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1997 | Buch | 5. Auflage

Atomphysik

Eine Einführung

verfasst von: Prof. Dr. rer. nat. Theo Mayer-Kuckuk

Verlag: Vieweg+Teubner Verlag

Buchreihe : Teubner Studienbücher Physik

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Über dieses Buch

Der Inhalt dieses Buches entspricht in seinem Umfang ungefähr einer einsemestrigen Einftihrungsvorlesung in die Atomphysik. Vorausgesetzt werden einige Kenntnisse aus der Mechanik und Elektrodynamik sowie Grundkenntnisse in Vektor- und Differential­ rechnung. Vertrautheit mit der Quantenmechanik wird nicht unbedingt vorausgesetzt. Natürlich ist sie nützlich, und der Leser wird dann einiges überschlagen können. Aber der vor­ liegende Text ist vor allem auch flir Studenten gedacht, die etwa gleichzeitig mit dem Studium der Atomphysik und der Quantenmechanik beginnen, oder die sich auf die Quantenmechanik erst vorbereiten wollen. Schließlich hat sich die Quantenmechanik historisch an der Atomphysik entwickelt und ist auch in der Darstellung nicht gut von ihr zu trennen. Daher werden in dem vorliegenden Text, ausgehend von den experimen­ tellen Grundlagen, zunächst die einfachsten quantenmechanisehen Begriffe erläutert. Es wird dann im weiteren hauptsächlich von der Schrödingergleichung und von einfachen Symmetrie-Betrachtungen Gebrauch gemacht. Diese Darlegungen können und sollen ein reguläres Studium der Quantenmechanik natürlich nicht ersetzen. Sie sollen aber eine gewisse Ergänzung dadurch bieten, daß die Perspektiven anders liegen als bei einer theo­ retischen Einführung in die Quantenmechanik. Diese Wiederholung beim Lernen schadet nicht, im Gegenteil: alle Erfahrung zeigt, daß kaum jemand in der Lage ist, Quanten­ mechanik auf Anhieb zu lernen und damit umzugehen. Das Verständnis der Quanten­ mechanik entsteht vielmehr normalerweise durch längere Gewöhnung und durch ein vielfaches Durchdenken der Probleme aus verschiedenen Blickrichtungen.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Die Grundlagen
Zusammenfassung
„Scheinbar ist Farbe, scheinbar Süßigkeit, scheinbar Bitterkeit: wirklich nur Atome und Leeres“, — dieser Satz aus dem Fragment 125 des Demokrit (geb. um 460 v. Chr.) zeigt, wie früh die Frage, ob es letzte, unteilbare Bausteine der Materie gibt, menschliches Denken beschäftigt hat. Wenn wir von den naiven konkreten Modellvorstellungen der antiken Philosophen absehen, so ist die eigentliche Frage, die sie aufgeworfen haben, nämlich wie weit Materie teilbar sei, bis heute kaum beantwortet worden. Nach gegenwärtigen physikalischem Verständnis sind zwar etwa ein Elektron oder ein Photon „unteilbar“. Dennoch können wir nicht allgemein angeben, welches die letztlich unteilbaren Bausteine der Materie sind. Das Proton zum Beispiel zeigt im Experiment eine Strukturierung seiner Ladungsverteilung. Die Beschreibung seiner Eigenschaften geschieht am besten im Rahmen eines Modells, wonach es aus „Quarks“ besteht. Dies zeigt jedoch, bis wohin sich die Grenzen verschoben haben. Die nach dem jeweiligen Stand der Experimente kleinsten Einheiten der Materie nennen wir nicht mehr Atome, sondern „Teilchen“, wobei dieses Wort eine durch die Erfahrung erzwungene bescheidene Verkürzung der anspruchsvolleren Bezeichnung „Elementarteilchen“ ist. „Atome“ sind heute wohldefinierte und auch sehr gut verstandene komplexe Systeme aus Elektronen und Kernen, die freilich für Farbe, Süßigkeit und Bitternis viel direkter verantwortlich sind als Elementarteilchen.
Theo Mayer-Kuckuk
2. Teilchen und Wellen
Zusammenfassung
