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Erschienen in: Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft 1-2/2024

Open Access 15.11.2023 | Originalbeitrag

Digitalisierung der Handsortierung durch Künstliche Intelligenz, Machine Learning und Human Machine Interaction

verfasst von: DI Julian Aberger, DI Dr. Karim Khodier, Ass.-Prof. DI Dr. Renato Sarc

Erschienen in: Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft | Ausgabe 1-2/2024

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Zusammenfassung

Die Abfallwirtschaft wandelt sich zu einer produzierenden Industrie in der Kreislaufwirtschaft. Trotz Fortschritten und Optimierungen bei der automatischen sensor-basierten Sortierung bleibt die Handsortierung von Abfällen relevant. Das Projekt recAIcle hat es sich zum Ziel gesetzt, die Digitalisierung der Handsortierung in der Abfallwirtschaft mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI), Machine Learning (ML) und Human-Machine Interaction (HMI) voranzutreiben. KI und ML haben mehrfach gezeigt, wie sie ganze Industrien und Branchen revolutionieren können. Das Projekt RecAIcle fokussiert sich auf die Kunststoff- und Batterieerkennung und -sortierung. Die Produktivität und Qualität der Handsortierung sollen dadurch gesteigert werden. Hierfür wird ein digitales Assistenzsystem, das die Sortiermitarbeiter:innen bei der Sortierentscheidung unterstützt, entwickelt. Aufgrund der speziellen Anforderungen an ein solches System wurde das Framework Design entsprechend angepasst. Für die Entwicklung dieses Systems werden fortschrittliche, lebenslang lernende ML-Modelle benötigt, welche wiederum große Mengen an hochqualitativen Trainingsdaten und Rechenleistung benötigen. Um genügend use-case-spezifische Trainingsdaten bereitstellen zu können, wurden Versuche unter kontrollierten Bedingungen im Technikumsmaßstab zur Trainingsdatenakquise durchgeführt. Die Ergebnisse des Systemdesignprozesses und der ersten Trainingsdatenakquise werden in dieser Veröffentlichung präsentiert. Ebenso wird ein Ausblick auf künftige Entwicklungen und weitere geplante Versuche gegeben.
Hinweise

