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2013 | APageObject | Buchkapitel

3. Zur Artikulation von Ökonomie, Natur und Politik

verfasst von : Martin Bitter

Erschienen in: Aufstieg und Fall der europäischen Kohlenstoffökonomie

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Mit Poulantzas lässt sich argumentieren, dass der besondere Charakter der kapitalistischen Produktionsverhältnisse darin liegt, dass die Ökonomie in diesen die Form einer vom Politischen und Ideologischen getrennten Struktur annimmt. Die ökonomische Struktur reproduziert sich als ein Ensemble sozialer Formen (Ware, Geld, Kapital etc.), vom dem ein „stummer Zwang“ auf das Produktionshandeln der gesellschaftlichen Akteure ausgeht.

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Fußnoten
1
Kursiv im Original, M.B.
 
2
Aus einer sozial-ökologischen Perspektive kommt es ganz entscheidend darauf an, die absoluten Zuwächse der Wirtschaftsleistung mit zu berücksichtigen. Bezifferte Maddison den Gesamtoutput an Waren und Dienstleistungen der Weltökonomie für das Jahr 1820 auf 694 Milliarden US-Dollar (zum konstanten US-Dollarwert von 1990), so waren es 1950 5,3 Billionen US-Dollar, 1973 16 Billionen US-Dollar, 2003 41 Billionen US-Dollar und 2009 - so taxiert es der World Bank Development Report - 56,2 Billionen US-Dollar (Maddison 2001; Harvey 2010: 26f.).
 
3
Die hier vorgenommene Einordnung des Stellenwerts gesellschaftlicher Naturverhältnisse in Marx’ Theorie der kapitalistischen Produktionsweise ist nicht unumstritten. So kommt Foster (2009: 167) zu dem Schluss: „Marx developed a systematic approach to nature and to environmental degradation (particularly in relation to the fertility of the soil) that was intricately bound to the rest of his thought and raised the question of ecological sustainability." Görg (2009: 314) widerspricht dieser Sichtweise implizit, wenn er einfordert, „eine an Marx angelehnte Gesellschaftstheorie so zu erweitern, dass sie ökologischen Problemlagen gerecht werden kann - und dazu ist eine partielle Revision und Erweiterung der marxschen Theorie, mehr aber noch der marxistischen Marxrezeption unumgänglich."
 
4
O’Connors Theorem der „Unterproduktionskrise" transportiert freilich eine Denkfigur, die er eigentlich ablehnt: die Reproduzierbarkeit natürlicher Produktionsbedingungen (vgl. Altvater 1992a: 285 ff.). Unterproduktion ist schließlich nur dort möglich, wo auch produziert wird. Der Verbrauch fossiler Energieträger umschreibt aber aus menschlicher Perspektive (abstrahiert man von ihrem Jahrmillionen dauernden geologischen ,Produktionsprozess’) einen irreversiblen Prozess. Das Barrel Öl wird nur einmal verbraucht. Unterproduktion hingegen suggeriert Zirkularität und Reversibilität von Prozessen, die naturgemäß einmalig sind.
 
5
Nach dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik wird Entropie (das Raumvolumen von Energie) in geschlossenen Systemen durch Prozesse der Stoff- und Energietransformation gesteigert, mit der Folge einer irreversibel abnehmenden Qualität und damit Nutzbarkeit von Energie.
 
6
Für eine Rekonstruktion und Einordnung verschiedener Stränge eines sozialwissenschaftlichen Naturalismus siehe Wolf 2009.
 
7
Nicht jedes Stoffensemble hoher Ordnung erfüllt den Zweck, Gebrauchswert zu sein. Das versteinerte oder verschimmelte Brot, das in den Hausmüll geworfen wird, stellt zwar nach wie vor eine stoffliche Anordnung mit niedriger Entropie dar; sein Gebrauchswert ist indes verloren gegangen. Das verschimmelte Brot ist im Gegenteil giftig für den Menschen. Das gleiche Phänomen lässt sich - auf freilich ganz anderem Niveau der Bedürfnisbefriedigung - aufspüren, wenn das Mobiltelefon wohl noch als Gebrauchswert nutzbar ist, das Produkt aber, bemessen an den herrschenden Konsumnormen, so hoffnungslos veraltet ist, dass es nicht mehr nachgefragt wird. Es lässt sich mit ihm kein Bedürfnis mehr befriedigen. Niedrige Entropie fungiert folglich nur insofern als Ordnungsprinzip, als sie mit der Eigenschaft (gesellschaftlich formbestimmter) menschlicher Bedürfnisbefriedigung in Verbindung gebracht werden kann. Eine thermodynamisch inspirierte Theorie des Gebrauchswerts muss anthropomorph formuliert werden (vgl. Altvater 1992: 254; Georgescu-Roegen 1971).
 