Das an den Gesetzen der makroskopischen Physik geschulte menschliche Vorstellungsvermögen scheitert bei dem Versuch, eine Erscheinung zu „verstehen“, die uns als Ausgangspunkt für die Formulierung einiger Grundregeln der Quantenmechanik dienen soll, nämlich die Interferenzfähigkeit von Teilchenstrahlen. Fig. 13 zeigt eine Aufnahme, die durch Beugung eines Elektronenstrahls an einer Metallschneide gewonnen wurde sowie die Beugungsfigur eines Elektronenstrahls an einem dünnen Draht. Man erhält ganz ähnliche Muster, wie bei der Beugung von Licht. Ein entsprechendes Beugungsbild von sichtbarem Licht ist mit abgebildet. Die hierdurch belegte Interferenzfähigkeit von Teilchen hat sehr tiefgehende Konsequenzen, die wir der Einfachheit halber zuerst an einem Gedankenexperiment diskutieren wollen, bevor wir auf Interferenzexperimente zurückkommen.
Theo Mayer-Kuckuk
3. Einfache Zustände des Wasserstoffatoms
Zusammenfassung
Wir wollen jetzt die Schrödinger-Gleichung benutzen, um Energiestufen und Wellenfunktionen des Wasserstoffatoms quantenmechanisch zu berechnen. Dabei gehen wir in der gleichen Weise vor wie beim Rechteck- und Oszillator-Potential, nur daß wir diesmal das Coulomb-Potential benutzen, das ein Elektron im Feld des Protons erfährt. Im Gegensatz zu den Beispielen des letzten Abschnitts, die sich eindimensional sinnvoll behandeln ließen, müssen wir jetzt ein dreidimensionales Problem lösen. Da das Coulomb-Potential kugelsymmetrisch ist, bieten sich Polarkoordinaten r, ϑ, φ als angemessenes System zur Beschreibung an (Fig. 26). Der Koordinaten-Nullpunkt soll im Schwerpunkt des Systems liegen. Wir tragen der Beschreibung in Schwerpunktkoordinaten weiter dadurch Rechnung, daß wir die reduzierte Masse
$$ {m_r} = \frac{{{m_1}{m_2}}}{{{m_1} + {m_2}}} $$
(3.1)
verwenden, die sich im Fall des Wasserstoffatoms mit m1 = m0, m2 = mP nur wenig von der Ruhemasse des Elektrons m0 unterscheidet.
Theo Mayer-Kuckuk
4. Magnetfeld und Spin des Elektrons
Zusammenfassung
Wenn die im letzten Kapitel gegebene Interpretation richtig ist, haben viele Elektronenzustände einen Bahndrehimpuls. Das sollte äquivalent zu einem elektrischen Kreisstrom sein, und folglich sollte ein magnetisches Dipolfeld entstehen. Das ist auch wirklich der Fall, und wir wollen jetzt eine geeignete Beschreibung suchen. Wir betrachten zunächst wieder den klassischen Fall einer Punktladung −e (Elektron), die auf einer Kreisbahn mit der Geschwindigkeit v umläuft (Fig. 36). Sie erzeugt einen Kreisstrom
$$ I = \frac{q}{t} = - \frac{e}{T} = \frac{{ - ev}}{{2r\pi }}, $$
(4.1)
der ein magnetisches Dipolmoment vom Betrag μ zur Folge hat (Gaußsches Maßsystem)
$$\mu = \frac{1}{c}I\cdot Fl\ddot ache = \frac{{I\pi {r^2}}}{c}$$
(4.2)
mit (4.1) und ℓ = mv · r oder v = ℓ/mr schreiben wir dies um in
$$ \vec \mu = \frac{{ - e}}{{2mc}}\vec \ell . $$
(4.3)
Theo Mayer-Kuckuk
5. Vollständige Beschreibung des Wasserstoffspektrums
Zusammenfassung
Die schon mit relativ einfachen Spektralapparaten beobachtbaren Spektralterme des Wasserstoffs (Fig. 8) werden durch die in Kapitel 3 abgeleitete Formel En = (−13,6)(1/n2)eV hinreichend gut beschrieben. Vergrößert man jedoch die spektroskopische Auflösung, werden eine Reihe feinerer Effekte sichtbar, die alle von prinzipieller Bedeutung sind und die wir in diesem Kapitel behandeln wollen. Dabei müssen zusätzlich zur Coulomb-Wechselwirkung mit der Punktladung des Protons noch andere elektromagnetische Effekte in Betracht gezogen werden. Die Voraussetzungen haben wir durch die Behandlung des Spins geschaffen.
Theo Mayer-Kuckuk
6. Die Emission von Lichtquanten
Zusammenfassung
Bevor wir uns mit dem Verhalten komplizierter Atome auseinandersetzen, müssen wir uns noch mit den Eigenschaften der Lichtquanten und dem Emissionsprozeß befassen. Dann können wir die charakteristischen Auswahlregeln verstehen, die bei den Spektral-übergangen gelten. Eine tiefergehende theoretische Beschreibung der Wechselwirkung zwischen Atomen und Quanten würde wiederum die Hilfsmittel der Quantenelektrodynamik erfordern, auf die wir hier verzichten müssen. Wir wollen uns daher in diesem und dem nächsten Abschnitt vor allem an die experimentellen Befunde halten, um die wichtigsten Eigenschaften der Lichtquanten kennenzulernen. In Abschn. 