung des A. Im Gegensatz sowohl zu den überkommenen Machthaber-Ansätzen als auch zu den deterministischen Machttheorien als auch zum Alltagssprachgebrauch erhält B in diesem Machtmodell theoretisch, methodisch und methodologisch eine zentrale Stellung. Seine Handlungskompetenz, d.h. seine Zustimmung, etabliert die Macht des A. Mit diesem Machtmodell kommt es zu einer Abkehr von statischen Modellen der Macht und zum Übergang zu einem dynamischen Machtmodell.
Karl Sandner
5. Zusammenfassung
Zusammenfassung
Kieser/Kubicek sehen in der „Machtstruktur der Organisation den letztlich entscheidenden Bestimmungsfaktor der Organisationsstruktur“ (1983: 386; k.i.O). Relevanzfeststellungen wie diese weisen auf den Stellenwert von Macht(-phänomenen) für die betriebswirtschaftliche Organisationstheorie hin. Die Betriebswirtschaftslehre als angewandte Sozialwissenschaft baut ihr Aussagensystem notwendigerweise auf der Annahme der Durchsetzbarkeit von Zielvorstellungen auf. Gleichzeitig zeichnet sich ihr Theoriengebäude jedoch durch eine konsequente Vernachlässigung machttheoretischer Fragestellungen aus. Die Feststellung, daß sich die Betriebswirtschaftslehre mit Macht(-phänomenen) bislang, wenn überhaupt, auf einem theoretisch eher bescheidenen Niveau auseinandergesetzt hat, bildete den Ausgangspunkt dieser Untersuchung.
Karl Sandner
Backmatter
Metadaten
Titel
Prozesse der Macht
verfasst von
Univ.Prof. Dr. Karl Sandner
Copyright-Jahr
1993
Verlag
Physica-Verlag HD
Electronic ISBN
978-3-642-58075-8
Print ISBN
978-3-7908-0647-2
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-642-58075-8