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Erschienen in: Wirtschaftsinformatik & Management 6/2022

Open Access 05.12.2022 | Schwerpunkt

Zehn Jahre Updates für den Kopf

verfasst von: Christoph Meinel, Matthias Schwenzer

Erschienen in: Wirtschaftsinformatik & Management | Ausgabe 6/2022

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Die erste freie Plattform für MOOCs (Massive Open Online Courses) in Europa wurde im September zehn Jahre alt. Seit 2012 können Wissbegierige sich jederzeit, im eigenen Tempo und mit Tausenden anderen Lernenden weiterbilden und ihr Wissen auf dem neusten Stand halten.
Digitale Bildung hat durch die Coronapandemie in der breiten Öffentlichkeit einen großen Schub erfahren. In vielen Fachkreisen war die Aufmerksamkeit allerdings schon vorher sehr hoch: Initiativen wie Open Knowledge oder der UNESCO-Schwerpunkt der Open Educational Resources fordern seit Langem einen niedrigschwelligen Zugang zu Bildung und zwar für alle – unabhängig von sozialer und geografischer Herkunft. Nur so könne auch eine gerechte Teilhabe am öffentlichen Leben in einer sich rasant verändernden Welt gelingen.
Dass diese Idee nicht neu ist, beweist ein Vorläufer des MOOC-Konzepts. So schreibt der amerikanische Visionär Buckminster Fuller in „On Education“ bereits in den 1960er-Jahren von der Idee eines „Zwei-Wege-TV-Systems“ und meint damit eine Technologie, über die führende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Videolektionen erstellen und weltweit mit Studierenden in Kontakt treten können.
Ende der 1990er-Jahre gab es erste Gehversuche: Die Eberhard Karls Universität in Tübingen begann, universitäre Lehre für alle Interessierten zu öffnen. Im Rahmen des Tübinger Internet MultiMedia Servers „timms“ veröffentlichte die Universität erste Lehrvideos von Dozenten und machte sie für alle frei zugänglich. Es dauerte nicht lange, bis auch renommierte US-Universitäten wie MIT, Yale oder Carnegie Mellon Skripte, Übungsaufgaben und Videos im Internet veröffentlichten. Und schon bald war die Rede von der OpenCourseWare-Bewegung, benannt nach dem gleichnamigen MIT-Programm. Open Educational Resources (OER) wurden zum verbreiteten Begriff.
Mit Fullers Idee vom Zwei-Wege-TV-System oder gar heutigen modernen MOOCs hatten diese offenen Materialien allerdings wenig zu tun. Dabei handelte es sich lediglich um Lehr- und Lernmaterial, das unter freier Lizenz für alle zugänglich gemacht wurde. Im Unterschied dazu sind MOOCs wahre Lernevents.

Das Jahr 2012 – Year of the MOOC

Als im Februar des Jahres 2012 der Horizon Report erscheint, eine der weltweit wichtigsten Trendstudien zum E‑Learning, taucht der Begriff MOOC noch gar nicht auf. Aber bereits acht Monate später, im November 2012, erklärt die New York Times das Jahr zum „Year of the MOOC“. Was war geschehen?
Sebastian Thrun und Peter Norvig hatten Ende 2011 damit begonnen, drei Informatik-Lehrveranstaltungen zur Einführung in die künstliche Intelligenz in Form innovativer, offener Onlinekurse anzubieten – mit kurzen Lehrvideos und jeweils anschließenden Multiple-Choice-Tests. An diesen ersten Stanford-MOOCs nahmen weltweit 90.000 Personen teil, in spätere Kurse von Sebastian Thrun schrieben sich sogar bis zu 160.000 Personen ein. Von ihnen nahmen 23.000 am Online-Abschlussexamen teil – mehr als an der Eliteuniversität Stanford insgesamt eingeschrieben waren.
Die großen Erfolge Thruns, der auch als Google Fellow forschte, führten zu einem sehr großen Interesse in den Medien und in der Fachöffentlichkeit. In der gesamten Welt, auch in Deutschland, wurde der Boom der MOOCs in den USA aufmerksam beobachtet und diskutiert. Schnell war von einer „digitalen Revolution der Hochschule“ zu lesen, von der „Globalisierung der Lehre“, von „Stanford für alle“ und man fragte sich, ob MOOCs gar die klassische Präsenzuniversität künftig ersetzen würden? Manche sahen in MOOCs einen gezielten Angriff auf die öffentlichen Bildungsinstitutionen. Aus heutiger Sicht kann man sagen: Es gab sowohl überzogene Erwartungen als auch überzogene Kritik.

