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Open Access 2023 | OriginalPaper | Buchkapitel

3. Daten und Methoden

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Zusammenfassung

Die vorliegende Arbeit fokussiert auf soziale Probleme in wohlhabenden Ländern. Um entsprechende Länder zu identifizieren, wurde auf die Einkommensklassifikation der World Bank zurückgegriffen (Fantom & Serajuddin, 2016). Gemessen am Bruttonationaleinkommen pro Kopf werden Länder in vier Einkommensklassen unterteilt: (1) hohes Einkommen, (2) oberes mittleres Einkommen, (3) unteres mittleres Einkommen und (4) geringes Einkommen.
Hinweise

Ergänzende Information

Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, auf das über folgenden Link zugegriffen werden kann https://​doi.​org/​10.​1007/​978-3-658-39865-1_​3.

3.1 Länderauswahl

Die vorliegende Arbeit fokussiert auf soziale Probleme in wohlhabenden Ländern. Um entsprechende Länder zu identifizieren, wurde auf die Einkommensklassifikation der World Bank zurückgegriffen (Fantom & Serajuddin, 2016). Gemessen am Bruttonationaleinkommen pro Kopf werden Länder in vier Einkommensklassen unterteilt: (1) hohes Einkommen, (2) oberes mittleres Einkommen, (3) unteres mittleres Einkommen und (4) geringes Einkommen. Als wohlhabend werden die Länder klassifiziert, welche durch ein hohes oder oberes mittleres Einkommen charakterisiert sind. Aus den insgesamt 218 von der World Bank klassifizierten Ländern wurden im ersten Schritt die Länder ausgewählt, welche im Jahr 2020 ein hohes Einkommen aufweisen konnten. Daraus ergibt sich ein Startpunkt für die weitere Fallauswahl von 80 Ländern. Im zweiten Schritt wurden sieben Länder ausgeschlossen, welche zwischen 1990 und 2000 nicht mindestens durch ein unteres mittleres Einkommen und zwischen 2001 und 2020 nicht durch ein oberes mittleres oder hohes Einkommen charakterisiert waren. Durch diesen Schritt werden vor dem Hintergrund des dreißigjährigen Untersuchungszeitraums (1990 bis 2020) vor allem osteuropäische Länder in der Fallauswahl berücksichtigt, welche sich erst in den 1990er Jahren1 als wohlhabende Länder etablieren konnten. Im dritten Schritt wurden zehn Länder als Steueroasen ausgeschlossen, da diese nach einem Bericht der OECD den international vereinbarten Steuerstandard nicht umgesetzt haben (Owens & Saint-Amans, 2009). Anschließend wurden im vierten Schritt 14 Länder mit einer Bevölkerungsanzahl von unter 300.000 Personen im Jahr 2020 ausgeschlossen, da sich soziale Prozesse in besonders kleinen Gesellschaften anders abspielen können als in größeren. Im fünften und letzten Schritt der Fallauswahl wurden neun Länder aufgrund fehlender Daten der World Bank, der Standardized World Income Inequality Database (SWIID), dem Integrated Values Survey (IVS) und des Programme for International Student Assessment (PISA) ausgeschlossen. Nach diesen Schritten ergibt sich eine finale Auswahl von 40 wohlhabenden Ländern. Im Vergleich zur Länderauswahl von Wilkinson und Pickett (22 Länder) wurde das vorliegende Set durch 18 Länder nahezu verdoppelt und ist durch eine höhere geographische und kulturelle Diversität gekennzeichnet. So wurde dem Länderset neben vier weiteren westlichen und fünf weiteren nicht-westlichen Ländern neun osteuropäische Länder hinzugefügt. Tabelle 3.1 gibt einen Überblick über die Schritte der Länderauswahl und das finale Länderset.
Tabelle 3.1
Auswahl der wohlhabenden Länder nach theoretischen Überlegungen und Datenverfügbarkeit
Ausgangspunkt: 80 Länder
Hohes Einkommen im Jahr 2020
Theoretische Eingrenzung (1): Ausschluss der Länder, welche zwischen 2001–2020 kein oberes mittleres oder hohes Einkommen und zwischen 1990–2000 nicht mindestens unteres mittleres Einkommen aufweisen (−7 Länder)
>> Britische Jungferninseln, Curacao, Gibraltar, Nauru, St. Maarten (niederländischer Teil), St. Martin (französischer Teil), Turks- und Caicosinseln
Theoretische Eingrenzung (2): Ausschluss von Steueroasen (−10 Länder)
>> Andorra, Antigua und Barbuda, Aruba, Bahamas, Bahrain, Bermuda, Cayman-Inseln, Lichtenstein, Monaco, St. Kitts und Nevis
Theoretische Eingrenzung (3):
Ausschluss von Ländern mit weniger als 300.000 Einwohner*innen (−14 Länder)
>> Barbados, Kanalinseln, Färöer-Inseln, Französisch-Polynesien, Grönland, Guam, Isle of Man, Neukaledonien, Nördliche Marianen, Oman, Palau, San Marino, Seychellen, Jungferninseln (U.S.)
Fehlende Daten (−9 Länder)
(1) World Bank >> Taiwan
(2) SWIID (Gini) >> Brunei Darussalam, Kuwait, Macao SAR, Oman, Katar, Saudi-Arabien
(3) Integrated Values Survey >> Israel, Vereinigte Arabische Emirate
(4) PISA >> Puerto Rico, Vereinigte Arabische Emirate
Finale Auswahl von 40 wohlhabenden Ländern (vollständiges Länderset):
>> Australien, Belgien, Chile, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Hong Kong, Irland, Island, Italien, Japan, Kanada, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Neuseeland, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Schweiz, Singapur, Slowakei, Slowenien, Spanien, Südkorea, Tschechien, Ungarn, Trinidad und Tobago, Uruguay, Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten, Zypern
Anmerkung: „Australien“ = 22 Länder aus dem Länderset von Wilkinson & Pickett (2016 [2010])
Uruguay = 18 hinzugefügte Länder
Lettland = Länder mit unteren mittleren Einkommen zwischen 1990 und 2000
Quelle: Eigene Darstellung nach Delhey & Steckermeier, 2020.