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

1 Einführung

Eine moderne effiziente Abfallwirtschaft ist eine der Schlüsselkomponenten, um die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung der United Nations (UN) zu erreichen (United Nations Environment Programme 2021). Die Europäische Union (EU) ist ein Vorreiter im Bereich des Umweltschutzes und mit ihrem Beitrag gegen die Klimaerwärmung (Oberthür und Dupont 2021). Die EU plant 2050 die CO2-Neutralität zu erreichen (European Commission 2019). Um dieses ambitionierte Ziel erreichen zu können, müssen sich viele Wirtschaftssektoren stark verändern bzw. weiterentwickeln (Chen und Pao 2022). Das trifft auch auf die Abfallwirtschaft zu, die zurzeit eine Transformation zu einer verarbeitenden Industrie in der Kreislaufwirtschaft durchlebt (Sarc et al. 2019). Um die Produktion von Sekundärrohstoffen zu fördern und ihre Klimaziele zu erreichen, gibt die EU verschiedene gesetzliche Rahmenbedingungen für die Abfallwirtschaft vor, unter anderem das Kreislaufwirtschaftspaket. Bis 2025 müssen die EU-Mitgliedstaaten mindestens 55 % ihrer Siedlungsabfälle und 65 % ihrer Verpackungsabfälle recyceln oder zur Wiederverwendung vorbereiten. Bis 2030 werden die Ziele für Verpackungsabfälle auf 70 % und für Siedlungsabfälle auf 60 % erhöht und bis 2035 müssen die EU-Mitgliedsstaaten mindestens 65 % ihres Siedlungsabfalls recyceln oder zur Wiederverwendung vorbereiteten und es dürfen < 10 % der Siedlungsabfälle deponiert werden (European Union 2018). Nach einer Bewertung der Europäischen Umweltagentur (siehe Abb. 1) besteht in machen EU-Mitgliedstaaten das Risiko, dass die Ziele für Siedlungsabfälle und Verpackungsabfälle bis 2025 nicht erreicht werden (European Commission 2023).
Um die ambitionierten Ziele der EU zu erreichen, muss mehr Abfall mit einer höheren Sortiertiefe sortiert und verarbeitet werden. Die Sortiertiefe in der Abfallwirtschaft beschreibt, in wie viele separate Materialkategorien der Abfallstrom aufgeteilt bzw. sortiert wird (Kranert 2017). Eine höhere Sortiertiefe geht mit einem höheren Sortieraufwand einher. Trotz der Fortschritte in der automatischen sensorgestützten Sortierung von Abfällen bleibt die händische Sortierung von Abfällen immer noch ein integraler Teil des Sortierprozesses. Automatische Sortierer können nur Abfallpartikel sortieren, die im Bereich ihrer Auslegung liegen. Wenn ein Abfallpartikel z. B. zu groß oder zu schwer ist, sind die Aktuatoren (Greifer oder Druckluftdüsen) der automatischen Sortiermaschinen nicht in der Lage, das Partikel aus dem Abfallstrom zu entfernen. Mitarbeiter:innen in der Handsortierung stellen eine sehr leistungsstarke und flexible Sortiereinheit aus einem optischen Detektionssystem, einer Datenverarbeitungseinheit und Aktuatoren dar.
Die Arbeitsplätze in Sortierkabinen sind für die Arbeitnehmer:innen unattraktiv, deshalb wird es zunehmend schwerer, genügend Personal für die Handsortierung von Abfällen zu finden. Die Unattraktivität resultiert einerseits aus der Arbeit mit Abfällen und den damit verbundenen gesundheitlichen Risiken (Eriksen et al. 2023; Poulsen et al. 1995). Andererseits resultiert sie aus der Komplexität der Sortierentscheidung für die Sortiermitarbeiter:innen bei der manuellen Sortierung von heterogenen Abfällen. Die Abfallzusammensetzung und damit auch die Heterogenität der Abfälle ist von der betrachteten Region, lokalen Events, globalen Trends und der Demografie abhängig und schwankt über die Zeit (Kaza et al. 2018). Der Mangel an Sortiermitarbeiter:innen macht sie zu einer besonders wertvollen Ressource, vor allem in Zeiten des aktuellen Arbeitskräfte- bzw. Fachkäftemangels. In Österreich wurden im März und April 2022 fast 4000 Unternehmen im Auftrag der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) zum Fachkräftemangel befragt. 87 % der befragten Unternehmen gaben an, vom Mangel an qualifizierten Arbeitskräften betroffen zu sein (Dornmayr und Riepl 2022). Deshalb ist es wichtig, die Sortierarbeiter:innen bei ihrer Arbeit bestmöglich zu unterstützen und bessere Rahmenbedingungen zu schaffen.
In den letzten Jahren haben die Fortschritte im Bereich des maschinellen Lernens (ML) und der künstlichen Intelligenz (KI) gezeigt, dass sie das Potenzial haben, verschiedene Branchen zu revolutionieren, darunter auch die Abfallwirtschaft. Die Integration dieser Spitzentechnologien in den Prozess der manuellen Abfallsortierung kann die damit verbundene Komplexität der Sortierentscheidung für die Sortiermitarbeiter:innen abmildern und sowohl die Produktivität als auch die Produktqualität erheblich verbessern. Deshalb hat sich das Projekt RecAIcle zum Ziel gesetzt Sortiermitarbeiter:innen durch digitale Maßnahmen, KI, ML und Augmentation, bestmöglich zu unterstützen und ihnen ihre Arbeit zu erleichtern, Monotonie zu reduzieren und neue Mitarbeiter:innen bestmöglich einzuschulen. Der Fokus liegt dabei auf der Sortierung von Kunststoffen und Batterien. Zudem soll der Output an sortiertem Material gesteigert werden, ohne die Anzahl der Sortiermitarbeiter:innen zu erhöhen. Die Vision des Projekts – Digitalisierung der Handsortierung – ist in Abb. 2 grafisch zusammengefasst.

