Skip to main content

2021 | OriginalPaper | Buchkapitel

4. Theoretische Annäherung an den Nutzen und die Kosten des Ehrenamtes für Organisationen der Sozialen Dienste

verfasst von : Stefanie Lünsmann-Schmidt

Erschienen in: Lauter gute Leute

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
loading …

Zusammenfassung

Dieses Kapitel dient der theoretischen Annäherung an die Frage, worin der Nutzen des Ehrenamts für die Sozialen Dienste besteht, welche Kosten zu erwarten sind und welche Strategien des Umgangs mit potenziellen Kosten zu erwarten sind. Ziel ist es, diese Fragen für eine empirische Untersuchung analytisch handhabbar zu machen. Das Kapitel teilt sich in zwei Unterkapitel: In Abschn. 4.1 wird mittels eines neoinstitutionalistischen Zugangs (Suchman 1995) sowie des institutionenökonomischen Signalingansatzes (Spence 1973) diskutiert, ob und inwiefern der Nutzen des Ehrenamts für die Sozialen Dienste ein legitimativer sein könnte. Dies knüpft an den Forschungsstand an, in dem vermutet wurde, dass vom Ehrenamt legitimierende Signale ausgehen, die die Organisationen nutzen können. Abschn. 4.2 greift die Fragestellungen nach der Kostenseite des Ehrenamtes und möglicher Umgangsstrategien damit auf. Im Forschungstand wurde konstatiert, dass ein ökonomischer Ertrag und Nutzen ohne die Betrachtung potenziell anfallender Kosten nicht ermittelt werden kann. Anhand der Transaktionskostentheorie wird diskutiert welche organisationalen Konstellationen kostentechnisch vor- und nachteilhaft sind und für welche Organisationen, differenziert nach ihrer Formalstruktur und der Koordinationsweise des Ehrenamtes, welcher Umgang mit Kosten zu erwarten ist. Die Unterkapitel schließen jeweils mit forschungsleitenden Annahmen, die im empirischen Teil der Arbeit geprüft werden.

Sie haben noch keine Lizenz? Dann Informieren Sie sich jetzt über unsere Produkte:

Springer Professional "Wirtschaft+Technik"

Online-Abonnement

Mit Springer Professional "Wirtschaft+Technik" erhalten Sie Zugriff auf:

  • über 102.000 Bücher
  • über 537 Zeitschriften

aus folgenden Fachgebieten:

  • Automobil + Motoren
  • Bauwesen + Immobilien
  • Business IT + Informatik
  • Elektrotechnik + Elektronik
  • Energie + Nachhaltigkeit
  • Finance + Banking
  • Management + Führung
  • Marketing + Vertrieb
  • Maschinenbau + Werkstoffe
  • Versicherung + Risiko

Jetzt Wissensvorsprung sichern!

Springer Professional "Wirtschaft"

Online-Abonnement

Mit Springer Professional "Wirtschaft" erhalten Sie Zugriff auf:

  • über 67.000 Bücher
  • über 340 Zeitschriften

aus folgenden Fachgebieten:

  • Bauwesen + Immobilien
  • Business IT + Informatik
  • Finance + Banking
  • Management + Führung
  • Marketing + Vertrieb
  • Versicherung + Risiko




Jetzt Wissensvorsprung sichern!

Fußnoten
1
Die funktionalistische Dimension des Legitimitätsbegriffs selbst bliebt jedoch trotz seiner exponierten Stellung in neo-institutionalistischen Arbeiten wenig systematisiert und in gewisser Hinsicht „taken for granted“ (Hellmann 2006, S. 78). Jedoch blieb er auch unter Bezugnahme an auf die wegweisenden Arbeiten von Weber (1922) sowie Berger und Luckmann (1977) nie gänzlich bezugslos. Zentral für Legitimitätsverständnis im Neo-Institutionalismus ist der Weber’sche Nexus zwischen Herrschaftslegitimität und Legitimationsglauben (1922), der später in die Arbeiten von Berger und Luckmann (1977) eingeflossen ist. Legitimität bindet, so Weber, den Herrscher an den Legitimationsglauben des Beherrschten und somit an seine eigene Legitimationspraktik. Berger und Luckmann (1977) machten den Legitimitätsbegriff auch über Herrschaftsfragen hinaus gebrauchsfähig. Sie argumentieren, dass gesellschaftliche Objektivität über geteilte Institutionen hergestellt würde. Jedoch bedürfe jede Institutionalisierung (explizit nicht ausschließlich Herrschaftsverhältnisse wie bei Weber) der Legitimierung und somit dem Legitimitätsglauben an die Institution.
 
2
Signale können auf zwei Arten betrachtet werden: ausgehend vom zu betrachtenden, sehr konkreten Signal (beispielsweise vom Internetauftritt, auf denen ehemalige Klient*innen von ihren positiven Erfahrungen mit der Organisation berichten, sog. Testimonials) oder ausgehend von ihrer Funktionalität (dem heuristischen Beispiel folgend: ihrer angestrebten Wirkungsweise auf potenzielle und aktuelle Klient*innen, Mitglieder, Spender*innen, politische Akteure). Der Charme einer vom Gegenstand ausgehenden Betrachtung liegt in der hohen Bindung an das alltägliche Erleben und das wissenschaftliche Arbeiten ausgehend vom konkreten ‚Fall‘. Beispiele für das Senden von vertrauenserweckenden Signalen sind schnell gefunden. Mission Statements, Homepages, Unternehmenszeitungen und Beobachtungen sind erprobte Fundgrube, das Gefundene wird der Signaltauglichkeit unterzogen und mit Zuschreibungen versehen. Der Nachteil offenbart sich im nächsten Schritt: Das Ergebnis, eine riesige und, mehr oder weniger, eklektistische Sammlung von Artefakten, intentionellen Regeln, Normen und Handlungen, sperrt sich gegen eine tiefere Systematisierung. Ein von der Funktion der Signale ausgehender und damit wesentlich abstrakterer Ansatz geht den umgekehrten Weg und betrachtet die funktionellen Wirkungsweisen.
 
