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05.11.2014 | Management + Führung | Schwerpunkt | Online-Artikel

"Unternehmen müssen Geberkulturen etablieren"

5 Min. Lesedauer

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Die heutige Wettbewerbskultur in Unternehmen führt zu einer geringeren Produktivität und unzufriedenen Mitarbeitern. Deshalb müssen sich Unternehmen von Nehmer- in Geberkulturen wandeln, sagen die Springer-Autoren Thomas Kottmann und Kurt Smit im Interview.

Springer für Professionals: Wie ist es aus Ihrer Sicht um die Führungskultur in deutschen Unternehmen bestellt?

Thomas Kottmann und Kurt Smit: Wir beobachten in vielen Unternehmen – insbesondere in Kapitalgesellschaften – die Übernahme der in den USA häufig praktizierten (internen) Wettbewerbskultur (Nehmerkultur). Diese unreflektierte Kulturübernahme halten wir für grundlegend falsch, denn sie führt zu erheblichen Produktivitätseinbußen und steigender Unzufriedenheit der Mitarbeiter, verbunden mit erhöhten Krankheitsständen bis hin zum Burn-out. Nicht umsonst belegen Umfragen, dass 67 Prozent der Mitarbeiter deutscher Unternehmen innerlich gekündigt haben und nur noch Dienst nach Vorschrift machen. Der daraus resultierende volkswirtschaftliche Schaden dürfte sich im dreistelligen Milliardenbereich bewegen. Umgekehrt ließe sich die Produktivität in der zuvor genannten Größenordnung durch die Transformation dieser Nehmerkulturen in Geberkulturen steigern.

Wo sehen Sie den größten Handlungsbedarf? Was müssen Unternehmen an ihrer Führungskultur ändern?

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Wir sehen den größten Handlungsbedarf darin, Mitarbeiter und Führungskräfte in Reziprozität (Gegenseitigkeit) zu schulen. Auf diese Weise wird dem Einzelnen klar, dass (fremdbezogenes) Geberverhalten für seine persönliche Karriere und sein persönliches Einkommen die optimale Strategie im Umgang mit Kollegen, Kunden und Lieferanten ist. Zusätzlich führt diese Geberstrategie zu einer bis zu einem Faktor drei gesteigerten Produktivität des Unternehmens und einem Arbeitsumfeld, das den angeborenen menschlichen Bedürfnissen Rechnung trägt und entsprechend hohe Mitarbeiterzufriedenheit erzeugt.

In vielen Unternehmen wird immer noch mit Druck und Angst geführt. Welche Konsequenzen hat dies für die Unternehmen?

Durch diesen Führungsstil wird ein Klima der Kooperation (Geberkultur) nachhaltig unterbunden. Angst und Druck verkürzen den „Schatten der Zukunft“ (die Bedeutung zukünftiger Interaktionen im Vergleich zur gegenwärtigen) und stabilisieren so die unproduktive und der menschlichen Natur widersprechende Nehmerkultur. Führen durch Druck und Angst hat seinen Ursprung in den Anfängen von Industrialisierung und Massenproduktion, als Menschen zur Bewältigung der damaligen Aufgaben notwendigerweise instrumentalisiert wurden. Viele Führungskräfte ziehen den logisch falschen Schluss, dass das, was früher gut war, auch heute gut sein muss. Dabei übersehen sie den gravierenden Unterschied zwischen dem Arbeiter in der Massenproduktion und dem kreativen, mitdenkenden Mitarbeiter, der für die Bewältigung der Aufgaben in modernen Unternehmen essentiell ist.

Viele Mitarbeiter, das belegen unterschiedliche Studien, fühlen sich von ihrem Arbeitgeber nicht wertgeschätzt und haben innerlich gekündigt. Was können Unternehmen tun, damit sich die Mitarbeiter wieder mit ihnen identifizieren und ihre Potenziale entfalten können?

