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2007 | Buch

Die Bundestagswahl 2005

Analysen des Wahlkampfes und der Wahlergebnisse

herausgegeben von: Frank Brettschneider, Oskar Niedermayer, Bernhard Weßels

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Die Bundestagswahl 2005: Analysen des Wahlkampfes und der Wahlergebnisse

Die Bundestagswahl 2005: Analysen des Wahlkampfes und der Wahlergebnisse
Auszug
Die Bundestagswahl 2005 war in vielerlei Hinsicht besonders. Die vorgezogenen Neuwahlen stellten die Wahlkampfführung der Parteien vor ungewohnte Aufgaben. In kurzer Zeit musste die SPD eine Strategie entwickeln, den scheinbar uneinholbaren Vorsprung von Schwarz-Gelb wieder wettzumachen. Die Union musste sich zwischen einem offensiven Oppositionswahlkampf und einem im Zuge zunehmender Siegesgewissheit gouvernementalen Wahlkampf entscheiden. Besonders war auch die erstmalige Kandidatur einer Frau — verbunden mit der Frage, ob die Deutschen reif seien für eine Kanzlerin. Besonders waren schließlich die Wahlkampfdynamik und das Wahlergebnis. Die bürgerliche Opposition verspielte in wenigen Wochen einen enormen Vorsprung, so dass es am Ende nicht für eine Koalition aus Union und FDP reichte. Die Große Koalition war das Ergebnis.
Frank Brettschneider, Oskar Niedermayer, Bernhard Weßels

