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2018 | Buch

Der tätowierte Leib

Einschreibungen in menschliche Körper zwischen Identitätssehnsucht, Therapie und Kunst

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Über dieses Buch

Das Buch beschäftigt sich mit den Phänomenen der Tätowierungen am menschlichen Körper, welche im Sinnzusammenhang der transversalen Identitätsthematik und einer integrativtherapeutischen Perspektive auf Körperphänomene stehen. Die Tätigkeit des Tätowierens sowie das Tätowiert-Sein ist Kunst und wird im foucaultschen Sinne zu Lebenskunst. Tätowiertrends folgen neben künstlerischen auch marktwirtschaftlichen Interessen, eine Verkennung von Selbstwahrnehmungsprozessen kann die Folge sein. Exklusions- und Inklusionsprozesse weisen auf die Stellung der Tattooeigner/innen innerhalb sozialer Gemeinschaften hin. Verschiedene Perspektiven des Phänomens der Tätowierung werden beleuchtet und der Zusammenhang zur Praxis und Theorie der Integrativen Therapie hergestellt.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Kapitel 1. Einleitung
Zusammenfassung
Das einleitende Kapitel führt zum Thema des „tätowierten Leibes“ hin. Es wird darauf eingegangen, wie das Buch zustande kam und warum das Thema Interesse weckt. In diesem Kontext verweist der Text auf die Thematiken der Lebenszufriedenheit und Lebenskunst. Die Zufriedenheit mit den eigenen Lebensverläufen spielt dabei eine große Rolle, positive wie negative Ereignisse finden Verewigung auf der Haut. Im psychotherapeutischen Kontext wird von „tertiärer Prävention“ gesprochen. Für die Identitätsarbeit wichtig sind Aspekte wie Perzeption, Expression und Memoration. Leibgeschichtliche Zusammenhänge können mit dem TLP, dem tätowierten Lebenspanorama, erfasst werden. So kommt es entweder zu Kompensation erlebter Inhalte oder zu künstlerisch-kreativen Neuschöpfungen.
Gunhild Häusle-Paulmichl
Kapitel 2. Lebenszufriedenheit
Zusammenfassung
Im Kapitel „Lebenszufriedenheit“ wird die Perspektive der Lebenskunst exploriert, die auf der Grundlage des Leibes und Kunstwerks gründet. Der Leib kann, nach Merleau- Ponty, mit einem Kunstwerk verglichen werden. Im Zuge der sich bei Tätowierszenen konstituierenden Stile wird die Teilnahme an Kulturen ermöglicht und individuelles Humanbewusstsein geschaffen. Integrative Kulturarbeit bedeutet, sich der Geschichtlichkeit bewusst zu sein, die eine Schöpfung der Gegenwart ist (Hans Waldemar Schuch). Die Technik des Lebenspanoramas (Hilarion G. Petzold) kann zu einem Ausdruck beim tätowierten Lebenspanorama (TLP) werden. Psychotherapie will stets kritische Kulturarbeit sein. Im Manifest der Integrativen Kulturarbeit (Ilse Orth, Johanna Sieper, Hilarion G. Petzold) wird die Sorge um Würde und Integrität deutlich. Ethische Humanessentialien, ökosophische Lebensformen sowie die wertschätzende Grundhaltung dem/der Anderen gegenüber sind Grundlagen in einer von dieser Haltung geprägten Gesellschaft.
Gunhild Häusle-Paulmichl
Kapitel 3. Methodik, Terminologie
Zusammenfassung
