2.1 Studienpopulation
Die BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018 ist eine repräsentative Querschnittsbefragung von Erwerbstätigen ab 15 Jahren, die mindestens 10 h pro Woche einer bezahlten Tätigkeit nachgehen (Rohrbach-Schmidt und Hall
2020). Die Befragung stellt eine der umfangreichsten Erhebungen von Arbeitsbedingungen und Arbeitsbelastung in Deutschland dar. Sie verfolgt das Ziel, differenzierte und repräsentative Aussagen über Erwerbstätige und ihre Arbeitsplätze treffen zu können.
Für die nachfolgenden Analysen wurde die ungewichtete Stichprobe verwendet und auf abhängig Beschäftigte (d. h. Arbeiterinnen und Arbeiter, Angestellte, Beamtinnen und Beamte) im Dienstleistungssektor beschränkt (
n = 12.386). In Anlehnung an die Klassifikation der Wirtschaftszweige WZ 2008 (Eurostat
2008) wurden die Dienstleistungssektoren in drei Bereiche unterteilt: a) den Handelssektor (d. h. Abschnitte G bis J,
n = 3276), zu dem z. B. der Groß- und Einzelhandel etc. gehören; b) den Finanzsektor (d. h. Abschnitte K bis N,
n = 2099), zu dem z. B. das Versicherungsgewerbe und das Grundstücks- und Wohnungswesen etc. gehören; und c) den öffentliche Dienstleistungen (d. h. die Abschnitte O bis U,
n = 7011), zu dem z. B. die öffentliche Verwaltung, das Gesundheitswesen und das Bildungswesen gehören. Diese Differenzierung basiert auf Untersuchungen von Beermann (
2014) und Pundt und Lück (
2021), in denen Arbeitsbedingungen von Beschäftigten und Führungskräften in Dienstleistungssektoren anhand der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragungen 2012 und 2018 untersucht wurden.
Für die Operationalisierung von Basisarbeit gibt es in der bisherigen Forschung unterschiedlichste Konzepte (Kaboth et al.
2022). In den nachfolgenden Analysen wurde Basisarbeit in Anlehnung an Hall und Sevindik (
2020) mithilfe der folgenden Frage operationalisiert:
„Welche Art von Ausbildung ist für die Ausübung Ihrer Tätigkeit als <Tätigkeit einblenden> in der Regel erforderlich? Eine abgeschlossene Berufsausbildung, ein Fachhochschul- oder Universitätsabschluss, ein Fortbildungsabschluss, z. B. zum Meister- oder Techniker, oder ist kein beruflicher Ausbildungsabschluss erforderlich?“. Wenn kein beruflicher Ausbildungsabschluss für die Ausübung erforderlich ist, wird angenommen, dass es sich bei der derzeitigen Tätigkeit um Basisarbeit handelt. Bei allen anderen Tätigkeiten wird von Nicht-Basisarbeit ausgegangen. Da in dieser Untersuchung Basisarbeitende betrachtet werden, sind, mit Ausnahme von Tab.
2, Nicht-Basisarbeitende (
n = 10.697) aus den Analysen ausgeschlossen. Aufgrund fehlender Werte konnten weitere
n = 234 nicht in den Analysen berücksichtigt werden, sodass insgesamt
n = 1455 Basisarbeitende Grundlage der Auswertungen sind, darunter
n = 715 im Handelssektor,
n = 245 im Finanzsektor und
n = 495 in öffentlichen Dienstleistungen.
Die Sektoren der WZ 2008 können für einen genaueren Einblick in die Zusammensetzung der Gruppen noch weiter ausdifferenziert werden (siehe Tab.
1). Im Handelssektor sind die größten Anteile von Basisarbeiten demnach im Einzelhandel (32 %), der Gastronomie (14 %) und in Post‑, Kurier- und Expressdiensten sowie im Bereich Landverkehr und Transport in Rohrfernleitungen (jeweils 13 %) zu finden. Im Finanzsektor sind die meisten Basisarbeitenden der Gebäudebetreuung; dem Garten- und Landschaftsbau (39 %), den Wach- und Sicherheitsdiensten (12 %) und dem Wirtschaftszweig „Erbringung von wirtschaftlichen Dienstleistungen für Unternehmen und Privatpersonen“ (11 %) zuzuordnen. Im Wirtschaftszweig „Öffentliche Dienstleistungen“ sind Basisarbeitende vorwiegend im Gesundheitswesen (24 %), in der Öffentlichen Verwaltung, Verteidigung; Sozialversicherung (19 %) und im Sozialwesen (16 %) tätig.