3.2 Daten

Ökonomische Faktoren
Um die Verteilung sozialer Probleme in wohlhabenden Ländern zu erklären, wurden zwei ökonomische Faktoren operationalisiert: Die Einkommensungleichheit und Wohlstand. Die Einkommensungleichheit wird über den Gini-Koeffizienten gemessen. Dieser beschreibt in einem Wertebereich von 0 bis 100 die Netto-Haushaltseinkommensverteilung innerhalb einer Gesellschaft, wobei höhere Werte eine höhere Ungleichverteilung indizieren. Die Gini-Koeffizienten wurden der Standardized World Income Inequality Database (SWIID, Version 9.2) entnommen (Solt, 2020). Abbildung 3.1 zeigt die Verteilung der Einkommensungleichheit innerhalb des Ländersets im Jahr 2020 sowie ihre relative Entwicklung gegenüber dem Jahr 1990. Die vier Länder mit der höchsten Einkommensungleichheit im Jahr 2020 sind Chile, Trinidad und Tobago, Hong Kong und die USA. Die vier Länder mit der geringsten sind die Slowakei, Island, Slowenien und Tschechien.
Die Abbildung zeigt zudem, dass in 31 von 40 wohlhabenden Ländern die Einkommensungleichheit über den dreißigjährigen Untersuchungszeitraum zugenommen hat. Lediglich in neun Ländern konnte die Einkommensungleichheit zwischen 1990 und 2020 verringert werden.
Der Wohlstand der Länder wird über das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Kaufkraftparitäten in laufenden internationalen $ gemessen (von hier an GDP genannt, engl. für gross domestic product bzw. dt. für Bruttoinlandsprodukt). Die entsprechenden Daten wurden von der World Bank bezogen (World Bank, 2021b). Abbildung 3.2 zeigt die Verteilung des GDP pro Kopf innerhalb des Ländersets im Jahr 2020 sowie ihre relative Entwicklung gegenüber dem Jahr 1990. Wohlhabende Länder konnten ihren Wohlstand innerhalb des Untersuchungszeitraums steigern. Die vier Länder mit dem höchsten GDP pro Kopf im Jahr 2020 sind Luxemburg, Singapur, Irland und die Schweiz. Die Länder mit dem geringsten GDP pro Kopf sind Kroatien, Trinidad und Tobago, Chile und Uruguay. Für die bi- und multivariaten Analyseschritte wurde das GDP logarithmiert, um die großen Abstände zwischen den Ländermittelwerten einzuhegen.
Kulturelle Faktoren
Neben den ökonomischen Faktoren wurden drei verschiedene kulturelle Faktoren zur Erklärung der ausgewählten sozialen Probleme operationalisiert: Soziales Vertrauen, Werteklima und ethnische Fraktionalisierung.
Die ethnische Fraktionalisierung der Länder wird dem Historical Index of ethnical Fractionalization (HIEF) entnommen (Dražanová, 2020). Der HIEF kalkuliert den Grad der ethnischen Fraktionalisierung eines Landes über den prozentualen Anteil ethnischer Gruppen an der Gesamtbevölkerung über einen Zeitraum von 1945 bis 2013 für 126 Länder. Datenlücken zwischen 2013 und 2020 wurden durch das beschriebene Verfahren extrapoliert. Für fünf der 40 wohlhabenden Länder liegen keine Daten vor (Frankreich, Hong Kong, Island, Luxemburg, Malta). Der HIEF besitzt einen Wertebereich zwischen 0 und 1. Ein Wert von 0 würde theoretisch bedeuten, dass alle Menschen innerhalb eines Landes derselben ethnischen Gruppe zugehörig sind; ein Wert von 1, dass alle Menschen einer eigenen ethnischen Gruppe angehören. Abbildung 3.3 zeigt die Verteilung der ethnischen Fraktionalisierung innerhalb des Ländersets im Jahr 2020 sowie ihre relative Entwicklung gegenüber dem Jahr 1990. Sie stellt dar, dass sich die ethnische Fraktionalisierung in 32 der 40 untersuchten wohlhabenden Länder im Untersuchungszeitraum erhöht hat. Lediglich acht Länder weisen im Jahr 2020 eine geringere Fraktionalisierung gegenüber 1990 auf. Die vier Länder mit der höchsten ethnischen Fraktionalisierung im Jahr 2020 sind Kanada, Spanien, Trinidad und Tobago und Belgien. Die vier Länder mit der geringsten ethnischen Fraktionalisierung sind Finnland, Italien, Polen und Japan. Die größte Zunahme der Fraktionalisierung fand in den Niederlanden statt, die größte Abnahme in Kroatien. Aufgrund der Datenverfügbarkeit bis in das Jahr 2013 kann die Extrapolation der Daten zwischen 2013 und 2020 die Zunahme der ethnischen Fraktionalisierung durch die Flüchtlingskrise 2015 nicht abbilden.
