Skip to main content

2016 | OriginalPaper | Buchkapitel

6. Themenfelder und Herausforderungen

verfasst von : Fritz Reheis

Erschienen in: Politische Bildung

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
loading …

Zusammenfassung

In Kap. 3.1 wurde die verfassungsmäßige Grundstruktur unseres Gemeinwesens als pluralistische Demokratie gekennzeichnet. Diese Pluralität wird jedoch in den öffentlichen Diskursen und auch im Bewusstsein von Lernenden und Lehrenden selten ausgeschöpft. Wir haben es vielmehr, so meine Ausgangsdiagnose, mit einer systematischen Engführung des Blickes zu tun, die dem Anspruch unserer Grundordnung nicht gerecht wird. Für diese Engführung soll im Folgenden sensibilisiert werden. Dazu werden einige der Themen und Herausforderungen, denen sich die Politische Bildung zu Beginn des 21. Jahrhunderts stellen muss, herausgegriffen. Ein besonderes Augenmerk gilt den gedanklichen Weichenstellungen, die den unterschiedlichen Positionen zugrunde liegen.

Sie haben noch keine Lizenz? Dann Informieren Sie sich jetzt über unsere Produkte:

Springer Professional "Wirtschaft+Technik"

Online-Abonnement

Mit Springer Professional "Wirtschaft+Technik" erhalten Sie Zugriff auf:

  • über 102.000 Bücher
  • über 537 Zeitschriften

aus folgenden Fachgebieten:

  • Automobil + Motoren
  • Bauwesen + Immobilien
  • Business IT + Informatik
  • Elektrotechnik + Elektronik
  • Energie + Nachhaltigkeit
  • Finance + Banking
  • Management + Führung
  • Marketing + Vertrieb
  • Maschinenbau + Werkstoffe
  • Versicherung + Risiko

Jetzt Wissensvorsprung sichern!

Springer Professional "Wirtschaft"

Online-Abonnement

Mit Springer Professional "Wirtschaft" erhalten Sie Zugriff auf:

  • über 67.000 Bücher
  • über 340 Zeitschriften

aus folgenden Fachgebieten:

  • Bauwesen + Immobilien
  • Business IT + Informatik
  • Finance + Banking
  • Management + Führung
  • Marketing + Vertrieb
  • Versicherung + Risiko




Jetzt Wissensvorsprung sichern!

Fußnoten
1
Marx 1844, S. 516.
 
2
Z. B. Burzan 2008.
 
3
Richard Wilkinson und Kate Pickett (2009) haben in zahlreichen empirischen Vergleichsuntersuchungen die Folgen Sozialer Ungleichheit nachgewiesen: Je höher die Soziale Ungleichheit, desto schlechter der Gesundheitszustand, vor allem der psychische, desto weniger soziales Vertrauen, desto niedriger die Lebenserwartung, desto größer die Tendenz zur Abwertung der Schwachen und damit die Entstehung rechtsradikaler Einstellungen. Verantwortlich dafür machen Wilkinson und Pickett den sozialen Stress, der mit ständiger Status-Konkurrenz einhergeht.
 
4
SZ 24./25./26.12.2012.
 
5
Als Überblick z. B. Huster/Boeckh/Mogge-Grotjahn 2008.
 
6
Im Folgenden z. B. Gloel/Gützlaff 2005.
 
7
Z. B. Kühnl 1978.
 
8
V. a. Sinus-Institut Heidelberg, Forschungsgruppe zur Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit am Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung Bielefeld und Forschungsgruppe um Elmar Brähler und Oliver Decker an der Universität Leipzig.
 
9
In der Philosophie wird zwischen Freiheit der Wahl (formal freie Auswahl unter gegebenen Alternativen), Freiheit der Handlung (setzt entsprechende inhaltliche bzw. sozial bedeutsame Mittel voraus) und Freiheit des Willens (reflektierende Vernunft) unterschieden.
 
10
Grundlegend zum liberalistischen Paradigma in den Wirtschaftswissenschaften und dem ihm zugrunde liegenden Methodologischen Individualismus vgl. Reheis 1986.
 
11
Im Folgenden Reheis 1991. Dazu z. B. auch Hedtke 2008.
 
12
Vgl. Peter Ulrichs integrativer wirtschaftsethischer Ansatz (Ulrich 1986), Immanuel Wallersteins Systemansatz (Wallerstein 1986) und Holger Rogall als Überblick zu ökologischen und evolutionären Ansätzen in den Wirtschaftswissenschaften (Rogall 2002).
 