8
Die Verkürzung von Produktzyklen geht in der strategischen Ausrichtung der Unternehmen nicht selten mit einer im Voraus geplanten maximalen Lebensdauer von Gebrauchswerten einher, der sog. „geplanten Obsoleszenz" (vgl. arte Themenabend vom 24. Januar 2012, http://​videos.​arte.​tv/​de/​videos/​debatte_​zum_​themenabend_​die_​wegwerfer_​-6361958.​html, zuletzt abgerufen am 23. März 2012).
 
9
Dass die analytische Verknüpfung von Produktion und Konsumtion für die einzelne Ware erheblich dazu beitragen kann, gesellschaftliche Naturverhältnisse auf ihren sozial-ökologischen Gehalt hin zu untersuchen, führt die sog. „materialistische Warenkettenanalyse" vor Augen, indem sie die „Warengeschichte" von Öl, „Blutdiamanten", Holz oder Gold als ein „fetischisiertes" politisches Herrschaftsverhältnis zwischen (meist südlichen) Produzenten und (in der Regel im globalen Norden situierten) Konsumenten nachzeichnet (Hartwick 1998; 2000).
 
10
Das genaue Ausmaß dieses ,Wärmestaus’ lässt sich nur äußerst schwierig bemessen, da es sich beim Klimasystem um ein nicht-lineares System handelt, das einer Reihe von Rückkopplungsmechanismen und „Kipp-Punkten" unterliegt. So führt die Erwärmung der Erdmitteltemperatur dazu, dass die sog. Albedo (der ins All zurück gespiegelte Anteil der ankommenden Sonnenstrahlung) abnimmt, da die Eisbedeckung zurückgeht, was wiederum die Erwärmung der Erdmitteltemperatur verstärkt. Oder: Warme Luft kann mehr Wasserdampf (das wichtigste Treibhausgas) halten. Der Mensch erhöht somit indirekt auch die Wasserdampfkonzentration in der Atmosphäre, wenn er das Klima aufheizt (Schellnhuber/Rahmstorf 2007: 13, 36). Es sind nicht zuletzt diese Rückkopplungsmechanismen, die dem Versuch seriöser Prognosen über die klimatische Entwicklung eine hohe Variationsbreite auferlegen.
 
11
Begriffe wie „Unweltpolitik" oder „Umweltprobleme" transportieren die Annahme einer prinzipiellen Äußerlichkeit von Gesellschaft und Natur - deren wechselseitiges Konstitutionsverhältnis verschwindet daher tendenziell aus dem Blickfeld (vgl. Görg 2003b: 121f.).
 
12
obbins (2004) argumentiert, dass Hardins Vorschlag einer Etablierung privater Verfügungsrechte über die ausgebeutete Natur als Bestandteil eines politischen Projekts gelesen werden muss, da die von Hardin konstatierte „Tragödie" ebenso in die alternative Regulierungsform eines „Public Property" übersetzt werden könnte.
 
13
Kursiv im Original, M.B.
 
14
Vgl. auch den McKinsey-Bericht „Pathways for a Low-Carbon Economy"(2009), der die gesamtwirtschaftlichen Kosten erfolgreicher Strategien der Emissionsvermeidung und der Anpassung an den Klimawandel noch deutlich niedriger taxiert als der Stern-Report.
 
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Die Regulationstheorie lässt sich kaum als ein einheitlicher Ansatz mit einem fixen, kohärenten und zusammenhängenden Set an Konzepten beschreiben. Die Rede von einer Regulationstheorie ist daher auch irreführend (Jessop 2001: 17 ff.; Hübner 1990: 17). Bei den meisten Regulationisten handelt es sich um Ökonomen, die sich in ihren Analysen verstärkt der Geschichts- und Politikwissenschaft wie auch der Soziologie zugewandt haben (Lipietz 1998). Im Zentrum der folgenden Ausführungen sollen jene Vertreter der Regulationstheorie stehen, die ihre Ansätze - wie Alain Lipietz und Michel Aglietta - auf der Grundlage der marxschen Kritik der Politischen Ökonomie entwickelt haben.
 