2 Methoden

Um die Ziele und Vision des Projektes zu erreichen, wurden zu Beginn die Anforderungen an das zu entwickelnde System definiert. Dazu wurde ein Workshop mit den Projektpartnern durchgeführt und es wurden mehrere Sortierkabinen in verschiedenen Anlagen besichtigt. Der Fokus wurde dabei auf die Sortierung von Kunststoffen gelegt. Die gesammelten Erfahrungen flossen in das Framework-Design des Systems ein. Generell wird das System in mehreren Stufen bzw. Ausbaustufen entwickelt. Um die ML-Modelle, die ein solches System benötigt, trainieren zu können, werden große Mengen an Trainingsdaten benötigt. Trainingsdaten können entweder aus öffentlich verfügbaren Datensets bezogen werden oder selbst an die Use-Cases angepasst werden. Die Untersuchung der öffentlich verfügbaren Datensets im Abfallbereich, wie TrashNet, TrashBox, WaDaBa usw. ergab, dass die untersuchten Datensets nicht für den Use-Case des recAIcle-Systems verwendbar sind. Heutzutage ist der limitierende Faktor für die Entwicklung von fortschrittlichen ML-Modellen nicht mehr die zur Verfügung stehende Rechenleistung, sondern der Mangel an repräsentativen Trainingsdaten (Liu 2017; Zhou 2021). Deshalb wurde beschlossen, die Trainingsdaten in mehreren Phasen selbst aus repräsentativen Proben zu generieren. Die erste Phase der Trainingsdatenakquise wird unter kontrollierten Bedingungen im Technikumsmaßstab im Digital Waste Research Lab (DWRL) des Lehrstuhls Abfallverwertungstechnik und Abfallwirtschaft (AVAW) der Montanuniversität Leoben durchgeführt. Der Versuchsaufbau in DWRL ist in Abb. 3a dargestellt. Dafür wird ein Sortierband mit einer Breite von 800 mm genutzt. Das Band bewegt sich in Anlehnung an reale Sortieranlagen bzw. Sortierkabinen mit einer Geschwindigkeit von 0,5 m/s. Über dem Sortierband sind zwei 5‑MP-Industriekameras in ca. 680 mm Höhe über dem Band und einem Abstand zueinander von ca. 1 m montiert. Der schematische Aufbau und die Positionierung der Kameras ist in Abb. 3b skizziert.
Die abfallwirtschaftliche Betreuung der Versuche im Rahmen der Trainingsdatenakquise, inklusive der Auswahl der Materialien und deren Probenahme wird vom AVAW durchgeführt. Die generierten Daten werden von Siemens zur Objekterkennung genutzt. Weiters wird das von Pro2Future entwickelte Klassifikationssystem auf diese Daten angewandt. Die Aufteilung der Aufgaben der Projektpartner während bzw. nach der Trainingsdatenakquise sind in Abb. 4 dargestellt.
Generell werden für das Training der verwendeten ML-Modelle annotierte und nicht annotierte Daten verwendet. Das Trainieren eines Modelles mit annotierten und nicht annotierten Daten wird Semi-Supervised Learning genannt. Generell wird bei ML-Anwendungen zwischen Supervised Learning, Unsupervised Learning und Reinforcement Learning unterschieden. Jede dieser Herangehensweisen kann in weitere Unterformen und Hybridformen eingeteilt werden (Padmanabha et al. 2018; Zhou 2021). Bei Supervised Learning lernt das ML-Modell ausschließlich von bereits von Expert:innen annotierten Daten. Diese Herangehensweise hat Vorteile bei der Genauigkeit des Modells, aber Nachteile durch das aufwendige Annotieren der Trainingsdaten (Padmanabha et al. 2018). In der Praxis wird Supervised Learning zur Klassifikation und Regression verwendet (Nasteski 2017). Im Gegensatz dazu steht Unsupervised Learning. Dabei versucht das ML-Modell, Ähnlichkeiten in den nicht annotierten Daten zu finden und diese zu gruppieren, dieser Vorgang wird auch Clustering genannt (Zhou 2021). Unsupervised Learning wird unter anderem auch zur Dimensionsreduktion und Anomaliendetektion eingesetzt. Der große Vorteil dieser Herangehensweise ist, dass die Trainingsdaten nicht zeitaufwendig annotiert werden müssen (Celebi und Aydin 2016). Um einerseits den Aufwand für die Annotation der Trainingsdaten zu reduzieren und trotzdem die Genauigkeit des Supervised Learning beizubehalten, wurde eine Hybridform aus den beiden ML-Ansätzen entwickelt (Padmanabha et al. 2018). Des Weiteren werden die generierten Daten aus den Versuchen in Trainingsdaten und Testdaten unterteilt. Mit den Trainingsdaten wird das Modell trainiert und anschließend mit den Testdaten getestet. Je nach der Performance des Modells wird dieses anschließend weiter verfeinert. Dieser Vorgang wird so lange wiederholt, bis die Performance des Modells zufriedenstellend ist.

3 Ergebnisse

In diesem Abschnitt werden die Ergebnisse des Workshops zur Definition der Anforderungen und das daraus resultierende Systemdesign präsentiert. Des Weiteren wird auf die Ergebnisse der ersten Versuche zur Trainingsdatenakquise eingegangen.

