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2015 | Buch

Die Bildpädagogik Otto Neuraths

Methodische Prinzipien der Darstellung von Wissen

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Über dieses Buch

In den 20er Jahren entwarf der Soziologe und Ökonom Otto Neurath eine Bildsprache für die Wissensvermittlung, die er nach seiner Emigration zu einer umfassenden Bildpädagogik weiterentwickelte. Diese „Wiener Methode der Bildstatistik“ – später als ISOTYPE (International System Of TYpographic Picture Education) international beachtet –, ihre Relevanz für die Erziehungswissenschaften und ihre Auswirkungen auf die pädagogische Praxis stehen im Mittelpunkt des Buches.

Im ersten Teil beleuchtet die Autorin den historischen Kontext. Sie geht der Frage nach, inwieweit das Visualisierungskonzept Otto Neuraths in der Wissenschaftlichen Weltauffassung des Wiener Kreises und in seinem Bildungskonzept verwurzelt war. Darauf aufbauend beschreibt sie im Detail die Genese dieser von Humanismus und Wissenschaftlichkeit geprägten Visualisierungsmethode anhand einzelner Phasen und Themenschwerpunkte und analysiert Neuraths Experimente mit Abstraktion, Verzicht auf Sprache und Eindeutigkeit. Im dritten Teil wird Neuraths Bildpädagogik als vermittlungsmethodisches Phänomen betrachtet. Am Beispiel des ISOTYPE arbeitet die Autorin normative Prinzipien sowie methodische Prinzipien heraus, die sich aus den Neurath‘schen Konstruktionsregeln ergeben. Diese Prinzipien fügen sich zu einer ganz eigenen Struktur und zeigen sich als Alleinstellungsmerkmal der Bildpädagogik von Otto Neurath.

