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01.06.2023 | Automobilwirtschaft | Schwerpunkt | Online-Artikel

Warum chinesische Auto-Importe besonders Europa gefährden

verfasst von: Christiane Köllner

5 Min. Lesedauer

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Der stetige Erfolg chinesischer E-Autos stellt eine große Bedrohung für europäische Autohersteller dar. Die Konkurrenz durch chinesische Importe ist wegen des vergleichsweise offenen Markts in Europa besonders hoch. 

Die Verlagerung auf batteriebetriebene Elektrofahrzeuge ist ein Wendepunkt für die europäische Automobilindustrie, die mit zahlreichen Risiken einhergeht: einer Umgestaltung der Zuliefererbasis, veränderten Kundenbedürfnissen, dem Wettbewerb durch neue Marktteilnehmer und des sich abzeichnenden Ausstieg aus dem (fossil angetriebenen) Verbrennungsmotor. Doch das größte Risiko ist China, wie eine Studie des Kreditversicherers Allianz Trade verdeutlicht. China habe bereits vor 15 Jahren das Potenzial von Elektrofahrzeugen erkannt und seitdem enorme Ressourcen in den Aufbau eines wettbewerbsfähigen Ökosystems für Elektrofahrzeuge investiert. Im vergangenen Jahr verkaufte China mehr als doppelt so viele BEVs wie Europa und die USA zusammen. 

Was China so bedrohlich für die europäische Automobilindustrie macht, lässt sich laut Studie in zwei Entwicklungen zusammenfassen: Zum einen werden europäische Hersteller in China zunehmend verdrängt und die Dominanz chinesischer Marken im eigenen Land steigt. Zum anderen drängen immer mehr chinesische Elektroautos nach Europa, der Import chinesischer Autos nach Europa wächst also. 

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Europäer verlieren Marktanteile in China

China sei "längst nicht mehr das 'El Dorado' der europäischen und vor allem der deutschen Automobilhersteller", heißt es in einer Mitteilung zur Studie. Sie hätten in den letzten Jahren deutlich Marktanteile im weltweit größten Automobilmarkt in China verloren und Ende 2022 ihre Marktführerschaft eingebüßt. Vor allem im Bereich Elektromobilität setzen die Chinesen lieber auf einheimische Marken. Bei neu zugelassenen Elektrofahrzeugen liege der Anteil chinesischer Hersteller bei 80 %. 

Aurélien Duthoit, Branchenexperte bei Allianz Trade, bringt es auf den Punkt: "Die Elektrofahrzeuge chinesischer Hersteller erfreuen sich in China immer größerer Beliebtheit". Und er prognostiziert: "Sie werden bis 2030 ihre Marktanteile weiter kräftig ausbauen, zu Lasten von europäischen Autobauern und deren lokalen Tochtergesellschaften und Joint Ventures. Das sind trübe Aussichten für die europäischen und insbesondere deutschen Autobauer, die 2022 Fahrzeuge im Wert von 24 Mrd. EUR nach China exportiert haben." Würden chinesische Hersteller ihren Marktanteil in China bis 2030 auf 75 % erhöhen, würde das die europäischen Autohersteller mehr als 7 Mrd. Euro an jährlichen Nettogewinnen kosten, hat die Studie errechnet.

Import chinesischer Autos nach Europa wächst

Gleichzeitig stehen die chinesischen Hersteller schon in den Startlöchern, um den europäischen Markt zu erobern. Noch sei der Marktanteil klein, aber er dürfte – analog zu koreanischen und japanischen Herstellern in der Vergangenheit – schnell wachsen, so die Studie. Sollten chinesische Importe in Europa einen Marktanteil von 10 % erobern, würde der europäische Automobilsektor bis 2030 rund 24 Mrd. Euro an Wertschöpfung verlieren – inklusive der Zulieferer noch wesentlich mehr.

Am stärksten seien die von der Automobilindustrie abhängigen Volkswirtschaften von Deutschland, Tschechien und der Slowakei betroffen. In Deutschland wären 0,36 % des Bruttoinlandprodukts (BIP) in Gefahr, in der Slowakei 0,4 % des BIP und in der Tschechischen Republik 0,41 % des BIP.

Inflation Reduction Act macht Europa zum Ziel für chinesische Exporte 

Ein wichtiger Grund für die zunehmende Verbreitung von in China hergestellten Fahrzeugen und chinesischer Marken in Europa sei die vergleichsweise größere Offenheit für importierte Elektrofahrzeuge, so die Studie. Obwohl die USA der weltweit zweitgrößte Markt für Kraftfahrzeuge seien und ein großes Handelsdefizit bei Autos aufwiesen, seien sie für chinesische Fahrzeuge ein viel schwieriger zu knackender Markt. Laut Studie liege das am US Inflation Reduction Act (IRA), der die Automobilproduktion in Nordamerika durch zwei wesentliche Bestimmungen stark fördern wird:

  • Steuergutschriften für die Herstellung einer breiten Palette von Komponenten für saubere Energien und kritische Rohstoffe ("New Advanced Manufacturing Production Tax Credits"), einschließlich Batteriezellen und -module, die in Elektrofahrzeugen verwendet werden.
  • Steuergutschriften im Wert von bis zu 7.500 US-Dollar für den Kauf eines in Nordamerika montierten Elektrofahrzeugs, das bestimmte Anforderungen an den heimischen Anteil von Batterierohstoffen und Komponenten erfüllt. Ab 2024 dürfen die Batteriekomponenten eines Elektroautos nicht mehr aus Russland, China oder einer anderen "foreign entity of concern" kommen.

Während die erstgenannte Bestimmung erst nach und nach zum Tragen kommen soll, wenn in- und ausländische Unternehmen in lokale Fertigungskapazitäten investieren, so die Studie, schaffe die letztgenannte Bestimmung einen starken und unmittelbaren Vorteil für lokal gefertigte Fahrzeuge und ein ausdrückliches Hindernis für chinesische Zulieferer und Automobilhersteller. Die IRA-Bestimmungen kämen zu einer erheblichen Importzolllücke hinzu: Für chinesische Fahrzeuge gelte in Europa ein Einfuhrzollsatz von 10 %, in den USA jedoch ein von der Trump-Administration festgelegte Satz von 27,5 %.

Anpassung der Wettbewerbsbedingungen

Da beide Tendenzen – Dominanz chinesischer Marken in China und Import chinesischer Autos nach Europa – derzeit kaum aufzuhalten seien, so die Studie, müssten vor allem Maßnahmen zur Abmilderung der Auswirkungen ergriffen werden. Gefragt sei vor allem die Politik. "Eine Anpassung der Wettbewerbsbedingungen an sowohl China als auch die USA wäre ein wichtiger Weg, um die Auswirkungen auf die Automobilbranche und damit auch die Wirtschaft abzumildern", sagt Duthoit. "Aber auch die Stärkung der lokalen Produktion durch chinesische Hersteller könnte zu positiven Effekten führen. Wir haben das in der Vergangenheit umgekehrt in China gesehen: Wenn man sie nicht schlagen kann, ist es vielleicht eine Option, sich zusammenzutun."

Darüber hinaus könnten Investitionen in neue Batterietechniken, eine Reduzierung bei der Abhängigkeit von Rohstoffen und importierten Komponenten für elektrische Antriebe sowie der Ausbau der Ladeinfrastruktur mögliche Stellschrauben sein, um die Negativeffekte zu kompensieren. 

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