6.3 folgt dann eine quantenmechanische Behandlung des Emissionsprozesses für Dipolstrahlung. Wir greifen jetzt zunächst der späteren Behandlung von Mehrelektronenatomen etwas vor und werfen einen Blick auf das Termschema des Lithiums, das wir qualitativ sofort verstehen können (Fig. 52). Im Prinzip ist es dem des Wasserstoffs sehr ähnlich. Während jedoch beim Wasserstoff, abgesehen von der sehr kleinen Feinstruktur, alle Niveaus zur gleichen Hauptquantenzahl n entartet sind (Fig. 28) — wie wir gesehen haben als Folge des reinen Coulomb-Potentials — ist dies bei Lithium nicht mehr der Fall. Wir können das Termschema folgendermaßen verstehen. Der ls-Zustand ist mit 2 Elektronen von antiparallelem Spin besetzt. Diese Konfiguration erfordert zum Aufbruch eine große Energie. Daher ist fir das Spektrum nur das dritte, äußere Elektron verantwortlich, das sich im 2s-Zustand befindet.
Theo Mayer-Kuckuk
7. Identische Teilchen
Zusammenfassung
In den vorangegangenen Kapiteln haben wir fast alle wesentlichen Erscheinungen, die bei Atomen auftreten, bereits besprochen, aber nur für ein einziges Elektron. Es wird sich herausstellen, daß vieles bei Mehrelektronen-Atomen ganz ähnlich ist. Um ein System mit mehreren Elektronen behandeln zu können, müssen wir uns jedoch zuerst mit den eigentümlichen Konsequenzen befassen, die aus den quantenmechanischen Regeln für ein System von gleichen Teilchen folgen. Es ist ja nicht möglich, ein einzelnes Elektron oder ein anderes Teilchen in irgendeiner Weise zu markieren, so daß seine Identität zu einem späteren Zeitpunkt oder an einem anderen Ort festgestellt werden kann. Bei zwei Elektronen, die durch wohldefinierte Wellenpakete beschrieben werden und die weit voneinander entfernt sind, braucht man keine Verwechslung zu befürchten. Innerhalb der Ausdehnung des Wellenpakets, d. h. innerhalb eines Bereiches, in dem die Unschärfe-relation gilt, ist es jedoch prinzipiell nicht möglich, die Koordinaten eines Teilchens zu verfolgen. Sobald sich daher die beiden Elektronen gleichzeitig in ein Gebiet des Orts- und Impulsraums bewegen, das durch die Unschärferelation umrissen ist, gibt es prinzipiell keine Möglichkeit mehr, die Koordinaten der Teilchen auseinanderzuhalten. Bei allen quantenmechanischen Aussagen müssen wir dem Rechnung tragen. Nach der Grundregel (2.4) sollten wir erwarten, daß die Wahrscheinlichkeitsamplituden für die beiden Teilchen in irgendeiner Weise kohärent addiert werden müssen. Das hat äußerst fundamentale Konsequenzen und fuhrt zu Gesetzmäßigkeiten, die den gesamten Aufbau der Materie beherrschen. Das wird in diesem Kapitel behandelt.
Theo Mayer-Kuckuk
8. Atome mit mehreren Elektronen
Zusammenfassung
Schon bei der Behandlung des Heliumatoms waren wir von einem Näherungsansatz ausgegangen. Bei der Beschreibung von Atomen mit noch mehr Elektronen können wir ebenso vorgehen und mit einem Modell unabhängiger Teilchen beginnen, das später durch Korrekturen ergänzt wird. Das Modell bedeutet, daß für ein probeweise herausgegriffenes Elektron die paarweisen Coulomb-Wechselwirkungen mit den anderen Elektronen nicht explizit in Ansatz gebracht werden, sondern daß man versucht, über diese Wechselwirkungen so zu mitteln, daß sie in ein effektives Zentralpotential einbezogen werden können. In diesem Potential bewegt sich jedes Elektron unabhängig von dem anderen, und die resultierende Schrödinger-Gleichung für N unabhängige Teilchen kann durch einen Produktansatz nach Art von (7.4) gelöst werden. Allerdings müssen im Prinzip antisymmetrische Lösungen konstruiert werden. Man kann dem Pauli-Prinzip aber in guter Näherung einfach dadurch Rechnung tragen, daß jeder durch einen vollständigen Satz von Quantenzahlen charakterisierte Zustand nur mit je einem Elektron besetzt wird.
Theo Mayer-Kuckuk
9. Die Wechselwirkung der Elektronenhülle mit magnetischen und elektrischen Feldern
Zusammenfassung