Das soziale Vertrauen wird über eine Variable aus dem Integrated Values Survey (IVS) 1981–2021 erfasst, die das interpersonale Vertrauen abfragt. Nach den Ausführungen von Sztompka (1999, S. 59) steht hinter allen verschiedenen Vertrauensformen, wie z. B. dem persönlichen, kategorialen, positionellen, gruppenbezogenen, institutionellen, kommerziellen oder systemischen Vertrauen, das Vertrauen in Menschen und deren Handeln. Darin liegt die theoretische Begründung, das interpersonale Vertrauen als Proxy für soziales Vertrauen zu verwenden. Das interpersonale Vertrauen wird durch die Frage „Generally speaking, would you say that most people can be trusted or that you can’t be too careful in dealing with people?“ gemessen. Die Antwort “Most people can be trusted” wurde mit 1 codiert, die Antwort “Can’t be too careful” mit 0. Durch die Aggregation ihrer Mittelwerte auf der Länderebene gibt die Variable auf einer Skala von 0 bis 1 den Anteil der vertrauenden Menschen in einem Land an. Für eine bessere Interpretation werden die Ländermittelwerte mit 100 multipliziert, um den Anteil der Vertrauenden zwischen 0 und 100 Prozent berichten zu können. Das Land mit dem höchsten sozialen Vertrauen ist Dänemark mit 76,21 Prozent, das Land mit dem geringsten Trinidad und Tobago mit 3.22 Prozent. Der IVS ist ein zusammengesetzter Datensatz aus den aggregierten Erhebungswellen der European Value Study (EVS) von 1981 bis 2017 (EVS, 2021) und des World Value Survey (WVS) von 1981 bis 2021 (Haerpfer et al., 2021). Der EVS bringt vier Erhebungswellen in den IVS im Untersuchungszeitraum ein (1989/93, 1999/2001, 2008/10, 2017/20), der WVS sechs (1990/92, 1995/98, 2000/04, 2008, 2010/14, 2017/22). Im Ländermittel lagen ca. fünf Beobachtungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten zwischen 1990 und 2020 für das interpersonale Vertrauen vor; minimal zwei und maximal acht Beobachtungen. Abbildung 3.4 zeigt die Verteilung des Vertrauens innerhalb der Länderauswahl im Jahr 2020 sowie ihre relative Entwicklung in Vergleich zu 1990. Das mittlere Vertrauen ist im Untersuchungszeitraum in 23 wohlhabenden Ländern gestiegen und in 17 gesunken ist. Die vier Länder mit dem höchsten Vertrauen im Jahr 2020 sind Dänemark, Norwegen, Finnland und Island. Die vier Länder mit dem geringsten interpersonalen Vertrauen sind Kroatien, Zypern, Griechenland, Trinidad und Tobago (und Uruguay). Den stärksten Vertrauensgewinn verzeichnen Island und Luxemburg, den stärksten Vertrauensrückgang Kroatien und Griechenland. Singapur (1990) und Uganda (2020) besitzen durch das unten beschriebene Interpolationsverfahren einen Wert von 0.
Das Werteklima, bzw. unterschiedliche Wertvorstellungen, innerhalb der untersuchten Länder wurde unter Rückgriff auf Ronald Ingleharts und Paul Abramsons Theorie des Wertewandels (Inglehart, 1971; Inglehart & Abramson, 1995) über die Materialismusrate erfasst. Diese drückt das Verhältnis von Personen mit materialistischen Einstellungen zu Personen mit postmaterialistischen Einstellungen innerhalb einer Gesellschaft aus:
$$Materialismusrate = \frac{Anteil\;der\;Materialist*innen}{{Anteil\;der\;Postmaterialist*innen}}$$
Länder, in denen die Anzahl postmaterialistisch eingestellter Menschen größer ist als die materialistisch eingestellter, besitzen eine Materialismusrate zwischen 0 und 1. Bei umgekehrtem Verhältnis nimmt die Rate einen Wert > 1 an. Die Daten für die Konstruktion der Materialismusrate sind dem IVS entnommen. Deren Grundlage ist der 4-Item Index von Inglehart und Abramson (1999). Dieser wird aus den Antworten auf folgende Frage erstellt: „If you had to choose, which one of the things on this card would you say is most important?