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Zusammenfassung
Der erste Entwurf von Husserls Analyse der naturalistischen Einstellung (das sogenannte „Bleistiftmanuskript“) verdeutlicht die ontologischen Grundbegriffe der Realität (Materie, Leib, Psyche), führt sie zu ihrer anschaulichen Evidenz und klärt ihre wechselseitige Verflechtung in den von diesen Begriffen geleiteten Wissenschaften.
Auf Basis der vorausgehenden Unterscheidung zwischen reinem, realem und monadischem Ego zeigt dieses Kapitel, wie die Realitätsauffassung Husserl zufolge nicht die Leistung eines einzelnen reinen Egos, sondern einer Vielheit von Egos ist, die für die Konstitution sowohl von Realität als auch des Selbst kollektiv verantwortlich sind.
Der Kern von Husserls Analyse fokussiert auf die Realität der Psyche. Im Gegensatz zur materiellen Realität ist die Psyche durch historische Selbstdependenz gekennzeichnet, d. h. durch die Tatsache, dass jede Bildung und Umbildung psychischer Dispositionen von früheren realen Veränderungen in der Psyche abhängen.
Gegen das Programm einer „Psychologie ohne Seele“ führt Husserl verhalten den Begriff von Seele als Einheit geistiger Vermögen wieder ein. Ferner kombiniert er naturalistische und personalistische Ansätze, um der Komplexität der Seele als Substrat der Natur und der Intentionalität gerecht zu werden, während er zugleich zwischen Erlebnis und mentalem Zustand scharf unterscheidet: Mentale Zustände können erst im Rückgriff auf einen zeiträumlichen Index als reale Zustände aufgefasst werden.
Aus metaphysischer Sicht entwirft Husserl einen kompatibilistischen Ansatz mit einem starken Bekenntnis zur Realität der Seele als einer auf dem Leib fundierten, aber vom Geist gesonderten ontologischen Schicht. Während die Seele vernünftig naturalisiert werden kann, ist die Person als Subjekt, das von Motivationen abhängt, nicht auf die Naturkausalität reduzierbar.
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Im Laufe der Zeit änderte sich der editorische Plan, und der geplante zweite Teil wurde zum dritten Buch, da der erste Teil immer mehr Zuwachs an vertiefenden Manuskripten gewann und Edith Stein ihn zu zwei eigenständigen Bänden entwickelte. Das zunächst als drittes Buch geplante Projekt zur Idee der Philosophie und zur Fortführung der phänomenologischen Philosophie in die Richtung einer wissenschaftlichen Metaphysik verselbständigte sich hingegen im Projekt eines neuen systematischen Werks, dessen Idee sich von den Londoner Vorlesungen (Hua XXXV) durch die Vorlesung Erste Philosophie (Hua VII, Hua VIII) bis zu den aus den Pariser Vorträgen entstandenen Cartesianischen Meditationen (Hua I), also durch die ganzen 20er-Jahre zog.
In der Einführung zum gesamten Projekt der Ideen hatte Husserl ferner angekündigt, dass durch diese Vertiefungen eine fundamentale Begrenzung des Realitätsbegriffs vollzogen werde, „vermöge deren zwischen realem Sein und individuellem (zeitlichem Sein schlechthin) ein Unterschied statuiert werden muß“ (Hua III/1, 7). Das Problem der zeitlichen Individuation bleibt aber auch im geplanten zweiten Buch außer Acht – es hätte vielleicht erst im dritten Band Erörterung finden können. Eigentlich streifen die Untersuchungen des Bleistiftmanuskripts die Unterscheidung von individuellem und realem Sein nicht, denn sie nehmen ontologische Begriffe als Leitfäden. Das angedeutete Problem einer Phänomenologie der Individuation in der materiellen und psychischen Sphäre wird nach 1917 erneut Husserls Interesse auf sich ziehen.