Unternehmen sollten eine Kultur der Kooperation erzeugen. Dazu sind Maßnahmen zu ergreifen, die den „Schatten der Zukunft“ verlängern und so Geberkulturen stabilisieren. Konkret bedeutet dies, ein Klima des Vertrauens, der Sicherheit und der Transparenz zu schaffen sowie die Führungskräfte zum internen Coach auszubilden und entsprechende kooperationsfördernde Organisationsstrukturen zu bilden. Speziell durch die Ausbildung der Führungskräfte zum Coach werden diese in die Lage versetzt, die Potenziale der Mitarbeiter zu erkennen, um Letztere entsprechend zu fördern. Zusätzlich können die Mitarbeiter durch die Führungskräfte in Reziprozität geschult werden und lernen, warum (fremdbezogenes) Geberverhalten für sie persönlich die optimale Strategie im Umgang mit ihrem jeweiligen Umfeld ist.

Es wird derzeit viel darüber diskutiert, dass die Generation Y andere Prioritäten setzt und beispielsweise Work Life Balance als wichtiger einstuft als Macht und Dienstwagen. Haben sich Unternehmen aus Ihrer Sicht schon darauf eingestellt?

Unserer Ansicht nach hat der Trend, Macht und Dienstwagen gegen „Wohlfühlen“ einzutauschen, seine Ursache genau darin, dass sich Menschen prinzipiell nicht in Wettbewerbsgesellschaften wohlfühlen können, weil es ihrer Natur widerspricht. Die Generation Y reagiert darauf, indem sie sich zumindest zum Teil diesem menschenverachtenden System durch einen Rückzug bzw. eine entsprechende Gewichtung des Privatlebens zu entziehen versucht. Dieser Trend wäre in Geberkulturen so nicht entstanden, weil dann die Interessen von Unternehmen und Mitarbeiter im Gleichklang wären.

Sie zitieren in Ihrem Buch eine Studie die herausfand, dass der Anteil von Psychopathen in Führungsetagen mit acht Prozent deutlich höher ist als in der Gesamtbevölkerung. Was ist in diesen Kontext unter Psychopath zu verstehen und wie können Unternehmen einer solchen Entwicklung entgegenwirken?

Unter Psychopathen sind in diesem Zusammenhang nicht jene massenmordenden Irren zu verstehen, die gelegentlich Schlagzeilen machen. Gemeint sind Menschen, die kein Mitgefühl für ihre Mitmenschen kennen, über oberflächlichen Charme verfügen mit dem sie ihre Mitmenschen sehr gut manipulieren können und sowohl verantwortungslos, als auch furchtlos agieren. Psychopathen zeichnen sich dadurch aus, ihr Nehmerverhalten wie Geberverhalten aussehen zu lassen. Das heißt, sie sind die geborenen Täuscher. Diese bereits bei der Besetzung freier Stellen zu identifizieren, ist von großer Bedeutung für ein Unternehmen, weil diese Typen Geberkulturen destabilisieren. Die Geschichte ist voll von Fällen, in denen Psychopathen nach anfänglichen oberflächlichen Erfolgen Unternehmen in den Abgrund gerissen haben.

Was verstehen Sie unter transkooptionaler Führung?

Unter Transkooption verstehen wir den Prozess der Transformation von Wettbewerbskulturen (Nehmerkulturen) hin zu Kooperationskulturen (Geberkulturen). Transkooptionale Führung bedeutet Maßnahmen zu ergreifen, Geberkulturen zu etablieren und zu stabilisieren. Dies ist äquivalent damit, den „Schatten der Zukunft“ für die Interaktionen zwischen allen Beteiligten zu verlängern. Zu diesem Zweck haben wir die fünf Säulen „Vertrauen“, „Sicherheit“, „Organisation“, „Coaching“ und „Transparenz“ identifiziert.

Zu den Personen
Thomas Kottmann ist Gründer und Inhaber des Trainings- und Beratungsunternehmens Kottmann & Partner in Paderborn. Begleitet seit über 25 Jahren Führungspersönlichkeiten und Unternehmen in ihrer Entwicklung. Dr. Kurt Smit zeichnet bei Kottmann & Partner Verantwortung für die Bereiche Führungskräfteentwicklung, Unternehmensethik und -organisation. In ihrem neuen Buch "Führungsethik" beschreiben die Autoren, was erfolgreiche Führung ausmacht
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Quelle:
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2014 | OriginalPaper | Buchkapitel

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