2014 | OriginalPaper | Buchkapitel
Mathematikdidaktische Potenziale philosophischer Denkrichtungen
verfasst von : Jörn Schnieder
Erschienen in: Mathematische Vor- und Brückenkurse
Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden
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Am Beispiel der Mathematik soll ein philosophiedidaktisch motivierter Vorschlag für ein fächerübergreifendes Kompetenzmodell vorgestellt und in seinen unterrichtspraktischen Konsequenzen für die Hochschulmathematik erläutert werden. Als wesentliches Merkmal dieses Modells werden grundlegende Kompetenzen durch philosophische Denkmethoden (wie beispielsweise phänomenologische, analytische hermeneutische, dialektische, spekulative und konstruktivistische Methode) beschrieben, wie sie im Anschluss an klassische Positionen der Philosophie in der modernen Philosophiedidaktik (E. Martens, J. Rohbeck, J. Steenblock u. a.) ausgearbeitet worden sind. Wurden diese Methoden bisher nur zur didaktischen Analyse von Philosophieunterricht eingesetzt, so sollen sie jetzt im Sinne „elementarer Denkmethoden“ auch zur didaktischen Analyse in der Hochschulmathematik (und schließlich in allen Disziplinen) angewendet werden.
Mit Hilfe dieses Ansatzes lassen sich gezielt bestimmte Lern- und Arbeitstechniken, wie beispielsweise das Lernen und Anwenden mathematischer Begriffe, Definitionen, Sätze, Beweise wie auch mathematischer Theorien (bzw. übergreifender Themen) insgesamt explizit thematisieren und einüben. Außerdem lassen sich mit diesem Ansatz wissenschaftstheoretische Grundlagen und Voraussetzungen der Mathematik aufdecken, problematisieren und diskutieren. Mit anderen Worten: Mit philosophiedidaktischen Methoden lässt sich, so der hier vertretene Anspruch, eine Lehre in der Mathematik „verstehensorientiert“ durchführen, in dem es um ein „Verstehen wie Mathematik im Prinzip funktioniert“ (H. v. Hentig) geht und der gerade insofern auch das Lernen von Mathematik selber lehr- und lernbar macht.
Der Aufsatz wird im Wesentlichen in drei Abschnitte gegliedert sein: 1) Ausgehend von einem sprachkritisch-pragmatischem Mathematikverständnis (P. Lorenzen, F. Kambartel, C. Thiel, P. Janich, P. Stekeler-Weithofer u. a.) wird zunächst gezeigt, dass das übliche Kompetenzmodell für die Mathematik (Bildungserlass KMK 2003) in nahe liegender Weise auf diese „elementaren Denkmethoden“ zurückführbar ist. So kommen beispielsweise beim Definieren als der terminologischen Normierung einer interessengeleiteten Unterscheidungspraxis unter anderem phänomenologische und hermeneutische Methoden zur Anwendung: Sinnvolle Unterscheidungen an einem Gegenstandsbereich zu treffen und damit sinnvolle Definitionen allererst zu ermöglichen, setzt die Anwendung phänomenologischer Methoden auf diesen Gegenstandsbereich voraus. Die Interessen, die mit dieser Unterscheidung verbunden sind, stehen häufig in einem theoriegeschichtlich bereits vorgegebenen Forschungs- und Interessenzusammenhang, sie aufzudecken und dadurch allererst kritisierbar zu machen, wird durch die Anwendung hermeneutischer Methoden möglich. 2) In einem nächsten Schritt wird gezeigt, wie die „elementaren Denkmethoden“ der Philosophiedidaktik aus ihrem philosophiespezifischen Kontext herausgelöst und etwa zur Konstruktion geeigneter Aufgaben und Lehrszenarien jetzt aber mit mathematischen Inhalten umformuliert werden können. So werden beispielsweise praktisch erprobte Aufgaben vorgestellt, in denen mit Hilfe hermeneutischer und dialektischer Texterschließungsverfahren gezielt das Analysieren, detaillierte Nachvollziehen, aber auch das selbstständige Konstruieren und angemessene Aufschreiben mathematischer Beweise thematisiert und eingeübt werden. 3) Schließlich soll in einem Ausblick plausibel gemacht werden, dass dieses Kompetenzmodell fächerübergreifend zur didaktischen Analyse aller Fächer bzw. Disziplinen – in Schule und Hochschule – anwendbar ist.