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2015 | Buch

Die postmortale Befruchtung im deutschen und spanischen Recht

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Über dieses Buch

Das Werk beschäftigt sich umfassend mit den rechtlichen Implikationen einer postmortalen Befruchtung. Wesentlicher Bestandteil ist eine detaillierte verfassungsrechtliche Prüfung des in § 4 Abs. 1 Nr. 3 ESchG enthaltenen absoluten Verbotes. Zentraler Aspekt ist zudem die Rechtsstellung des verbotswidrig posthum gezeugten Kindes. Von Bedeutung sind hier insbesondere Vorschriften des Abstammungs-, Erb- und Unterhaltsrechts. Weiterer Schwerpunkt ist die Darstellung des spanischen Rechts. Die Regelung der postmortalen Befruchtung, ihre Voraussetzungen und die rechtliche Position des Kindes stehen im Fokus. Unter vergleichender Heranziehung des spanischen Rechts werden schließlich mögliche Alternativregelungen sowohl im Hinblick auf die postmortale Befruchtung als auch hinsichtlich der Rechtsstellung des Kindes entwickelt. Die für die Regelung der postmortalen Befruchtung bedeutsame Frage der rechtlichen Qualifizierung menschlichen Keimmaterials findet hier besondere Beachtung.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1 Einleitung
Zusammenfassung
Bis Ende der 1970er Jahre war die Zeugung eines Kindes durch einen bereits verstorbenen Mann medizinisch nicht möglich. Aufgrund dieser Tatsache musste auch das Recht keine Lösungen für eine solche Situation bereithalten. Nunmehr hat der medizinische Fortschritt vormals bestehende Grenzen auch im Bereich der menschlichen Reproduktion aufgehoben. Keimzellen verstorbener Männer können konserviert und noch viele Jahre nach dem Tod des Keimzellenträgers verwendet werden.
Besondere Relevanz erlangt das Thema beim frühen Tod eines Mannes, dessen Partnerin sich ein Kind von diesem gewünscht hat und es sich auch nach seinem Tod noch wünscht. Dass es sich hierbei nicht nur um ein rein theoretisches Konstrukt handelt, sondern tatsächlich Frauen die Zeugung eines Kindes mit dem Keimmaterial ihres verstorbenen Partners anstreben, zeigen die Fälle, die die Gerichte weltweit in der jüngeren Vergangenheit beschäftigt haben. Auch die deutsche Justiz war unlängst mit der Frage befasst, ob eine Frau nach dem Tod ihres Partners mit dessen Keimmaterial imprägnierte und zu dessen Lebzeiten eingelagerte Eizellen verwenden darf. Selbst wenn ein solcher Wunsch nach einer postmortalen Befruchtung auf wenige Einzelfälle beschränkt bleiben dürfte, zeigen diese Fälle, dass dieses Thema nicht marginalisiert und vom Recht ignoriert werden kann, sondern dass auch für diese Konstellationen eine tragfähige rechtliche Lösung bereitgestellt werden muss.
Gianna Velte
2 Medizinische Grundlagen und Terminologie
Zusammenfassung
Da die gewählte Thematik einen engen medizinischen Bezug aufweist, insbesondere Begrifflichkeiten der Reproduktionsmedizin häufig Verwendung finden und auch für die juristische Bewertung von Sachverhalten Bedeutung erlangen, erscheint einleitend ein Überblick über die relevanten Fachtermini sowie über die möglicherweise zu einer postmortalen Zeugung führenden biologischen und medizinischen Prozesse notwendig. In diesem Zusammenhang wird insbesondere der Ablauf der Befruchtung der Eizelle beschrieben, welcher im Verlauf der Arbeit auch in seinen Einzelheiten Relevanz erlangt, weshalb in diesem Bereich detailliertere Kenntnisse erforderlich erscheinen. Gleichwohl handelt es sich nur um eine verkürzte Erörterung, die keinen Anspruch auf detaillierte medizinische Vollständigkeit erhebt, sondern nur dem erleichterten Verständnis dieser Untersuchung dienen soll. Für eine Vertiefung wird auf die entsprechende Fachliteratur verwiesen.
Gianna Velte
3 Die postmortale Befruchtung im deutschen Recht
Zusammenfassung
Die postmortale Befruchtung ist im deutschen Recht in § 4 I Nr. 3 ESchG positivrechtlich geregelt. In Teil A des Kapitels wird zunächst die Vorschrift selbst genauer untersucht. Vorab soll eine Analyse der systematischen Einordnung der Norm in das Embryonenschutzgesetz erfolgen. Sodann wird das Augenmerk auf den Tatbestand und die inhaltliche Ausgestaltung gerichtet.
Gianna Velte
4 Die postmortale Befruchtung im spanischen Recht
Zusammenfassung