Indem es das Thema der Konstitution der Welt einführt, stellt das Bleistiftmanuskript daher thematisch eine Brücke dar zwischen dem ersten Band der Ideen und den für den letzten Band vorgesehenen philosophischen Ergebnissen der Untersuchung.
Da die ersten vier Seiten des Manuskripts wie auch die gesamten Grundlagen für das erste Buch der Ideen fehlen, nimmt Schuhmann an, dass sie ebenfalls zur Fertigstellung des ersten Buchs dienten. Vgl. Schuhmann (1973b).
Die intentionalen Modalitäten „aktuell“, „potentiell“, „möglich“ sind daher keine abstrakt-logischen Modalitäten, sondern konkrete Modi des Lebens als waches, schlummerndes oder erwachendes Bewusstsein.
Die gesetzte Welt ist ebenso numerisch einzig (als die wirkliche, neben den vielen potenziellen und möglichen). Die numerische Einzigkeit des reinen Ich trägt mit sich auch seine besondere Individuationsart: Das reine Ich ist in seinem Bewusstseinsstrom ein Ununterscheidbares im leibnizschen Sinne.
Hinsichtlich dieser Untersuchung werfen sich jedoch Fragen auf: Wie ist eigentlich ein seelisches Lebewesen zu denken, das über kein intentionales Leben verfügt? Ein psychisches Wesen, das nicht einmal eine triebhafte Intentionalität aufweist: Gibt es so etwas überhaupt? Ist es denkbar? Kann es überhaupt leben? Ein Leben ohne Streben? Ein reines In-Zuständen-Leben?
F III 1, 8a; vgl. Hua IV, 123: „die Seele ist die Einheit der auf den niederen sinnlichen aufgebauten (und selbst wieder in ihrer Art sich aufstufenden) ‚geistigen Vermögen‘“.
Husserl weist auf das Programm einer „Psychologie ohne Seele“ hin. Für die Wissenschaftler, die dieses Programm vertraten, war nämlich der Begriff Seele lediglich als Erbe älterer Metaphysik anzusehen; damit leugneten sie Husserl zufolge die Einheit ihres Forschungsgegenstandes. Unter dem Motto „Psychologie ohne Seele“ „schien die Bewegung dahin auszulaufen, die Seele überhaupt ausschalten und die psychologische Forschung auf eine Erforschung der bloßen Erlebnisse, kausal angeknüpft an die physischen Leiber, reduzieren zu wollen. Indessen, das war eine Verkehrtheit, und konnte man auch das Wort Seele, so doch nicht die Seelenrealität selbst loswerden. Sie steckte dann in dem einheitlichen psychischen Individuum, in dem einheitlichen menschlichen und tierischen Träger der Erlebnisse als psychologischer Zustand. Und mochten manche als diesen Träger bloß den materiellen Leib gelten lassen, so beherrschte auch bei ihnen und notwendig das eigentliche psychische Substrat (die Seele und das seelische Ichsubjekt) das Denken, wo immer es an Erfahrung orientiert war. Erfahrungsmäßig gibt es kein bloßes Bündel von Erlebnissen ohne Seele und Seelensubjekt, und es ist ein solches als Sein für sich nicht denkbar. Das ergibt sich, und mit Wesensgewissheit, aus unseren Analysen. Ehrlicherweise muss man die Psychologie genau als das gelten lassen, als was ihr Name sie nennt: Wissenschaft von der Seele.“ (Hua IV/V, 136; F III 1, 57b).
Meixner geht auf Husserls Wiedereinführung der Seele als Naturobjekt im Ausgang von der gegenwärtigen Naturalismusdebatte genauer ein und stellt dessen Position als eine ausgezeichnet „liberale“ Form von Naturalismus dar, vgl. Meixner (2011).
