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23.10.2014 | Energie | Schwerpunkt | Online-Artikel

Energiewende als Triebkraft für Innovationen von unten

4 Min. Lesedauer

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Die Energiewende steht am Anfang. Die Springer-Herausgeber Achim Brunnengräber und Maria-Rosaria Di Nucci kommentieren die erforderlichen Veränderungen zur nachhaltigen Energieversorgung – auch über die Stromversorgung hinaus.

Eine nachhaltige Energieversorgung ist möglich – und nötig. Die Atomkatastrophe in Fukushima, der fortschreitenden Klimawandel, der Verlust an biologischer Vielfalt, die Nahrungsmittelkrise auf Grund der Produktion von Agrotreibstoffen und Lebensmittelspekulationen oder die Luftverschmutzung in den großen Metropolen können auf Grund ihrer Wechselwirkungen auch als multiple Krise verstanden werden. Doch die Problemlagen machen deutlich, dass eine umfassende Transformation zu einer nachhaltigen Gesellschaft alternativlos ist – und hierfür sind institutionelle Reformen und technischen Innovationen unabdingbar.

Ein zentraler Baustein dieser Veränderungen ist die Energiewende. Dies kommt im politischen Mehrebenensystem auch in den Beschlüssen der Bundesregierung zur "Energiewende" zum Ausdruck, die eine erhebliche Herausforderung für eine Politik der Nachhaltigkeit darstellt. Auch international steht das Thema auf der Agenda. Das hat seinen Grund: Die Energiewende bezieht sich nicht nur auf die Frage, wie wir unsere Energie zukunftsfähig erzeugen wollen, sie hat auch weit reichende geostrategische, technologische und gesellschaftliche Implikationen.

Wichtige Säulen der Energiewende

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Die Energiewende zeigt zugleich schonungslos die Ausgangslage. In den politischen Auseinandersetzungen um den Status quo oder den Wandel offenbaren sich die unterschiedlichen Interessenlagen zwischen einem etablierten, emissionsintensiven Sektor und einem am Prinzip der Nachhaltigkeit ausgerichteten Sektor, der auf den Einsatz erneuerbarer Energien setzt (und einen langen Atem braucht). Die Schwierigkeiten, mit denen heute die großen Energieversorgungsunternehmen (EVUs) in Deutschland zu kämpfen haben, zeigen jedoch auch, dass ein später Umstieg auf die bereits begonnene Transformation teuer zu stehen kommt.

Der umwelt- und sozialverträgliche Ausbau der erneuerbaren Energien – auch über den Stromsektor hinaus – sowie die Steigerung der Energieeffizienz sind wichtige Säulen der Energiewende. Dafür ist aber auch eine Anpassung der Infrastruktur, insbesondere der Um- und Ausbau der Stromtrassen und der Verteilnetze, erforderlich; ebenso die Fortentwicklung neuer Technologien beispielsweise für die Stromspeicherung. Multi-Stakeholder-Prozesse sind unerlässlich, um neue Wege der Transition zur Nachhaltigkeit zu ebnen. Die Energiewende ist als ökologisches und wirtschaftspolitisches Gesamtprojekt nicht von Regierungen im Alleingang top down umsetzbar. Im Gegenteil: Ohne eine breite gesellschaftlichen Partizipation und Druck orientieren sich Regierungen oftmals zu sehr an den Interessen der etablierten Industriesektoren. Die Energiewende erfordert deshalb eine ganzheitliche Herangehensweise bei der Planung und Umsetzung, die von einer neuen Art der Partizipation und Kommunikation flankiert werden muss.

Rolle der lokalen und regionalen Akteure

In der Transformation übernehmen oft lokale bzw. regionale Akteure die Rolle so genannter "Change Agents". Darauf beruhen nicht selten Initiativen wie der Rückkauf der kommunalen Verteilnetze (Rekommunalisierung), die Neugründung von Stadtwerken oder die Bildung von Erzeugergemeinschaften wie Energiegenossenschaften. Solche kommunale bzw. regionale Energiestrategien sind auf die Dezentralität der Energieversorgung und -nutzung ausgerichtet. Folglich kann die Energiewende auch als Triebkraft für Innovationen von unten gesehen werden und zur Stärkung der Handlungskompetenzen und Rechte ("Empowerment") der VerbraucherInnen beitragen. Die Bereitschaft der VerbraucherInnen und der BürgerInnen, die Transformation des Energiesystems mitzugestalten und mitzutragen ist entscheidend, um aus der Rolle des einfachen "Consumers" heraus- und in die des "Prosumers" hineinzuwachsen.

Konkrete Fragen der Transformation zur Nachhaltigkeit

Die Energiewende steht noch am Anfang. Können die fossilen Energien bis 2050 oder spätestens 2070 durch erneuerbare Energien ersetzt werden, wie es von vielen WissenschaftlerInnen gefordert wird? Es ist noch offen, wie weitreichend eine gesellschaftliche Transformation sein wird, auf welchen Ebenen und von welchen Akteuren sie vorangetrieben wird und mit welchen Widerständen zu rechnen ist. Wie kommen wir vom Wissen zum Handeln, wie nehmen wir die Hürden, die uns auf dem Weg zur Energiewende begegnen? Das Buch "Im Hürdenlauf zur Energiewende" setzt sich mit diesen grundsätzlichen Dimensionen und mit sehr konkreten Fragen der Dekarbonisierung, Nachhaltigkeit und Transformation auseinander. Dazu gehört auch die Frage, wie mit den fossilen und nuklearen Hinterlassenschaften umgegangen wird und welche Lernprozesse, institutionellen Reformen sowie technischen und sozialen Innovationen notwendig sind. Es wird schließlich auf die Frage eingegangen, welche Herausforderungen sich auf den verschiedenen Handlungsebenen (international, national, regional bzw. kommunal) und für die verschiedenen Akteure stellen.

Zu den Autoren
Dr. Maria Rosaria Di Nucci und Dr. Achim Brunnengräber forschen und lehren am Forschungszentrum für Umweltpolitik (FFU) der Freien Universität Berlin im Bereich der Energie- und Klimapolitik. In einem vom BMBF finanzierten Forschungsprojekt beschäftigen sie sich mit der Endlagerung radioaktiver Abfälle in Deutschland und im internationalen Vergleich. Sie sind die Herausgeber des Buches "Im Hürdenlauf zur Energiewende".

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Quelle:
Im Hürdenlauf zur Energiewende