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1990 | Buch

Nordrhein-Westfalen und die Europäische Gemeinschaft

verfasst von: Dr. Wichard Woyke

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Über dieses Buch

Die Zielperspektive Binnenmarkt 1992 hat in den Mitgliedstaaten der Ge­ meinschaft eine außergewöhnliche Dynamik erzeugt. Politiker, Parteien, Ge­ werkschaften, Unternehmen, Wissenschaftler, Journalisten und zunehmend auch Bürger setzen sich mit diesem Thema auseinander. Die in der ersten Hälfte der 80er Jahre noch anzutreffende Eurosklerose ist überwunden. Die Binnenmarktvollendung wird dazu führen, daß EG-Europa mit mehr als 322Mio. Einwohnern der größte einheitliche Markt in der westlichen Welt sein wird. Die ökonomischen und sozialen Folgen des Binnenmarkts sind heute in ihren ganzen Auswirkungen noch nicht absehbar. Absehbar aber ist dagegen, daß immer mehr politische Entscheidungen zur Europäischen Ge­ meinschaft nach Brüssel verlagert werden und damit mehr Politikfelder direkt oder indirekt durch die EG bestimmt werden. Im Raum ohne Binnengrenzen wird der freie Verkehr von Waren, Dienstlei­ stungen, Kapital und Personen gewährleistet werden. Es werden materielle, technische und steuerliche Schranken beseitigt werden. Wesentliche Schritte zur Realisierung des Binnenmarkts sind - die Angleichung der indirekten Steuern sowie der spezifischen Ver­ brauchssteuern, - die Harmonisierung der Normen und ähnlicher Rechtsvorschriften, - die Realisierung des freien Dienstleistungsmarkts, vor allem auf den S- toren der Kreditinstitute, Wertpapiermärkte, Versicherungen, Verkehr, Fernmeldewesen sowie Funk und Fernsehen, - die Liberalisierung des Kapitalmarkts, - die Liberalisierung des öffentlichen Auftragswesens sowie - die Durchsetzung der Freizügigkeit für Arbeitnehmer und Freiberufler, u.a. durch die gegenseitige Anerkennung der Hochschuldiplome.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Die europäische Integration als Herausforderung für Nordrhein-Westfalen
Zusammenfassung
Nach dem Zweiten Weltkrieg, aus dem die USA und die Sowjetunion als die eigentlichen Sieger hervorgingen, und nachdem die europäischen Staaten ihre bis dahin dominierende Stellung in der Welt eingebüßt hatten, nahm der Gedanke der europäischen Einigung konkretere Formen an. Für den britischen Premierminister Churchill war es das „souveräne Heilmittel“zur Vermeidung von zukünftigen Kriegen, eine möglichst große europäische Familie zu bilden. Auch in anderen Staaten traten Politiker, private Organisationen, z.B. Vertreter der verschiedenen Widerstandsgruppen in den von Hitlerdeutschland besetzten Ländern, für die Schaffung eines Vereinten Europas ein. Als wichtigste Impulse zur Überwindung des überkommenen nationalstaatlichen Ordnungssystems erwiesen sich
  • — das Streben nach der Errichtung neuer Sicherheitsstrukturen, in denen der Nationalstaat allein Sicherheit nach außen nicht mehr gewährleisten konnte;
  • — die Lösung der „deutschen Frage“, d.h. ein System zu finden, das die Deutschen kontrollierte, ihnen gleichzeitig aber einen Platz in der Völkerfamilie garantierte;
  • — die Errichtung eines großen Wirtschaftsraumes, um aufgrund besserer und effektiverer Produktionsbedingungen den Wiederaufbau Europas schneller voranbringen zu können und gleichzeitig sich den Herausforderungen der amerikanischen Wirtschaft zu stellen und
  • — durch Zusammenschluß sich gegenüber den potentiellen Weltmächten USA und Sowjetunion zu behaupten.
Wichard Woyke
2. Nordrhein-Westfalen — ein potenter Wirtschaftsakteur in der Europäischen Gemeinschaft
Zusammenfassung