“ Die Antwortmöglichkeiten, aus denen die Befragten zwei priorisieren sollen, lauten: (1) Maintaining order in the nation, (2) Give people more say in important government decisions, (3) Fighting rising prices und (4) Protecting freedom of speech. Personen, welche (1) und (3) priorisieren, werden als Materialist*innen typisiert; Personen, welche (2) und (4) priorisieren, als Postmaterialist*innen. Personen, welche von dieser Charakteristik abweichen, werden als Mischtypen gekennzeichnet und in der vorliegenden Analyse nicht weiter berücksichtigt. Wie beim Vertrauen liegen im Untersuchungszeitraum von 1990 bis 2020 ca. fünf Datenpunkte pro Land vor; minimal zwei und maximal acht. Das Land mit der geringsten Materialismusrate im Sample ist Schweden mit einem Wert von 0,11 (2018), was einem ungefähren Verhältnis von 1:10 zwischen Materialist*innen und Postmaterialist*innen entspricht. Das Land mit der höchsten Materialismusrate ist Ungarn mit einem Wert von 29,7 (1998), was einem ungefähren Verhältnis von 30:1 zwischen Materialist*innen und Postmaterialist*innen entspricht. Um die Materialismusrate statistisch besser abbilden zu können, wurde sie logarithmiert. Datenpunkte kleiner als Null kennzeichnen damit Länder, in denen der Anteil von Personen mit postmaterialistischen Einstellungen größer ist als der mit materialistischen Einstellungen. Entsprechende Länder werden als postmaterialistisch beschrieben. Datenpunkte größer als Null kennzeichnen Länder, in denen der Anteil von Personen mit materialistischen Einstellungen größer ist als der mit postmaterialistischen Einstellungen. Entsprechende Länder werden als materialistisch beschrieben. Abbildung 3.5 zeigt die Verteilung der logarithmierten Materialismusrate im Jahr 2020 sowie ihre relative Entwicklung im Vergleich zu 1990. Die Abbildung legt dar, dass 19 von 40 wohlhabenden Ländern im Jahr 2020 als materialistisch und 16 von 40 Ländern als postmaterialistisch charakterisiert werden können. Zusätzlich geht aus ihr hervor, dass die Materialismusrate seit 1990 in 18 Ländern zu- und in 17 Ländern abgenommen hat. Dadurch wechselten drei Länder ihren Status von postmaterialistischen zu materialistischen und fünf Länder von materialistischen zu postmaterialistischen Ländern. Die vier Länder mit den höchsten Materialismusraten im Jahr 2020 sind Südkorea, Griechenland, Malta und Irland; die mit den niedrigsten Schweden, Deutschland, die USA und Finnland.
Darüber hinaus zeigt die Abbildung vier Länder ohne einen Datenpunkt für das Jahr 2020 (Slowenien, Polen, Ungarn, Estland), zwei Länder ohne einen Datenpunkt für 1990 (Luxemburg, Hong Kong) und ein Land ohne Datenpunkte (Australien). Diese Darstellungslücken resultieren aus dem unten beschriebenen Interpolationsverfahren: Wird eine Materialismusrate von 0 geschätzt, führt deren Logarithmieren zu einer unbestimmten Leerstelle. Diese abwegigen bzw. fehlenden Werte stellen lediglich für die Deskriptive ein Problem dar. Eine Übersicht der tatsächlichen und interpolierten Werte findet sich in Anhang 4 im elektronischen Zusatzmaterial.
Korrelationen der unabhängigen Variablen
Tabelle 3.2 stellt die Korrelationen der unabhängigen Variablen untereinander für das bereinigte Länderset zwischen 1990 und 2020 dar. Einkommensungleichheit ist weder mit Wohlstand noch mit dem Werteklima signifikant assoziiert. Dagegen korreliert sie über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg mittelstark negativ mit dem Vertrauen (r2020 = −0,412**) und zwischen 2009 und 2016 mittelstark positiv mit der ethnischen Fraktionalisierung (r2016 = 0,356*). Wohlstand ist dagegen nicht signifikant mit der ethnischen Fraktionalisierung assoziiert, jedoch über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg mittelstark bis stark positiv mit dem Vertrauen (r1990 = 0,378*; r2020 = 0,609***) und zwischen 1990 und 2010 mittelstark bis stark negativ mit dem Werteklima (r1990 = −0,474*; r1996 = −0,723***; r2010 = −0,337*). Weder Vertrauen noch das Werteklima sind signifikant mit der ethnischen Fraktionalisierung assoziiert. Dagegen hängen Vertrauen und Werteklima über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg stark negativ miteinander zusammen (r2020 = −0,563***).
Tabelle 3.2
Korrelationstabelle der unabhängigen Variablen für das bereinigte Länderset zwischen 1990 und 2020
 