Auch im spanischen Recht erscheint einleitend ein Überblick über die gängige Terminologie geboten. Obgleich die Techniken, die zur Zeugung eines Kindes nach dem Versterben eines der Keimzellenträger führen, sowohl in dem medizinischen als auch in dem juristischen Schrifttum in Spanien verschiedene Bezeichnungen erhalten haben, hat sich der Ausdruck Befruchtung post mortem (fecundación post mortem) als einer der ersten in diesem Kontext verwendeten Begriffe im allgemeinen Sprachgebrauch weitgehend durchgesetzt. Demgegenüber greift der Gesetzgeber den in der Fachsprache verbreiteten Begriff weder in Art. 9 des Ley 35/1988, de 22 de noviembre, sobre técnicas de reproducción asistida (im Folgenden: LTRA), noch in dem neuen Gesetz „Ley 14/2006, de 26 de mayo sobre técnicas de reproducción humana asistida“(im Folgenden: LTRHA) explizit auf. Gleichwohl ist der Begriff der Befruchtung post mortem in der juristischen Lehre weiterhin gebräuchlich. Nur vereinzelt wird von dieser Terminologie unter Hinweis auf die Tatsache, dass nicht nur Techniken der postmortalen Befruchtung, sondern beispielsweise auch der postmortale Embryonentransfer von der Vorschrift erfasst seien, abgewichen: So werden die Maßnahmen vereinzelt auch als „assistierte Reproduktion post mortem“, „Fortpflanzung post mortem“ oder „Schwangerschaft post mortem“ bezeichnet. In der vorliegenden Arbeit wird mit dem überwiegenden Teil der Literatur der Begriff der „Befruchtung post mortem“ verwendet.
Gianna Velte
5 Mögliche Alternativregelungen de lege ferenda
Zusammenfassung
Nachdem die verfassungsrechtliche Prüfung des § 4 I Nr. 3 ESchG erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des absoluten Verbots der Befruchtung post mortem offenbart hat, ist nunmehr der Frage nachzugehen, wie eine permissive Regelung im deutschen Recht ausgestaltet sein könnte. Hierbei sollen die zum spanischen Recht gewonnenen Erkenntnisse vergleichend herangezogen werden.
Gianna Velte
6 Fazit und grundlegende Thesen als Ergebnisse der vorliegenden Arbeit
Zusammenfassung
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die gegenwärtige rechtliche Ausgestaltung in Deutschland sowohl im Hinblick auf die Zulässigkeit der Befruchtung post mortem wie auch auf ihre zivilrechtlichen Folgen nicht überzeugen kann. Schon das absolute Verbot ist nach hier vertretener Ansicht verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen. In der Debatte um die postmortale Befruchtung wird oftmals der fundamentale Unterschied zwischen dem, was als Eingriff in verfassungsrechtlich garantierte Freiheiten des Einzelnen zu rechtfertigen ist und dem, was aus einer subjektiv empfundenen, moralischen Perspektive als richtig oder wünschenswert erachtet wird, verkannt. Die Entscheidung über die Umstände der eigenen Fortpflanzung wird durch das Persönlichkeitsrecht jedes Einzelnen vor staatlichen Eingriffen geschützt. Der Umstand, dass die Befruchtung der Eizelle nicht durch Geschlechtsverkehr erfolgt, ändert an dieser Tatsache ebenso wenig wie an dem durch die Verfassung garantierten Schutzniveau. Auch wenn das Aufwachsen in einer „intakten“, aus zwei lebenden Eltern bestehenden Familie für jedes Kind wünschenswert wäre und gegenüber der gezielten Zeugung eines Halbwaisen aus diesem Grund mannigfaltig ethische und moralische Bedenken bestehen mögen, können diese nicht ausreichen, um die Eltern in ihrer Freiheit einzuschränken, über die eigene Fortpflanzung zu entscheiden. Wie Kaufmann bereits zutreffend feststellte, kann das Strafrecht nicht herangezogen werden, um „Terrain, das Theologen, Moralphilosophen und Standesethiker verloren haben, wieder zurückzugewinnen“. Hier bleibt das Recht an seine eigenen, nämlich verfassungsrechtlichen Grenzen gebunden und muss dem Einzelnen die Entscheidung, was richtig oder falsch ist, freistellen. Das absolute strafrechtliche Verbot der postmortalen Befruchtung in § 4 I Nr. 3 ESchG ist nach hier vertretener Ansicht verfassungswidrig. Die Implementierung einer ausdifferenzierten, permissiveren Regelung ist damit de lege ferenda geboten.
Gianna Velte
Backmatter
Metadaten
Titel
Die postmortale Befruchtung im deutschen und spanischen Recht
verfasst von
Gianna Velte
Copyright-Jahr
2015
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-44554-9
Print ISBN
978-3-662-44553-2
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-44554-9

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