Der erste MOOC in Europa

Noch im Herbst desselben Jahres, am 3. September 2012, veröffentlichte das Potsdamer Hasso-Plattner-Institut seinen ersten MOOC auf der neu entwickelten Plattform openHPI. Damals betreute ein Kernteam aus wenigen Entwicklern das Projekt. Kursleiter war der Wissenschaftsmäzen und HPI-Stifter Prof. Hasso Plattner, der einige Jahre zuvor bereits den Innovationsansatz Design Thinking nach Europa gebracht hatte. Sein Kurs zum Thema In-Memory Data Management dauerte acht Wochen und zog gut 15.000 Teilnehmende an! In den folgenden zehn Jahren hat sich openHPI zu einer ganzen Plattformfamilie weiterentwickelt, die von Unternehmen wie SAP, Organisationen wie der WHO oder anderen Bildungseinrichtungen wie der RWTH Aachen eingesetzt wird, um die eigenen Mitarbeitenden, aber auch Externe, weiterzubilden und zu schulen. Allein die Plattform openWHO zählt inzwischen mehr als 7 Mio. Kurseinschreibungen, dabei hat sie gerade erst ihren fünften Geburtstag gefeiert. Aber auch auf openHPI und den anderen Partnerplattformen wächst der Nutzerkreis täglich. Mehr als 1,1 Mio. Kurseinschreibungen hat openHPI mit seinem Kursangebot zu IT- und Innovationsthemen registrieren können. Das sind gut 310.000 Personen aus 180 Ländern, die derzeit auf dieser Plattform zum festen Nutzerkreis zählen.
Der Boom von MOOCs in der Wissenschaft hat sich auch nach 2012 fortgesetzt. In den USA kam es daher in sehr rascher Folge zur Gründung mehrerer Konsortien, die MOOCs anbieten. Dazu gehörten beispielsweise Udacity, aber auch Coursera, edX und andere. Zum Teil waren es Ausgründungen, zum Teil Zusammenschlüsse oder Kooperationen von Universitäten, viele setzten auch auf Partnerschaften mit großen kommerziellen Partnern. Bei openHPI war das nicht nötig – dank der Finanzierung durch die Hasso Plattner Foundation ist die Plattform seit ihrer Gründung unabhängig und gemeinnützig. Alle Kurse auf der Plattform können kostenfrei angeboten werden.

MOOCs: riesig, offen, online

Aber was macht MOOCs im Unterschied zu anderen digitalen Lehrangeboten so attraktiv? Zunächst ist ein Onlinekurs nicht automatisch ein MOOC, sondern muss bestimmte Voraussetzungen erfüllen:
Massive
Tausende, potenziell Hunderttausende Lernende können erreicht werden. Das erlaubt aus Sicht der Kursveranstalter:innen eine hohe Skalierbarkeit, erfordert diese aber auch von der Infrastruktur, die hinter dem Kurs steht, und von der Methodik, die angewendet wird. Einbezogen werden muss dabei auch, dass der Austausch innerhalb der Lerngemeinschaft unterschiedlichste kulturelle und geografische Hintergründe und Bildungsbiografien abbilden sollte und diese selbst davon profitiert.
Open
Jede interessierte Person kann teilnehmen, solange sie über eine ausreichende Internetverbindung und eventuell vorausgesetztes Wissen verfügt. Kursdesign und Infrastruktur sollen die Schwelle für dieses Kriterium so niedrig wie möglich halten. Ein MOOC hat keine formellen oder institutionellen Zugangsbeschränkungen. Die Teilnahme selbst ist in aller Regel kostenlos, wobei eine Gebühr etwa für identitätsgeprüfte Zertifikate anfallen kann.
Online
Teilnahme, Kursmanagement und Interaktion erfolgen vollständig online. Moderne Webtechnologien ermöglichen den Abruf von multimedialen Lernressourcen sowie die Bearbeitung und automatisierte Bewertung von Aufgaben Ein wichtiger Aspekt ist die Interaktion der Teilnehmer:innen in einer virtuellen Gemeinschaft. Idealerweise erfolgt die komplette Kursteilnahme über den Browser ohne die Notwendigkeit, lokal Software zu installieren.
Courses
Die Kursgestaltung kann einige Aspekte klassischer Lernsettings übernehmen, muss aber an anderen Stellen die Gegebenheiten der digitalen Medien und der Offenheit berücksichtigen.