Parteien und Wahlkampf

Frontmatter
Der Wahlkampf zur Bundestagswahl 2005: Parteistrategien und Kampagnenverlauf
Auszug
Wahlkämpfe sind ein politischer Kommunikationsprozess, in dem politische Botschaften an die Bürger vermittelt, deren Interessen und Befindlichkeiten aber auch an die politischen Akteure rückvermittelt werden. Dominiert wird dieser Prozess von den Wahlkampfstäben der Parteien sowie von den Massenmedien, der Parteibasis und in geringerem Maße auch von anderen Vermittlungsstrukturen. Ziel der Politikvermittlungsaktivitäten des Wahlkampfmanagements der Parteien ist es, unter den gegebenen Rahmenbedingungen durch persuasive Kommunikationsstrategien im Spannungsfeld von Überzeugung und Überredung ein möglichst gutes Wahlergebnis zu erzielen. Hierfür ist es notwendig, den Wählern von der eigenen Seite ein möglichst positives Image zu vermitteln und die gegnerische Seite in einem möglichst schlechten Licht erscheinen zu lassen. Jede Wahlkampagne besteht somit aus zwei Dimensionen: einer Imagelinie und einer Angriffslinie.
Oskar Niedermayer
Die programmatische Entwicklung der deutschen Parteien auf Bundes- und Landesebene zwischen den Bundestagswahlen 1998 und 2005
Auszug
Die SPD präsentierte sich im Bundestagswahlkampf 2005 als Garant einer auf sozialen Ausgleich bedachten politischen Kraft, während CDU/CSU ein deutlich liberales Profil in sozioökonomischen Themen zeigte. Dieses Bild wurde insbesondere durch die auf den Vergleich der Steuerkonzepte von Union und SPD ausgelegte Anzeigenkampagne der Sozialdemokraten und durch die Nominierung von Paul Kirchhof als Finanzminister seitens der CDU/CSU verstärkt. Im Folgenden soll anhand einer empirischen Analyse der Wahlprogramme erstens überprüft werden, ob die Parteien zu den Bundestagswahlen 2005 ein solches programmatisches Verhalten an den Tag legten. Es wird dabei unterschieden zwischen der Wirtschafts- und Sozialpolitik einerseits und gesellschaftspolitischen Fragen andererseits als die den deutschen Parteienwettbewerb maßgeblich prägenden Konfliktdimensionen (Lipset/Rokkan 1967; Pappi 1973, 1977, 1984). In einem zweiten Schritt wird die Analyse auf die Ebene der Bundesländer und die dortigen Landtagswahlen im Zeitraum zwischen 1998 und 2006 erweitert. Es wird dabei der Frage nachgegangen, ob die programmatische Haltung der Parteien zu den Bundestagswahlen 2002 und 2005 den Positionen der entsprechenden Landesparteien folgt oder ob die Parteien auf Bundes- und Landesebene hinsichtlich ihrer inhaltlichen Vorstellungen unabhängig voneinander agieren. Die Grundlage für die empirische Überprüfung stellt ein Datensatz dar, welcher die mit Hilfe der Wordscore-Technik (Laver u.a. 2003; Giannetti/Laver 2005; Pappi/Shikano 2005: 515) extrahierten politikfeldspezifischen Positionen der Bundes- und Landesparteien enthält.
Marc Debus
Professionalisierung nach Wahl. Ein Vergleich der Parteienkampagnen im Rahmen der jüngsten Bundestags- und Europawahlkämpfe in Deutschland
Auszug
Mit dem Schließen der Wahllokale am Abend des 18. September 2005 endete der wohl am intensivsten geführte Wahlkampf in der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Gerade im Vergleich zum „Wahlmarathon“ 2002, der seitens der Parteien über lange Strecken relativ unspektakulär, ideen- und leidenschaftslos bestritten wurde (Tenscher 2005a), bleibt die Kampagne 2005 durch eine besondere Intensität, eine ausgeprägte Bereitschaft zur Konfrontation sowie eine Re-Politisierung in Erinnerung.
Jens Tenscher
Wahlkampf mit Weblogs. Neue Formen der politischen Kommunikation im Netz
Auszug
Wahlkämpfe sind extreme Formen der politischen Kommunikation. Nie ist die Frequenz der politischen Botschaften höher, nur selten ist die Aufmerksamkeit für Parteien und Politiker[1] größer. Das ist wenig verwunderlich, geht es bei Wahlen doch um den Kern des politischen Geschäfts, die Verteilung von Macht. Aufgrund ihrer herausragenden Stellung werden Wahlkämpfe stark von der jeweils aktuellen Konstellation des politischen Feldes geprägt und erlauben kaum Generalisierungen. Gleichzeitig lassen sich in Wahlkämpfen neue Formen der Kommunikation beobachten, die im politischen Alltag nur allmählich Kontur gewinnen (Sarcinelli 2000).
Steffen Albrecht, Rasco Hartig-Perschke
Der Bundestagswahlkampf von 2005 und Kollektive Repräsentation: Ein kurzer Auftakt zum langen Abschied?
Auszug
Wahlkämpfe erfüllen eine wichtige Funktion in der Repräsentativen Demokratie. Sie stellen einen Mechanismus dar, durch den das demokratische Prinzip der Volkssouveränität im Rahmen der Repräsentativverfassung umgesetzt wird. Kandidaten werben in Wahlkämpfen um die Stimmen der Wähler, indem sie Rechenschaft über ihre Leistungen in der Vergangenheit ablegen und politische Visionen für die Zukunft artikulieren. Die Wähler erhalten auf diese Weise die Möglichkeit, die Leistungen und Programme der Kandidaten am Maßstab der eigenen Bedürfnisse zu beurteilen und diejenigen Personen auszuwählen, die ihren Präferenzen am nächsten kommen und denen sie das größte Maß an Vertrauen entgegenbringen.
Thomas Zittel, Thomas Gschwend