16
Alain Lipietz spricht in diesem Zusammenhang von den Regulationisten als den „rebellischen Söhnen" Althussers (1998).
 
17
Mit Bezug auf die Regulationisten lässt sich argumentieren, dass sogar der Neoliberalismus, also ein Gesellschaftsmodell, das den selbstregulierenden Markt zum Gravitationszentrum der sozialen Entwicklung hypostasiert, auf eine gesellschaftliche Struktur der Akkumulation angewiesen ist. So vermag der Neoliberalismus die radikale Asymmetrie zwischen Ware und Geld nur prozessierbar zu machen, indem er ein expandierendes Kreditwesen und die Ausweitung der öffentlichen und privaten Verschuldung institutionell ermöglicht und garantiert (Harvey 2010). Auf dem Terrain der alltäglichen Lebensführung wiederum muss er beständig daran arbeiten, dass sich die Volksmassen als Arbeitskraftunternehmer und Selbstverwertungsagenten begreifen – es handelt sich folglich nicht um eine mit dem (wie auch immer gearteten) menschlichen Wesen kongruente Form gesellschaftlicher Entwicklung, sondern um ein voraussetzungsvolles und komplexes Projekt sozial-ökologischer Restrukturierung.
 
18
Kursiv im Original, M.B.
 
19
Kursiv im Original, M.B.
 
20
In der Regulationstheorie werden dazu gemeinhin die Staatsapparate, das Geldverhältnis, das Arbeitsverhältnis, die internationalen Beziehungen und die Wettbewerbsformen gezählt (Bo- yer/Saillard 1995).
 
21
Kursiv im Original, M.B.
 
22
Kursiv im Original, M.B.
 
23
So machen Newell und Paterson (Newell/Paterson 2010; siehe auch Paterson 2010) zwar die Regulationstheorie zu einer Analysefolie ihrer These einer klimakapitalistischen Modernisierung. Dass die Annahme eines historischen Blocks ökologischer Modernisierung aber möglicherweise ein viel zu widerspruchsfreies, lineares Bild gesellschaftlicher Modernisierung suggeriert, als es mit den Mitteln der Regulationstheorie, die nicht umsonst von „glücklichen Funden" spricht, möglich wäre, nehmen sie nur am Rande zur Kenntnis (Newell/Paterson 2010: 129 ff.). Paterson geht sogar so weit, dass er dem Kohlenstoffmarkt, also dem Paper CO2, jene ideologisch amalgamierende Potenz zuweist, die in der Ära des Fordismus dem Automobil zukam (vgl. Paterson 2010).
 
24
it dem Begriff der Segmentierung zielt Poulantzas insbesondere auf die räumliche Anordnung des Produktions- und Arbeitsprozesses. Um die Poren des Arbeitstages zu schließen, werden die Körper der Arbeiter in ein möglichst effizientes Verhältnis zu den Arbeitsgegenständen gesetzt. Sie werden zu einem bloßen Anhängsel der Maschine, wie Poulantzas mit Blick auf das Fließband darlegt (ST: 91). Die segmentierte räumliche Struktur der kapitalistischen Produktions- und Arbeitsprozesse, die sich als das Resultat der Suche der kapitalistischen Produzenten nach überlegenen Organisationsformen lesen lässt, soll in der weiteren Argumentation indes hinter der diskontinuierlichen räumlichen Entwicklung in der kapitalistischen Produktionsweise zurücktreten.
 
25
Die theoretische Analyse des Raumes verbleibt an dieser Stelle reduktionistisch, weil sie sich lediglich auf die für den Gang der Argumentation zentrale „räumliche Praxis" (im Sinne von „gebauter Umwelt") bezieht. Wollte man dies vermeiden, würde sich mit Lefebvres ,Triadisierung’ des Raumes in „räumliche Praxis", „Repräsentation des Raumes" und „Räume der Repräsentation" eine komplexere Fassung des gesellschaftlichen Verhältnisses Raum anbieten (Lefebvre 1991).
 
26
Kursiv im Original, M.B.
 
Metadaten
Titel
Zur Artikulation von Ökonomie, Natur und Politik
verfasst von
Martin Bitter
Copyright-Jahr
2013
Verlag
Springer Fachmedien Wiesbaden
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-03406-1_3