Was ist ein guter MOOC?

Was macht aber einen guten MOOC aus? Schließlich können auch Materialsammlungen offen zugänglich gemacht werden und potenziell von Tausenden Personen gleichzeitig abgerufen werden. Der entscheidende Unterschied ist das Lernen in einer sozialen Gemeinschaft und die sogenannte Semisynchronizität. Das heißt: Alle Lernenden können auf openHPI oder anderen Plattformen im eigenen Rhythmus lernen, aber gleichzeitig auch mit anderen. Kurse werden so zu wahren Lernevents.

Lernen in sozialer Gemeinschaft fördert den Lernerfolg

Viele der großen Online-Lernplattformen setzen auf Kurse, in denen die Lernenden komplett im eigenen Tempo lernen können und im Grunde zu Konsument:innen des Lernangebots werden. Das funktioniert für Autodidakt:innen bestens. Für viele Lernende ist aber gerade der Austausch mit anderen wichtig und entscheidend. Sie wollen Schwierigkeiten und Unklarheiten gemeinsam lösen und das Gelernte trainieren. openHPI-MOOCs setzen daher konsequent auf Lernen als soziales Event, das heißt:
  • Kurse haben feste Start- und Endzeiten, zu denen die Inhalte, Selbsttests und Prüfungen sowie Diskussionsboards freigeschaltet werden.
  • Collab Spaces dienen dazu, dass sich die Lernenden in Gruppen zusammenfinden und über Aufgabenstellungen und Inhalte austauschen können. openHPI stellt hierfür eine Jitsi-Infrastruktur zur Verfügung, mit der sich die Teilnehmenden direkt in der Plattform ohne Medienbruch treffen können.
  • Diskussionsforen helfen, Gleichgesinnte zu treffen und über Fragestellungen zu diskutieren. So entfällt in vielen Fällen die Notwendigkeit für Klärung durch die Teaching-Teams und bei häufig auftretenden Fragen können diese in einem Arbeitsschritt im Forum beantwortet werden.
Zwar geht durch diesen Eventansatz Flexibilität verloren. Dies kann aber darüber kompensiert werden, dass Kurse in verteilten Modulen aufgebaut sind und in einer separaten Prüfung zertifiziert werden. Wer später noch einen Kurs belegen möchte, kann das im Selbstlernmodus weiterhin tun. Für einen Leistungsnachweis muss der Kurs aber gegen Bezahlung reaktiviert werden. So versucht openHPI, die volle Flexibilität zu erhalten, aber gleichzeitig auch starke Anreize zu setzen, einen Kurs dann zu besuchen, wenn auch andere Teilnehmende im Kurs eingeschrieben sind, wenn dieser also „offiziell“ stattfindet.
Ein MOOC muss potenziell in der Lage sein, Hunderttausende Lernende teilnehmen zu lassen. Das stellt hohe Anforderungen sowohl an die Technologie als auch an die Methoden. Einfach zu skalieren sind Formate wie Quiz und Wissenstests. Aber wie kann vertiefendes und reflektierendes Lernen in einem Setting mit Tausenden anderen Lernenden gelingen, wenn die Teaching-Teams nicht jeden Essay lesen können?

