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Open Access 2023 | OriginalPaper | Buchkapitel

1. Vorab: Risiko im Wandel als Herausforderung für die Versicherungswirtschaft

verfasst von : Rolf Arnold, Marcel Berg, Oskar Goecke, Maria Heep-Altiner, Horst Müller-Peters

Erschienen in: Risiko im Wandel

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Anlässlich des fünfzigjährigen Jubiläums des Institutes für Versicherungswesen der Technischen Hochschule Köln in 2021 haben die in Forschung und Lehre wirkenden Personen des Institutes mit Beiträgen zu den Themenbereichen Risiko (im Allgemeinen) und Versicherung (im Speziellen) zu einem Jubiläumsband „Risiko im Wandel. Herausforderung für die Versicherungswirtschaft“ beigetragen. Aufbau, Struktur und Themenbereiche dieses Bandes sind in dieser Übersicht dargestellt.
Risiko als ein prägendes Element unserer Gesellschaft kann man nicht völlig vermeiden, aber durch ein angemessenes Risikomanagement beherrschbar(er) machen. In Ergänzung zum technischen Risikomanagement fokussiert das finanzielle Risikomanagement auf die Bewältigung finanzwirtschaftlicher Risiken; Kernaufgabe des aktuariellen Risikomanagements ist dabei die Bewertung der finanzwirtschaftlichen Risiken durch geeignete mathematische Modelle und Methoden.1
Risiko (in einer klassischen einseitigen Definition)2 bedeutet zunächst einmal ganz allgemein eine mögliche negative Abweichung (im Sinne einer quantifizierbaren Größe) von einem erwarteten Niveau, wobei die Verhinderung, Reduzierung und Bewältigung von Risiken allgemein im Rahmen des Risikomanagements stattfindet. Das technische Risikomanagement umfasst unter anderem Prävention, Reparatur oder Wiederaufbau und das finanzielle Risikomanagement eigene Rücklagenbildung oder Kollektivierung in einem privat- oder öffentlich-rechtlichen Kollektiv. Versicherung ist in diesem Zusammenhang die klassische Form eines privatrechtlich organisierten Kollektivs zur gemeinsamen Tragung des durch spezifizierte Risiken verursachten finanziellen Schadens.
Die Themenbereiche Risiko (im Allgemeinen) und Versicherung (im Speziellen) ziehen sich daher durch die theoretischen und praktischen Arbeitsgebiete aller für das Institut für Versicherungswesen (ivwKöln) an der TH Köln in Forschung und Lehre wirkenden Personen, die zu dem vorliegenden Band beigetragen haben. Die einzelnen Beiträge wurden dabei zur besseren Übersicht in die Themenbereiche
  • Risiko im Wandel,
  • Umgang mit Risiko,
  • Risiko und rechtliche Herausforderungen sowie
  • Herausforderungen für die Versicherungswirtschaft
aufgeteilt, wobei im Folgenden ein thematischer Überblick über die einzelnen Bereiche und die jeweiligen Beiträge (auf Basis der eingereichten Kurzzusammenfassungen)3 vorgenommen wird.