Medien und Wahlkampf

Frontmatter
„Bild - unabhängig · überparteilich“? Die Wahlberichterstattung der erfolgreichsten Boulevardzeitung Deutschlands
Auszug
Am Wahlabend der Bundestagswahl 2005 ging Gerhard Schröder in der Diskussionsrunde der Spitzenpolitiker der Bundestagsparteien in der ZDF-Sendung „Berliner Runde“ mit den Medien hart ins Gericht. Der Kanzler, der einst behauptet haben soll, zum Regieren nur „Bild, BamS und Glotze“ zu brauchen (u.a. ZDF 2005a; Theurer 2005), beschwerte sich in aggressivem Ton über die Machenschaften der Medien. Er behauptete, er habe Wahlkampf machen müssen gegen das, „was da geschrieben und gesendet wurde“ (Schröder in der Sendung „Berliner Runde“, ZDF 2005b). Was ist dran, an diesen Vorwürfen? Wollten die Medien den Regierungswechsel herbeischreiben? Besonders interessant ist diese Frage in Bezug auf die Medien aus dem Hause Springer, da diese Zeitungen, und im Besonderen die Bild-Zeitung, im Laufe der Regierungszeit Schröders immer mehr dem Vorwurf ausgesetzt waren, die Unionsparteien zu bevorteilen (Jakobs/Leyendecker 2005; Andresen u.a. 2002). Nach der Wahl zeigte sich die Verbundenheit des Verlags mit der Union als Friede Springer, Witwe des Verlagsgründers Axel Springer und Mehrheitsaktionärin des Unternehmens, bei der Wahl Angela Merkels zur Kanzlerin auf der Besuchertribüne des Bundestages saß. Musste Schröder also gegen die Bild-Zeitung regieren bzw. Wahlkampf führen, statt mit Hilfe dieses Blattes? Und konnte Merkel schon während des Wahlkampfes auf die Unterstützung der Boulevardzeitung setzen?
Bettina Wagner
Duell Mann gegen Frau?! Geschlechterrollen und Kanzlerkandidaten in der Wahlkampfberichterstattung
Auszug
Die Bundestagswahl 2005 war unter einer Reihe von Gesichtpunkten etwas Besonderes. Nicht nur stellte die Herbeiführung einer Wahl unter diesen Umständen ein Novum dar, auch das unerwartet schlechte Abschneiden der CDU/CSU am Wahltag sowie nicht zuletzt die erste Kandidatur einer Frau für das Amt der Bundeskanzlerin erregten Aufmerksamkeit (Schmitt/Wüst 2006; Niedermayer in diesem Band). Frauen in politischen Führungsämtern sind längst keine Seltenheit mehr. In den letzten Jahren sind Frauen in einer Reihe europäischer Länder, aber auch in Afrika und Südamerika, an die Spitze der Politik vorgedrungen (van Zoonen 2006). Vor allem aus den USA ist bekannt, dass weibliche Kandidaten bei Kongress- und Senatswahlen in den Medien anders dargestellt werden, als ihre männlichen Gegenspieler (Kahn 1994a; Kahn/Goldenberg 1991). Dies bezieht sich sowohl auf die Themenstruktur der Berichterstattung, als auch ganz allgemein auf die Sichtbarkeit der Kandidaten und die Nutzung von frames. Weibliche Kandidaten sind demnach weniger präsent in der Berichterstattung, ihre Wahlaussichten werden negativer dargestellt, sie werden eher mit „Frauenthemen“ in Zusammenhang gebracht und häufiger in Verbindung zu Meinungsumfragen und Wahlprognosen erwähnt.
Hajo G. Boomgaarden, Holli A. Semetko
Schröder gegen Merkel. Wahrnehmung und Wirkung des TV-Duells
Auszug
TV-Debatten haben sich weltweit zu einem zentralen Element moderner Wahlkämpfe entwickelt. Bereits Ende der 1990er Jahre fanden in mindestens 35 Ländern Fernsehdebatten unterschiedlichster Formate statt (Plasser/Plasser 2002: 312). Zwar gab es im deutschen Fernsehen schon seit den 1960er Jahren die „Elefantenrunden“ der Spitzenkandidaten aller im Bundestag vertretenen Parteien. Doch „TV-Duelle“, bei denen nur die Kandidaten der beiden größten Parteien gegeneinander antreten, haben sich erst seit dem Bundestagswahlkampf 2002 als feste Institution etabliert. Dies wird daran deutlich, dass auch vor der Bundestagwahl 2005 wieder ein solches Duell stattfand und auch vor immer mehr Landtagswahlen TV-Duelle stattfinden, an denen nur die beiden wichtigsten Spitzenkandidaten teilnehmen. Dies war zuletzt beispielsweise in Schleswig-Holstein, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg der Fall. Die Bedeutung solcher TV-Duelle ist vielfach belegt: Kein anderes geplantes Ereignis in einem Wahlkampf erhält so viel öffentliche Aufmerksamkeit und kann so starke Wirkungen auf das Image der Kandidaten, die Wahlbeteiligung und die Wahlabsichten entfalten, wie ein TV-Duell (z.B. Racine Group 2002; Maurer/Reinemann 2003; Hofrichter 2004; Klein 2005).
Carsten Reinemann, Marcus Maurer
Das TV-Duell 2005: Katalysator für die Personalisierung des Wahlverhaltens?
Auszug
Seit geraumer Zeit wird in Deutschland eine heftige Debatte über die Personalisierung der Politik - also die zunehmende Fokussierung der politischen Auseinandersetzung auf Personen anstelle von Inhalten - geführt. Hinter diesem Schlagwort verbergen sich drei verschiedene Prozesse, die eng miteinander zusammenhängen (hierzu ausführlich Brettschneider 2002a): die Personalisierung der Wahlkampf-führung, die Personalisierung der Medienberichterstattung und die Personalisierung des Wahlverhaltens. Letzteres wiederum kann man analytisch in zwei Aspekte unterteilen: erstens in die Frage, ob das Gewicht der Kandidatenorientierung im Vergleich zu anderen Erklärungsfaktoren des Wahlverhaltens zunimmt, und zweitens in die Frage, ob Kandidaten zunehmend aufgrund unpolitischer bzw. „rollenferner“ Eigenschaften anstelle von politischen bzw. „rollennahen“ Fähigkeiten bewertet werden (zu dieser Unterscheidung z.B. Campbell u.a. 1960: 55; Lass 1995: 60; Vetter/Brettschneider 1998).
Jürgen Maier, Michaela Maier
Wahrnehmung und Wirkungen politischer Meinungsumfragen. Eine Exploration zur Bundestagwahl 2005
Auszug
Politische Meinungsumfragen rücken im Vorfeld von Bundestagswahlen immer stärker ins Zentrum der Medienaufmerksamkeit (Brettschneider 2000). Besondere Beachtung wird dabei den Versuchen der Meinungsforschungsinstitute zuteil, unter der Bezeichnung „Projektion“ oder schlicht „Sonntagsfrage“ Stimmenverteilungen für hypothetische Bundestagswahlen zu Terminen zu ermitteln, die vor der tatsächlichen Wahl liegen. Die Bundestagswahl 2005 bildete keine Ausnahme von diesem langfristigen Trend.
Thorsten Faas, Rüdiger Schmitt-Beck