3.1 Framework design

In einem Workshop mit Projektpartnern wurden die Anforderungen an das System definiert. Generell soll das System kontinuierlich von den Sortiermitarbeiter:innen lernen. Bei Life-Long-ML, auch Continual Learning genannt, kann das ML-Modell auf Daten aus vergangenen Entscheidungen zugreifen, daraus lernen und dieses generierte Wissen für seine nächsten Entscheidungen nutzen. Um Lifelong Learning in ein solches System implementieren zu können, müssen die Sortiermitarbeiter:innen als Experteninstanz über ein Human-Machine-Interface als Feedbackgeber integriert werden. Dadurch entwickelt sich das Modell nach jeder Entscheidung und dem dazugehörigen Feedback kontinuierlich weiter (Zixuan et al. 2020). Das System soll die Privatsphäre der Sortiermitarbeiter:innen nicht verletzen, keine Aufnahmen von den Mitarbeiter:innen selbst machen und sie bei ihrer Arbeit nicht einschränken. Generell soll das System aus industriell verfügbarer bewährter Hardware bestehen. Es wird in mehreren Ausbaustufen kontinuierlich entwickelt, erweitert und verbessert. In der ersten Ausbaustufe besteht das System aus einem Encoder (Messgerät für Bandbewegungen), einem Industrie-PC (IPC), einem Programmable Logic Controller (PLC) und mehreren staubdichten Industriekameras, Lichtschranken und Netzwerkequipment (siehe Abb. 5). Die Kamera am Beginn des Sortierbands erkennt mithilfe der Objekterkennung die Abfallpartikel auf dem Sortierband. Diese werden von dem Klassifikationsmodel klassifiziert. Die anderen Kameras sind vor und nach jedem Arbeitsplatz montiert. Gemeinsam mit den Daten der Lichtschranken in den Abwurfschächten soll die Klassifizierung der Abfallpartikel überprüft werden und Feedback für das Klassifizierungsmodell gegeben werden. Durch diesen Ansatz werden keine sensiblen Personaldaten aufgenommen. Mithilfe des Encoders und des PLC wird das System automatisch gestartet, gestoppt und gesteuert, daher erfordert das System im Betrieb keine manuellen Eingriffe. Die Aufnahmegeschwindigkeit bzw. Aufnahmeintervalle der Kameras sind an die Geschwindigkeit des Sortierbands gekoppelt. Dadurch wird das Datenaufkommen reduziert, ohne die Qualität der Trainingsdaten zu beeinflussen.

3.2 Trainingsdatenakquise im DWRL

Die Trainingsdatenakquise verfolgt mehre Ziele. Das erste Ziel ist das Training der Objekterkennung. Unter Objekterkennung versteht man ein ML-Modell, das ein Bild in meist zwei Klassen, Hintergrund und Objekt von Interesse, unterteilt (Fan et al. 2019). Die Objekterkennung soll die Abfallpartikel auf dem Sortierband erkennen. Die als „Objekte“ erkannten Abfallpartikel werden mit einer Bounding Box versehen und ausgeschnitten. Unter einer Bounding Box versteht man wiederrum einen rechteckigen Begrenzungsrahmen, der um die erkannten Objekte in einem Bild gezeichnet wird. Er dient dazu, den Bereich zu kennzeichnen, in dem sich das jeweilige Objekt befindet (Lempitsky et al. 2009). Um die Objekterkennung auf reale Bedingungen vorzubereiten, werden Aufnahmen bei verschiedenen Bandbelegungen durchgeführt. Bei steigender Bandbelegung kommt es vermehrt zu Überlappung der Abfallpartikel. Die überlappenden Partikel stellen für die Objekterkennung eine Herausforderung dar. Am Beginn der Trainingsdatenakquise wurden vereinzelte sortenreine Kunststoffpartikel aufgenommen. Diese Daten können auch für das Training des Klassifikationsalgorithmus verwendet werden. Die gewonnenen Daten werden anschließend in die Cloud hochgeladen und dort weiterverarbeitet. Unter anderem sollen die Bilder mithilfe der Daten des Encoders, sowie Messung der zurückgelegten Strecke des Sortierbands zwischen zwei Aufnahmen der Kamera zu einem „Endlos“-Mosaik zusammengesetzt werden. Aktuell ist der Encoder aufgrund von Lieferschwierigkeiten noch nicht verfügbar. In Abb. 6 ist ein Auszug aus den ersten annotierten Trainingsdaten dargestellt.
Nachdem die einzelnen vorklassifizierten Kunststoffpartikel aufgenommen wurden, wurde mit der Akquise von Datenmaterial mit unterschiedlichen Bandbelegungen und Überlappungen begonnen. Dazu wurden die Abfallpartikel über mehrere Fördereinrichtungen im Kreislauf geführt und in vordefinierten zeitlichen Abständen Partikel zudosiert. Dadurch nahmen über die Versuchszeit die Überlappungen von Partikeln und die Bandbelegung zu. Ein Beispielbild aus dieser Versuchsreihe, inklusive der durch das Objekterkennungsmodell erzeugten Bounding Boxes, ist in Abb. 7 dargestellt. Hierbei handelt es sich um den ersten Versuch des Objekterkennungsmodells, reale Abfallpartikel zu erkennen. Davor wurde das Modell nur mit synthetischen Bildern trainiert. Die Genauigkeit der Objekterkennung ist noch nicht zufriedenstellend, aber durch das Trainieren mit realen Daten steigt die Genauigkeit und die Fähigkeit des Modells, alle Objekte tatsächlich zu erkennen, an. Mit den durch die Bounding Boxes ausgeschnittenen Bildern der Abfallpartikel wird anschließend das Klassifizierungsmodell trainiert.
Das Klassifizierungsmodell dient zur entsprechenden Zuordnung der erkannten Abfallpartikel zu deren Materialklasse. Das Modell wird zu Beginn mit annotierten Bildern von Abfallpartikeln aus den Versuchen mit den vereinzelten Partikeln (siehe Abb. 6) trainiert. Nachdem das Modell mit genügend annotierten Daten trainiert wurde, werden dem Modell nicht annotierte Daten zur Verfügung gestellt. Die Daten stammen aus den Versuchen für das Training der Objekterkennung bei unterschiedlichen Bandbelegungen und Überlappungen. Durch diese Erweiterung des Trainingsdatensatzes kann die Generalisierungsperformance des Modells gesteigert werden und der Aufwand für das manuelle Annotieren der Trainingsdaten durch den verwendeten Semi-Supervised-Learning-Ansatz reduziert werden. Generalisierungsperformance beschreibt, wie gut ein Modell ähnliche Objekte einer bereits gelernten Kategorie erkennen und klassifizieren kann (Liu 2017). Durch die Verwendung von großen und vielfältigen Trainingsdatensätzen kann die Gefahr von Overfitting oder Underfitting bei der Erkennung ähnlicher Objekte minimiert werden (Zhou 2021).

