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2021 | OriginalPaper | Buchkapitel

3. Renteneintrittsentscheidungen aus Sicht der Narrativen Ökonomik

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Zusammenfassung

Nachdem in Kapitel 2 die ökonomische Literatur zu Renteneintrittsentscheidungen ausführlich diskutiert und auf dieser Grundlage der eigene Forschungsansatz motiviert wurde, stellt Kapitel 3 den theoretischen Forschungsbeitrag dieser Arbeit dar, indem Renteneintrittsentscheidungen aus Sicht der Narrativen Ökonomik behandelt werden.

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Fußnoten
1
Für eine vertiefende Behandlung der Rolle von Wissen in der Ökonomik siehe beispielsweise Mirowski und Nik-Khah (2017).
 
2
Als weiterführende Literatur zu dieser Argumentation empfiehlt sich McCloskey (1993) sowie McCloskey (1997). Ein Beispiel für eine rhetorische Analyse ökonomischer Texte im Sinne McCloskeys bietet Avsar (2008). Für weitere Arbeiten an der Schnittstelle zwischen Literaturwissenschaft und Ökonomik siehe etwa Woodmansee und Osteen (2009), Balint und Zilles (2014), Horvath (2016), Desai (2018) und Morson und Schapiro (2017).
 
3
Ihre Argumentation kann dabei als eine Weiterentwicklung einer Literatur bezeichnet werden, die in diesem Zusammenhang für eine Untersuchung das Faktors „Kultur“ wirbt. So argumentiert Mokyr (2017), dass die genannten Wohlstandssteigerungen nach der industriellen Revolution durch starke Innovationen aufgrund von kulturellen Veränderungen möglich werden. Diese Veränderung der Kultur wird dabei durch „cultural entrepreneurs“ hervorgerufen, die sich mit ihren Ideen auf dem „market of ideas“ der Gesellschaft durchsetzen und dadurch Glauben, Werte und Präferenzen eines signifikanten Teils der Gesellschaft verändern (vgl. Mokyr (2017, S. 60 ff.)). Der Zusammenhang zur Narrativ-Literatur kann dabei über die Sprachlichkeit von Kultur und die Sprachlichkeit des „market of ideas“ hergestellt werden. So bezeichnen Morson und Schapiro (2017, S. 117) Kultur als ein sehr festes Narrativ. Für weitere Literatur zur Bedeutung von Kultur siehe beispielsweise Mokyr (2012), Doepke und Zilibotti (2013), oder auch Clark (2010). Alesina und Giuliano (2015) wiederum geben einen Literaturüberblick zum Wirken von Kultur über die Herausbildung von Institutionen.
 
4
Es wird dabei nicht das Ziel verfolgt, jede einzelne ökonomische Arbeit vorzustellen, die eine Aussage über Narrative trifft. Stattdessen soll die Literatur mit ihren wesentlichen theoretischen und empirischen Beiträgen in ihrer grundsätzlichen Argumentation diskutiert werden, um diese in Abschnitt 3.2 auf die Analyse von Renteneintrittsentscheidungen übertragen zu können. Gleichwohl handelt es sich nach Kenntnis des Autors dieser Arbeit um die bislang umfangreichste Literaturstudie zur Narrativen Ökonomik.
 