Unter den zwölf Mitgliedstaaten der EG nimmt die Bundesrepublik Deutschland mit 61,9 Mio. Einwohnern — hinsichtlich der Bevölkerungszahl — den vordersten Platz ein vor Italien (57,3 Mio.), Großbritannien (57,0 Mio.) und Frankreich (56,1 Mio.) ein. Knapp 19 Prozent der 325 Mio. Europäer lebten 1989 in der Bundesrepublik Deutschland.
Wichard Woyke
3. Kohle und Stahl — die zentrale Rolle der EG
Zusammenfassung
Das Profil des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen wurde in den Anfangen der Republik durch die Sektoren Kohle und Stahl geprägt. Nordrhein-Westfalen war nach dem Zweiten Weltkrieg zweifellos das Zentrum für die Energieversorgung Deutschlands. Im ersten Jahrzehnt der Existenz der Bundesrepublik deckte Nordrhein-Westfalen vier Fünftel des Gesamtenergieverbrauchs. „Bei einem Primär-Energieverbrauch in der gesamten Republik von nicht einmal 200 Millionen SEK (Steinkohleeinheiten) lieferte der Bergbau in Nordrhein-Westfalen 134 Millionen Tonnen Steinkohle und rund 80 Millionen Tonnen Braunkohle. Das sind Zahlen, die eindrucksvoll dokumentieren, daß Nordrhein-Westfalen im ersten Nachkriegsjahrzehnt das unumschränkte Kraft- und Machtzentrum war. Nordrhein-Westfalen hatte praktisch ein Monopol in der Energieversorgung (Erzeugung und Verteilung) der Bundesrepublik, und das sollte sich später rächen.“(Beinhauer 1988, S. 106)
Wichard Woyke
4. Nordrhein-Westfalen im europäischen Verkehrsnetz
Zusammenfassung
Für das ordnungsgemäße Funktionieren moderner Industriegesellschaften ist neben dem Nachrichtenwesen (Postdienste, Rundfunk, Fernsehen, Zeitungen, Telefon usw.) das Verkehrswesen eine unabdingbare Voraussetzung. Erst die Vermittlerrolle des Verkehrs, d.h. die Arbeitsteilung sowie die Verteilung der produzierten Güter, ermöglicht die Verbindungen zwischen Produzenten und Verbrauchern, zwischen Arbeitnehmern und Arbeitsplätzen. Der Verkehr ist somit eine Vorbereitung zur Mobilität. In den letzten Jahrzehnten haben Wirtschaftswachstum, wachsende internationale Verflechtung wie auch internationale Arbeitsteilung, zunehmende Grenzüberschreitungen im Personenverkehr u.a.m. zu einer erheblichen Steigerung des Verkehrsaufkommens geführt. Wichtigste Voraussetzung dafür war die Existenz eines adäquaten Verkehrsinfrastruktursystems.
Wichard Woyke
5. Die nordrhein-westfälische Landwirtschaft und die EG
Zusammenfassung
Ein wesentlicher Kernbereich der Europäischen Gemeinschaft ist die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP). Um überhaupt zu einem Gemeinsamen Markt zwischen den sechs beteiligten Staaten Frankreich, Italien, den Benelux-Staaten und der Bundesrepublik Deutschland 1957 zu gelangen, mußte vor allem ein Kompromiß zwischen den Agrarexportinteressen Frankreichs und den Industrieexportinteressen der Bundesrepublik Deutschland gefunden werden. Eine Ausklammerung der Landwirtschaft hätte zu Verzerrungen in den anderen Wirtschaftssektoren geführt, da die Fortsetzung der einzelstaatlichen Agrarpolitik unmittelbar die Wettbewerbsfähigkeit der Industriepolitik bedingt hätte. So ist die Verbindung von Zollunion auf dem industriellen Sektor und gemeinsamen Agrarmarkt auch heute noch die Geschäftsgrundlage der Europäischen Gemeinschaft. Art. 39 EWGV nennt die Ziele der Gemeinsamen Agrarpolitik:
,,a)
die Produktivität der Landwirtschaft durch Förderung des technischen Fortschritts, Rationalisierung der landwirtschaftlichen Erzeugung und den bestmöglichen Einsatz der Produktionsfaktoren, insbesondere der Arbeitskräfte, zu steigern; b)auf diese Weise der landwirtschaftlichen Bevölkerung, insbesondere durch Erhöhung des Pro-Kopf-Einkommens der in der Landwirtschaft tätigen Personen, eine angemessene Lebenshaltung zu gewährleisten;
 
