Nachfolgend werden die wirtschafts- und siedlungsgeografischen Gegebenheiten herangezogen um eine Einflussnahme zu erklären. Abschließend folgt eine planerische Schlussfolgerung, die auf Grundlage des aktuellen planerischen Fachdiskurses zur Thematik erfolgt. Schlussendlich führt der Beitrag weitere Forschungsperspektiven auf, die zur Beurteilung einer definitiven Einflussnahme des Investors auf die planende Gemeinde nicht unberücksichtigt bleiben dürfen.
6.1 Räumliche Erklärungsansätze
Für die nachfolgenden Erklärungsansätze zur Einflussnahme der Investoren auf die planende Gemeinde werden räumlich-geographische Gegebenheiten betrachtet. Zur Unterstützung der Aussagen wurden, um statistische Abhängigkeiten bzw. Unabhängigkeiten der einzelnen Merkmale herzuleiten, Chi-Quadrat-Tests durchgeführt. Dabei wurden verschiedene Korrelationen mit den Merkmalen Stadtmodelle, Lokalisierungstypen, Jahr der Eröffnung des IKEA-Marktes, Planungsinstrumentarium, Verfahrensdauer und Einflussnahme gegenübergestellt.
Der Chi-Quadrat-Test, bei dem die Korrelation zwischen Stadtmodellen und Einflussnahme des Investors untersucht wurde, zeigt eindeutig eine Abhängigkeit zwischen der Einflussnahme des Investors und der IKEA-Stadtmodelle an (p-value <0,01). Dabei wurden aufgrund der Größe der Stichprobe (23 Standorte) die IKEA-Stadtmodelle in zwei Gruppen (Stadtmodell 1 und 3 sowie 2 und 4) zusammengefasst. Bei der Gruppierung des Stadtmodells 1 und 3 handelt es sich um einen urbanisierten Ballungsraum mit einem herausragenden Zentrum, wohingegen sich die Modelle 2 und 4 eher auf Agglomerationen bzw. peri-urbane Räume mit mehreren Zentren beziehen. Wird die Korrelation zwischen dem Indikator Planungsinstrument und den IKEA-Stadtmodellen betrachtet, so wird deutlich, dass insbesondere bei IKEA-Ansiedlungen in den Stadtmodellen 2 und 4 überwiegend der Bebauungsplan als Angebotsplan, der eine Einflussnahme der Investoren auf die Planung wiederspiegelt, eingesetzt wird, wohingegen bei den Stadtmodellen 1 und 3 eine Tendenz zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan besteht. Bei Betrachtung der Korrelation zwischen dem Indikator Verfahrensdauer und IKEA-Stadtmodellen ist eine analoge Aussage ableitbar, da eine schnelle Verfahrensdauer, was eine höhere Einflussnahme des Investors bedeutet, vielmals bei den Standorten in den Stadtmodellen 2 und 4 gemessen wurde, wohingegen eine längere Verfahrensdauer eher bei den Ansiedlungen in den Stadtmodellen 1 und 3 beobachtet wurde.