Gini
Log GDP
HIEF
Vertrauen
Log GDP
. (00/31)
     
HIEF
 + (08/31)
. (00/31)
   
Vertrauen
− (31/31)
 + (31/31)
. (00/31
 
Materialismus
 + (02/30)
− (21/31)
. (00/31)
− (31/31)
Anmerkung: [.] = kein signifikanter Zusammenhang; [+/−] = positiver/ negativer Zusammenhang an X von 31 Zeitpunkten (XX/31). N(1240) n(40) T(31). Ausreißer: Chile (Gini > 3σ), N(1209 n(39) T(31).
Quelle: Eigene Berechnung und Darstellung.
Soziale Probleme
Die vorliegende Arbeit verhandelt fünf soziale Probleme, welche im Folgenden operationalisiert werden: Gewalt, die Zahl der Gefängnisstrafen, Teenagerschwangerschaften, schulische Leistung von Kindern und Wahlbeteiligung. Das Ausmaß an Gewalt wurde über den World Bank Entwicklungsindikator intentional homicides (per 100.000 people) erfasst (World Bank, 2021c). Diese von hier an als Mordrate bezeichnete Variable beziffert eine geschätzte Anzahl rechtswidriger und vorsätzlicher Tötungen pro 100.000 Personen, z. B. als Folge von häuslichen Streitigkeiten, zwischenmenschlicher Gewalt, Bandenkriminalität oder räuberischer Gewalt. Länder, die durch das weiter unten beschriebene Interpolationsverfahren im Jahr 2020 eine Mordrate von 0 aufzeigen, sind Kroatien, Neuseeland, Trinidad und Tobago sowie Slowenien. Eine Übersicht über die tatsächlichen und interpolierten Datenpunkte befindet sich in Anhang 6 im elektronischen Zusatzmaterial. Abbildung 3.6 zeigt die Verteilung der Mordrate innerhalb des Ländersets im Jahr 2020 sowie ihre relative Entwicklung gegenüber dem Jahr 1990.
Die Abbildung zeigt, dass die Mordrate im Jahr 2020 gegenüber 1990 in elf von 40 Ländern zugenommen und in 29 von 40 Ländern abgenommen hat. Die Länder mit den höchsten Mordraten im Jahr 2020 sind Trinidad und Tobago, Uruguay, Chile und Lettland; die Länder mit den niedrigsten Japan, Niederlande, Singapur und Luxemburg.
Die Zahl der Gefängnisstrafen wurde über die Inhaftierungsrate erfasst. Diese beziffert die Anzahl von Inhaftierten pro 100.000 Personen und wurde der World Prison Brief Database entnommen (World Prison Brief, 2022). Diese Daten liegen für jedes Land im Untersuchungszeitraum im zwei- bzw. dreijährigem Rhythmus vor. Im Mittel besitzen die ausgewählten Länder zwölf relativ gleichmäßig verteilte Datenpunkte zwischen 1990 und 2020. Abbildung 3.7 zeigt die Verteilung der Inhaftierungsrate innerhalb des Ländersets im Jahr 2020 sowie ihre relative Entwicklung gegenüber dem Jahr 1990. Sie stellt dar, dass die Inhaftierungsrate 2020 in 32 von 40 Ländern im Vergleich zu 1990 angestiegen und in acht Ländern gesunken ist.
Die vier Länder mit der höchsten Inhaftierungsrate im Jahr 2020 sind die USA, Uruguay, Trinidad und Tobago und Litauen; die mit der geringsten Inhaftierungsrate Island, Japan, Finnland und Norwegen. Estland, Lettland und Hong Kong konnten ihre Inhaftierungsraten im Vergleich zu 1990 stark senken. In den USA, Uruguay, der Slowakei und Tschechien stiegen die Inhaftierungsraten erheblich an.
Das soziale Problem der Teenagerschwangerschaften wurde über die Geburtenrate bei Jugendlichen erfasst, gemessen an den Geburten pro 1.000 Frauen im Alter von 15 bis 19 Jahren und bereitgestellt durch die World Bank (World Bank, 2021a). Die Länderdaten sind im Untersuchungszeitraum weitgehend vollständig vorhanden.
Abbildung 3.8 zeigt die Verteilung der Teenagerschwangerschaftsrate innerhalb des Ländersets im Jahr 2020 sowie ihre relative Entwicklung gegenüber dem Jahr 1990. Aus ihr geht hervor, dass die Teenagerschwangerschaftsrate in allen wohlhabenden Ländern im Untersuchungszeitraum gesunken ist. Die vier Länder mit der höchsten Teenagerschwangerschaftsrate sind Uruguay, Chile, Trinidad und Tobago und die Slowakei; die vier Länder mit der geringsten Singapur, Hong Kong, die Schweiz und Südkorea. Länder, welche die Teenagerschwangerschaftsrate im Untersuchungszeitraum erheblich senken konnten, sind unter anderem die USA, Trinidad und Tobago, Estland, Litauen und Tschechien. Aufgrund der großen Länderunterschiede wurde die Teenagerschwangerschaftsrate für statistische Berechnungen logarithmiert.