13
Z. B. Binswanger 2006.
 
14
Z. B. Human Development Index der UNO oder Happy Planet Index. Siehe auch die Vorschläge des im Frühjahr 2013 veröffentlichten Berichts der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“. Deutscher Bundestag 2013.
 
15
Dies hängt damit zusammen, dass es über längere Zeiträume tendenziell mehr Nachfrage nach als Angebot von Arbeitsplätzen gibt, weil langfristig lebendige Arbeit durch tote (maschinelle) Arbeit ersetzt wird und weil über die Frage, wie dieser Zuwachs an menschlicher Verfügungsmacht (der sich dem technischen Fortschritt verdankt) genutzt werden soll, aufgrund des privaten Eigentums an den Produktionsmitteln und der Konkurrenzzwänge der marktgesteuerten Kapitalverwertung nicht demokratisch entschieden wird.
 
16
Würden die Arbeitnehmer selbst Eigentümer ihrer Betriebe sein (z. B. in einem Genossenschaftssystem), könnten sie dort auch ihre arbeitsbezogenen Bedürfnisse einbringen. Weil in einem solchen nicht kapitalistischen, aber nach wie vor marktwirtschaftlichen System (Laborismus statt Kapitalismus) dann vermutlich langsamer und weniger gearbeitet würde, wären damit die Chancen auf Vollbeschäftigung größer. Vgl. Vogt 1986.
 
17
Einen Überblick bietet Reheis 2011, S. 146–154.
 
18
Durch den so genannten Realen Sozialismus ist dieser Begriff massiv beschädigt worden. Oskar Negt plädiert dafür, im Falle des Festhaltens am Sozialismusbegriff in Theorie und Praxis die Subjektivität des Menschen ins Zentrum zu stellen. Negt 2010, S. 523–544.
 
19
Weidenfeld 1999, S. 22.
 
20
Zur Vertiefung der Themen Europa und Euro aus kritischer Perspektive z. B. Wehr 2012 und Zeise 2012.
 
21
Grundlegend zur Globalisierung als Herausforderung der Politischen Bildung: Steffens 2010.
 
22
Vgl. z. B. Rappenglück 2005
 
23
Vgl. z. B. Holzbrecher 2005 und Asbrand/Scheunpflug 2005.
 
24
Zur Vertiefung Gloel/Gützlaff 2005, v. a. S. 72–106.
 
25
Amery 1998.
 
27
Sarrazin 2010.
 
28
Deshalb wollte Hitler dafür sorgen, dass die Herrenrasse als „Volk ohne Raum“ neuen Lebensraum im Osten bekommen konnte. Hitler fordert in „Mein Kampf“ ausdrücklich, vom „marxistischen“ Irrglaube abzurücken, Menschen seien gleich viel wert und müssten sich in allen Fragen, die sie gemeinsam betreffen, am demokratischen Mehrheitsprinzip orientieren. Stattdessen müsse der Starke über den Schwachen herrschen, der Wertvolle über den weniger Wertvollen. Vgl. Kühnl 1975, S. 113 f.
 
30
Z. B. Kriegszieldenkschrift des Reichskanzlers Theobald von Bethmann Hollweg vom 9.9.1914, in: Kühnl 1975, S. 24 f.Vgl. Reheis 1996.
 
31
Geppert zeigt am Beispiel der Integration der deutschen Länder zum Deutschen Reich im 19. Jahrhundert und am Beispiel der Integration Ost- und Westdeutschlands nach der Wiedervereinigung, dass im Falle einer wirklichen Angleichung der europäischen Volkswirtschaften ungleich größere Anstrengungen erforderlich wären. Geppert 2013.
 
32
Um das Jahr 1000 waren alle Länder Europas noch ungefähr gleich arm, um 1500 betrug das Verhältnis zwischen Italien und Finnland, dem damals ärmsten Land Europas 2,5:1, 500 Jahre später, im Jahr 2007, lag die größte Differenz zwischen den Regionen der EU bei einem Verhältnis von 12:1. Nolte 2013, S. 36.
 
33
Z. B. Hesse 1982.
 
34
Zur Erklärung der Auseinanderentwicklung von Zentrum und Peripherie durch einen strukturell bedingten und sich verschärfenden „ungleichen Tausch“ zwischen beiden Sphären vgl. v. a. Wallerstein 1974 und 1986.
 