5
Die beiden Begriffe „kognitiv“ und „mental“ werden hier wie im Folgenden synonym verwendet.
 
6
Verwandt mit dem Verständnis, das diese Arbeit von Kategorien und ihrer Verbindung zu Narrativen hat, sind Konzepte mentaler Modelle (auch mentale Strukturen oder mentale Schemata), die in Psychologie (vgl. etwa Johnson-Laird (2004) und Wirtz (2017, S. 1088 f.)), aber auch in Soziologie (vgl. DiMaggio (1997)), Soziolinguistik (vgl. Berthele (2010)) oder Verhaltensökonomik (vgl. Hoff und Stiglitz (2016)) Eingang gefunden haben. Sie scheinen dabei, ähnlich dem Gebrauch von Narrativen in der Ökonomik, nicht immer trennscharf verwendet zu werden. Wirtz (2017, S. 1088.) stellt aus psychologischer Sicht eine „oftmals inflationär[e]“ (ebd, S. 1088) Verwendung des Begriffs für jede Art mentaler Repräsentation fest. Als Beispiel für eine sehr grundsätzliche Verwendung können Hoff und Stiglitz (2016, S. 26) gelten, die Narrative, Kategorien, Konzepte, Weltanschauungen und soziale Identitäten allesamt als Beispiele für sozial gebildete mentale Modelle verstehen, mit denen Individuen insbesondere Informationen verarbeiten und konzeptionalisieren.
Konkret im kognitionspsychologischen Sinn ist unter einem mentalen Modell dabei entweder ein im Langzeitgedächtnis abgespeichertes subjektives Funktionsmodell physikalischer oder technischer Prozesse oder eine im Arbeitsgedächtnis beim Denken und Lesen zum Ziehen von Schlussfolgerungen gebildete Repräsentation zu verstehen (vgl. Wirtz (2017, S. 1088 f.)). Vor diesem Hintergrund könnte ein Narrativ im Sinne dieser Arbeit also auch mentales Modell genannt werden, sofern die Verkettung der Kategorien physikalisch- bzw. technisch-kausaler oder (text)inhaltlich-logischer Art ist. Mentale Modelle, verstanden als reine Repräsentation eines Ausschnitts der Welt, nennt diese Arbeit hingegen Kategorien.
 
7
Diese Definition und dieses Verständnis deckt sich dabei sehr stark mit Ergebnissen der Neurolinguistik, die Gehirnaktivitäten im Zusammenhang mit Sprache untersucht. So entsprechen den beschriebenen mentalen Assoziationen auf Ebene des Gehirns neuronale Verknüpfungen verschiedener Hirnareale, in denen bestimmte Aspekte gedanklich abgelegt sind. Diese Verbindungen, Frames genannt, verstetigen sich bei häufiger gemeinsamer Nennung bzw. neuronaler Aktivierung (vgl. Lakoff (2014, 54 ff.) und Wehling (2016, 57 f.)) und sorgen dafür, dass die verschiedenen Areale fortan stets gemeinsam neuronal aktiviert werden, sobald ein Aspekt sprachlich aktiviert wird (vgl. Wehling (2016, S. 25)). Für weiterführende Literatur siehe auch Lakoff und Wehling (2008) und Lakoff und Johnson (2014).
 
8
Anders als die vorliegende Arbeit differenziert Shiller (2017, 2018, 2019) nicht eindeutig zwischen Kognition und Emotion. Teilweise argumentiert er, dass Emotionen Teile von Narrativen sind (vgl. ebd., S. 10), teilweise beschreibt er, dass Narrative Emotionen hervorrufen (vgl. Shiller (2018, S. 66 f.)). Für eine ausführlichere Diskussion des Zusammenspiels von Narrativen und Emotionen siehe Unterabschnitt 3.1.1.2.
 
9
Auch andere Disziplinen behandeln Narrative, beleuchten diese jedoch in anderen Kontexten und verwenden teilweise auch andere Begrifflichkeiten. Eine einheitliche, klare Definition kann nicht ausgemacht werden. So behandelt etwa der literaturwissenschaftliche Zweig der Narrativik oder Narratologie die Theorie vom Erzählen, wobei als kleinste Einheit von Narrativität die Darstellung eines Ereignisses oder einer Zustandsveränderung angesehen wird (vgl. Burdorf et al. (2007, S. 529)). Die Linguistik spricht in dem Zusammenhang auch von narrativen Strukturen eines Erzähltextes, die aus Schilderungen von zeitlich oder kausal verknüpften Handlungen bestehen und ein erzählwürdiges, ungewöhnliches Ereignis als dominantes Thema aufweisen (vgl. Bußmann (2008, S. 463)). Anders als bei der in dieser Arbeit gewählten Definition werden also mit Handlungen und Ereignissen durch das Narrativ größere Basis-Einheiten miteinander verbunden. Auch gilt für die Art der Verknüpfung teilweise als weitere Anforderung, dass sie als erzählwürdig gelten muss. In der Politikwissenschaft wird ein Narrativ oder eine Erzählung etwa als politische Praktik aufgefasst und politische Narrative als Untersuchungsgegenstände betrachtet, die über Sinnvermittlung Legitimität stiften, Machtansprüche verkörpern und über Fiktionalität Polyphonie bzw. Pluralität abbilden (vgl. Gadinger et al. (2014, S. 3 ff.)). In der Kommunikations- und Medienwissenschaft wird die Narration beispielsweise als von einem Medientext bereitgestellte Erzählung behandelt und dabei gleichfalls als soziale Interaktion verstanden, da sie von ihren Lesern, Zuhörern oder Nutzern in der Rezeption mit Bedeutung versehen wird (vgl. Bentele et al. (2013, S. 242)).
 