Wahlmotive

Frontmatter
Ist Deutschland reif für eine Kanzlerin? Eine experimentelle Untersuchung aus Anlass der Bundestagswahl 2005
Auszug
„Deutschland ist reif für eine Bundeskanzlerin“. Dies äußerte Volker Kauder, zum damaligen Zeitpunkt Generalsekretär der CDU, im Februar 2005 in einem Gespräch mit der Redaktion des Hamburger Abendblatts (Ausgabe vom 3. Februar 2005). Es kann mit einiger Berechtigung bezweifelt werden, ob er diese Aussage acht Monate später so noch einmal wiederholt hätte. War die CDU/CSU doch bei der vorgezogenen Bundestagswahl im September 2005 mit ihrer Spitzenkandidatin Angela Merkel am Wahltag deutlich eingebrochen und mit nur 35,2 Prozent der Zweitstimmen weit hinter den Umfrageergebnissen der vorangegangenen beiden Wochen zurückgeblieben, die bei mindestens 41 Prozent lagen (http://​www.​wahlrecht.​de/​umfragen/​archiv/​2005.​htm).
Marcus Klein, Ulrich Rosar
Geschlecht als Determinante des Wahlverhaltens? Analysen mit der Repräsentativen Wahlstatistik 2005
Auszug
Die Wahlforschung arbeitet seit jeher mit unterschiedlichen Datenquellen. Frühe Analysen konzentrierten sich auf Aggregatdaten der tatsächlichen Wahlergebnisse, die dann mit anderen Merkmalen der Wahlgebiete in Beziehung gesetzt wurden. Bei einigen Fragestellungen, wie z.B. zu historisch lange zurückliegenden Wahlen, ist dies nach wie vor die wichtigste, häufig sogar die einzige Datenquelle (zu frühen Arbeiten dieser Art vgl. z.B. Siegfried 1913; Heberle 1943, 1963, zu gegenwärtigen Arbeiten z.B. Taylor/Johnston 1979; Winkler 1995; Flint 1998; Rattinger 2000; Stögbauer 2002). Wahlergebnisse sind prozessproduzierte Daten, also Daten, die nicht primär für die wissenschaftliche Forschung, sondern für andere Zwecke erhoben wurden. Dementsprechend sind die erhobenen Inhalte nicht auf wissenschaftliche Fragestellungen zugeschnitten und für deren Beantwortung häufig suboptimal. In Deutschland hält das Statistische Bundesamt in der allgemeinen Wahlstatistik die entsprechenden Informationen zu Bundestagswahlen fest. Verzeichnet werden die Zahl der Wahlberechtigten, der Wähler/innen und Nichtwähler/innen, der abgegebenen gültigen und ungültigen Erst- und Zweitstimmen, und zwar gegliedert nach Ländern, Bundestagswahlkreisen, kreisfreien Städten bzw. Landkreisen, Gemeinden und Wahlbezirken. Das Wahlgeheimnis verbietet jedoch jegliche Informationen über individuelles Wahlverhalten.
Bettina Westle, Steffen Kühnel
CDU-Wahl 2005: Katholiken, Kirchgänger und eine protestantische Spitzenkandidatin aus dem Osten
Auszug
Der Bundestagswahlkampf 2005 präsentierte in der Person der Spitzenkandidatin der CDU/CSU in dreifacher Hinsicht eine klare Ausnahme vom typischen christlich-demokratischen Spitzenkandidaten. Angela Merkel ist aus dem Osten Deutschlands, weiblich (verheiratet aber ohne Kinder) und Protestantin. Gleichzeitig haben sich bis in die jüngste Vergangenheit die Katholiken und hier vor allem die kirchlich gebundenen Katholiken als treueste Wählerschaft der Christdemokraten erwiesen. Zwar schmilzt die Klientel, da auch das katholische Milieu seit den 1960er von einer klaren Schrumpfung betroffen ist, doch stimmen diejenigen, die der kirchengebundenen katholischen Subkultur verblieben sind, wie eh und je christdemokratisch. Diese Klientel ist in bisherigen Wahlen auch immer in Form eines katholischen (männlichen und westdeutschen) Spitzenkandidaten angesprochen worden. Mit dieser Tradition hat die CDU/CSU 2005 gebrochen.
Sigrid Roßteutscher
Wirtschaftslage und die Popularität der Regierungen Schröder I und II
Auszug
Dass sich die wirtschaftliche Lage eines Landes darauf auswirkt, wie die Wähler ihre Regierung einschätzen und damit deren Wahlchancen bestimmen, ist eine psychologische Grundweisheit. Mit ihr rechnen auch Politiker wie das von Reagan beeinflusste Schlusswort von Kanzlerkandidatin Merkel in dem Fernsehduell mit Kanzler Schröder vor der Bundestagswahl 2005 bestätigt.