Es ist daher anzunehmen, dass das Ansiedlungsinteresse des Investors in Städten des Stadtmodells 1 und 3 stärker als in Städten der Modelle 2 und 4 ist. Bspw. bei Betrachtung der drei Standorte des IKEA-Stadtmodells 1, ist auffällig, dass alle drei Standorte keine Einflussnahme des Investors anzeigen. Bei zweien der drei Standorte (Berlin und Hamburg) handelt es sich um Städte mit Status eines Stadtstaates. Für die IKEA-Stadtmodelle 1 bzw. 3 würde das bedeuten, dass der Investor ein hohes Ansiedlungsinteresse hat, da nur wenige bzw. keine Alternativen bestehen. Somit können die Städte selbst stärker die Ansiedlung steuern. Im Falle eines Stadtstaates würde es bedeuten, dass für den Investor keine Alternative besteht in das angrenzende Bundesland auszuweichen. Darüber hinaus würde das Planungssystem eine Ansiedlung in der Peripherie des angrenzenden Bundeslandes nicht ohne weiteres zulassen. Daher ist der Investor auf eine Ansiedlung innerhalb des herausragenden Zentrums (im Falle eines Stadtstaates) angewiesen. Bezüglich der Städte, die den Stadtmodellen 2 und 4 angehören, ist anzunehmen, dass sich das Ansiedlungsinteresse des Investors aufgrund verfügbarer Alternativen nicht nur einem Standort gebührt. Somit kann der Investor gegenüber verschiedenen Gemeinden einer Region sein Ansiedlungsinteresse formulieren. Er entscheidet sich aber bei mehreren grundsätzlich geeigneten Standorten letztendlich für den Standort, bei dem er die wenigsten Kompromisse eingehen bzw. Einschränkungen erfahren muss.
Gemäß weiterer statistischer Analysen ist anzunehmen, dass eine Korrelation zwischen den IKEA-Stadtmodellen und Lokalisierungstypen besteht. Bei einem Chi-Quadrat-Test, bei dem die Merkmale Stadtmodell und Lokalisierungstyp, ohne eine Gruppierung vorzunehmen, gegenübergestellt wurden, ist eindeutig eine Abhängigkeit zu verzeichnen (p-value <0,05). Standorte des Lokalisierungstyps 1, also Standorte „erster Wahl“, sind überwiegend in den Stadtmodellen vorzufinden, bei denen die Konkurrenz der Städte untereinander am höchsten ist, wie es bspw. bei dem Stadtmodell 4 der Fall ist. Das bedeutet, dass die Einflussnahme bei Standorten „zweiter Wahl“ nicht so stark ausgeprägt ist, wie es bei den optimalen Standorten der Fall ist, da diese sich eher in den „konzentrierten“ Stadtmodellen wiederfinden. Da eine Einflussnahme des Investors mit den Stadtmodellen in Verbindung steht, ist diese auch auf die Korrelation zwischen Stadtmodellen und Lokalisierungstypen übertragbar bzw. ableitbar.
Bspw. ist beim Standort Berlin, der dem Stadtmodell 1 und dem Lokalisierungstyp 4 angehört, annähernd keine Einflussnahme zu beobachten. Da das Ansiedlungsinteresse des Investors beispielweise in Berlin enorm hoch ist, muss er sich dort mit einem in Augen von IKEA ggf. suboptimalen Standorten zufrieden geben, wohingegen bei einer hohen Konkurrenz der Städte untereinander, wie dies bei dem Stadtmodell 2 und 4 der Fall ist, sich der Investor nicht mit Standorten zweiter Wahl zufrieden geben muss und entsprechend die Kommune wählt, die ihm einen Standort in für ihn bester Lage bei gleichzeitig geringsten Einschränkungen in der Nutzung zur Verfügung stellt.
Bei den Chi-Quadrat-Tests, bei denen die Korrelation zwischen dem Jahr der Eröffnung des jeweiligen IKEA-Marktes und einer Einflussnahme sowie jeweils zwischen den Indikatoren Verfahrensdauer und Planungsinstrument analysiert wurde, ließ sich keine Abhängigkeit feststellen. Daraus lässt sich ableiten, dass seit 1998 die Handlungsstrategie des Investors und die Strategie der planungshoheitlich handelnden Kommunen eine gewisse Kontinuität aufweisen.
6.2 Planerische Schlussfolgerung
In der Gesamtbewertung wird eine Einflussnahme durch den Investor auf die planende Gemeinde indiziert. Bzgl. der Verfahrensdauer sind überwiegend zügige Verfahren zu beobachten, obgleich häufig in selbigem Verfahren eine Flächennutzungsplanänderung, eine Regionalplanänderung oder ein Zielabweichungsverfahren durchgeführt wurde. Häufig waren diese Standorte aufgrund Ihrer Bestandssituation nur bedingt für eine Vorhabenrealisierung geeignet.