Das Buch wendet sich an Erziehungswissenschaftler, Bildungs- und Wissenschaftstheoretiker ebenso wie an Museumspädagogen, Grafiker und Architekten, aber auch an Historiker und Soziologen.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Einleitung. Die Methode als Gegenstand pädagogischer Profession
Zusammenfassung
Die Einleitung entwickelt anhand der Skizzierung der Fragehaltung Neuraths die Fragestellung der Dissertation: Neurath legt das Bildungsziel der intellektuellen Persönlichkeitsentwicklung der Arbeiter und die Didaktik der wissenschaftlichen Vermittlungsinhalte normativ fest. Will er diese Faktoren tatsächlich aufklärerisch realisieren, ist er auf ein dementsprechendes Instrumentarium angewiesen. Dieses vermittlungsmethodische Instrumentarium wird ihm aber weder durch die pädagogische Disziplin noch durch die pädagogische Profession seiner Zeit geliefert, sodass sich für ihn ein Vermittlungsproblem ergibt. Das löst er, indem er selbst die Lücke der pädagogischen Profession schließt und sich praxisimmanent der Generierung einer adäquaten Vermittlungsmethode widmet.
Demnach wird die These formuliert, dass Neurath im pädagogischen klassischen Passungsverhältnis von Didaktik und Methode ein Missverhältnis diagnostiziert, das er zur Diskussion stellt. Dieses Missverhältnis reguliert er, indem er die Methode modifiziert. Insofern folgt die Dissertation dem Fokus Neuraths hin zur detaillierten, monografischen Thematisierung der Vermittlungsmethode, indem sie die Beschreibung des ideellen Entwicklungszusammenhangs der Methode vollzieht und ihre Genese narrativ verdeutlicht. Mit dem Einbezug in erziehungswissenschaftliche Fragestellungen und der damit verbundenen Analyse der bildpädagogischen inneren Logik weist sie über den Fokus Neuraths hinaus.
Angélique Groß
2. Warum Bildpädagogik? Die Wissenschaftliche Weltauffassung
Zusammenfassung
Dieses Kapitel geht der These nach, dass der ideelle Gesamtzusammenhang der Wissenschaftlichen Weltauffassung konstituiert ist aus einer mehrdimensionalen Kohärenz von Wissenschaft und Gesellschaft. Weil die Aufklärung dabei als Bindeglied zwischen Wissenschaft und Gesellschaft, zwischen wissenschaftlichen Erkenntnisinhalten und gesellschaftlichen Gestaltungsprozessen fungiert, wird die Generierung einer eigenen Vermittlungsmethode innerhalb dieses Gefüges notwendig. Insofern also die Wissenschaftliche Weltauffassung anhand ihrer inhärenten Momente expliziert wird, ist gleichzeitig der Entwicklungszusammenhang der Vermittlungsmethode aufgezeigt.
Im Zuge dessen wird den Thesen nachgegangen, dass sich – trotz der Kohärenz – die Wissenschaftstheorie von der gesellschaftlichen Anwendung unabhängig definiert und dass sich innerhalb dieses Gefüges ein spezifisches Aufklärungskonzept entwickelt. Weiterhin wird die These vertreten, dass sich die Generierung der Bildpädagogik als spezifische Vermittlungsmethode aus der Wissenschaftlichen Weltauffassung geradezu logisch ableitet.
Um diesen Thesen nachzugehen, werden die Momente der Wissenschaftlichen Weltauffassung Neuraths identifiziert und zum Teil grob skizziert (Wissenschaftstheorie des Logischen Empirismus), zum Teil detailliert beschrieben (Aufklärungskonzept). Letzteres geschieht v. a. in vergleichender Darstellung zur damalig entwickelten Wiener Bildungslandschaft, sodass es möglich wird, das Aufklärungskonzept wie die Bildungstheorie Neuraths zu explizieren, deren Gemeinsamkeiten mit und Abgrenzungen zu den Wiener Bildungsbewegungen in Theorie und Praxis im Detail darzulegen und somit letztlich die Novität des Neurathschen Gefüges genau zu definieren. Dabei wird die These vertreten, dass sich Neurath weniger durch seine Bildungstheorie als vielmehr durch seine Bildungspraxis von der entfalteten Wiener Bildungslandschaft differenziert.
Angélique Groß
3. Die Praxis der Bildpädagogik. Die Genese des Isotype
Zusammenfassung
In Kap. 3 wird die Entwicklung der Bildpädagogik in ausführlichen werkbiografischen Bezügen narrativ dargelegt. Dabei werden die aufklärerischen Institutionen, wie das Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum Wien mit den entsprechenden Vorläufer- und Nachfolgeinstituten sowie das Mundaneum, in ihrer Entwicklung detailliert chronologisch nachgezeichnet.
Das Hauptaugenmerk dieses Kapitels liegt jedoch in der ausführlichen Deskription der einzelnen Vermittlungsbilder, die kontinuierlich mit den programmatischen Texten Neuraths verglichen werden. Insofern diese Gegenüberstellung von Praxis einerseits und Konzept andererseits Aussagen über deren Verhältnis zueinander erlaubt, werden verschiedene Thesen nahegelegt: Es ist von Neurath letztlich ein umfassendes Vermittlungssystem angedacht, das über eine alleinige Bildpädagogik hinausgeht. Weiterhin wird konstatiert, dass die Entwicklung der Bildpädagogik ein prozessualer Vorgang ist. Innerhalb dieses Prozesses ist das abstrakte bildpädagogische Konzept von Beginn an ausformuliert. Eine defizitäre Umsetzung dessen allerdings führt zu einer langjährigen Diskrepanz zwischen Konzeptidee und Praxis. Diese Diskrepanz wird sukzessive durch die meliorierende Annäherung der Praxis an die Konzeptidee überwunden.