1.1 Risiko im Wandel

Bei jedem Risiko muss bewertet werden, wie stark eine negative Abweichung von einer Erwartung auch als „störend“ empfunden wird. Eine derartige Einschätzung unterliegt mit der Zeit in der Regel einem Wandel, das heißt, Aspekte, die vor Jahrzehnten noch niemanden gestört haben, können in der aktuellen Gegenwart subjektiv als untragbar empfunden werden. In den einzelnen Beiträgen in diesem Abschnitt werden daher wichtige Aspekte zum Thema Risiko und dem Wandel des Begriffs diskutiert.
So weicht beispielsweise die menschliche Risikowahrnehmung in Bezug auf Lebensrisiken erheblich und in systematischer Weise von der tatsächlichen Risikowirklichkeit aufgrund einer gegebenen objektiven Gefahrenlage ab. Dies führt nicht nur vielfach zu übertriebenen Ängsten und Sorgen, sondern ebenso auch zu unterbliebener Absicherung und Vorsorge (vgl. Kap. 2).
In besonderem Maße lässt sich das am Beispiel der Risikowahrnehmung durch und nach Corona erkennen. Hier können ganz konkret die maßgeblichen psychologischen Wahrnehmungseffekte auf die COVID-19-Pandemie übertragen werden und die Veränderungen der Risikoeinschätzungen anhand der vorliegenden Studienlage dargestellt und mit den Effekten bei anderen Katastrophenereignissen verglichen werden (vgl. Kap. 3).
Die Covid-19-Pandemie hat aber nicht nur die Risikowahrnehmung beeinflusst, sondern auch erhebliche volkswirtschaftlichen Schäden verursacht. Dabei lassen sich die Wertschöpfungsverluste (in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung) auf mehrere hunderte Milliarden Euro beziffern, wobei die langfristigen Auswirkungen auf das Wachstumspotenzial in Deutschland nur abgeschätzt werden können. Die langfristigen Auswirkungen umfassen dabei Bildungsverluste, den Anstieg der Staatsquote oder den Verlust an Lebensjahren, aber auch Auswirkungen auf die soziale Kohäsion (vgl. Kap. 4).
Angesichts der sich abzeichnenden demografischen Entwicklung in Deutschland ist die Sicherung der Altersversorgung unabhängig von aktuellen Krisen wie der Corona-Pandemie ein Dauerthema im Sinne einer permanenten Herausforderung für die Individuen und die Gesellschaft. Dabei ist die demografische Entwicklung ein wichtiger, aber keineswegs entscheidender Faktor der Alterssicherung, da den Investitionen in den volkswirtschaftlichen Kapitalstock (und somit den Kapitalmärkten) hier eine Schlüsselrolle zufällt. In die Rendite-Risiko-Profile langfristiger Sparverträge werden vor allem Erwartungen und Risiken eingepreist. Durch einen geeigneten intergenerationalen Risikoausgleich ergeben sich Perspektiven für die Weiterentwicklung der Lebensversicherung sowie neue Impulse für die betriebliche Altersversorgung (vgl. Kap. 5).
In einer ständig älter werdenden Gesellschaft stellt nicht nur die Altersversorge, sondern auch die Absicherung der Risiken steigender Pflegekosten ein Problem dar. Aus diesem Grund wurde bereits 1995 die gesetzliche Pflegeversicherung für alle Bürgerinnen und Bürger verpflichtend eingeführt, um die Gesellschaft vor „Freifahrerverhalten“ zu schützen. Allerdings hat die Ausgestaltung als Teilleistungsversicherung bei gleichzeitig unzureichender Dynamisierung der Versicherungsleistungen zu teilweise immer höheren Eigenanteilen geführt. Hier bedarf es ggf. entsprechender Reformen, wobei unterschiedliche Solidaritätsnormen eine entscheidende Rolle spielen, um die unterschiedlichen Vorstellungen zur Fairness der Lastenverteilung abzubilden (vgl. Kap. 6).
In Bezug auf die vorherigen Beispiele stellen Klimarisiken im gewissen Sinn eine Steigerung dar, da der Klimawandel keine akute, sondern eine dauerhafte Krisensituation bedeutet, die nicht nur einige Branchen innerhalb einer Volkswirtschaft, sondern viele Branchen weltweit beeinflusst. Je nach Klimaszenario sind hier verschiedene geografische Regionen, Bevölkerungsgruppen oder Industriezweige ganz unterschiedlich betroffen. Für die Versicherungswirtschaft ergeben sich hier große Risiken, aber durchaus auch vielfältige Chancen, wobei die Risiken des Klimawandels im größeren Kontext der Nachhaltigkeitsrisiken eingebettet sind (vgl. Kap. 7).

