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18.02.2014 | Bankstrategie | Interview | Online-Artikel

„Medien ließen Kritik anschwellen“

verfasst von: Stefanie Hüthig

3:30 Min. Lesedauer

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Finanzprofis und Journalisten können sich oft nicht riechen. Springer-Autor Professor Andreas Langenohl von der Universität Gießen über ein besonderes Verhältnis.

Springer für Professionals: Herr Professor Langenohl, eine Studie in Ihrem Team an der Universität Gießen zeigt, dass Finanzmarktprofis im Spannungsfeld zwischen Kunden, Öffentlichkeit und ihrer eigenen Institution stehen. Der Imperativ, Umsatz für die Bank zu erzielen, hat bei den Analysten und Fondsmanagern Priorität, ergaben die Interviews. Aber auch Berater in den Filialen haben naturgemäß ein großes Interesse an Geschäftsabschlüssen mit ihren Kunden. Wie sehen Sie in diesem Spannungsfeld zwischen Interesse der Bank und Interesse der Kunden die Rolle der Medien?

Langenohl: Beraterinnen und Berater sind die erste Anlaufstelle für Privatkunden und für alle Kunden. Auch sie sind in der jüngeren Vergangenheit stark in die öffentliche Kritik geraten. Erinnern wir uns an die Lehman-Produkte, die Sparkassenkunden plötzlich in ihrem Portfolio vorfanden. Welche Rolle können hier Medien spielen? Ich habe den Eindruck, dass die Medien natürlich auch dazu beigetragen haben, das allgemeine Kritikniveau der Öffentlichkeit und der Kunden an den Banken sehr stark anschwellen zu lassen. Das sagen mir auch Leute, die als Beraterinnen und Berater arbeiten. Sie sagen, dass es teilweise schwierig ist, diesen Beruf auszuüben. Oder dass sie in der Freizeit häufiger darauf angesprochen werden, wie sie sich so fühlen als halber Betrüger oder als halbe Betrügerin. Das hat dem Berufsbild und der Reputation der Banken eher geschadet. Die Medien selbst haben davon sehr stark profitiert. Und zwar deswegen, weil es in Deutschland bis zu dem Zeitpunkt eigentlich ein sehr großes Vertrauen zumindest in die nichtprivaten Banken gegeben hat. Ich kann daher nicht sehen, wie die strukturelle Rolle der Medien hier ist, ich kann nur sehen: Sie haben davon profitiert, dass etwas skandalisiert werden konnte, was bis zu diesem Zeitpunkt eigentlich als unmöglich galt.

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In Ihren Interviews haben die Finanzmarktprofis sich von den Journalisten abgegrenzt. Das ist ja eine Art des Selbstschutzes. Woher kommt dieses Bedürfnis nach Abgrenzung noch?

Die Professionalität, die Finanzprofis für sich reklamieren, ist immer sehr prekär. Ein Grund dafür ist das Loyal-sein-müssen gegenüber einer Organisation, für die die Finanzprofis arbeiten. Eine weitere Ursache ist das Handeln-müssen in einem Feld, das auch die Finanzprofis nicht vollkommen kontrollieren können. Es ist der Markt, der manchmal Dinge tut, die sich nicht vorhersehen und nicht rationalisieren lassen. Das untergräbt die Autonomie von Finanzprofis. Dann kommen noch die Kunden hinzu, die sehr häufig von Finanzprofis dafür kritisiert werden, zu viel zu wollen, zu gierig zu sein, oder im Gegenteil nicht mutig genug zu sein, nicht genug den Finanzprofis zu vertrauen. Auch die Kunden sind eine Quelle von Autonomiedefiziten oder gefühlten Einbußen. Ich glaube, dass dies dazu beiträgt, dass sich die Finanzprofis gegenüber einer Gruppe – den Journalisten – abgrenzen, die sich mit denselben Dingen befasst, nämlich den Finanzmärkten.

Für die Finanzprofis ist es also ein Tabu, sich mit der Masse gemein zu machen. Das ist eins der Ergebnisse der Studie. „Das professionelle Selbstkonzept“ – so heißt es in dem Fachbeitrag zu der Studie – „sieht einen rational handelnden Homo oeconomicus vor“. Ist der Homo oeconomicus nicht größtenteils widerlegt?

Natürlich weiß man als Sozialwissenschaftler oder auch als Psychologe oder Psychologin, dass kein Mensch jemals rational handelt. Aber es gibt durchaus Versuche in der Finanzwirtschaft, diesem Ideal so nahe wie möglich zu kommen, das wurde in Studien nachgewiesen. Unabhängig davon, dass auch das wieder scheitert, überlebt also das Ideal als solches. Das zeigt sich zum Beispiel besonders deutlich darin, dass zunehmend Analysemethoden Einsatz finden, die die Psychologie der Anleger miteinbeziehen. Diese Methoden sind auch gar nicht so neu, wie etwa Sentimentanalyse. Das bedeutet, man versucht, rational nachzuvollziehen, was die Irrationalität der Anleger auf dem Markt bewirkt. Es wird also eingestanden, dass es Irrationalität gibt, aber diese wiederum lässt sich ihrerseits rational untersuchen und zur Grundlage einer rationalen Analyse machen – das zumindest ist die Hoffnung.

 

Zur Person:

Dr. Andreas Langenohl ist Professor für Soziologie mit Schwerpunkt Allgemeiner Gesellschaftsvergleich an der Justus-Liebig-Universität in Gießen.

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Quelle:
Finanzmarktpublika