Schulische Leistungen werden über die mittlere Lesekompetenz der Schüler*innen innerhalb der Länderstichprobe erfasst. Diese wird im Rahmen der PISA-Studie durch die OECD erhoben und beziffert den Ländermittelwert der in Punkten gemessenen Lesekompetenz (OECD, 2022). Die PISA-Erhebung der Lesekompetenz findet seit dem Jahr 2000 in einem dreijährigen Rhythmus statt. Die neusten verfügbaren Daten stammen aus dem Jahr 2018. Aufgrund der mangelnden Datenverfügbarkeit wird der Untersuchungszeitraum für die schulischen Leistungen auf die Jahre 2000 bis 2020 verkürzt.
Abbildung 3.9 zeigt die Verteilung der mittleren Lesekompetenz innerhalb des Ländersets im Jahr 2020 sowie ihre relative Entwicklung gegenüber dem Jahr 2000. Aus ihr geht hervor, dass die Lesekompetenz im Jahr 2020 innerhalb des Ländersets gegenüber 1990 in 25 von 40 Ländern abgenommen und in 15 von 40 Ländern zugenommen hat. Die vier Länder mit der höchsten Lesekompetenz sind Singapur, Estland, Hong Kong und Finnland. Die vier Länder mit der niedrigsten Lesekompetenz sind Griechenland, Trinidad und Tobago, Uruguay und Zypern. Länder, welche eine starke Verbesserung der Lesekompetenz aufweisen, sind Singapur und Trinidad und Tobago. Eine starke Verschlechterung weisen Slowenien und Zypern auf. Die Lesekompetenz wurde sowohl aus theoretischen Überlegungen als auch aus Gründen der Datenverfügbarkeit als alleiniger Proxy für die schulischen Leistungen ausgewählt. Außerdem werden mathematische Kompetenzen erst seit 2003 und naturwissenschaftliche Kompetenzen erst seit 2006 im dreijährigen Rhythmus erhoben, wodurch der Untersuchungszeitraum um weitere Jahre verringert werden hätte müssen.
Die Wahlbeteiligung wurde direkt in Prozent aus der Voter Turnout Database bezogen (International IDEA, 2022). Bei der erfassten Wahlbeteiligung handelt es sich um den prozentualen Anteil der Wahlberechtigten, welche bei den höchsten nationalen Parlamentswahlen von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht haben. Die Daten wurden zwischen 1990 und 2020 erfasst und für die statistischen Berechnungen nach der weiter unten beschriebenen Methode linear interpoliert (Anhang 10 im elektronischen Zusatzmaterial). Dabei wurden Daten von Parlamentswahlen, welche 1989 oder 2021 stattgefunden haben in die Jahre 1990 bzw. 2020 verschoben und somit für die Analyse nutzbar gemacht. Im Mittel wurden 8,6 Wahlen pro Land im Untersuchungszeitraum erfasst. Darüber hinaus wurde in einer Dummy-Variable festgehalten, in welchen Ländern eine gesetzliche Wahlpflicht existiert. Dadurch können mögliche Einflüsse der Wahlpflicht auf die Analyseergebnisse berücksichtigt werden. Abbildung 3.10 zeigt die Verteilung der Wahlbeteiligung innerhalb der Länderauswahl im Jahr 2020 sowie ihre relative Entwicklung gegenüber dem Jahr 1990. Aus ihr geht hervor, dass die Wahlbeteiligung im Jahr 2020 gegenüber 1990 in 32 der 40 wohlhabenden Länder gesunken ist. Nur acht Länder konnten einen Anstieg verzeichnen. Die vier Länder mit der höchsten Wahlbeteiligung im Jahr 2020 sind Singapur, Australien, Malta und Uruguay. Die vier Länder mit der geringsten Wahlbeteiligung sind Chile, die Schweiz, Frankreich und Hong Kong. Die neun Länder, in denen es eine Wahlpflicht gibt, sind Australien, Belgien, Chile, Zypern, Griechenland, Italien, Luxemburg, Singapur und Uruguay. Chile (2011) und Italien (1994) haben im Untersuchungszeitraum die Wahlpflicht abgeschafft.
Lineare Interpolation von Datenlücken
Alle lückenhafte Beobachtungen der abhängigen und unabhängigen Variablen im Untersuchungszeitraum wurden interpoliert. Um möglichst realitätsnahe Schätzungen auch bei größeren Lücken zu erhalten, wurde ein dreischrittiges Verfahren angewendet. Im ersten Schritt wurden alle verwendeten Variablen entlang der Jahresvariable linear interpoliert. Im zweiten Schritt wurden alle verwendeten Variablen entlang der länderspezifischen Ausprägungen des Human Development Index (HDI) über den Untersuchungszeitraum hinweg interpoliert. Der HDI eignet sich als Interpolationsvariable, da dieser als Entwicklungsindikator die untersuchten Länder in ein lebensweltliches Verhältnis zueinander setzt, keinen großen Schwankungen unterliegt und für das gesamte Länderset im gesamten Untersuchungszeitraum verfügbar ist. Im dritten Schritt wurden Mittelwerte zwischen den beiden Interpolationsverfahren gebildet, mit denen im Anschluss die Datenlücken geschlossen wurden. Im elektronischen Zusatzmaterial (Anhang 1 bis 10) befinden sich grafische Übersichten der verfügbaren und interpolierten Datenpunkte für jede verwendete Variable.