Das Kapitel „Methodik und Terminologie“ befasst sich mit der Literaturarbeit als hermeneutisches Verfahren als Teil der Geisteswissenschaften. Es werden Definitionen und Terminologien des Forschungsgegenstandes „Tätowierung als Leibphänomen“ beschrieben. Kann die Tätowierung als Leibphänomen eine Suche nach Identität und ein Ausdruck im Rahmen von Lebenskunst und Ästhetik der Existenz sein? Welche gesellschaftskritischen Aspekte sind damit verbunden? Im Rahmen der Integrativen Therapie ist der „tätowierte“ Leib informiert und informierend zugleich, Ausdruck des „phantasmatischen Leibes“ (Hilarion G. Petzold). Zugänge zu den „Leibarchiven“ werden geschaffen, da dort die Geschichte des Leibes eingeschrieben ist. Leib-Atmosphären sind abgelegt und Widerfahrnisse der Biografie neuronal verankert. Eingenistete Leib-Atmosphären können tätowierte Szenen darstellen, bunt, grau oder schwarz.
Gunhild Häusle-Paulmichl
Kapitel 4. Tätowierungen und Identität in der Integrativen Therapie
Zusammenfassung
Das Kapitel „Tätowierungen und Identität in der Integrativen Therapie“ beschäftigt sich mit den fünf Säulen der Identität, kontroverser Identität, Identitätszwang sowie dem Zeitraum in der Lebensspanne, der sogenannten Transversalität. Die fünf Säulen der Identität: Leiblichkeit; soziales Netzwerk; Arbeit, Freizeit, Leistung; materielle Sicherheit und Wertorientierung oder religiös/ethische Überzeugung können gut mit dem Phänomen der Tätowierung in Verbindung gebracht werden. Kritisch wird es hingegen bei Phänomenen der Massenkultur, die den fiktiven Charakter illusionärer Individuen entschleiern (T. W. Adorno, M. Horkheimer). Im Rahmen der transversalen Identität wird auf „Identitätsarbeit“ als einem Kernthema moderner Psychotherapie hingewiesen. Veränderungen spätmoderner Lebenswelten erschüttern die bestehende Sicherheit der Identität (H. Petzold).
Gunhild Häusle-Paulmichl
Kapitel 5. Gender, Norm und Ausgrenzung
Zusammenfassung
Im Kapitel „Gender, Norm und Ausgrenzung“ wird zu Beginn auf die Perspektive der Genderintegrität (B. Schigl) fokussiert, die sich auf die Grundregel der Integrativen Therapie (H. Petzold) bezieht. Gleichheitsdiskurse und Geschlechtergerechtigkeit sind wichtige Themen im Rahmen dieses Diskurses. Zu Genderdiskursen, in denen Bezug auf sex und gender genommen wird, gehören auch geschlechtliche Selbstbestimmungen, die Trans*- und Intergeschlechtlichkeit inkludieren (M. Katzer und H. J. Voß) und somit ein Pendent zu heteronormierten, zweigeschlechtlichen Strukturen darstellen. Das sexualisierte Frauenbild, das auch über Tätowierungen transportiert wird, folgt möglicherweise konsumorientierten, funktionalen Zwecken. Exklusionen bei Tätowierten betreffen Symbole von Ausgestoßenen, deren Verhalten mit Abweichungen und Kriminalität zu tun hat. Ein trauriges Kapitel der Exklusionsprozesse stellen die KZ-Tätowierungen der Nazis dar. Inklusion hingegen schafft Zusammenhalt in sozialen Gruppierungen wie zum Beispiel Gangsterbanden.
Gunhild Häusle-Paulmichl
Kapitel 6. Genres der Tätowierung
Zusammenfassung
Im Kapitel „Genres der Tätowierung“ werden verschiedene Stile erläutert, die in der Szenelandschaft der Tätowierkunst bekannt sind. Dabei entwickeln sich diese Szenen stets weiter, bleiben nie statisch und werden zu variantenreichen Stilmixen. Inspiriert durch Kunst, reichern sie sich kulturhistorisch durch verschiedene, geschichtlich tradierte Einflüsse an. Bekannte Szenegenres sind nach geografischen Einflüssen: Japanisch, Asiatisch, Keltisch; Entsprechend der Motivwahl: Horror und Tod, Humor und Comics, Fantasy oder Portraits. Es wird auch zwischen Tradition und Moderne unterschieden: New- und Oldschool nennen sich die Stile. Tätowierte Kunst bildet sich in Biomechanik, Fauna und Flora, Lettering, dem Realistik-Stil oder in gegenwärtigen Kunst-Szenen ab. Unterscheidet man die Tattoo-Farbgebung, so wird beim Blackwork reine schwarze Farbe verwendet. Black & Gray hingegen hat verschiedene Grautöne.