Die Deskription des bildpädagogischen Generierungsprozesses zeigt zudem auf, dass der Gültigkeitsrahmen für die Bildpädagogik ein beschränkter ist und legt eine These über die definierten Grenzen dieses Bedingungsfeldes nahe. Weiterhin zeigt sie auf, dass innerhalb dessen Zäsuren zu identifizieren sind, die, so die These, als Entwicklungsstufen des bildpädagogischen Systems gelten können.
Angélique Groß
4. Das konzeptionelle Gefüge der Bildpädagogik
Zusammenfassung
Dieses Kapitel geht über das hinaus, was Neurath mit seiner Bildpädagogik selbst angedacht hat. Zwar hat er ihre Theoretisierung in vielerlei Hinsicht nahegelegt, sie aber nie selbst geleistet.
Hier nun sind der Bildungspraxis Neuraths theoretische Implikationen unterstellt, die als solche, als Elementarerscheinungen, analytisch strukturierend expliziert werden. Dazu werden die in den programmatischen Texten Neuraths enthaltenen Konstruktionsregeln gesammelt, geordnet und als abstrakte Prinzipien markiert. Weitere Thesen sind folgende: Die Elementarerscheinungen differieren in ihrem Abstraktionsgrad und bilden eine hierarchische Ordnung, wobei sich der Bezug der Abstraktionsebenen zueinander durch ihre Ableitungsfolge ergibt. Zudem sind die Elementarerscheinungen der konkreten Abstraktionsebene konstitutiv für die Bildpädagogik und gelten deshalb als methodische Prinzipien. Ihre Synthese expliziert die innere Logik, die methodische Struktur der Bildpädagogik Neuraths.
An die Explikation der Prinzipien und deren Struktur schließt sich eine Leistungsbeschreibung an, um die Leistungen der Prinzipien im Einzelnen zu verdeutlichen und zugleich der These der Ableitungsfolge der Prinzipienebenen auf umgekehrtem Wege nachzugehen. Ebenso zeigt eine Leistungsbeschreibung die Wechselwirkung der methodischen Prinzipien auf und geht der These ihrer synthetischen Ordnung nach. Weiterhin lässt sich in diesem Zusammenhang zu einer Vielfalt von Hypothesen in Bezug auf den Rezipienten einerseits und den Vermittlungsinhalt andererseits gelangen, welche zu ihrer empirischen Prüfung geradezu auffordern.
Angélique Groß
5. Schlussbemerkung. Die Methode als Gegenstand pädagogischer Disziplin
Zusammenfassung
Im Zuge des Nachvollzuges des bisher Explizierten werden sukzessive zwei pädagogische Konstrukte entwickelt, die voneinander abhängig sind. Zum einen wird der Bildungsbegriff Neuraths formuliert, zum anderen das Darstellungskonzept, das aus dem Bildungsbegriff hervorgeht. Dabei wir das Darstellungskonzept anhand seiner vermittlungsmethodischen Prinzipien, seines Bedingungsgefüge sowie der kognitiven Fähigkeit, an die es anknüpft, definiert und dieses Vorgehen als Muster zukünftiger Explikationen anempfohlen.
Darüber hinaus wird der Frage nachgegangen, inwiefern mit Neurath zu programmatischen Schlussfolgerungen für die Pädagogik zu gelangen ist:
Für die Pädagogik als Profession kann mit Neurath gelten, dass der praktizierende Pädagoge ein Transformator, ein Techniker ist, dessen Fokus innerhalb komplexer Vermittlungsgefüge nicht auf der Didaktik liegt, welche (lediglich) normativ gesetzt ist. Innerhalb eines gegebenen, praktischen Bedingungsfeldes ist es vielmehr die Vermittlungsmethode, die als Variable potentielle Lösungen praktischer Probleme verspricht und deren Fokussierung deshalb angezeigt ist.
Für die Pädagogik als Disziplin gilt dementsprechend mit Neurath, dass sie einem naturwissenschaftlich geprägten Verständnis zu folgen und die Vermittlungsmethode als ihren theoretischen Betrachtungs- und empirischen Untersuchungsgegenstand zu definieren hat. Dieser Anspruch führt notwendig zu dem erziehungswissenschaftlichen Programm, sich der systematischen Entfaltung einer allgemeinen Methodentheorie zu widmen. Hierzu sind die Prinzipien der Bildpädagogik als Analysekritierien weiterer Methodenbeschreibungen nutzbar und dahingehend zu prüfen, ob sie sich als Momente einer allgemeinen Methodentheorie bewähren.
Angélique Groß
6. Anhang
Zusammenfassung
Das Kapitel 6 liefert einen stichwortartigen Überblick zur Lebens- und pädagogischen Werkbiografie Otto Neuraths.
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Angélique Groß
Metadaten
Titel
Die Bildpädagogik Otto Neuraths
verfasst von
Angélique Groß
Copyright-Jahr
2015
Electronic ISBN
978-3-319-16316-1
Print ISBN
978-3-319-16315-4
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-319-16316-1