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09.07.2014 | Fahrzeugtechnik | Schwerpunkt | Online-Artikel

Weißbuch für autonomes Fahren geplant

verfasst von: Andreas Burkert

4 Min. Lesedauer

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Noch hält jemand das Steuer in der Hand. Doch in wenigen Jahren lassen die ersten OEMs autonom fahrende Autos von der Leine. Während die Technik derzeit kaum mehr Probleme bereitet, ist es der Fahrer, der stört. Die Daimler und Benz Stiftung will deshalb ein Weißbuch verfassen, um das Verhältnis zwischen Auto und Fahrer neu zu regeln.

Unachtsamkeit führt zum Crash. Der Mensch sollte daher die Finger vom Steuer lassen, schlussfolgern die Springer-Autoren Natasha Merat, Hamish A. Jamson, Frank Lai und Oliver Carsten. In "Human Factors of Highly Automated Driving: Results from the EASY and CityMobil Projects". Internationale Studien geben ihnen recht. Etwa 78 Prozent der Unfälle passieren, weil der Fahrer nicht, zu spät oder aber falsch auf die Verkehrssituation reagiert. Führende Automobilhersteller preisen genau aus diesem Grund das autonome beziehungsweise hochautomatisierte Fahren als Möglichkeit an, die Unfallzahlen drastisch zu senken. Doch lassen sich damit wirklich alle Verkehrssituationen beherrschen? Immerhin sitzt der Fahrer noch im Fahrzeug und muss aufgrund gesetzlicher Bestimmungen zu jederzeit die Kontrolle über das Automobil erlangen können. Stört also beim automatisierten Fahren der Fahrer wesentlich mehr?

Die Autoren beschreiben dazu mehrere Testverfahren, um zum einen das Verhalten des Autofahrers in kritischen Situationen zu analysieren. Zum anderen wollten sie wissen, was er während der Fahrt anstellt, wenn das Auto automatisiert unterwegs ist.

Wie wecke ich sicher den Fahrer während der Fahrt?

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Natürlich wird der Fahrer eines autonom fahrenden Automobils sich weniger konzentriert um das Verkehrsgeschehen kümmern, wie die Untersuchungsergebnisse im Beitrag zeigen. "Die größte Herausforderung besteht also darin, einen Weg zu finden, wie der Fahrer sicher die Kontrolle während der Fahrt übernimmt", so die Autoren. Dazu muss erkannt werden, wann dafür der beste Zeitpunkt ist und wie das Mensch-Maschine-Interface den Fahrer mit welchen Informationen warnt.

Doch noch lange bevor das teil- wie auch hochautomatisierte Fahren das Straßenbild prägt, will die Daimler und Benz Stiftung klären, wie technisch abgesicherte autonome Fahrzeuge vom Menschen wahrgenommen? "Wir wollen herausfinden, wie sich die Verkehrsmittelwahl von Privatpersonen in ihrem alltäglichen Mobilitätsverhalten durch die Einführung automatisierter Fahrzeuge in Zukunft verändert", erläutert Rita Cyganski vom Institut für Verkehrsforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Die Wissenschaftlerin untersucht für die Stiftung, welche Eigenschaften von autonomen Fahrzeugen in Abhängigkeit vom jeweiligen Nutzungsszenario künftig von Bedeutung sein werden und ob sie als Konkurrenz zu bisher bevorzugten Verkehrsmitteln wahrgenommen werden.

Villa Ladenburg hinterfragt Akzeptanz autonomer Fahrzeuge

"Die Schwierigkeit liegt darin, dass bisher nur wenig Erkenntnisse über die Wahrnehmung autonomer Fahrzeuge vorliegen, wir aber trotzdem klare Trends liefern wollen", betont die externe Spezialistin des Förderprojekts Villa Ladenburg der Daimler und Benz Stiftung. Vor diesem Hintergrund stellen nicht nur die Datenerhebung, sondern auch quantitative Analogieschlüsse eine Herausforderung für die Wissenschaftler dar. Um die notwendigen Daten zu generieren, wertet Cyganski unter anderem die Nutzung heutiger Verkehrsmittel aus, betreibt Literaturstudien und nutzt methodisch ausgefeilte Online-Umfragen.

Immerhin wird die Wahl eines Verkehrsmittels für einen bestimmten Weg durch zahlreiche Faktoren beeinflusst - emotionale wie rationale. Manche Kriterien sind dabei schwer zu erfassen, andere wiederum lassen sich leichter in ihrem Einfluss quantifizieren: Dazu gehören Personen- und Haushaltseigenschaften, Fahrtziele, Reisezeiten und -kosten oder der räumliche Kontext. Darüber hinaus werden nutzerorientierte Anwendungsfälle definiert. Was ist für mobilitätseingeschränkte Menschen oder Familien mit Kindern interessant? Müssen Gepäck oder Einkäufe schnellstmöglich während der Hauptverkehrszeit transportiert werden oder handelt es sich um eine gemütliche Freizeitfahrt ohne Zeitdruck? Führt die beabsichtigte Fahrt durch ein Wohn- oder Industriegebiet und gibt es genügend freie Parkplätze?

Forscher schaffen Weißbuch für autonomes Fahren

Neben diesen zahlreichen harten gibt es auch weiche Faktoren, die sich bereits bei heutigen Verkehrsmitteln nur schwer erfassen lassen. Dazu gehören Routine, Bequemlichkeit, Rückzugsbedürfnis, mangelndes Wissen über Verkehrsmittelalternativen, Abstimmungsverhalten zuhause oder das soziale Ansehen der Verkehrsmittel. "Wir können nicht alle dieser Faktoren abbilden", erklärt Cyganski. "Allerdings versuchen wir, sie zusammengefasst als Konglomerat in die Simulationen zu integrieren. Die Daten sollen schließlich in mikro- und makroskopische Verkehrsmodelle für den Personenverkehr der Zukunft einfließen."

Parallel zur technologischen Entwicklung identifizieren die vernetzt arbeitenden Wissenschaftler des Förderprojekts Villa Ladenburg die relevanten Themen und Inhalte. Ein Weißbuch soll nach Ende der Grundlagenforschung als Wissensbasis für Wirtschaft, Politik und Forschung zur Verfügung stehen. So kann der notwendige Diskurs mit den jeweiligen Interessengruppen und Entscheidern in der Gesellschaft gestartet werden.

Die Hintergründe zu diesem Inhalt

2014 | OriginalPaper | Buchkapitel

Autonomes Fahren — Utopie oder Wirklichkeit?

Neuartige Mobilitätskonzepte systematisch entwickeln
Quelle:
Radikale Innovationen in der Mobilität

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