1.2 Umgang mit Risiko

Ein adäquater Umgang mit Risiken erfolgt durch ein geeignetes Risikomanagement; sofern Risiken nicht vermieden oder reduziert werden können, müssen diese bewältigt werden. Aus Sicht der Versicherungswirtschaft ist dabei die finanzielle Bewältigung maßgeblich − im Unterschied beispielsweise zu technischen Hilfsmaßnahmen. Hier müssen vorab Risiken zwingend im Rahmen einer Kalkulation (qualitativ und quantitativ) bewertet werden. In den einzelnen Beiträgen in diesem Bereich werden daher allgemeine und spezielle Aspekte zu den Themen Risikomanagement und Kalkulation diskutiert.
Die Corona-Pandemie hat auch die Versicherungswirtschaft unvorbereitet getroffen und hier unter anderem die Grenzen der Versicherbarkeit aufgezeigt. Bei derartigen Gefahren mit Großschadenpotenzial kann man zwischen drei Arten von Lösungskonzepten differenzieren: vollständig staatlich organisierte Konzepte, Public-Private-Partnerships und rein privatwirtschaftlich organisierte Konzepte. Bei der Übertragbarkeit derartiger Ansätze auf die Pandemie stößt die Versicherungsbranche allerdings an ihre Grenzen. Die Kapazität für konventionelle Versicherungslösungen könnte auf der einen Seite über den Kapitalmarkt sowie über eine verbesserte Datenerhebung und -analyse erweitert werden; auf der anderen Seite könnte eine vermehrte staatliche Beteiligung die Versicherer dazu zwingen, abseits vom Kern des Versicherungsgeschäftes ihre Rolle neu zu interpretieren (vgl. Kap. 8).
Sicherheit stellt den Gegenpol zum Risiko dar. Als eine zentrale Grundlage für Freiheit, Lebensqualität und Wohlstand in einer modernen Gesellschaft erfährt der Sicherheitsbegriff als vielschichtiges Alltagsphänomen einen kontinuierlichen Wandel, der durch soziale, wirtschaftliche und politische Veränderungen angetrieben wird. Daraus ergeben sich sowohl neue Herausforderungen als auch Potenziale für die deutsche Versicherungswirtschaft. Durch den zielgerichteten Einsatz neuer Technologien bietet sich hier die Chance, die Rolle der Versicherungswirtschaft von „verstehen und schützen“ hin zu „vorhersagen und verhindern“ weiterzuentwickeln. Als Beitrag zu dieser Debatte rund um das Thema Sicherheit ist gerade die Telematik-Versicherung als verhaltensbasiertes Produkt ein geeignetes Werkzeug für einen antizipativen Umgang mit Risiken (vgl. Kap. 9).
In der Berufsunfähigkeitsversicherung (als einem eher traditionellen Versicherungszweig) erfolgt die Kalkulation durch die von der Deutschen Aktuarvereinigung veröffentlichten Rechnungsgrundlagen für die versicherungstechnischen Risiken dieser Sparte. Hier sind im Jahr 2021 erstmals seit mehr als zwei Jahrzehnten neue Grundlagen angekündigt worden, sodass die Entwicklung der relevanten Wahrscheinlichkeiten in den vergangenen Jahrzehnten analysiert und insbesondere herausgearbeitet werden kann, welche Einflussfaktoren die Veränderungen bestimmt haben. So können daraus Informationen über das Änderungsrisiko gewonnen werden, dem die Rechnungsgrundlagen in dieser Teilsparte der Lebensversicherung in besonderer Weise unterworfen sind (vgl. Kap. 10).
Im Unterschied zu den vorherigen Beispielen sprengt die Abdeckung von Cyber-Kumulschäden in der Regel in erheblicher Weise den finanziellen Rahmen eines Erstversicherers, daher kommt hier den Rückversicherern eine zentrale Rolle zu. Während die Frequenz und die finanziellen Auswirkungen von Cyber-Kumulschäden immer größere Dimensionen annehmen, wird das volle Ausmaß dieses Risikos noch nicht wirklich verstanden. Daher ist das Cyber-Kumulrisiko äußerst differenziert zu betrachten und in seiner Versicherbarkeit derzeit noch sehr begrenzt (vgl. Kap. 11).
In Abgrenzung zu diesen sehr versicherungsspezifischen Beispielen stellt Komplexität eine besondere Form von Risiko dar und erfordert aufgrund ihrer erschwerten Vorhersagbarkeit dynamische und flexible Lösungsansätze für ein geeignetes Management. In diesem Zusammenhang unterscheidet man allgemein zwischen
  • komplizierten (das heißt nur von Experten/-innen verstehbaren),
  • komplexen (das heißt auch von Experten/-innen kaum vorhersagbaren) und
  • chaotischen (das heißt auch von Experten/-innen kaum beherrschbaren)
Situationen. So stellt beispielsweise die Bekämpfung der Corona-Pandemie mit den derzeit bekannten Varianten (Stand Ende 2021) noch keine chaotische, sondern nur eine komplexe Situation dar; trotz eingeschränkter Prognosequalität blieb die Pandemie bislang durch kontaktreduzierende Maßnahmen (zusätzlich zu Basismaßnahmen wie beispielsweise die AHA-L-Regeln) beherrschbar − auch bei einem steilen Anstieg der Krankenhausbelegung, die die intensivmedizinische Versorgung gefährdet (vgl. Kap. 12).