Tab. 1
Basisarbeitende im Dienstleistungsbereich nach den jeweils fünf häufigsten Wirtschaftszweigen in %
Table 1
Low-skilled service jobs by the five most common sectors in each case in %
47 | Einzelhandel (ohne Handel mit Kraftfahrzeugen) | 32,2 | – | – |
56 | Gastronomie | 14,3 | – | – |
53 | Post‑, Kurier- und Expressdienste | 12,9 | – | – |
49 | Landverkehr und Transport in Rohrfernleitungen | 12,9 | – | – |
52 | Lagerei sowie Erbringung von sonstigen Dienstleistungen für den Verkehr | 8,5 | – | – |
81 | Gebäudebetreuung; Garten- und Landschaftsbau | – | 38,8 | – |
80 | Wach- und Sicherheitsdienste sowie Detekteien | – | 12,2 | – |
82 | Erbringung von wirtschaftlichen Dienstleistungen für Unternehmen und Privatpersonen a. n. g. | – | 11,0 | – |
73 | Werbung und Marktforschung | – | 8,6 | – |
64 | Erbringung von Finanzdienstleistungen | – | 6,5 | – |
86 | Gesundheitswesen | – | – | 23,6 |
84 | Öffentliche Verwaltung, Verteidigung; Sozialversicherung | – | – | 19,4 |
88 | Sozialwesen (ohne Heime) | – | – | 16,4 |
85 | Erziehung und Unterricht | – | – | 12,3 |
87 | Heime (ohne Erholungs- und Ferienheime) | – | – | 10,1 |
Insgesamt besteht die ungewichtete Stichprobe von Basisarbeitenden im Dienstleistungssektor zu 56 % aus Frauen und zu 44 % aus Männern mit einem Durchschnittsalter von 46,3 Jahren (Standardabweichung: 12,7). Rund 25 % haben keinen Berufsabschluss, 58 % haben eine betriebliche, schulische Berufsausbildung oder sind Beamte im einfachen und mittleren Dienst, 4 % haben eine weiterführende Berufsausbildung (z. B. Meister, Techniker, Fachwirt u. ä.), und 13 % haben einen Universitäts- oder Fachhochschulabschluss bzw. sind Beamte im höheren Dienst.
2.2 Untersuchungsvariablen
Nachfolgend werden die in der Studie verwendeten Untersuchungsvariablen zur Operationalisierung der Bereiche gesundheitliche Beschwerden, Ressourcen, psychische Anforderungen sowie physische und umgebungsbezogene Anforderungen beschrieben. Für die verschiedenen Bereiche wurden, mit Ausnahme der Ressource „soziale Unterstützung“ und der psychischen Anforderung „emotionale Belastung“, Summenindizes oder Mittelwertskalen gebildet. Die angegebenen internen Konsistenzen (Cronbachs
α bzw. Spearman-Brown
r) beziehen sich dabei auf die Stichprobe aller abhängig beschäftigten Basisarbeitenden im Dienstleistungssektor (
n = 1455). Mittelwerte, Standardabweichungen, Stichprobengröße und Post-hoc Tests der Untersuchungsvariablen für Basisarbeitende im Dienstleistungssektor sind der Tab.
3 zu entnehmen. Für den genauen Wortlaut der Items sei hier auf den Daten- und Methodenbericht verwiesen (siehe Rohrbach-Schmidt und Hall
2020).
Die gesundheitlichen Beschwerden wurden durch acht Items zu
psychosomatischen Beschwerden (unter anderem Kopfschmerzen, Niedergeschlagenheit) und acht Items zu
muskuloskelettalen Beschwerden (unter anderem Rücken- oder Nackenschmerzen) berücksichtigt. Dabei wurde die Anzahl der Beschwerden jeweils gezählt und über einen Summenindex abgebildet, sodass die Werte der Skalen von 0 (keine Beschwerden) bis 8 (alle Beschwerden) reichen (Franke
2015; Pundt und Lück
2021).
Im Rahmen der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018 wurden Erwerbstätige jeweils auf einer Skala von 1 (häufig) bis 4 (nie) gefragt, wie häufig sie bei ihrer Arbeit unterschiedliche Ressourcen aufweisen und verschiedenen psychischen und körperlichen sowie umgebungsbezogenen Arbeitsbedingungen ausgesetzt sind. Um die Interpretation der Ergebnisse zu erleichtern, wurden die Antwortkategorien der Items vor der Analyse in 1 (nie) bis 4 (häufig) umcodiert.
Für die Ressourcen wurden im Sinne von sozialer Unterstützung drei Einzelitems zur Häufigkeit von Unterstützung durch Kolleginnen und Kollegen, Unterstützung vom bzw. von der direkten Vorgesetzten sowie Lob und Anerkennung vom bzw. von der direkten Vorgesetzten in die Analysen integriert. Der arbeitsbezogene Handlungsspielraum wurde durch eine Mittelwertskala abgebildet, dessen einbezogene Items sich auf den Einfluss auf die Arbeitsmenge, Pausengestaltung und das Planen und Einteilen der eigenen Arbeit beziehen (α = 0,60). In Bezug auf die Kontrollmöglichkeiten der Beschäftigten wurden zwei Items zu fehlender Kontrolle als Mittelwertskala in die Analysen integriert, darunter die Abfragen dazu, wie oft Befragte nicht rechtzeitig über wichtige Änderungen informiert werden und wie häufig sie nicht alle notwendigen Informationen erhalten, um ihre Arbeit ordnungsgemäß auszuführen (demnach gehen höhere Werte mit geringeren Kontrollmöglichkeiten einher, Spearman-Brown r = 0,71).
