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16.01.2024 | Nachhaltigkeit | Interview | Online-Artikel

"Bei aktuellen Zellen reduzieren wir Kobalt von 33 auf weniger als 10 %"

verfasst von: Michael Reichenbach

5:30 Min. Lesedauer

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Im Interview begründet Nachhaltigkeits-Leiter Dr. Ulf Zillig von Mercedes-Benz, mit welchen Werkstoffen und Partnern man Kobalt in der zukünftigen Batterie komplett ersetzen kann und warum das Sammeln von Schrott wichtig bleibt. 

ATZ _ Springer Professional: Herr Dr. Zillig, wo muss ein Automobilhersteller wie Mercedes-Benz aktiv werden, damit Batterien umweltfreundlicher herzustellen sind?

Zillig: Mercedes-Benz investiert seit Jahren in ressourcenschonende Technologien und Batterieherstellungsprozesse. Hierbei spielt vor allem die Materialzusammensetzung von Lithium-Ionen-Batteriezellen eine entscheidende Rolle. Die derzeitige Mischung aus Nickel, Mangan und Kobalt könnte bald der Vergangenheit angehören, da Kobalt beispielsweise kurzfristig weitestgehend durch Nickel und Mangan ersetzt werden kann. Mit der aktuellen Generation von Batteriezellen konnten wir den Kobaltanteil im Aktivmaterial (Lithium-Nickel-Mangan-Kobalt-Oxid) bereits von rund einem Drittel auf weniger als 10 % reduzieren. In unseren Laboren arbeiten wir längst mit Materialien, die deutlich weniger als 10 % Kobalt enthalten – und der Anteil wird in Zukunft noch weiter sinken.

Mit welchen Werkstoffen und Partnern kann man Kobalt in der zukünftigen Batterie komplett ersetzen?

Es sind Materialien, die hauptsächlich auf Mangan basieren – ein Rohstoff, der verfügbarer ist als Nickel und Kobalt. Aber auch Eisenphosphat-Kathoden werden als alternative Kathodenmaterialien entwickelt. Als Alternative zu lithiumbasierten Batterietechnologien werden bereits erste Ansätze mit Natriumionen als Ladungsträger in der Industrie und Forschung untersucht. Mercedes-Benz arbeitet zusammen mit Partnern wie SilaNano an der nächsten Batteriegeneration. Ziel ist die Steigerung der Energiedichte durch eine deutliche Erhöhung des Siliziumanteils an der Anode. Dies ermöglicht größere Reichweiten und noch kürzere Ladezeiten. Wir rechnen bei der sogenannten Hi-Si-Anode mit einer Serienreife bis Mitte der Dekade. Bei der Feststofftechnik arbeitet Mercedes-Benz mit Partnern wie Factorial oder ProLogium zusammen, um Batterien mit noch höherer Energiedichte und Sicherheit zu entwickeln. Wir rechnen mit einer Serienreife bei der Feststofftechnik bis Ende der Dekade. Um die wertvollen Batteriematerialien in einem Kreislauf zu führen und eine Wiederverwendung sicherzustellen, hat Mercedes entschieden, im Batterierecycling aktiv zu werden. Wir haben bereits im März 2023 am Standort Kuppenheim den symbolischen Grundstein für eine Batterierecyclingfabrik auf Basis der Hydrometallurgie gelegt. Schon in 2024 wollen wir hier operativ starten und die Anlagen betreiben.

Batterien, Stahl und Aluminium machen den größten CO2-Beitrag in der Fahrzeugproduktion aus. Für dessen Reduzierung setzen viele OEMs auf Eisenschrott und Sekundäraluminium. Welcher Anteil kann weltweit mit Schrott abgedeckt werden?

Der Einsatz von Sekundärmaterialien spart CO2 und Primärressourcen. Sowohl Stahl- als auch Aluminiumschrott sind daher begehrte Sekundärrohstoffe, die weltweit jedoch nur begrenzt verfügbar sind. Heute können jeweils circa 30 % der weltweiten Bedarfe an Stahl und Aluminium durch das Einschmelzen von Schrotten gedeckt werden. Der Rest muss primär erzeugt werden. Für das Jahr 2050 prognostiziert die International Energy Agency für den Werkstoff Stahl einen Anstieg der zur Verfügung stehenden Schrotte auf rund 50 % des Gesamtbedarfs. Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens im Metallsektor zu erreichen, ist eine signifikante CO2-Reduktion in der Primärerzeugung daher unabdingbar. Aus diesem Grund setzen wir nicht einzig auf den Einsatz von Sekundärmaterial, sondern forcieren im Rahmen unseres Programms Ambition 2039 auch die Dekarbonisierung der Primärherstellung. So haben wir bereits 2021 in das schwedische Start-up H2 Green Steel investiert, das für die Stahlherstellung grünen Wasserstoff und erneuerbare Energieträger nutzen wird. Damit lassen sich die Emissionen weiter senken – es entsteht nahezu CO2-frei hergestellter Stahl. Im Jahr 2022 haben wir im Rahmen unserer Partnerschaft mit SSAB als erster Pkw-Hersteller Prototypbauteile aus Stahl aus der wasserstoffbasierten Direktreduktion hergestellt. Der Partner beabsichtigt, den nahezu CO2-freien Stahl ab 2026 in industriellem Maßstab zu produzieren.