c)
die Märkte zu stabilisieren;
 
d)
die Versorgung sicherzustellen;
 
e)
für die Belieferung der Verbraucher zu angemessenen Preisen Sorge zu tragen“.
 
Wichard Woyke
6. Nordrhein-Westfalen im EG-Entscheidungsprozeß
Zusammenfassung
Europapolitik ist nicht mehr exklusive Außenpolitik. Viele, wenn nicht sogar alle Politikbereiche, haben entweder bereits eine europäische Dimension erhalten oder werden im Verlauf der nächsten Jahre diese europäische Dimension immer stärker zu spüren bekommen. Frühere nationalstaatliche Außenpolitik wird immer mehr zu europäischer Innenpolitik. Ob es sich um die Montanindustrien handelt, die bereits Anfang der 50er Jahre unmittelbar durch die EGKS beeinflußt wurden, ob die Agrar-, Handels- oder Verkehrspolitik, die seit den Römischen Verträgen zu einer EG-Angelegenheit wurden oder ob es die Auswirkungen des Gemeinsamen Binnenmarkts sind, die Politik in den Mitgliedstaaten wird zunehmend direkt oder indirekt durch die Europäische Gemeinschaft bestimmt. Kein Wunder also, wenn sich in diesem Zusammenhang die Frage nach einer angemessenen Mitwirkung der Länder in den sie betreffenden Aspekten der Europapolitik stellt. Da die Bundesrepublik ein föderativer Staat ist, in dem die Länder über bestimmte eigene Kompetenzen verfügen, ihre Eigenständigkeit grundgesetzlich geschützt ist, müssen die Länder in irgendeiner Weise am Integrationsprozeß beteiligt werden. Die Länder als staatliche Einheiten können und sollen somit von ihrer Ebene aus den Prozeß der Integration in Europa maßgeblich beeinflussen.
Wichard Woyke
7. Gemeindepartnerschaften und regionale grenzüberschreitende Zusammenarbeit und ihre europapolitische Bedeutung
Zusammenfassung
Der Integrationsprozeß vollzieht sich nicht allein abstrakt auf der Ebene von Staaten. Will er erfolgreich sein, so muß Integration nicht nur auf der Ebene der hohen Politik initiiert und praktiziert werden, sondern vor allem auf der Einstellungs- und Verhaltensebene der am Integrationsprozeß beteiligten Bürger seine Entsprechung finden. Gesellschaftliches Zusammenwachsen auf der Ebene unterhalb von Regierungen sowie Verknüpfungen von grenznahen Gebieten benachbarter Staaten wird von der Wissenschaft als transnationale Integration bezeichnet. Innerhalb dieser transnationalen Integration hat sich die grenzüberschreitende Region benachbarter Staaten als eine neue Form der Zusammenarbeit herauskristallisiert. Vom Nordkap in Norwegen bis zur spanisch-französischen Grenze in den Pyrenäen haben sich unter dem Schlagwort „Europa wächst an seinen Grenzen zusammen“in den letzten Jahrzehnten 46 Regionen mit grenzüberschreitender Zusammenarbeit mit dem Ziel des Abbaus grenzbedingter Hemmnisse gebildet. So sind die bekanntesten die EUREGIO, eine Kommunalgemeinschaft im Raum Rhein, Ems, Ijssel, die ARGE ALP, bestehend aus Bayern, den österreichischen Bundesländern Salzburg, Tirol und Vorarlberg, dem Schweizer Kanton Graubünden, den autonomen Provinzen in Italien Bozen-Südtirol und Trient sowie der Region Lombardei. Die REGIO BASILIENSISIS — in diesem Zusammenhang oft genannt — umfaßt nur die schweizerischen Gebiete am Oberrheingraben.