Die von den Leuchtelektronen durch Anregung und verschiedene Drehimpulskopplung gebildeten Spektralterme, wie wir sie im letzten Kapitel besprochen haben, sind noch hinsichtlich ihrer magnetischen Quantenzahlen entartet. Wenn diese Entartung durch ein Feld aufgehoben wird, spalten die Terme energetisch in ihre m-Komponenten auf. Hierfür kommen ganz verschiedene Felder in Betracht: Felder, die vom Atomkern herrühren, Felder aus der molekularen oder kristallinen Umgebung des Atoms oder makroskopische Felder, die im Laboratorium erzeugt werden. Solche Effekte sind Gegenstand dieses Kapitels.
Theo Mayer-Kuckuk
10. Kohärente und inkohärente Strahlungsquellen
Zusammenfassung
Wir kommen in diesem Kapitel noch einmal auf die Emission von Strahlung zurück. Bisher wurde immer nur das Emissionsspektrum eines einzelnen Atoms behandelt, das aus den Spektralserien und dem Grenzkontinuum besteht. Man beobachtet es z. B. bei angeregten verdünnten Gasen. Aber schon die Druckverbreiterung der Spektrallinien weist auf den Einfluß der anderen Atome hin. Das Zusammenwirken sehr vieler Atome bei der Emission kann nun zu völlig neuen Erscheinungen in der Spektralverteilung der Lichtquelle führen. Sie sollen in diesem abschließenden Kapitel besprochen werden. Wir unterscheiden zwei konträre Grenzfälle.
Theo Mayer-Kuckuk
11. Ungewöhnliche Atome
Zusammenfassung
Bisher haben wir nur „natürliche“ Atome behandelt, nämlich gebundene Systeme aus Atomkernen und Elektronen. Das einfachste Atom, das Wasserstoffatom, wurde ausführlich behandelt und insbesondere wurden die Lösungen der Schrödingergleichung für dieses elementare System angegeben. Erinnern wir uns, was wir in die Schrödingergleichung als Information über die beiden Teilchen Proton und Neutron, sozusagen als Eingabedaten, hineinstecken mußten: es war zunächst nur das Coulombpotential —e2/r sowie die reduzierte Masse
$${m_r} = \frac{{{m_1}{m_2}}}{{{m_1} + {m_2}}}$$
(11.1)
die sich für die beiden Teilchen ergibt. Wenn wir zunächst vom Spin und den magnetischen Wechselwirkungen absehen, hängen die Lösungen von der Natur der Teilchen Proton und Elektron gar nicht ab. Die Lösungen gelten also auch für alle anderen gebundenen Systeme aus zwei Teilchen, zwischen denen ein anziehendes Coulomb-Potential herrscht. Als Beispiel können wir an ein gebundenes System aus Positron und Elektron (e+e ) denken oder an ein Myon, das an ein Proton gebunden ist (pµ, myonischer Wasserstoff). Da die Elementarladung, die im Potential steht, immer dieselbe ist, skalieren die Energiewerte und die räumliche Verteilung der Wellenfunktionen einfach mit der reduzierten Masse des Systems. Von solchen exotischen Atomen soll im folgenden die Rede sein. Um sie zu erzeugen benötigt man meist Teilchen, die man mit einem Beschleuniger künstlich herstellen muß. Exotische Atome sind in der Regel kurzlebig und häufig können an ihnen nur wenige Eigenschaften vermessen werden. Sie sind trotzdem von großer Bedeutung, insbesondere für das Studium der fundamentalen Wechselwirkungen.
Theo Mayer-Kuckuk
12. Gebundene Atome
Zusammenfassung
Freie, einzelne Atome, wie sie Gegenstand der bisherigen Betrachtung waren, kommen auf der Erde äußerst selten vor. Will man sie studieren, muß man sie im Laboratorium in geeigneter Weise präparieren. Abgesehen von den Edelgasen besteht unsere irdische Umgebung aus Gasen mit zwei- oder mehratomigen Molekülen sowie aus kondensierter Materie in Form von Flüssigkeiten und Festkörpern. Die Bindungskräfte zwischen den Atomen, die hier auftreten, können von sehr verschiedener Natur sein. Sie führen zu der ungeheuren Vielfalt der Erscheinungen, die Gegenstand der Chemie und der Physik der kondensierten Materie sind. In diesem Kapitel soll ein erster, mehr qualitativer Überblick über einige der den gebundenen Systemen zugrunde liegenden physikalischen Prinzipien gegeben werden, gewissermaßen als Brücke zur Physik der kondensierten Materie.
Theo Mayer-Kuckuk
Backmatter
Metadaten
Titel
Atomphysik
verfasst von
Prof. Dr. rer. nat. Theo Mayer-Kuckuk
Copyright-Jahr
1997
Verlag
Vieweg+Teubner Verlag
Electronic ISBN
978-3-663-01606-9
Print ISBN
978-3-519-43042-1
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-663-01606-9