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15.01.2015 | Umwelt | Schwerpunkt | Online-Artikel

Sachverständigenrat für Umweltfragen thematisiert Stickstoff

verfasst von: Julia Ehl

3:30 Min. Lesedauer

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"Die zu hohen Erträge von Stickstoffverbindungen sind eines der großen ungelösten Umweltprobleme unserer Zeit", stellt der Sachverständigenrat für Umweltfragen in seinem neusten Sondergutachten fest und zeigt Lösungsstrategien.

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) legt in seinem Sondergutachten "Stickstoff: Lösungsstrategien für ein drängendes Umweltproblem" eine Bestandsaufnahme des Stickstoffproblems vor und benennt Handlungsvorschläge für Gewässer- und Naturschutz, für Luftreinhaltung und den Landwirtschafts- und Verkehrssektor.

Die durch Stickstoffverbindungen hervorgerufenen Umweltbelastungen resultieren aus der Umwandlung des nicht-reaktiven Luftstickstoffs in reaktive Stickstoffverbindungen. Sie werden vor allem freigesetzt durch Düngemittel, Tierhaltung und Verbrennungsprozesse und haben Einfluss auf die Biodiversität, die Konzentration der Treibhausgase und die Boden-, Wasser- und Luftqualität. Der SRU weist darauf hin, dass die Grenzen der ökologischen Tragfähigkeit bei der Stickstoffbelastung aus globaler Sicht bereits überschritten sind, die Problematik aber nicht in ihrer gesamten Tragweite wahrgenommen und bearbeitet wird.

Empfehlungen des Sachverständigenrats für Umweltfragen

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Nationale Stickstoffstrategie erarbeiten

Zusammen mit den Bundesländern soll die Bundesregierung eine politisch hochrangig verankerte nationale Strategie entwickeln, die die stickstoffrelevanten Ziele darstellt, bestehende Maßnahmen bündelt, den mittel- und langfristigen Handlungsbedarf identifiziert und durch ein regelmäßiges Monitoring überprüft.

Zielsystem auf mehreren Ebenen weiterentwickeln

Das Zielsystem sollte folgende übergreifenden Handlungsziele beinhalten:

  • Festlegung von Reduktionszielen auf nationaler, europäischer und globaler Ebene

  • Verschärfung der nationalen Emissionshöchstmengen für Stickstoffoxide und Ammoniak

  • Verschärfung der Grenzwerte für die Luftqualität. Die Luftqualitätszielwerte und –grenzwerte für Feinstaub und Ozon sollten an die strengeren Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) angepasst werden.

  • Die gesteckten Ziele im Gewässerschutz sind anspruchsvoll, werden aber verfehlt. Selbst die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) in Deutschland reicht zur Zielerreichung nicht aus.

  • Im Biodiversitätsschutz haben sich sowohl EU als auch Bundesregierung hohe Ziele gesetzt. Der SRU geht davon aus, dass diesen Ziele ohne einen drastischen Politikwechsel nicht erreicht werden. Darüber hinaus empfiehlt der SRU auch für Ammoniak Grenzwerte in die Luftqualitätsrichtlinie aufzunehmen.

Einander ergänzende Handlungsansätze verfolgen

Wichtigste reaktive
Stickstoffverbindungen

Ammoniak (NH3)

Ammonium (NH4+)

Stickstoffoxide (NO und NO2)

Nitrat (NO3-)

Nitrit (NO2-)

Lachgas (NO2)

Organische Verbindungen

Die Belastung durch reaktive Stickstoffverbindungen ist regional unterschiedlich. Im Gutachten wird daher empfohlen die Hintergrundbelastung und Einträge in Hotspots und empfindliche Gebiete zu reduzieren, den Schutz von Ökosystemen durch naturschutzfachliche Maßnahmen zu verstärken und wenig belastete Gebiete zu erhalten.

Einträge aus der Landwirtschaft reduzieren

Als größter Emittent von Stickstoffverbindungen sollte der Landwirtschaft bei einer Emissionsminderung eine Schlüsselrolle zugewiesen werden. Dazu muss das ordnungsrechtliche Instrumentarium geschärft und der Vollzug verbessert werden. Der SRU fordert im Gutachten die EU-Agrarpolitik zu reformieren und umzusetzen, ebenso die Düngeverordnung zu reformieren und zu vollziehen, ordnungsrechtliche Maßnahmen in den Bundesländern zu ergreifen, eine Stickstoffüberschussabgabe einzuführen, die Vorgaben räumlich zu differenzieren und die Anforderungen an Tierhaltungsanlagen zu verschärfen.

Biogaserzeugung umweltgerecht gestalten

Der SRU vertritt die Ansicht, dass Neuanlagen zur Biogaserzeugung auf der Nutzung von Rest- und Abfallstoffen basieren sollten. Wichtiger ist aber, die Umweltauswirkungen bestehender Anlagen zu verringern und dies über die nächste Novellierung des EEG durch Anreize zu steuern.

Lebensmittelkonsum schrittweise ändern

Der hohe Verbrauch an tierischen Produkten wie Fleisch, Eier und Milch muss reduziert werden. So sollten sich die Umweltkosten stärker im Preis der tierischen Produkte spiegeln. Der SRU empfiehlt daher beispielsweise den verminderten Mehrwertsteuersatz für Fleisch, Eier und Milchprodukte abzuschaffen. Auch sollten die Verbraucherinformationen hinsichtlich der Stickstoffeinträge durch den Gemüseanbau verbessert werden.

Verkehr technisch und strukturell umgestalten

Für eine Verminderung der Stickstoffemissionen müssen im Verkehr technische und strukturelle Maßnahmen getroffen werden. Der SRU empfiehlt hierzu die Abgasnormen und Umweltzonen weiterzuentwickeln, Dieselfahrzeuge gegenüber Benzinfahrzeugen steuerrechtlich gleichzustellen und Emissionen von Lkw und durch den Schiffsverkehr zu senken.

Emissionen aus der Stromerzeugung weiter mindern

Der SRU sieht die Möglichkeit, den enormen Ausstoß an Stickstoffoxiden durch Kraftwerke zu vermindern, wenn ein Kohleausstiegskonsens getroffen wird und strenge Grenzwerte für fossile und biogen betriebene Kraftwerke festgelegt werden.

Erforderlichen Veränderungen werden unsere Lebensgewohnheiten betreffen

Der SRU weist abschließend darauf hin, dass Deutschland bei der Stickstoffproblematik erheblichen Nachholbedarf hat. Die Verminderung an Einträgen von Stickstoffverbindungen wird über Effizienzmaßnahmen hinausgehen müssen, die auch unsere Lebensgewohnheiten betreffen werden, was beispielsweise die Notwendigkeit zur Reduzierung des Verbrauchs von tierischen Nahrungsmitteln zeigt.

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