10
Für eine neurologische Auseinandersetzung mit dem Zusammenwirken von kognitiven und emotionalen Prozessen siehe beispielsweise Damasio und Carvalho (2013): Emotionen drücken sich dabei in körperlichen Reaktionen wie einer Veränderung der Atemgeschwindigkeit, des Pulses, einer erhöhten Muskelanspannung, oder der Ausschüttung von Hormonen aus (vgl. ebd., S. 144).
 
11
Andere Autoren gehen noch einen Schritt weiter und argumentieren, dass Realität an sich gar nicht existiert, sondern durch Instrumente des Geistes wie Narrative erst konstruiert wird (vgl. Larsen und Thorsrud (2018, S. 6)).
 
12
Dieses Phänomen wird auch in der Verhaltensökonomik diskutiert, siehe beispielsweise Taleb (2018) und Kahneman (2012, S. 100 ff.).
 
13
Für eine Sammlung interdisziplinärer Auseinandersetzungen mit radikaler Unsicherheit siehe auch Beckert und Bronk (2019b).
 
14
Tuckett und Nikolic (2017) führen dieses Argument in einer ausführlichen „Conviction Narrative Theory“ aus. Für weitere Details siehe Tuckett (2019) und auch Unterabschnitt 3.2.1, in der die „Conviction Narrative Theory“ die Basis für die Entwicklung einer Theorie narrativer Renteneintrittsentscheidungen darstellt.
 
15
Vgl. für die Unterscheidung von Präferenzen und vorgelagerten, der Präferenzbildung dienenden Konzepten wie beispielsweise Einstellungen und Werte auch S. 66 Meinungen werden im Hinblick auf psychologische Meinungsforschung als Synonym für öffentliche bzw. kollektive Einstellungen verstanden (vgl. Wirtz (2017, S. 1082 f.)). Da es dieser Arbeit jedoch um das grundsätzliche Wirken von Narrativen im Zusammenhang der Präferenzbildung geht, wird auf eine weitergehende Differenzierung verzichtet.
 
16
Die Argumentation von Juille und Jullien (2017) beruht dabei sehr stark auf den philosophischen Überlegungen von Ross (2007, 2014) und Davis (2009, 2011) über Selbst-Narrative. Kahneman (2012, S. 476 ff.) beschäftigt sich mit dem gleichen Phänomen aus verhaltensökonomischer Perspektive und sieht darin in erster Linie eine Verzerrung mit nutzenmindernden Konsequenzen für den Akteur.
 
17
Es bestehen auch hier Interdependenzen mit emotionalen Prozessen, wie die Ergebnisse von Yanagizawa-Drott (2014) nahelegen, nach denen der Empfang von Hass schürender Radio-Propaganda zu einer vermehrten Teilnahme an Gewalt gegen Minderheiten führt.
 
18
Mit einer ähnlichen Argumentation begründet der Historiker Harari (2018) die Durchsetzung des Menschen zum dominierenden Lebewesen der Erde. Durch den Glauben an kollektive Geschichten bzw. Mythen, wie Harari (2018) sie nennt, sind Menschen in der Lage, größere Gruppen zu organisieren als andere Lebewesen. Auf diese Weise können auch die Lebewesen dominiert werden, die jeweils für sich genommen oder in kleineren Gruppen dem Menschen physisch überlegen sind.
 
19
Für einen ausführlichen Einblick in die Möglichkeiten des Text-Mining für die Sozialwissenschaften siehe Lemke und Wiedemann (2016). Müller et al. (2018) diskutieren aus publizistischer und statistischer Perspektive mögliche Anwendungsfelder bei ökonomischen Analysen. Bholat et al. (2015) rücken Anwendungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit Zentralbank-Kommunikation in den Mittelpunkt ihrer Betrachtung.
 