Wie erläutert, diskutiert Mitschang (
2003, S. 332) den Ansatz, dass mit dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan zwar in die städtebauliche Ordnung eingegriffen wird, da nicht nur das öffentliche Interesse sondern vorrangig private Interessen im Mittelpunkt der Planung stehen und dass mit einer Abkehr von der angebotsorientierten Planung eher eine marktorientierte Planung fokussiert wird, die zu einer Individualisierung staatlicher Planung führt. Bei der Realisierung der IKEA-Standorte ist dieser Tatbestand allerdings nicht zu beobachten. Es kann den Gemeinden vielmehr unterstellt werden, dass mit der Angebotsplanung genau dieser Sachverhalt von den Städten und Gemeinden bzw. den Investoren fokussiert wird, was Mitschang (
2003, S. 333) bezogen auf den vorhabenbezogenen Bebauungsplan befürchtet. Die Analysen zeigen vielmehr, dass die Angebotsplanung, die von Seiten der Kommunen eingeleitet wird, unter der Einflussnahme der Investoren steht, da der Angebotsplan für eine spezifische, marktorientierte Einzelfallplanung bzw. Projektplanung eingesetzt wird, was normalerweise Aufgabe des vorhabenbezogenen Bebauungsplan wäre. Es ist laut Bank (
2012, S. 17) zwar möglich, per Angebotsplanung i. V. m. einem städtebaulichen Vertrag das Ergebnis eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans zu erhalten, der Angebotsplan muss dann aber alle formellen und materiellen Voraussetzungen an die Angebotsbebauungsplanung erfüllen was hier kritisch hinterfragt werden kann. Das Urteil des Niedersächsischen OVG (
2011), unterstützt diese Aussagen, da es explizit darauf verweist, dass die Gemeinde bei einer Angebotsplanung, bei der Bewertung des Abwägungsmaterials, nicht allein das konkrete Vorhaben betrachten darf, welches Anlass zu der Planung gegeben hat, sondern von der maximalen Ausnutzung der Festsetzungen des Bebauungsplans ausgehen muss. Als Begründung wird angeführt, dass, sofern der ursprüngliche Investor „abspringt“, sich ein neuer Investor auf die Festsetzungen des Bebauungsplanes berufen könnte, ohne durch städtebaulichen Vertrag gebunden zu sein (vgl. Bringewat
2011).
Die Annahme, dass bei der Wahl des Angebotsplans sowie bei einer schnellen Verfahrensdauer eine Einflussnahme des Investors auf die planende Gemeinde vorliegt, wird durch die quantitative Analyse der 23 IKEA Standorte bestätigt, wie bspw. bei dem Standort Frankfurt oder Osnabrück zu beobachten ist. Eine Tendenz der Einflussnahme weisen diese Standorte auch in der bereits genannten Studie von Bauer und Fusco (
2016, S. 82) auf, da u. a. eine Flächennutzungsplanänderung für die Realisierung des Marktes erforderlich wurde und darüber hinaus der Standort auf der „grünen Wiese“ geplant wurde. Die dennoch anfechtbare Hypothese kann mithilfe der räumlichen Erklärungsansätze gefestigt werden, da eine Abhängigkeit zwischen der Einflussnahme des Investors und der IKEA-Stadtmodelle mithilfe des Chi-Quadrat-Tests angezeigt wird (siehe Abschn. 6.1). Zu den Stadtmodellen 2 und 4, die häufig mit einer schnellen Verfahrensdauer und der Wahl des Angebotsplans in Verbindung stehen, gehören beispielsweise ebenso die Städte Frankfurt und Osnabrück. Dennoch bleiben Fragen offen, insbesondere inwiefern sich Regelungsinhalte von städtebaulichen Verträgen auf das Ergebnis einer Einflussnahme des Investors auf die planende Gemeinde niederschlagen.