1.3 Risiko und rechtliche Herausforderungen

Im Zusammenhang mit Risiken und Risikotransfer ergeben sich zahlreiche rechtliche Herausforderungen − allein schon durch die einfache Fragestellung, wer für was verantwortlich ist bzw. wer auf welcher Rechtsgrundlage welchen Anteil der Schäden übernimmt. Derartige Fragestellungen haben natürlich eine besondere Relevanz für Versicherungsunternehmen, da von der Antwort abhängig ist, ob Schadenaufwendungen überhaupt noch kalkulierbar sind. Darüber hinaus sind für Versicherungsunternehmen auch noch andere rechtliche Herausforderungen maßgeblich − beispielsweise die Besonderheiten des Steuerrechts.
So führt zum Beispiel der stetige Fortschritt der Technologie zu einer permanenten Automatisierung von Prozessen − so auch bei autonom fahrenden Fahrzeugen. Mit dem Wegfall der Fahrzeugführerinnen und Fahrzeugführer versprechen die Autohersteller ihren Kunden eine innovative und effiziente neue Mobilität. Hieraus entwickelt sich allerdings eine erhöhte Gefahr eines Cyberangriffes auf die Fahrzeugsoftware. Hier ergeben sich Fragen nach der rechtlichen Verantwortung, falls externe Hacker die vollständige Kontrolle über die Fahrzeugsteuerung eines selbstfahrenden Kraftfahrzeuges erlangen konnten (vgl. Kap. 13).
Weitere rechtliche Herausforderungen ergeben sich durch die Klimaerwärmung für die Elementarschadenversicherung. Gerade in diesem Versicherungszweig und dort insbesondere bei Überschwemmungsschäden ergibt sich eine Fülle von vor Gericht ausgetragenen Rechtsfragen, die zum Teil noch nicht höchstrichterlich entschieden sind und folglich Wissenschaft und Praxis beschäftigen. So gibt es beispielsweise anlässlich der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021 rechtliche Überlegungen zur Haftung des Staates oder zu der Frage nach einer Einführung einer verpflichtenden Elementarschadenversicherung (vgl. Kap. 14).
Rechtliche Herausforderungen ergeben sich auch bei einer versicherungsfinanzierten betrieblichen Altersversorgung. Hier muss strikt zwischen der Versorgungszusage des Arbeitgebers und einem daneben bestehenden Versicherungsvertrag differenziert werden, den der Arbeitgeber zur Finanzierung der Versorgungsverpflichtungen abgeschlossen hat. Maßgeblich für die Erfüllung der Versorgungszusagen ist ausschließlich der Inhalt der Versorgungszusage. Leistet der Versicherer weniger, dann muss der Arbeitgeber die entsprechende Differenz ausgleichen, um die arbeitsvertraglich zugesagte Leistung zu erfüllen, und unterliegt somit einem erheblichen langfristigen Kostenrisiko (vgl. Kap. 15).
Ein Risiko besonderer Art stellt das Steuerrecht für die Versicherungswirtschaft dar, da fiskalische Belastungen von Versicherungsunternehmen, Vertrieb und Versicherungsnehmern zu einer Einengung der privatwirtschaftlich organisierten Risikovorsorge führen. Die Versicherungswirtschaft benötigt somit ein Steuersystem, das sich der gesellschaftlichen Relevanz dieser Branche bewusst ist. Die jeweilige Sachbehandlung berührt dabei das gesellschaftliches Grundverständnis im Umgang der Einzelnen mit der Vorsorge gegen Risiken: Entweder erwartet man eine Eigenversorge (bei der der Staat keine zusätzlichen Lasten aufbürdet), oder aber der Staat tritt immer wieder als „Retter in der Not“ auf (zuständig für alles und jeden) (vgl. Kap. 16).