20
Die in Unterabschnitt 3.1.1.2 diskutierte komplexe Wechselwirkung zwischen kognitiven und emotionalen Prozessen wird in dem Fall durch die Annahme ersetzt, dass ein Wort, das laut Diktionär eine gewisse emotionale Färbung hat, genau diese Emotion auslöst.
 
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Sich verändernde Stimmungen im Kontext von Finanz- und Gütermärkten werden in der ökonomischen Literatur durchaus schon länger empirisch untersucht. Dieser Literatur, die maßgeblich auf Tetlock (2007) zurückgeht, bietet die Narrative Ökonomik eine theoretische Fundierung. Methodisch gehen bspw. Calomiris und Mamaysky (2018) ähnlich vor, indem sie „Thomson and Reuters“-Artikel von 1996 bis 2015 einer Sentiment-Analyse unterziehen und Korrelationen zwischen den sich ergebenden länderspezifischen Sentiment-Indizes und Makro-Kennzahlen ermitteln. Shapiro et al. (2019) untersuchen amerikanische Zeitungsartikel zwischen 1980 und 2015 ebenfalls im Rahmen einer Sentiment-Analyse und legen Zusammenhänge zwischen positiven Gefühlen und steigendem Konsum, Wachstum, Zinsen sowie abnehmender Inflation nahe. Verwandt ist auch eine Literatur, die den Einfluss von Emotionen nicht mittels Text-Mining, sondern basierend auf Befragungsdaten (vgl. etwa Barsky und Sims (2012) und Benhabib und Spiegel (2019)) untersucht.
 
22
Die große Bedeutung sprachlicher Botschaften im Rahmen von Zentralbank-Politik wird auch von Praktikern betont. So äußert der ehemalige Präsident der US-amerikanischen Zentralbank Bernanke (2015), dass Zentralbank-Politik zu 98 % aus Kommunikation und nur zu 2 % aus Handeln besteht. Der Sozial-Anthropologe Holmes (2019a, S. 190, 2019b, S. 1) sieht Zentralbanken vor diesem Hintergrund als zentrale Marktakteure, da er Märkte als Funktionen von Sprache versteht. Für einen grundsätzlichen Einstieg zum Thema Zentralbank-Kommunikation siehe auch Eijffinger und Masciandaro (2018).
 
23
Auch in anderen ökonomischen Analysen politischer Ereignisse finden sich empirische Arbeiten, die über Textanalysen methodische Zugänge zur Veränderung von öffentlichen Debatten suchen und von einer theoretischen Fundierung durch die Narrative Ökonomik profitieren könnten. So untersuchen beispielsweise Gentzkow et al. (2016) US-Kongressreden von 1873 bis 2009 und stellen mittels Text-Mining eine zunehmende Polarisierung seit Anfang der 1990er Jahre fest. Auch Baskaran und Hessami (2019) untersuchen die Veränderung politischer Debatten. Anhand der qualitativen Kodierung deutscher Parlamentsaufzeichnungen weisen sie eine Veränderung der Diskussionen bei einer Zunahme der Anzahl weiblicher Mandatsträgerinnen nach. Kuziemko und Washington (2018) identifizieren über Frequenzanalysen in Daten der „New York Times“ Zeiträume, in denen sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die öffentliche Debatte über Rassismus verändert und kommen in Kombination mit Befragungsdaten zu dem Ergebnis, dass sich das Wahlverhalten in den Südstaaten der USA wesentlich über die Verbreitung von Rassismus erklären lässt. Baker et al. (2016) bilden basierend auf der Frequenz von Signalwörtern in US-Tageszeitungen einen Index politischer Unsicherheit und legen Zusammenhänge mit der Volatilität an Finanzmärkten sowie bei Beschäftigung und Investitionen in politisch sensiblen Branchen wie Verteidigung, Gesundheit, Finanzindustrie und Infrastruktur nahe.
 