3
Zur „Soziologie der Spenden“ liegen umfassende Arbeiten (Voss 1993; Adloff 2010, 2018) vor, auf die an dieser Stelle leider nicht eingegangen werden kann.
 
4
Suchman (1995, S. 578) bezeichnet dies als Zuschreibung „Pragmatischer Legitimität“.
 
5
Suchman (ebd. S. 579) bezeichnet dies, unter Abgrenzung von jedweder normativen Aufladung, die mit dem Begriff einhergehen könnte, als Erwerb „moralischer Legitimität“.
 
6
Zum Begriff der Gerechtigkeit siehe ausführlich Stephan, Struck und Köhler (2008).
 
7
In Kap. 2 wurde nachskizziert, dass es eine Verdrängung des Engagements in die Randbereiche der Organisation gab, wo Ehrenamtliche zuarbeitende Einfachtätigkeiten übernehmen. Dies lässt vermuten, dass Signale der Bereitschaft, Ehrenamtlichen eine attraktive Tätigkeit anzubieten, in den Sozialen Dienste weiterhin eine eher untergeordnete Rolle spielt.
 
8
Die Professionalisierung der Organisationen verschärft darüber hinaus den Konflikt zwischen Mitgliedschafts- und Einflusslogiken, der weiter oben diskutiert worden ist. Mit der Professionalisierung von Dienstleistungen und einem effizienten Management und geht spätestens auch die Professionalisierung der Interessenpolitik und damit die Deutungsmacht der Hauptamtlichen einher. In der wissenschaftlichen Literatur wird dies unter dem Thema der Verdrängung der Ehrenamtlichen zugunsten von Fachpersonal diskutiert – und zumeist kritisiert (Beher et al. 1999; Sachße 2000; Zimmer und Rauschenbach 2011).
 
9
Diese Darstellung lehnt an der Darstellung von Schmid und Mansour (2007) (Abbildung S. 24) an. Diese wiederum haben das „Dreieck des Organisationsdilemmas von Willensverbänden (Wiesenthal 1993) ergänzt. Weitere Zwischenschritte stammen von Evers (1990) und Evers und Laville (2004; „Wohlfahrtsdreieck“) und Neumayr (2010; „Funktionsdreieck“).
 
10
Es gibt empirische Hinweise darauf, dass sich die Mitgliedschaftsmotive von Hauptamtlichen in Interessenorganisationen nicht grundsätzlich von den Motiven der Ehrenamtlichen unterscheiden. Tatsächlich werden von Hauptamtlichen, in Aussicht auf Motiverfüllung, selbst vergleichsweise geringe Gehälter akzeptiert, die an „Selbstausbeutung“ grenzen, wie Frantz (2005) zeigen konnte.
 
11
Die Frage, ob es für eine Organisation sinnvoller ist, eine Leistung von einem Hauptamtlichen produzieren zu lassen (‚make with staff’) oder durch einen Ehrenamtler (‚make with volunteer’), lässt sich transaktionskostentheoretisch auch als Make-or-Buy Problem abbilden. Das setzt allerdings voraus, dass Ehrenamtler nicht als Mitglieder der Organisation begriffen werden, sondern als auf dem Markt verfügbare Freiwillige. Unter Mitgliedschaft ist hier ein organisationssoziologischer Mitgliedschaftsbegriff gemeint (Scott 1995) – keineswegs etwa die formalisierte Mitgliedschaft in einem Verein. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es die Möglichkeit, auf einen Markt von Freiwilligen zurückzugreifen, gibt und dass sie auch in der Praxis ihre Anwendung findet. Realistischer scheint es jedoch, Ehrenamtliche regelmäßig zu den Mitgliedern der Organisation zu zählen. Meist ist das Engagement von Ehrenamtlichen auf Dauerhaftigkeit angelegt (Ehrhardt 2011; Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2017), und auch wenn ihr Engagement kurzfristig und projektbasiert ist, so findet es doch in der Organisation, d. h. in einer Form des direkten Austausches mit dem hauptamtlichen Personal oder anderen Ehrenamtlichen, statt.
 
12
Es stellt sich dem Leser oder der Leserin vielleicht die Frage, warum, wenn ein Einfluss der Formalisierung unabhängig von der Formalstruktur vermutet wird, diese überhaupt zu betrachten ist. Gleichermaßen liegt hier ein Kern des Aufklärungsinteresses qualitativer Organisationsforschung: Die Betrachtung und Erklärung von strukturellen „Anomalien“ in Organisationen, sprichwörtlich die Ausnahmen von den Regeln. Betrachtenswert ist in diesem Sinne die Frage, ob und warum, Soziale Dienste mit der Formalisierung des Ehrenamtes unterschiedlich zur Formalisierung ihres Kerngeschäftes verfahren.
 
Metadaten
Titel
Theoretische Annäherung an den Nutzen und die Kosten des Ehrenamtes für Organisationen der Sozialen Dienste
verfasst von
Stefanie Lünsmann-Schmidt
Copyright-Jahr
2021
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-33098-9_4

Premium Partner