3.3 Analytisches Vorgehen

Die Grundlage der empirischen Analyse sind aggregierte Länderdaten aus sieben verschiedenen Datenbanken bzw. -sätzen für 40 wohlhabende Länder zu jeweils 31 verschiedenen Zeitpunkten (1990 bis 2020). Daraus ergeben sich nach der Interpolation von Datenlücken 1.240 Beobachtungen, welche für eine analytische Betrachtung zur Verfügung stehen.2,3 Auf der Individualebene gemessen Variablen wurden auf die Länderebene aggregiert, indem den Ländern der Mittelwert der jeweiligen Beobachtung zugewiesen wurde. Das betrifft das interpersonale Vertrauen und die Materialismusrate. Datenlücken wurden mit Hilfe des beschriebenen Interpolationsverfahrens entlang der länderbezogenen Jahreszahlen und HDI-Werte aufgefüllt. Anschließend wurden Länderwerte als Ausreißer identifiziert, welche außerhalb von drei Standardabweichungen vom Stichprobenmittelwert der jeweiligen Variablen liegen. Tabelle 3.3 gibt einen Überblick über die als statistisch problematisch und unproblematisch identifizierten Ausreißer. Ein Beispiel für statistisch problematische Ausreißer sind die 22 Gini-Koeffizienten außerhalb von drei Standardabweichungen des Stichprobenmittelwerts in Chile. Von 31 möglichen Datenpunkten im Untersuchungszeitraum von 1990 bis 2020 weist Chile damit 22 Ausreißer auf. Die identifizierten Ausreißer weichen maximal 3,5 Standardabweichungen vom Stichprobenmittelwert ab. Darüber hinaus weist Chile problematische Ausreißer bei der Teenagerschwangerschaftsrate auf. Um den Einfluss der Ausreißer zu berücksichtigen, wurden alle statistischen Berechnungen im ersten Schritt für die gesamte Stichprobe durchgeführt und im zweiten Schritt noch einmal unter Ausschluss der Länder, in denen statistisch problematische Ausreißer identifiziert wurden. Als statistisch unproblematisch werden solche Ausreißer beschrieben, die durch ihre geringe Anzahl (<5/31) und Höhe einen Ausschluss eines ganzen Landes aus der Untersuchung nicht rechtfertigen. So weist Zypern z. B. in vier von 31 Jahren Ausreißer bei der Materialismusrate mit einer maximalen Abweichung von 4,1 Standardabweichungen auf, Litauen nur einen mit einer maximalen Abweichung von 3,1. Durch die Klassifikation als statistisch unproblematische Ausreißer werden diese Länder bei der Kontrolle auf Ausreißer nicht ausgeschlossen. Weitere problematische Ausreißer wurden in Estland und Trinidad und Tobago in Bezug auf die Mordrate identifiziert, in Uruguay bei der Teenagerschwangerschaftsrate, in den USA bei der Inhaftierungsrate und in Trinidad und Tobago bei der Leekompetenz. Darüber hinaus zeigt die Tabelle die fünf Länder, für welche die Daten zur Messung der ethnischen Fraktionalisierung fehlen (Frankreich, Hong Kong, Island, Luxemburg und Malta). Zugleich stellt sie dar, dass das logarithmierte GDP, Vertrauen, die logarithmierte Materialismusrate sowie die Wahlbeteiligung keine problematischen Ausreißer aufweisen. Abschließend kann der Tabelle entnommen werden, dass nur eines der 22 von Wilkinson und Pickett (2016 [2010]) ausgewählten Länder (USA) gegenüber sieben der 18 hinzugefügten Länder Ausreißer aufweisen (Chile, Zypern, Estland, Lettland, Litauen, Trinidad und Tobago, Uruguay). Außerdem zeigt die Tabelle die fünf Länder mit fehlenden Daten zur Operationalisierung ihrer ethnischen Fraktionalisierung (Frankreich, Hong Kong, Island, Luxemburg, Malta).
Tabelle 3.3
Übersicht statistisch problematischer und unproblematischer Ausreißer sowie fehlender Daten
 
GDP
Gini
Vertrauen
Materialismus-
rate
HIEF
Mordrate
Teenager-
schwangers.
Inhaftierungs-
rate
Wahl-
beteiligung
Lese-
kompetenz
Chile
 
22x
>3σ (3,5)
       
10x
>3σ (3,3)
     
Zypern
     
4x
>3σ (4,1)
           
Estland
         
9x
>3σ (4,1)
       
Frankreich
       
NO
DATA
         
Hong Kong
       
NO
DATA
         
Island
       
NO
DATA
         
Lettland
         
1x
>3σ (3,1)
       
Litauen
     
1x
>3σ (3,1)
 
1x
>3σ (3,1)
       
Luxemburg
       
NO
DATA
         
Malta
       
NO
DATA
         
Trinidad
und Tobago
         
20x
>3σ (6,0)
     
6x
>3σ (3,6)
USA
         
1x
>3σ (3,3)
 
31x
>3σ (5,0)
   
Uruguay
           
25x
>3σ (4,3)
     