Den Lernerfolg messen und bewerten

Derzeit sind die Möglichkeiten automatisierter Bewertung noch sehr begrenzt und beschränken sich im Wesentlichen auf Multiple-Choice-Quiz. In Bereichen der Mathematik oder der Programmierung, also überall da, wo sich praktische Aufgabenstellungen gut automatisieren lassen, ist der Stand der Technik schon weiter. Das HPI hat hierfür die offene Software CodeOcean (Hasso-Plattner-Institut, Potsdam, Deutschland) entwickelt, mit der Programmieraufgaben automatisch bewertet werden können. Dabei müssen Lehrende nur die benötigten Bibliotheken importieren und die Kriterien festlegen, nach denen eine Lösung als richtig gilt, und können die Aufgaben auch als Prüfungen stellen. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit, Erklärungen zu den richtigen und falschen Lösungen anzuzeigen und so den Lernenden zu helfen, aus den Fehlern zu lernen.
Es gibt auch erste Versuche, freie, kreative Aufgabenstellungen KI-basiert zu bewerten. Sie sind aber im Moment noch weit davon entfernt, breit eingesetzt werden zu können und beschränken sich im Wesentlichen darauf, bestimmte Schlüsselwörter in Freitextantworten zu erkennen.
Ein aktueller Forschungszweig, um Lernen und Bewertung skalierbar zu machen, sind sogenannte Peer Assessments (Abb. 1). Sie sollten ursprünglich die fehlenden Lösungen für die Automatisierung von Leistungsbeurteilungen auf mehrere Schultern verteilen. Es hat sich aber gezeigt, dass die Methode ihre ganz spezifischen Vorteile bringt, die durch Automatisierung gar nicht abbildbar sind. Beim Peer Assessment bearbeiten Teams oder einzelne Teilnehmende Aufgabenstellungen, die dann von anderen Lernenden bewertet werden. Im nächsten Schritt müssen alle Lernenden selbst auch mindestens eine weitere Arbeit bewerten, sodass sich das System selbst erhält. Um faire Beurteilungen zu gewährleisten, gibt es eine zusätzliche Bewertung: Noch bevor die Note feststeht, beurteilen die Lernenden die Bewertungen, die sie erhalten haben nach Kriterien von Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit, aber auch danach, wie hilfreich sie für das eigene Weiterkommen sind. Als drittes Element beurteilen sich alle Teilnehmenden noch einmal selbst nach der Betrachtung des Feedbacks und der Arbeiten der anderen. Je näher die eigene Beurteilung an der durch die Peers liegt, desto mehr Bonuspunkte gibt es für die Selbstbeurteilung.
Dabei müssen die Teams nicht unbedingt zufällig zugeordnet werden, sondern können auch bewusst gemischt werden – nach Alter, Geschlecht oder auch nach bestimmten Angaben über sich selbst in Fragebögen zum Kursstart.
Die Erfahrung auf openHPI und der hiesigen Forschung1 ist, dass mit dieser Methode nur sehr selten Regradings, also eine Korrektur der Beurteilung durch die Teaching-Teams notwendig ist und somit auch komplexe Aufgabentypen in MOOCs angewendet werden können. Und zwar in einer Größenordnung und Diversität, die ohne diese Technologie gar nicht möglich wäre.

Kleinteiliges Lernen und Feedback

Die medialen Gewohnheiten im Jahr 2022 lassen nicht mehr zu, dass lange Texte oder stundenlange Lernvideos von kompletten Vorlesungen auf eine MOOC-Plattform geladen werden. Videos von wenigen Minuten Dauer und häufige kurze Quiz zum Selbsttest haben sich etabliert, die die Lernenden in ihrer Learning Journey bestärken und unterstützen (für einen Einblick in die Kursoberfläche s. Abb. 2).