Franz Urban Pappi, Evelyn Bytzek
Wirtschaftslage, Arbeitslosigkeit und zugeschriebene Regierungsverantwortung als Bestimmungsfaktoren des Wahlverhaltens bei den Bundestagswahlen 2002 und 2005
Auszug
Die Bundestagswahlen 1994 und 1998 gelten schlechthin als Wahlen, in denen wirtschaftliche Sachthemen ganz oben auf der politischen Agenda standen. Wirtschaftswachstum und die wahrgenommene ökonomische Problemlösungskompetenz waren insbesondere bei der Wahl 1994 sehr eng mit der Person Helmut Kohls verbunden. Sein wirtschaftlicher Optimismus - gepaart mit der Fähigkeit, die traditionell den Unionsparteien zugeschriebene Wirtschaftskompetenz effektiv gegenüber den Wählern zu kommunizieren - werden vor dem Hintergrund eines ohnehin erwarteten Wirtschaftsaufschwungs als die zentralen Faktoren des Wahlerfolges der regierenden Koalition aus Union und FDP bei der Bundestagswahl 1994 angesehen (Jung/Roth 1994; Köcher 1994). Nicht zuletzt aufgrund der immer noch enormen wirtschaftlichen Belastungen, denen sich die deutsche Wirtschaft im Zuge der Wiedervereinigung gegenübersah, konnte die konservativ-liberale Regierung jedoch den geweckten hohen wirtschaftlichen Erwartungen nur schwer gerecht werden (Maier/Rattinger 1999). Bei den Bundestagswahlen 1998 kam es schließlich zum Regierungswechsel. CDU/CSU und FDP verloren die Regierungsverant wortung an die Sozialdemokraten unter Kanzler Gerhard Schröder, die mit Bündnis90/Die Grünen erstmalig in der bundesdeutschen Geschichte eine rot-grüne Koalition auf Bundesebene bildeten. Die gesamte Wahlkampagne spiegelte dabei die Diskussionen um die schlechte wirtschaftliche Lage und die hohen Arbeitslosenzahlen (insbesondere im Osten des Landes) wider.
Charlotte Kellermann, Hans Rattinger
Re-Mobilisierung, „Floating“ oder Abwanderung? Wechselwähler 2002 und 2005 im Vergleich
Auszug
Echte Wechselwähler und die Parteipräferenz schnell wechselnde Wähler bewegen nicht nur Stimmen und damit die politischen Wettbewerber, sondern auch die Wahlforschung - entweder, weil Verwunderung darüber herrscht, wie groß die Stabilität des Wahlverhaltens ist, oder umgekehrt, wenn die zunehmende Flexibilität der Wähler betont wird. Bei den letzten drei Bundestagswahlen spielten Wechselwahl und kurzfristige Präferenzänderungen eine nicht unmaßgebliche Rolle. Der Regierungswechsel 1998 wurde durch eine Umkehrung der Stimmenanteile der beiden großen Parteien CDU/CSU und SPD gegenüber 1994 herbeigeführt, 2002 und 2005 wurde eine lange Zeit, 2005 sogar bis kurz vor der Wahl, von klaren Wahlsiegen der CDU/CSU ausgegangen, die jedoch aufgrund kurzfristiger Präferenzänderungen zwischen Vorwahl und Wahltag nicht oder nicht klar zustande kamen. Bei beiden Bundestagswahlen hat sich ein nicht unbeträchtlicher Anteil der Wähler augenscheinlich kurzfristig umorientiert - ein wahrscheinlich wahlentscheidender Anteil 2002, ein überraschend großer Anteil 2005.
Bernhard Weβels
Gelungene Identitätserweiterung durch Namensänderung?1 „True“ Wähler, Zu- und Abwanderer der Linkspartei bei der Bundestagswahl 2005
Auszug
Bei der Bundestagswahl 2005 konnte die in Die Linkspartei. PDS umbenannte PDS in einem personellen Zusammenschluss mit der im Januar 2005 als Partei konstituierten Wahlalternative für Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) bundesweit 8,7 Prozent der Wählerstimmen an sich binden. Durch die Kooperation von PDS und WASG, deren Mitglieder auf offenen PDS-Landeslisten kandidierten, erreichten die Linken auf der Bundesebene mehr als es der SED-Nachfolgepartei allein jemals zuvor gelungen war. Zudem war die Linkspartei mit diesem Ergebnis der „Wahlgewinner“ (Neu 2005: 2).
Katja Neller, S. Isabell Thaidigsmann

