1993 | OriginalPaper | Buchkapitel
Wiederverzauberung der Welt?
verfasst von : Johannes Weiß
Erschienen in: Vernunft und Vernichtung
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Enthalten in: Professional Book Archive
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Die Behauptung, daß sich in den kulturkritischen und alternativ- oder gegenkulturellen Strömungen der Gegenwart in den westlichen Gesellschaften ein Wiederaufleben romantischer Kulturideale beobachten lasse, ist geradezu zu einem Gemeinplatz in der akademischen und öffentlichen Diskussion geworden. Sie wird häufig in kritischer oder polemischer Absicht, und auch ohne nähere Explikation, vorgetragen (wie z.B. in Richard Löwenthals Rede vom „romantischen Rückfall“), doch kommt es immer häufiger vor, daß die Vertreter jener kulturkritischen Bestrebungen sich selbst ganz ausdrücklich und affirmativ auf die Romantik beziehen. Als „romantisch“ oder „neoromantisch“ gelten in diesem Zusammenhang vor allem: eine kritische oder ablehnende Haltung zur „instrumentellen Rationalität“ im allgemeinen, zur neuzeitlichen Naturwissenschaft und Technik im besonderen; positiv gewendet: die Forderung eines neuen, sympathetischen Verhältnisses des Menschen zur Natur;die Ablehnung funktional ausdifferenzierter, entpersönlichter und bürokratisch geregelter sozialer Handlungszusammenhänge und das Streben nach ganzheitlichen, von starken Gefühlen, persönlicher Zuneigung und völliger Offenheit getragenen sozialen Beziehungen, und zwar nicht nur im kleinen Kreise, sondern auch auf gesamt- und sogar weltgesellschaftlicher Ebene;ein emphatischer Glaube an die Legitimität und die Wahrheit der unmittelbaren Gefühle des einzelnen sowie an die heilende Kraft des Gesprächs;eine neue Offenheit gegenüber religiösen und insbesondere gegenüber mystischen und magischen Erfahrungen und Praktiken;die Wiederentdeckung des Sinnlichen und Malerischen in der Kunst; darüber hinaus das Streben nach dem „Gesamtkunstwerk“, aber auch nach einer Ästhetisierung oder Poetisierung des Alltagslebens;die Wiederkehr des geschichtlichen Bewußtseins, bei der sich die Absage an unilineare bzw. deterministische Fortschrittsmodelle nicht selten zu einer Verklärung vormoderner Zustände steigert.