24
Während die hier diskutierten Arbeiten den Einfluss von Narrativen allesamt über kontinuierliche Variablen testen, kann eine weitere Möglichkeit der quantitativen Untersuchung der methodisch verwandten Literatur nach Romer und Romer (1989) entnommen werden. Bei diesem „narrative approach“ genannten Verfahren werden in offiziellen Textdokumenten von Zentralbanken und Regierungen exogene geldpolitische (vgl. Monnet (2014)) und fiskalpolitische Schocks (vgl. Romer und Romer (2010)) sowie Veränderungen der Arbeitsmarktregulierung (vgl. Duval et al. (2017)) identifiziert und mittels Dummy-Variablen in quantitative Zeitreihenanalysen integriert. Antolín-Díaz und Rubio-Ramírez (2018) bauen methodisch auf dem „narrative approach“ auf, indem sie basierend darauf Vorzeichenrestriktionen für SVAR-Modelle ableiten.
Die Literatur nach Romer und Romer (1989) ist allerdings nur methodisch durch die Bezugnahme auf Textdokumente mit der Narrativen Ökonomik verwandt. Sie teilt nicht die theoretische Annahme, dass menschliche Entscheidungen durch Narrative beeinflusst werden. Während in dieser Literatur durch Dummy-Variablen exogene politische Schocks integriert werden, könnten auf die gleiche Weise aber auch veränderte in der Öffentlichkeit kursierende Narrative in Zeitreihenanalysen Berücksichtigung finden.
 
25
Nach Stulpe und Lemke (2016, S. 43) sollten Text-Mining-Methoden grundsätzlich im Verbund mit qualitativen Methoden angewendet werden, da durch eine Kombination von „distant reading“ zur Datenstrukturierung und „close reading“ zur Interpretation verschiedene Perspektiven eingenommen und zu einem „blended reading“ sinnvoll verbunden werden können. Andere Autoren bezeichnen ein solches Vorgehen auch als „mixed-methods“ (vgl. Aistlinger und Pühringer (2019, S. 1) und Dumm und Niekler (2016, S. 94)).
 
26
Die Bezeichnung der Theorie wurde analog zur Bezeichnung der Narrativen Ökonomik gewählt, um auszudrücken, dass der zuerst genannte Begriff „narrative“ den nachfolgenden Begriff „Renteneintrittsentscheidungen“ näher bestimmt. Wie in diesem Unterabschnitt ausgeführt wird, werden die einer Renteneintrittsentscheidung zugrundeliegenden kognitiven Prozesse in vielfältiger Weise von Narrativen beeinflusst. Die Theorie behandelt also basierend auf Narrativen getroffene Renteneintrittsentscheidungen.
 
27
Nyman et al. (2018) und Johnson und Tuckett (2017) entwickeln ihre empirische Strategie in Teilen basierend auf der „Conviction Narrative Theory“.
 
28
Vgl. für klassische psychologische Entscheidungsmodelle auch die einflussreiche Differenzierung nach Kahneman (2012, S. 31 ff.) zwischen einem nicht-rationalen System 1 des schnellen Denkens und einem rationalen System 2 des langsamen Denkens.
 
29
Dabei handelt es sich um einen interdisziplinären Ansatz u. a. von Soziologie, Erziehungs-, Geschichts-, Politikwissenschaft und Geschlechterforschung seit Beginn der 1980er Jahre, welcher die Interaktion zwischen Individuum und Gesellschaft anhand individueller Narrationen untersucht. Im Unterschied zu reinen qualitativen Interviews werden zu diesem Zweck weitere schriftliche Datenquellen wie beispielsweise (Auto)-Biografien, Briefe, Fragebogenerhebungen, Akten und Polizeiberichte zusammengetragen und qualitativ ausgewertet. In jüngerer Vergangenheit werden zu dem Zweck auch visuelle Daten wie Fotos, Filme oder Einträge in Sozialen Medien in Text umgeformt und anschließend analysiert (vgl. Lutz et al. (2018a, S. 1 ff.)). Für eine Einführung siehe Lutz et al. (2018b) oder auch Sackmann (2013).
 
Metadaten
Titel
Renteneintrittsentscheidungen aus Sicht der Narrativen Ökonomik
verfasst von
Stefan Schöncke
Copyright-Jahr
2021
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-35076-5_3

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