F III 1, 6b; vgl. Hua IV, 121. Im Bleistiftmanuskript werden also nicht nur die Begriffe der Vermögenspsychologie eingeführt, sondern auch Begriffe einer Substanzontologie (wieder)verwendet. Die Phänomenologie gibt sich dadurch als Methode zur Klärung der Grundbegriffe einer neu anfangenden universalen Ontologie in ihren regionalen Gebieten. Doch wird sich zeigen, dass ein solches Projekt unweigerlich auf die Grundprobleme der Korrelation stößt, sodass es erst dann umfassend durchführbar wird, wenn die konkrete Phänomenologie der Lebenswelt mit der Ontologie Schritt hält (vgl. Abschn. 10.3).
Das heißt aber nicht, dass alle Eigenschaften eines realen Substrats für sich genommen real sein müssen, sondern, dass sie ihre Realität von dem Substrat nehmen, an dem sie haften.
Diese gerechtfertigte „externalistische“ Position der auf der naturalistischen Einstellung fundierten Wissenschaften ist streng von der Position Husserls zu unterscheiden, die er im Rahmen der phänomenologischen Einstellung zur Beschreibung des intentionalen Lebens einnimmt. Bezüglich einer möglichen Einordnung als „moderatem Externalisten“ sind die Überlegungen Zahavis von außerordentlichem Interesse. Zahavi versucht, die Bewertung der husserlschen Phänomenologie als eine internalistische Theorie des Intentionalen grundlegend in Frage zu stellen. Eine solche Einteilung zwischen Internalismus und Externalismus sei auf dem Boden der phänomenologischen Einstellung überhaupt nicht möglich, da in ihr jede den intentionalen Bezug transzendierende Äußerlichkeit ausgeschaltet werde. Vgl. Zahavi (2008).
Im Gebiet der kausalen Veränderungsabhängigkeiten identifizieren sich so die substanziellen Grundeinheiten durch ihre individuelle Dauer, welche ex negativo bezeichnet wird als nichts Besonderes in oder am Dingwesen. Ein Ausdruck Husserls, der den Eindruck erweckt, dass es andere Formen der individuellen Identität geben könnte, die sich ex positivo kennzeichnen ließen.
Das Zusammenspielen von Assoziation und Motivation kann erst thematisiert werden, wenn die Schichtung des seelischen Subjekts in seiner Einbettung in die gesamte Seele hervorgehoben wird (vgl. Abschn. 8.5).
Hier der Wortlaut von Husserls späterer Anmerkung: „Zur Gegenüberstellung von idiopsyschischer und physiopsychischer: Warum ist hier kein Wort gesagt von der Beziehung von Seele zu Seele durch Einfühlung?“ (Hua IV/V, 20; F III 1, 11a; vgl. Hua IV, 135, wo die Aufzählung mit folgendem Punkt ergänzt wird: „3) die intersubjektiven Abhängigkeitsbeziehungen der Seelenrealität.“ – allerdings ohne, dass der § 32 zur Erläuterung dieses dritten Punkts kommt).
Auf das Problem der Einfühlung wird von Husserl wenige Seiten später eingegangen, jedoch in einem anderen Kontext: nicht als Form einer Abhängigkeit, sondern als notwendige Operation zur Konstitution einer objektiven Umwelt, die sich in einer intersubjektiven Pluralität von Erscheinungsmannigfaltigkeiten gibt (vgl. Hua IV/V, 26–28; F III 1, 12b–13b).
Husserl bemerkt, dass die Wahrheit des Entropiegesetzes, dem er den modalen Charakter der Wahrscheinlichkeit zuweist, von dieser idealen Möglichkeit nicht betroffen ist. Die Ontologie der Materie entspreche den idealen Möglichkeiten und nicht den Gesetzen der Wirklichkeit (mitsamt ihren modalen Abwandlungen). Das Entropiegesetz gehöre deshalb nicht in eine Ontologie der Materie, sondern in eine Metaphysik der materiellen Natur.
Sollte Husserl etwa die geheime Absicht haben, aus dem „Zylinder der übernatürlichen Realität“ die Person in ihrem engeren Sinne – als Persönlichkeit und nicht als psychische Personalität – herauszuziehen?