Zertifizierung und Lehre auf Universitätsniveau

Ein besonderes Merkmal vieler MOOCs ist, dass sie, anders als auf klassischen Lernplattformen, auf Universitätsniveau kuratiert sind. Die Dozent:innen auf openHPI, aber auch auf anderen etablierten Plattformen, sind alle renommierte Expert:innen auf ihrem Gebiet, die ihr Wissen teilen. Wer einen Kurs erfolgreich absolviert hat, kann ein Zertifikat beantragen. Zudem gibt es auf openHPI für einzelne Kurse sogar die Möglichkeit für Studierende, ihre Teilnahme in ECTS-Punkte umwandeln zu lassen. Formale Zugangsbeschränkungen gibt es keine.

Die Lernmotivation steigern

Wie andere E‑Learning-Angebote stehen auch MOOCs vor der Herausforderung, die Motivation der Kursteilnehmenden kontinuierlich hochzuhalten. Wie können Menschen alleine zu Hause aber dazu motiviert werden, weiter aktiv an einem Kurs teilzunehmen? Wie lässt sich die Lernmotivation steigern? Als besonders erfolgreich hat sich in diesem Zusammenhang regelmäßiges Feedback an die Teilnehmenden erwiesen und etabliert. So zeigt bei openHPI beispielsweise eine Fortschrittsanzeige den Lernenden jederzeit an, wo sie im Kurs stehen. Erfahrungspunkte sind Aushängeschilder für Lernende, die besonders viele Kurse erfolgreich abgeschlossen haben, und wir verleihen sogenannte Badges an jene, die sich im Diskussionsforum zum Kurs besonders stark engagiert oder besonders hilfreiche Antworten im Forum gegeben haben. Die Badges setzen einen Anreiz für besonders gewünschtes Verhalten. Das gilt auch für verschiedene Judogürtel, die Teilnehmende auf Basis ihrer Erfahrungspunkte erhalten und die ihnen im Forum einen hohen Status verleihen.

Personalisierbarkeit

Zu den größten Stärken von MOOCs zählt, dass alle Teilnehmenden weitestgehend selbst entscheiden können, was sie wann und wie lernen und dabei trotzdem mit anderen Lernenden in Kontakt bleiben und eine Lerngemeinschaft bilden. Zwar haben die Kurse ein festes Start- und Enddatum. Während der Kurswoche können die Teilnehmenden aber frei entscheiden, wann, auf welchem Gerät und in welchem Kontext sie die Kurse besuchen (Abb. 3). Für die MOOCs auf openHPI ist diese Kombination aus Synchronizität und Asynchronizität ein entscheidender Erfolgsfaktor.
1
Ein MOOC ist semisynchron: Während die einzelnen Lernenden im eigenen Rhythmus lernen, ist der Kurszeitraum für alle gleich. So entsteht Interaktion und Verbindlichkeit.
Eine Bestätigung unserer Arbeit sind auch die vergleichsweise niedrigen Abbrecherquoten in openHPI-Kursen, die sich um die fünfzig Prozent bewegen. Auch an vielen Universitäten liegen die Abbruchquoten spätestens nach dem zweiten Semester nicht niedriger, dabei kommt bei MOOCS erschwerend hinzu, dass diese häufig außerhalb der Arbeitszeit freiwillig besucht werden und in einen hektischen Alltag zu integrieren sind. Zudem tauchen in der Statistik als Abbrechende auch viele auf, die möglicherweise nie das Ziel hatten, einen Kurs vollständig zu belegen, weil sie sich beispielsweise nur für ein Thema des Kurses speziell interessieren.

Motive

Die Motive für E‑Learning und insbesondere für die Teilnahme an MOOCs sind vielfältig. Kursumfragen und Analysen der Nutzerprofile auf openHPI zeigen, dass die Mehrheit der Kursteilnehmenden nicht aus dem studentischen Umfeld kommt, sondern oftmals schon viele Jahre Berufserfahrung hat. Bei der Frage nach der Motivation, an einem Kurs teilzunehmen, gibt eine deutliche Mehrheit Beruf/Weiterbildung als Grund an. Mit einigem Abstand folgen Freizeitgestaltung/Allgemeines Interesse. Diese Ergebnisse zeigen, dass MOOCs eine wichtige Rolle in der Weiterbildung einnehmen. In Umfragen, die auf openHPI immer am Anfang eines neuen Kurses stehen, zeigt sich zudem, dass (identitätsgeprüfte) Zertifikate insbesondere für diejenigen Teilnehmenden interessant sind, die die Gebühren hierfür von ihren Arbeitgebern erstattet bekommen und/oder den Kurs im Rahmen einer betrieblichen Fortbildung belegen können.