35
Negt 2013, S. 23. Zur Vertiefung Negt 2012.
 
36
Kohr 1957.
 
37
Schumacher 1985.
 
38
Man könnte ergänzen: Auch die zeitliche Beschleunigung, die parallel zu der von den Konzernen vorangetriebenen räumlichen Landnahme der Verbesserung der Verwertungsmöglichkeiten dient, erzeugt Kontrollverlust.Vgl. Reheis 1996.
 
39
Im Folgenden z. B. Jahn 2001.
 
40
Und auch die innere Natur des Menschen ist nur teilweise Ergebnis der biologischen Evolution, weil unsere Sinnesorgane, unsere Muskulatur und unser Immunsystem ganz stark durch die soziokulturelle Umwelt geprägt sind.
 
41
Sternberger 1986, S. 7, zitiert nach Negt 2010, S. 11.
 
42
Welzer 2010.
 
43
Rinke/Schwägerl 2012.
 
44
Man beruft sich dabei oft auf einen auf die römische Gerichtsbarkeit in der Antike zurückgehenden Grundsatz, nach dem der Richter bei Beschuldigungen stets auch die andere Seite anhören soll (audiatur et altera pars).
 
45
Z. B. Woyke 2001.
 
46
Die Zusammenarbeit zwischen dem militärischen Teil der NATO und der ganz und gar zivilen UNO ist entsprechend den rechtlichen Vorgaben so konzipiert, dass die UNO in einem ernsten Konfliktfall zuerst all ihre Vermittlungsbemühungen ausreizen muss, ehe durch eine Resolution im UNO-Sicherheitsrat militärische Maßnahmen erlaubt werden können.
 
47
Paech 2012.
 
48
Kuckartz 1998.
 
49
Oberle 2012.
 
50
Analoges gilt im Übrigen auch für die sozio-kulturelle Umwelt: Je brüchiger das Vertrauen zu den Nachbarstaaten ist, desto mehr wird für die eigene Absicherung unternommen. Und je mehr ein Staat für seine Sicherheit tut, umso gefährlicher wirkt er wiederum auf seinen Nachbarn. Wir haben es hier also mit einem klassischen Sicherheitsdilemma zu tun, das sich in Verbindung mit der ökologischen Dimension noch einmal verschärft.
 
51
Z. B. Sander 2005.
 
52
Z. B. Kahlert 2005.
 
53
Senghaas v. a. 1995 und 2000.
 
54
Reheis 2011, Kap. 9.
 
55
Auch den Lernprozess selbst verstehen die Vertreter des evolutionären Paradigmas des Globalen Lernens als einen im Prinzip evolutionären Vorgang, in dem das Lernsubjekt durch seine Fähigkeit zur Selbstorganisation aus dem Chaos der Informationen seine eigene Ordnung konstruiert. Lernprozesse können also nie von außen durch Instruktion erzeugt werden, sie sind vielmehr immer nur Resultat von äußeren Lernangeboten, die vom Lernenden aufgegriffen werden, wenn sie ihm sinnvoll erscheinen – oder eben nicht. Am evolutionären Blick auf das Globale Lernen sind drei Punkte besonders bemerkenswert. Erstens: Indem er bewusst macht, dass unsere Gegenwart zwischen Vergangenheit und Zukunft eingebettet ist, ergibt sich automatisch die Frage, wie es weitergeht. Damit ist eine (wenn auch nicht explizite) Kritik an den so genannten Sachzwängen und an der angeblichen Alternativlosigkeit der gegenwärtigen Problemlösungen ausgesprochen. Zweitens: Durch die Einbettung der sozialen und kulturellen Evolution in die sehr viel ältere Geschichte der natürlichen Evolution zeigt der Ansatz die Grenzen auf, die der Mensch bei all seinen Fortschrittsbemühungen zu respektieren hat. Und drittens eröffnet die evolutionäre Perspektive den Blick auf die grundlegende Bedeutung der Zeitdimension, die sich in Hinblick auf das Verständnis politischer Bildungsprozesse als ausgesprochen fruchtbar erweist.
 