„Nach der Wahl ist vor der Wahl“

Frontmatter
Das soziale Kapital der politischen Parteien. Die Akzeptanzkrise der Volksparteien als Frage der Individualisierung oder der sozialen Gerechtigkeit
Auszug
Die Ergebnisse der Landtags- und Bundestagswahlen von 2003 bis 2005 fordern die herkömmlichen Erklärungsmodelle des Wahlverhaltens heraus. Sowohl die klassischen Cleavage-Ansätze, die von langfristigen Bindungen ausgehen, als auch Individualisierungs-Ansätze, die eine graduelle Erosion der Bindungen annehmen, wie auch neue Cleavage-Ansätze, die eine Transformation der historischen Cleavages diagnostizieren, gehen von allmählichen, sehr langfristigen Veränderungen aus. Sie können daher die neuen kurzfristigen, schockartigen Demobilisierungseffekte nicht hinreichend erklären.
Heiko Geiling, Michael Vester
Parteiensystem und Koalitionskonstellationen vor und nach der Bundestagswahl 2005
Auszug
Wie nach keiner anderen Bundestagswahl in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland tauchten 2005 die unterschiedlichsten möglichen Koalitionskonstellationen in der öffentlichen Diskussion auf: Da war von der „Ampel“ (SPD, FDP, Bündnis90/Grüne), von „Jamaika“ (CDU/CSU, FDP, Bündnis90/Grüne) oder eben der Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD die Rede. Einzelne Journalisten und fuhrende Parteimitglieder wollten selbst die Bildung einer „rot-rot-grünen-Koalition“ mit SPD, Linkspartei/PDS und Bündnis90/Grüne nicht gänzlich ausschließen. Auf welchem Weg und aus welchen Gründen kam es schließlich zur Bildung der Großen Koalition? Der Beitrag untersucht theoretisch-konzeptionell und gestützt auf eine quantitativ wie qualitativ empirische Untersuchung der Wahlprogramme zur Bundestagswahl 2005, welche Konstellationen realpolitisch denkbar sind, erwägt Argumente und Erklärungsansätze für die Bildung der Großen Koalition sowie das NichtZustandekommen der anderen Optionen und zieht daraus Schlussfolgerungen für zukünftige Koalitionsbildungen wie für die Strukturen des Parteien-systems auf Bundesebene nach der Bundestagswahl 2005.
Uwe Jun
Backmatter
Metadaten
Titel
Die Bundestagswahl 2005
herausgegeben von
Frank Brettschneider
Oskar Niedermayer
Bernhard Weßels
Copyright-Jahr
2007
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-90536-5
Print ISBN
978-3-531-15350-6
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-90536-5