Wie wichtig sind Sammlung und Trennung von Schrott für Mercedes-Benz?

Wir haben uns gleichzeitig bei Mercedes-Benz für verschiedene Materialien, wie beispielsweise Stahl und Aluminium, anspruchsvolle Sekundärmaterialziele gesetzt. Damit möchten wir weitere Verbesserungen im sogenannten Design for Recycling, der Schrottsammlung sowie der -trennung, Sortierung und Aufbereitung von Schrotten motivieren. Letzteres ist wichtig, um Downcycling zu vermeiden und langfristig eine Verfügbarkeit hochwertiger Schrotte zu gewährleisten. Wir unterstützten daher die End-of-Live-Direktive der Europäischen Union für Altfahrzeuge für mehr Zirkularität und Recycling. So planen wir derzeit eine strategische Partnerschaft mit TSR Recycling, um den Zugang zu hochwertigen Recyclingschrotten zu ermöglichen und diese wieder in die Lieferkette einzubringen. Ein besonderer Fokus liegt auf dem Recycling von Metallschrott aus unseren Presswerken sowie dem Zugang zu End-of-Life-Schrott.

Und noch zum Thema Elektromotoren. Welche neuen Entwicklungen sind marktreif? Was sind die Vor-, was die Nachteile der Alternativtechniken zu magnetbehafteten Motoren?

Wir entwickeln unsere Elektroantriebe konsequent weiter, um Leistungsdichte, Wirkungsgrad und Materialzusammensetzung zu optimieren. Unsere aktuell eingesetzten permanentmagneterregten Synchronmotoren überzeugen schon heute mit ihrer Effizienz und Performance. Mit der Übernahme von Yasa Motors haben wir unsere Kompetenz erweitert und können dank sogenannter Axialflussmotoren kompakte Aggregate herstellen, die nicht nur leistungsstark und effizient, sondern auch deutlich leichter sind. Yasas Ultra-Hochleistungs-Axialmotoren werden in der nächsten Generation von Mercedes-AMG eingesetzt. Die Axialflusstechnologie ermöglicht eine unübertroffene Leistungsdichte, Leistungshöhe und Fahrzeugbeschleunigung. Entsprechend sind diese Motoren prädestiniert für den Einsatz in Fahrzeugsegmenten mit einem besonders hohen Leistungsbedarf.

Wie schaffen Sie es hier, Nachhaltigkeit zu pushen, also ohne seltene Erden auszukommen?

Bei unseren Rohstoffen versuchen wir, den Bezug weiter zu diversifizieren. Künftig wollen wir mit neuen Materialzusammensetzungen komplett auf schwere Seltene-Erden-Metalle wie Dysprosium in unseren Elektroantrieben verzichten. Mit dem elektrischen Antrieb der kommenden MMA-Plattform kommen wir diesem Ziel schon nahe. Hier konnten wir den Anteil an schweren seltenen Erden auf nahezu null reduzieren.

Auf der IAA 2023 haben Sie das Concept CLA Class vorgestellt. Wie kann dessen 800-V-Elektroarchitektur helfen, nachhaltige Mobilität zu realisieren?

Mit dem Concept CLA Class haben wir unseren selbst entwickelten Antriebsstrang der nächsten Generation angekündigt, abgeleitet aus dem Elektroantrieb unseres Effizienz-Champions EQXX. Effizienz ist auch hier das Stichwort: In Kombination mit einer Batterie mit außergewöhnlicher Energiedichte und der hocheffizienten elektrischen Antriebseinheit MB.EDU maximiert die 800-V-Elektroarchitektur die Effizienz und Leistung und verkürzt gleichzeitig die Ladezeit. So können wir mit weniger Energie mehr Reichweite erzielen. Als Teil der Antriebseinheit weist der Permanentmagnet-Synchronmotor zudem mit nahezu 0 % einen deutlich geringeren Anteil an schweren seltenen Erden auf als frühere Generationen. Bei den Batteriezellen ist darüber hinaus nicht nur die Zellfertigung bilanziell CO2-neutral, sondern auch die Kathodenproduktion. Damit lässt sich der CO2-Fußabdruck der Zellen um 40 % reduzieren.

Herr Dr. Zillig, haben Sie vielen Dank für den aufschlussreichen Dialog.

Mehr vom Interview können Sie in der ATZ 2-3/2024 lesen, die am 23. Februar 2024 erscheinen wird.

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