Gunhild Häusle-Paulmichl
Kapitel 7. Lebens- und Leibeskunst: Tätowiertes Lebenspanorama (TLP)
Zusammenfassung
Im Kapitel „Lebens- und Leibeskunst: Tätowiertes Lebenspanorama (TLP)“ kommen zwei zeitgenössische Künstler, FLATZ und Daniel Hofer, in Interviews zu Wort. Theoretische Aspekte der Lebenskunst und Ästhetik der Existenz (M. Foucault) werden diskutiert. Das Selbst, das „als Künstler und Kunstwerk“ (H.G. Petzold) begriffen werden kann, findet ästhetische Erfahrung auch während der Betrachtungen von Tätowierungen, wenn Prozesse rezeptiv erlebt werden. Es wird die Verbindung zu rezeptiver Kunsttherapie geschaffen. Die Arbeit an der eigenen Biografie drückt sich in Leibgeschichten aus. Für die Exploration tätowierter Lebens- und Leibeskunst stellten sich zwei Männer und eine Frau zur Verfügung, die über ihre eingeschriebenen Tätowierungen aus biografischer Sicht in einem Interview erzählen. Aspekte wie Ausdruck, Einschreibung und Embodiment runden das Kapitel ab.
Gunhild Häusle-Paulmichl
Kapitel 8. Alternierende Phänomene der Bodymodifikation
Zusammenfassung
Im Kapitel „Alternierende Phänomene der Bodymodifikation“ werden die Themen: Piercing, Skarifikation (Branding und Cutting), Implantate und andere, diverse Modifikationen diskutiert und auch kritisch hinterfragt. Personen nehmen gesundheitliche Risiken in Kauf, um seelische Leidenszustände zu lindern, wie das Beispiel einer transidenten Frau aus der Praxis zeigt. Die Grenzen zwischen Lust und Schmerz bei der Körpermodifikation sind oft fließend. Phänomene des marktwirtschaftlichen Interesses werden kritisiert, da diese bereits weitgehend eingemeindet oder normalisiert wurden, um der Profitgier oder dem Konsumzwang zu dienen.
Gunhild Häusle-Paulmichl
Kapitel 9. Schlussperspektive
Zusammenfassung
Im Kapitel „Schlussperspektive“ geht es zuerst um Sprichwörter und Redensarten zum Thema Haut. Im Anschluss wird die wahre Geschichte von Paula erzählt, deren Tätowierungen Schutz, Abwehr und Provokation bedeuten. Die Ausstellung „gestochen scharf“ aus dem Jahr 2013 beschäftigte sich mit dem Phänomen von Kunst und Tätowierung. Sie fand im Museum Villa Roth in Burgfrieden-Rot statt. Die Körperbilder werden Body Charts genannt: Patient/innen zeichnen ihren Leib in Umrissen und nutzen die projektive Technik in der Therapie. Der tätowierte Leib kann als intermedialer Quergang und identitätsstiftendes Phänomen postmoderner Zeit gesehen werden. Wo Körpermythen allerdings zu viel (Deutungs-) Macht bekommen, laufen die Träger/innen von Tätowierungen Gefahr, der Realität verlustig zu gehen.
Gunhild Häusle-Paulmichl
Backmatter
Metadaten
Titel
Der tätowierte Leib
verfasst von
Gunhild Häusle-Paulmichl
Copyright-Jahr
2018
Electronic ISBN
978-3-658-17989-2
Print ISBN
978-3-658-17988-5
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-17989-2

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