Für die psychischen Arbeitsanforderungen wurden Mittelwertskalen zu Arbeitsintensität, Monotonie und kognitiven Anforderungen gebildet. In Anlehnung an Franke (
2015) wurden zur Messung von
Arbeitsintensität fünf Items in einer Mittelwertskala berücksichtigt, darunter Abfragen zur Häufigkeit von starkem Termin- oder Leistungsdruck, sehr schnellem Arbeiten, gleichzeitiger Betreuung verschiedener Arbeiten, Störungen oder Unterbrechungen und Arbeiten an der Grenze der Leistungsfähigkeit (
α = 0,74). Die Skala zu
Monotonie beinhaltet zwei Items zur Häufigkeit von Vorgaben in der Arbeitsdurchführung und ständig wiederkehrenden Arbeitsvorgängen (Spearman-Brown
r = 0,49). Für die Messung von
kognitiven Anforderungen wurden in Anlehnung an Meyer und Hünefeld (
2018) drei Items zur Auseinandersetzung mit neuen bzw. ungelernten Aufgaben und Verfahren in einer Skala berücksichtigt (
α = 0,63). Die Messung von
emotionaler Belastung erfolgte durch die Frage
„Wie häufig kommt es bei Ihrer Arbeit vor, dass Ihre Tätigkeit Sie in Situationen bringt, die Sie gefühlsmäßig belasten?“ und wurde als Einzelitem in die Analysen integriert.
Physische Arbeitsbedingungen und Arbeitsumgebungsbedingungen wurden in Anlehnung an Pundt und Lück (
2021) jeweils über einen Summenindex abgebildet. Bei
physischen Arbeitsbedingungen umfasst der Summenindex vier Items, darunter Arbeiten im Stehen, Heben bzw. Tragen schwerer Lasten, Arbeiten mit Händen und Arbeiten in Zwangshaltungen. Der Summenindex zu
Arbeitsumgebungsbedingungen umfasst insgesamt sechs Items zu Arbeiten bei Rauch, Staub oder unter Gasen, Dämpfen, Arbeiten unter Kälte, Hitze, Nässe, Feuchtigkeit oder Zugluft, Arbeiten mit Öl, Fett, Schmutz oder Dreck, Arbeiten bei grellem Licht oder schlechter bzw. zu schwacher Beleuchtung und unter Lärm sowie Arbeiten unter störenden Geräuschen. Die Werte der Skalen für körperliche und umgebungsbezogene Anforderungen reichen von 4 (nie) bis 16 (häufig) bzw. von 6 (nie) bis 24 (häufig).
Weiterhin wurde ein Indikator zu der Anzahl von
Restrukturierungsmaßnahmen als Summenskala in die Analysen integriert. In Anlehnung an Pundt und Lück (
2021) enthält diese Skala acht Items zu verschiedenen Veränderungen in den letzten zwei Jahren, darunter die Einführung von neuen Computerprogrammen, die Erbringung von neuen oder deutlich veränderten Dienstleistungen, eine Umsetzung wesentlicher Umstrukturierungen oder Umorganisationen, die das unmittelbare Arbeitsumfeld betrafen, Stellenabbau oder Entlassungen, der vermehrte Einsatz von freien Mitarbeitern, Aushilfen, Praktikant/-innen oder Leiharbeitnehmenden, der Einsatz eines/einer neuen Vorgesetzten und die Zunahme von Stress und Arbeitsdruck sowie fachlichen Anforderungen. Die Skala reicht von 0 (keine Veränderungen) bis 8 (alle Veränderungen).
Verschiedene Kontrollvariablen wurden in die Regressionsanalysen integriert, um Verzerrungen der Schätzer durch unbeobachtete Heterogenität auszuschließen. Die tatsächlich geleistete durchschnittliche Wochenarbeitszeit (einschließlich Nebentätigkeiten) wurde als metrische Variable in die Analysen integriert. Zudem wurden die Analysen für Alter und Geschlecht adjustiert. Für den Bildungsgrad wurden die Analysen über die „International Standard Classification of Education 97“ (ISCED-97, siehe UNESCO
1997) kontrolliert, die aus den Abfragen des höchsten allgemeinbildenden Schulabschlusses und des höchsten Ausbildungsabschlusses konstruiert wurde. In Anlehnung an Hippach-Schneider et al. (
2007) und Van der Velden und Wolbers (
2003) wurde die zusammengefasste ISCED-Klassifikation mit den Stufen (1) „Primär- und Sekundarbereich“ (ISCED 0–2), (2) „Sekundarbereich II“ (ISCED 3–4) und (3) „Tertiärbereich“ (ISCED 5–6) verwendet.