1.4 Herausforderungen für die Versicherungswirtschaft

Neben der finanziellen Kollektivierung von Risiken unter den gegebenen rechtlichen Rahmenbedingungen stellen sich für die Versicherungswirtschaft im Allgemeinen noch weitere Herausforderungen − beispielsweise im Kontext mit den allgemeinen wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Umfeldbedingungen.
Aufgrund des Geschäftsmodells als „Kuppelprodukt“ (das heißt einer Kombination von Risikozeichnung und Kapitalanlage der freien liquiden Salden) bedeuten Kapitalmarktkrisen eine besondere Herausforderung für Versicherungsunternehmen. Im 21. Jahrhundert gab es hier bislang das Platzen der Technologieblase im Jahr 2001 und die Folgen der Anschläge des 11. Septembers im selben Jahr, die Finanzmarktkrise des Jahres 2008 und die darauffolgende europäische Schuldenkrise sowie die Reaktionen der Finanzmärkte auf die COVID-19-Pandemie im Jahr 2020. Diese Krisen haben zu Änderungen im Bilanzrecht geführt und die Bilanzierungspraxis der Versicherungsunternehmen beeinflusst (vgl. Kap. 17).
Eine weitere Herausforderung für die Versicherungsbranche stellt die Digitalisierung dar. Inzwischen erreichen digitale Innovationen auch den Risikotransfer als das Herzstück des Geschäftsmodells einer Versicherung. Insbesondere in sogenannten InsurTech-Startups werden hier neue Modelle der Risikotragung und des Risikotransfers entwickelt oder bekannte Modelle unter Einsatz digitaler Technologien neu interpretiert, um diesen so zu neuen Marktchancen zu verhelfen (vgl. Kap. 18).
Dabei müssen gerade IT-Projekte sich im Zeitalter der Digitalisierung immer größeren Herausforderungen stellen – unabhängig davon, ob sie agil durchgeführt werden oder nicht. Um die damit verbundenen Projektmanagementrisiken zu beherrschen, bedarf es nicht nur einer bedarfsgerechten Implementierung, sondern vor allem eines systematischen Anforderungsmanagements sowie eines konsequenten Vorgehensmodells zur Optimierung von Testprozessen. Im Sinne eines effizienten und zielorientierten Projektmanagements bieten sich hier Standardisierungen an. Der Certified Professional for Requirements Engineering des International Requirements Engineering Board (IREB) sowie der Certified Tester des International Software Testing Qualifications Board (ISTQB) sind zwei international anerkannte Standards, die dies gewährleisten können (vgl. Kap. 19).
Die Versicherungswirtschaft ist einem kontinuierlich gestiegenen Ergebnisdruck ausgesetzt. Gründe hierfür sind unter anderem die aktuelle Niedrigzinsphase und eine verschärfte Regulatorik sowie steigende Kundenanforderungen und neue Wettbewerber. Zusätzlich sind hohe Investitionen aufgrund von Digitalisierungsmaßnahmen und „modernen Arbeitswelten“ erforderlich. Operationsabteilungen sind hier besonders vom Ergebnisdruck und Wandel betroffen. Trotz alle dem haben Versicherungskonzerne in diesen Abteilungen massiv Personal abgebaut, sodass ein hoher Arbeitsdruck auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsteht. Darüber hinaus liegt bei den Konzernen der Fokus auf Bereichen wie Produktgestaltung, Vertrieb und Kommunikation, Prozessoptimierung sowie Wachstum und Ertrag. Ebenso drängende Themen der Führung oder der erfolgreichen Gestaltung von Operationsbereichen werden in diesem Zusammenhang oft ungerechtfertigt vernachlässigt; diese müssen unbedingt ernst genommen werden (vgl. Kap. 20).