56
Zur Vertiefung z. B. Overwien/Rode 2013.
 
57
Reheis 2005, 2006, 2009b und 2012.
 
58
Zur Vertiefung Reheis 2009a.
 
59
Im Folgenden z. B. Döhn 1977.
 
60
Im Folgenden z. B. Fritsche 1977.
 
61
Günther, zit. nach Fritzsche 1977, S. 66.
 
62
Im Folgenden z. B. Kraiker 1977 und Huster 1977.
 
63
Für Marx allerdings war der Sozialismus nur eine Vorstufe zum Kommunismus. Beide Stufen sind durch unterschiedliche Grundsätze des Verhältnisses zwischen dem Menschen und dem, was er zum Leben braucht, abgegrenzt: Im Sozialismus gilt das Prinzip „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seiner Leistung“, im Kommunismus aber „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen“. Damit zielt der Sozialismus auf die erstmalige Durchsetzung, der Kommunismus auf die endgültige Überwindung des Leistungsprinzips. Kommunisten erwarten zudem, dass in der Endphase der Revolution auch der Staat als Herrschaftsinstrument überflüssig wird und sich die Gesellschaft politisch selbst organisiert.
 
64
In Bezug auf die Frage, wie eine sozialistische Demokratie organisiert sein könnte, gibt es eine Fülle von Antworten. Grundsätzlich werden die Funktionsteilung zwischen der Marktkoordination der Individuen im Bereich der Wirtschaft und der Koordination über Beratung, Wahl und Abstimmung im Bereich des Staates aufgegeben. Auch der Parlamentarismus gilt in einer sozialistischen Demokratie als nur eine mögliche Form der Demokratie, die zumindest ergänzungsbedürftig ist und ggf. sogar auch ganz durch andere Formen abgelöst werden kann. Diese anderen Formen können vielleicht grob in zwei Unterformen eingeteilt werden: in solche, die mehr die Inhaltsseite, also die Vernunftqualität des Prozesses der Gemeinwohlfindung betonen (diskursive bzw. deliberative Demokratie), und solche, die den Akzent auf die formale Seite, also die Quantität der Beteiligung bei der Willensbildung durch Wahl und Abstimmung legen (partizipative Demokratie, Rätedemokratie). Diese Einteilung orientiert sich an Habermas, der im Zusammenhang mit demokratischer Öffentlichkeit und Willensbildung zwischen Ratio (Qualität der Ergebnisse) und Voluntas (Quantität bzw. Grad der Beteiligung) unterscheidet. Habermas 1962, S. 159 f. und S. 216.
 
65
Diese Transfers von den Starken zu den Schwachen können als Reparationsleistungen für die Schäden, die die Starken den Schwachen durch Jahrhunderte lange koloniale und neokoloniale Ausbeutungsbeziehungen zugefügt haben, begriffen werden. Sie sind aber auch als Preis für die Jahrtausende währende wechselseitige kulturelle Befruchtung zu sehen. In der Tat haben die Europäer den Griechen, den Arabern, den Afrikanern oder den Chinesen einen beachtlichen Teil ihrer Kultur zu verdanken. Und diese Transfers können schließlich auch als Investitionen in eine Zukunft interpretiert werden, in der die wechselseitige kulturelle und menschliche Bereicherung durch lebendigen Austausch zwischen den Völkern der Erde gute Chancen hat.
 
66
Marx 1894, S. 784.
 
67
Kirchner 2013.
 
68
Von Vertretern der digitalen Demokratie werden im Zusammenhang mit politischer Partizipation und Willensbildung vor allem die Vorteile der geringen Barriere des Zugangs, die erweiterten Möglichkeiten der Delegation, die Instrumentarien zur Dokumentation und die Beschleunigung der Kommunikation genannt. Von Kritikern wird darauf verweisen, dass ein Teil dieser Möglichkeiten neue Risiken erzeugt, weil z. B. die Teilnehmer für ihre Klicks nicht persönlich haften müssen, weil im Netz nicht nur die Schwarmintelligenz, sondern auch die „Schwarmdummheit und –feigheit“ (Karl-Rudolf Korte) regieren können, weil der schon durch die Finanzmärkte entstandene Widerspruch zwischen globaler Vernetzung und regionaler oder lokaler Kontrolle noch einmal verstärkt werden könnte und weil durch die Transparenz und Beschleunigung jene Schutzräume, in denen Demokratie erst gedeihen kann (Diskretion, Diplomatie, Reifezeit für Überzeugungen) verloren gehen könnten. Borchardt 2012.
 
Metadaten
Titel
Themenfelder und Herausforderungen
verfasst von
Fritz Reheis
Copyright-Jahr
2016
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-09463-8_6