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25.09.2013 | Management + Führung | Interview | Online-Artikel

Wie Sie gegensätzliche Ziele ausbalancieren können

verfasst von: Andreas Nölting

4:30 Min. Lesedauer

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Mit Balance Managment können entgegen gerichtete Unternehmensziele parallel erreicht werden. Der Springer-Autor und Wirtschaftspsychologe Ralf Lanwehr erklärt im Interview, warum der gekonnte Spagat eine Voraussetzung für das langfristige Überleben von Unternehmen ist.

Springer für Professionals: Herr Lanwehr, Was verstehen Sie unter dem Begriff Balance Management?

Ralf Lanwehr: Beim Balance Management geht es um das gleichzeitige Erreichen gegensätzlicher Ziele. Früher mussten Unternehmen nur produktiv sein, kostengünstig produzieren können, früh am Markt sein. Durch die atemberaubende Entwicklung neuer Technologien sowie die zunehmende Globalisierung der Märkte und den somit stetig wachsenden Konkurrenzdruck besteht mittlerweile jedoch die Notwendigkeit, zusätzlich zur Produktivität auch innovativ zu sein, um die langfristige Konkurrenzfähigkeit sicherzustellen.  Dieses Prinzip lässt sich auch auf andere Bereiche eines Unternehmens übertragen: Mitarbeiter benötigen Kontinuität und Sicherheit, aber auch Flexibilität in ihrem Arbeitsalltag. Sie sollen gleichzeitig gefördert und gefordert werden. Durch eine gelungene Balance verschiedener Herangehensweisen und Taktiken im Bereich Mitarbeiterführung oder Unternehmenskultur lassen sich solche entgegen gerichteten Ziele parallel erreichen.

Welche gegensätzlichen Ziele gibt es in Unternehmen?

Moderne Manager und Organisationen befinden sich andauernd in Spannungsfeldern zwischen gegensätzlichen Zielen. Unternehmen sollen ihre Cash Cows möglichst effizient melken, gleichzeitig aber perspektivisch neue Einnahmequellen erschließen. Sie sollen zwar das Produktportfolio diversifizieren, sich parallel aber auf ihr Kerngeschäft konzentrieren. Die Aktionäre wünschen sich eine große Dividende, es müssen jedoch zeitgleich strategische Investitionen getätigt werden. Führungskräfte müssen Zeit- und Kosten­vorgaben bindend einhalten, aber zugleich innovative Konzepte einbringen. Sie sollen den Arbeitsfortschritt der Mitarbeiter kontrollieren, dabei jedoch deren Wahl der Wege freilassen, um die Entwicklung der Mitarbeiter zu fördern.  Unternehmen sollen langfristige Strategien verfolgen, aber gleichzeitig gute Quartalszahlen vorweisen. Gegensätzliche Ziele gibt es also auf allen Ebenen eines Unternehmens – und das in zunehmendem Maße, ob es sich dabei nun um Abteilungen wie Produktion und Controlling handelt oder um Themen wie Strategie, Unternehmenskultur und Mitarbeiterführung.

Worauf müssen Führungskräfte beim Thema Balance Management achten?

Wir wissen heute, dass erfolgreiche Führungskräfte ein breites Rollenportfolio beherrschen, das diverse Widersprüche in sich birgt. Die geflügelten Worte von „Zuckerbrot und Peitsche“ oder auch vom „Fordern und Fördern“ thematisieren das ja bereits sehr blumig. Führungskräfte müssen diesen Balanceakt beherrschen lernen: sie müssen wertschätzend kritisieren, wenn etwas falsch läuft. Sie müssen zu Innovativität ermuntern, ohne die Meilensteine aus dem Blickfeld zu verlieren. Sie müssen das Team nach außen vertreten und die Konkurrenz im Blick behalten, ohne dass die Innensicht darunter leidet. Das erfordert für gewöhnlich ein gewisses Umdenken, denn vielen Führungskräfte fehlt die Orientierung und Erfahrung beim Umgang mit gegensätzlichen Zielen. Für ein wirklich effektives Führungshandeln ist es deshalb unabdingbar, sich dem Thema systematischer und bewusster zu nähern. Da sehe ich allerdings noch großen Nachholbedarf.

Welcher Stellenwert wird dem Balance-Management in Zukunft zukommen?

Gerade in Deutschland hat Balance Management schon in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen, und diese Entwicklung wird sich fortsetzen:  Volkswagen zum Beispiel konkurrierte früher alleinig über den Preis. Das suggeriert bereits der Markenname und Modelle wie der erste Golf sollten günstige Mobilität in großem Rahmen ermöglichen. Heute kann Volkswagen preislich nicht mehr mit Billiganbietern wie Tata aus Indien Schritt halten, sondern muss durch andere Vorzüge punkten. Der heutige Golf beispielsweise ist ein kompaktes Mittelklassefahrzeug, das vor allem über seine hohe Verarbeitungsqualität, seine Sicherheit, Zuverlässigkeit und innovative Ausstattung konkurriert. Gerade in Ländern wie Deutschland stellt die Konzentration auf Qualität und Innovativität die zentrale Möglichkeit dar, langfristig auf dem Weltmarkt bestehen zu können. Wir haben kein Öl und  kein Gas, keine seltenen Erden und Diamanten, sondern sind gezwungen über unsere Technologien zu punkten – und das in zunehmender Geschwindigkeit. Gleichzeitig dürfen wir aber nicht vergessen, bestehende Technologien und Produkte auszuschöpfen, nicht zuletzt um Kapital für unsere Innovationen zu schaffen. In den USA zum Beispiel erleben heute weniger als 0.1 Prozent der Unternehmen ihren 40. Geburtstag, obwohl sie genügend monetäre Mittel und gutes Personal zur Verfügung haben, weil sie diesen Spagat nicht schaffen.

Was können Manager von Jürgen Klopps Führungsstil lernen?

Der „Kicker“ hat in einer großen Story vor einigen Jahren getitelt: Jürgen Klopp – ein knallharter Kumpel. Damit wird eine wesentliche Facette von Balance Management im Führungshandeln beschrieben. Einerseits empfinden die Spieler des BVB ihren Trainer als charismatisch, menschlich, nahbar und sympathisch, sie fühlen Wertschätzung für sich persönlich und für ihre Leistung. Andererseits muss ein Bundesligatrainer jedoch auch imstande sein zu sanktionieren, Regeln vorzuschreiben, Prozesse zu kontrollieren und Werte vorzuleben. Es wird vermutlich niemanden verwundern zu lesen, dass Jürgen Klopp in der Kabine auch mal unglaublich laut und bestimmend werden kann. Der entscheidende Punkt dabei ist jedoch, dass die Spieler in dem Zusammenhang nie das Gefühl bekommen, dass bei aller Kritik die grundsätzliche Wertschätzung der Person oder Bereitschaft der individuellen Förderung fehlen würde. Das ist der Kern balancierender Führung.

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