In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Risikomanagement der Unternehmen stehen insbesondere finanzielle und technische Risiken im Vordergrund. Personal als eine wesentliche Ressource für den unternehmerischen Erfolg und die damit verbundenen Risiken sind dagegen weniger Gegenstand des wissenschaftlichen Diskurses, werden aber angesichts der demografischen Entwicklung und der gestiegenen Anforderungen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer mehr zum limitierenden Faktor des unternehmerischen Erfolgs. Im Talentmanagementansatz lassen sich wesentliche Ansätze eines Risikomanagementansatzes aufzeigen. Das ivwKöln fördert seit 50 Jahren als Kooperationspartner der Versicherungsbranche das Talentmanagement der Unternehmen in der Versicherungsbranche. Dadurch werden Beiträge zum Management der Personalrisiken geleistet − insbesondere in Verbindung mit der Akquisition, der Bindung und der Motivation von Personal (vgl. Kap. 21).
Ergänzend dazu umfasst der Versicherungsvertrieb aus regulatorischer Sicht neben den selbstständigen Versicherungsvermittlern noch viele weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einem Versicherungsunternehmen. Spezifische operationelle Risiken des Vertriebs resultieren aus der Zusammenarbeit mit Vermittlern, aus den typischen Vergütungs- und Anreizgestaltungen sowie aus Beratung, Information, Betreuung und Schadenregulierung gegenüber den Kundinnen und Kunden. Vertriebsrisiken können vor allem durch organisatorische Maßnahmen gemindert und begrenzt werden (vgl. Kap. 22).
Risiko und Versicherungsbedarf sind dabei durchaus keine neuen Fragestellungen. Daher wurde als Abrundung dieses Bandes zum Schluss exemplarisch die Arche Noah als ein erstes Anwendungsbeispiel für die Seekaskoversicherung skizziert.
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Fußnoten
1
Institut für Versicherungswesen (2021): Forschungsbericht für das Jahr 2020, S. 17, https://​cos.​bibl.​th-koeln.​de/​frontdoor/​deliver/​index/​docId/​929/​file/​01_​2021_​pub.​pdf, zugegriffen am 10.11.2021.
 
2
In der zweiseitigen Definition werden auch positive Abweichungen (im Sinne von Zufall) berücksichtigt.
 
3
Überschneidungen und Übereinstimmungen mit den Kurzzusammenfassungen sind somit aufgrund der gewählten Vorgehensweise möglich, da dieses Kapitel lediglich als Themenaufriss angelegt ist.
 
Metadaten
Titel
Vorab: Risiko im Wandel als Herausforderung für die Versicherungswirtschaft
verfasst von
Rolf Arnold
Marcel Berg
Oskar Goecke
Maria Heep-Altiner
Horst Müller-Peters
Copyright-Jahr
2023
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-37071-8_1