Den Erfolg von MOOCs messen

Technisch ist es einfach zu messen, welcher Anteil der Kursteilnehmenden einen Kurs abschließt, wie viele Zertifikate ausgegeben und wie viele Prüfungen bestanden werden.
Ein wichtiger Indikator für den Erfolg von MOOCs ist aber auch, ob sie den Anspruch erfüllen, den sie sich selbst auferlegen – allen Menschen einen niedrigschwelligen Zugang zu bieten, egal woher sie kommen und welchen Hintergrund sie haben. Prinzipiell ist dieses Ziel mit Plattformen wie openHPI auch erreichbar. openHPI ist einfach und von überall aus online zu bedienen, flexibel und synchron anpassbar. Aber die Gesellschaft muss dafür die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen. Sie muss dafür sorgen, dass der Zugang zum Internet und zu modernen Technologien für alle gewährleistet ist, sonst können MOOCs unter Umständen sogar dazu beitragen, den „digital divide“ in der Gesellschaft zu verstärken, anstatt ihn abzubauen.
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Erfolg für digitale Bildung 2022 heißt auch: Zugang für alle, auch in strukturschwachen Regionen, unabhängig von sozialer und geografischer Herkunft.
openHPI begegnet dieser Herausforderung dadurch, dass alle Videos und Kursmaterialien grundsätzlich auch heruntergeladen und offline verwendet werden können. Das heißt, dass auch in Gegenden mit schlechter Ausstattung Interessierte komplette Kursprogramme auf ihre Geräte laden können, wenn sie für kurze Zeit eine stabile oder schnelle Verbindung haben, um dann auch ohne Verbindung lernen zu können. Besonders in den Ausbildungsprogrammen der WHO hat sich openHPI hier bewährt, aber auch als Angebot für einen eigens eingerichteten Kanal für ukrainische Hochschulangehörige war dieser Aspekt von enormer Wichtigkeit, solange die Infrastruktur im russischen Angriffskrieg instabil war.
Der steigende Bildungshunger in den Ländern des globalen Südens und die Notwendigkeit für Industrie, Wirtschaft und Hochschulen, nicht nur ihr Spitzenpersonal, sondern die gesamte Belegschaft ständig auf dem aktuellsten Stand weiterzubilden, können nur mit gut skalierbaren und qualitativ hochwertigen Angeboten gestillt werden. Hierfür eignen sich MOOCs hervorragend und werden in den nächsten Jahren mithilfe von künstlicher Intelligenz, Learning Analytics und methodischen Entwicklungen zu noch zentraleren Spielern in der Bildungslandschaft werden.
Zusammenfassung
  • MOOCs in Europa gibt es dank des Potsdamer Hasso-Plattner-Instituts seit 2012.
  • MOOCs sind skalierbare offene Lern-Lehr-Formate.
  • MOOCs übersetzen die analoge Welt nicht ins Digitale, sondern sind eigene Formate.
Stetige Änderung der Welt erfordert neue Lernformate.
Zugang zu Bildung für alle als übergeordnetes Ziel.
Technologie und Methode bedingen sich gegenseitig.
Handlungsempfehlungen
  • Weiterbildung groß und offen denken
  • Motivationsstrategie für Lernende finden
  • So frei wie möglich, so synchron wie nötig
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Metadaten
Titel
Zehn Jahre Updates für den Kopf
verfasst von
Christoph Meinel
Matthias Schwenzer
Publikationsdatum
05.12.2022
Verlag
Springer Fachmedien Wiesbaden
Erschienen in
Wirtschaftsinformatik & Management / Ausgabe 6/2022
Print ISSN: 1867-5905
Elektronische ISSN: 1867-5913
DOI
https://doi.org/10.1365/s35764-022-00441-3

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