Anmerkung: fett = problematische Ausreißer, kursiv = unproblematische Ausreißer, „USA“ = Länder der Auswahl Wilkinson und Picketts (2016 [2010]), „Chile“ = hinzugefügte Länder, 22x >3σ (3,5) = an 22 von 31 Zeitpunkten außerhalb von 3σ, höchste σ bei 3,5. Werte aller leeren Zellen und nicht aufgeführten Länder innerhalb von 3σ.
Quelle: Eigene Berechnung und Darstellung.
Die Datenanalyse besteht aus drei Teilen. Im ersten Teil wird der Zusammenhang zwischen den ökonomischen bzw. kulturellen Faktoren und den sozialen Problemen untersucht. Dafür werden für jedes soziale Problem einzelne Pearson-Korrelationen für jedes Jahr im Untersuchungszeitraum berechnet; im ersten Schritt für das gesamte Länderset, im zweiten Schritt für das bereinigte. So kann direkt geprüft werden, welchen Einfluss die Ausreißer auf die berechneten Korrelationen besitzen.
Im zweiten Teil der Analyse werden Querschnittseffekte der ökonomischen und kulturellen Einflussfaktoren auf jedes soziale Problem in sechs gestuften gepoolten linearen OLS-Regressionsmodellen geschätzt. Im ersten Modell wird der Einfluss der Einkommensungleichheit im Zeitraum von 1990 bis 2020 geschätzt, im zweiten Modell der Einfluss des Wohlstands. Im dritten Modell werden Einkommensungleichheit und Wohlstand gleichzeitig aufgenommen. Im vierten, fünften und sechsten Modell werden jeweils zusätzlich die ethnische Fraktionalisierung, das soziale Vertrauen und die Materialismusrate in die Regressionsanalyse aufgenommen. Abbildung 3.11 zeigt die Regressionsgleichungen:
Dieses Stufenmodell wird für jedes der fünf sozialen Probleme zuerst für die gesamte Stichprobe geschätzt und anschließend unter Ausschluss der problematischen Ausreißer. Die gepoolte lineare OLS-Regressionsmodellierung ermöglicht es, die ökonomischen und kulturellen Einflussfaktoren gleichzeitig zu schätzen und für Jahreseffekte zu kontrollieren. Die Kontrolle erfolgt durch die Aufnahme der Zeitvariable (Jahr) in die Regressionsgleichung. Bei der Berechnung der Koeffizienten wird berücksichtigt, dass die Beobachtungen in Ländern geclustert sind. Dadurch wird festgelegt, dass die Beobachtungen innerhalb der Länder korreliert sein können, zwischen den Ländern aber unabhängig sind. Durch dieses Vorgehen wird eine Autokorrelation der Beobachtungen vermieden. Im Gegensatz zu den Pearson-Korrelationen ermöglicht dieser Analyseschritt eine Berechnung der Regressionskoeffizienten im Querschnitt über den gesamten Untersuchungszeitraum, anstatt immer nur einen Koeffizienten für einen Zeitpunkt zu schätzen.
Im dritten Teil der Analyse werden Längsschnitteffekte der ökonomischen und kulturellen Einflussfaktoren auf jedes der fünf sozialen Probleme in sechs gestuften Fixed Effects Regressionsmodellen geschätzt. Der Aufbau der Modelle entspricht dabei dem der gepoolten OLS-Modelle. Die Längsschnittmodelle werden zuerst für die gesamte Stichprobe berechnet und anschließend noch einmal unter Ausschluss der identifizierten Ausreißer. Durch die Two-Way Fixed Effects Modellierungen (TWFE) werden die Effekte der ökonomischen und kulturellen Faktoren auf die sozialen Probleme im Zeitverlauf sowohl zwischen den Ländern (between-Effekte) als auch innerhalb der Länder (within-Effekte) geschätzt (Allison, 2005). Am Beispiel des ersten TWFE-Modells für die Mordrate gibt der geschätzte Regressionskoeffizient somit an, ob eine höhere Einkommensungleichheit mit einer höheren Mordrate in einem bestimmten Land assoziiert ist (between-Effekt) und ob ein Anstieg der Einkommensungleichheit über die Zeit im Mittel mit einem Anstieg oder einer Verringerung der Mordrate einhergeht (within-effekt). Das Besondere an TWFE-Modellierungen ist die Kontrolle der Koeffizienten auf zeitkonstante Einflussfaktoren und unbeobachtbare Heterogenität der Länder unabhängig davon, ob diese gemessen wurden. Zeitkonstante Einflussfaktoren sind Merkmale, welche sich im Lauf der Zeit nicht ändern. Dazu zählen z. B. kulturelle Charakteristika oder religiöse Traditionslinien. Um Autokorrelation vorzubeugen, wurde die Zeitvariable (Jahr) in die TWFE-Regressionsgleichung aufgenommen und robuste Standardfehler geschätzt (Kezdi, 2003).
Im zweiten und dritten Analyseteil werden vier Signifikanzniveaus angegeben: p < 0,10, *p < 0,05, **p < 0,01 und ***p < 0,001. Die unabhängigen Variablen sind in allen drei Analyseteilen zeitlich um ein Jahr gelagged. Dieses Vorgehen basiert auf der Annahme, dass sich eine Veränderung der ökonomischen und kulturellen Bedingungen nicht direkt, sondern mit etwas Verzögerung auf die sozialen Probleme auswirkt. Das bedeutet für das analytische Vorgehen, dass die Ausprägung eines sozialen Problems (z. B. die Mordrate 1991) immer mit den ökonomischen bzw. kulturellen Faktoren aus dem Vorjahr (z. B. Gini 1990) korreliert bzw. regressiert wird. Die Datenpunkte der ökonomischen und kulturellen Faktoren reichen somit von 1990 bis 2019, die der sozialen Probleme von 1991 bis 2020. Damit verkürzt sich der Untersuchungszeitraum von 31 auf 30 Jahre und die Anzahl der Beobachtungen von 1.240 auf 1.200.4 Im Kontext der Schätzung der Querschnittseffekte auf das soziale Problem der Wahlbeteiligung erfolgt eine zusätzliche Kontrolle auf den möglichen Einfluss der Wahlpflicht (Dummy-Variable).
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Fußnoten
1
Länder mit unterem mittlerem Einkommen im Untersuchungszeitraum: Chile (1990/92), Estland (1964/66), Kroatien (1992/94), Lettland (1992/2000), Litauen (1992/2000), Polen (1990/95), Slowakei (1992/95), Tschechien (1992/93).
 
2
Aufgrund fehlender Daten der ethnischen Fraktionalisierung (HIEF) von fünf Ländern, beläuft sich die Fallzahl bei ihrer analytischen Betrachtung auf 1.085 Beobachtungen (35 Länder × 31 Zeitpunkte).
 
3
Für die Untersuchung der ökonomischen und kulturellen Einflussfaktoren auf die Lesekompetenz (PISA) wird der Untersuchungszeitraum um zehn Jahre verkürzt (2000–2020). Damit verringert sich die Anzahl der Beobachtungen auf 840.
 
4
Es erfolgt keine Verringerung der Fallzahl bei der Schätzung der ökonomischen und kulturellen Effekte auf die Lesekompetenz (PISA). Die Datenpunkte der ökonomischen und kulturellen Faktoren reichen hier von 1999 bis 2019, die der Lesekompetenz (PISA) von 2000 bis 2020.
 
Metadaten
Titel
Daten und Methoden
verfasst von
Marcus Gercke
Copyright-Jahr
2023
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-39865-1_3

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