Es kann sich sowohl um eine empirisch festgestellte Disposition handeln, wenn das Subjekt des Individuums in seinem seelischen Leben schon erfahren worden ist, oder auch eine aufgrund der Artverwandtschaft attribuierte Disposition, bevor sich die Ausübung der entsprechenden Akte in den Zuständen dieses realen Individuums ergeben hat. Zur Natur des dauernden Charakters der Persönlichkeit (vgl. Abschn. 10.2.2).
Dieser Exkurs wurde in § 34 von Hua IV integriert, dessen Titel „Notwendigkeit der Unterscheidung von naturalistischer und personalistischer Einstellung“ lautet (Hua IV, 139 f.).
Die Persönlichkeit, als die seelische Schicht der ganzen Person, ist eine Realität, die wie die Seele ihre Abhängigkeitsformen besitzt; diese unterliegen jedoch nicht denselben Gesetzlichkeiten wie ihr seelischer Untergrund.
Während die Seele als Realitätsbegriff ausführlich von dem Begriff der materiellen Substanz unterschieden wird, bleibt die ontologische Bestimmung der Person im Hinblick auf die Seele im Bleistiftmanuskript weitgehend unerörtert.
Eine solche phänomenologische Klärung der realen Korrelation ermöglicht eine tiefe Reform der Ontologie: In dieser werden nicht nur Fundierungsverhältnisse zwischen höheren und niederen Schichten erwiesen, sondern auch Korrelationen zwischen ihnen aufgedeckt. Eine Farbe ist darum eine Qualität der Dinge und nicht der sie erfahrenden Subjekte, und dennoch ist sie zu diesen Subjekten relativ.
Diese Analyse der somatischen Sinnlichkeit scheint durchaus von jener sensualistischen, empiristischen Auffassung geleitet zu werden, gegen die Husserl später kritische Stellung nehmen wird. Denn „Empfindungsdaten ohne Auffassung gibt es also nicht, das Aufgefasstsein, das ,Repräsentation‘-Sein ist eingeboren“ (Hua XXXIX, 229). Vgl. De Palma (2009, 2015).
In der solipsistischen Erfahrung können daher jedoch Grundstrukturen der Korrelation erforscht werden, die für eine schon objektive, d. h. in eine räumlich-zeitliche Welt eingeordnete Subjektivität gelten. Diese Strukturen können dann abgewandelt werden, indem abgeänderte Subjektmodelle mittels Gedankenexperimenten anschaulich gemacht werden, wie z. B. die Idee eines rein sehenden Subjekts, und in dieser modifizierten Erfahrung nachgefragt wird, welche Konstitutionsleistungen ein solches Subjekt zu leisten vermöge, das über keine Leiblichkeit verfügt usw. Die Strukturen der Erfahrung können mittels phänomenologischer Reduktionen abgewandelt werden, d. h., dass die zu beschreibenden Konstitutionsmodi durch gezielte Ausschaltung gewisser intentionaler Leistungen modifiziert werden. Die Konstitution eines Gegenstandes lässt sich z. B. anhand konkreter Anschauung in der mittelbaren Umgebung beschreiben, in individueller oder in allen unterschiedlichen Stufen der intersubjektiven Erfahrung; oder der Leib kann des Weiteren in eigener Erfahrung betrachtet werden, in seiner Sinnlichkeit durch Ausschaltung seiner kinetischen Komponenten oder in seiner Funktion als Willensorgan; so die Seele in ihren Gemütszuständen durch Ausschaltung ihrer intentionalen Leistung, usw. Diese abgewandelten Erfahrungen können dann sowohl in ihren tatsachlichen Abläufen erkundet und beschrieben als auch in einer auf invariante Gestalten gerichteten Ideation oder in einer auf Grenzideen abzielenden Idealisierung festgelegt werden (s. Abschn. 10.3).