Wichard Woyke
8. Umweltpolitik — die europäische Dimension
Zusammenfassung
Der Reaktorunfall von Tschernobyl im April 1986, der Gasunfall im indischen Bhopal, das Austreten giftiger Chemikalien in Seveso und der Chemieunfall des Baseler Unternehmens Sandoz im November 1986, der zur Verseuchung des Rheins führte, haben einmal gezeigt, daß hohe Preise für wirtschaftlichen Fortschritt gezahlt werden müssen und zum anderen, daß Gefahren für die Umwelt nicht an Staatsgrenzen enden und Umweltgefahrdun-gen wie auch Umweltverschmutzungen grenzüberschreitend sein können. Ein Staat allein, geschweige denn ein einzelnes Bundesland, kann nicht für reine Luft oder sauberes Wasser sorgen, wenn von angrenzenden — oder wie im Falle des Reaktorunfalls in der Sowjetunion noch nicht einmal angrenzenden Nachbarn Beeinträchtigungen und Schädigungen der Umwelt zu erwarten sind. Faktisch hat jede menschliche und damit auch wirtschaftliche Tätigkeit Auswirkungen auf die Qualität der Luft und des Wassers, auf den Zustand der Böden, auf Flüsse und Meere wie auch auf Flora und Fauna. Die Abfälle eines Landes entwickeln sich zu Umweltbelastungen für ein oder mehrere Nachbarländer. Insbesondere in den dicht besiedelten Mitgliedstaaten der EG zeigt sich das Umweltproblem recht drastisch. Mehrere Staaten entnehmen ihr Wasser aus denselben Flüssen und Seen und sind durch Kanäle verbunden.
Wichard Woyke
9. Kultur und Wissenschaft — die vielfältige Kooperation
Zusammenfassung
Immer wieder wird die gemeinsame europäische Kultur beschworen, wird die europäische Identität gefordert. Die europäische Identität wird dabei oft im Zusammenhang mit der „kulturellen Identität“geltend gemacht. Allerdings herrscht keine Einigung darüber vor, was nun unter kultureller Identität, kultureller Zusammenarbeit, kulturellem Erbe und europäischer Kultur zu verstehen ist. Einigkeit besteht aber darüber, daß die Europäische Gemeinschaft mehr ist als eine nur durch wirtschaftliche Interessen zusammengehaltene internationale Organisation. Einigkeit besteht zumindest auch darüber, daß die Bürger der EG — trotz aller nationalen und regionalen unterschiedlichen Entwicklungen — gemeinsame geschichtliche Erfahrungen haben.
Wichard Woyke
10. Europa der Bürger und Europa der Regionen
Zusammenfassung
Die Europäische Gemeinschaft ist Anfang der 90er Jahre eine Realität. Sie ist ein wichtiger Akteur im internationalen System und erfreut sich einer regen Nachfrage, besonders außerhalb ihres Geltungsbereichs. Ob es Staaten Afrikas, Asiens oder Lateinamerikas sind, ob Mittelmeeranrainer-Staaten oder ob die Staaten des Rats für gegenseitige Wirtschaftshilfe in Osteuropa, alle wollen entweder in Beziehungen mit der EG treten oder die Beziehungen zur EG verbessern.
Wichard Woyke
Backmatter
Metadaten
Titel
Nordrhein-Westfalen und die Europäische Gemeinschaft
verfasst von
Dr. Wichard Woyke
Copyright-Jahr
1990
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-322-95933-1
Print ISBN
978-3-8100-0880-0
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-322-95933-1