4 Ausblick

Das RecAIcle-System befindet sich laufend in Entwicklung. Momentan wird am Klassifikationsmodell und der Objekterkennung gearbeitet. Ebenso wird an der automatischen Verarbeitung der Trainingsdaten und am Erstellen der Mosaike in der Cloud gearbeitet. Sobald der Encoder verfügbar ist, kann die automatische Trainingsdatenakquise in Betrieb gehen. Parallel zur aktuell laufenden Trainingsdatenakquise im DWRL wird eine Trainingsdatenakquise bei einem Industriepartner in einer Sortierkabine geplant und vorbereitet. Hierbei soll vor allem der Lifelong-Learning-Ansatz und der Feedbackloop für den Klassifizierungsalgorithmus getestet werden. Durch diese Ansätze kann sich das Modell und damit auch das System zukünftig auf Veränderungen im Abfallstrom, wie das Aufkommen von neuartigen Abfallpartikeln, einstellen. Prinzipiell könnte das Model auch nur durch Beobachtung des Menschen trainiert werden, jedoch muss dabei das Stabilität-Plastizität-Problem beachtet werden. Das Modell muss plastisch genug sein, um neue Informationen verarbeiten bzw. lernen zu können, aber auch stabil genug, um das Gelernte nicht zu vergessen (Zhou 2021; Zixuan et al. 2020). Deswegen wurde entschieden, das System mit speziell aufgenommenen Trainingsdaten vorzutrainieren. Nach dem erfolgreichen Training der Modelle wird das System weiterentwickelt und das Augmentationssystem integriert, das die Sortiermitarbeiter:innen auf auszusortierende Partikel mit Lichtimpulsen hinweisen soll. Danach werden Validierungsversuche durchgeführt, um die korrekte Funktion des Systems zu validieren und den Performancegewinn in der Handsortierung quantifizieren zu können.

Förderung

Das Projekt RecAIcle (FFG Projektnummer: FO999892220) wird in Zuge der Ausschreibung AI for Green 2021 (KP) aus Mitteln der FFG gefördert.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Literatur
Zurück zum Zitat Fan, H., Lin, L., Yang, F., Chu, P., Deng, G., Yu, S., Bai, H., Xu, Y., Liao, C., & Ling, H. (2019): Lasot: A high-quality benchmark for large-scale single object tracking. In Proceedings of the IEEE/CVF conference on computer vision and pattern recognition. Fan, H., Lin, L., Yang, F., Chu, P., Deng, G., Yu, S., Bai, H., Xu, Y., Liao, C., & Ling, H. (2019): Lasot: A high-quality benchmark for large-scale single object tracking. In Proceedings of the IEEE/CVF conference on computer vision and pattern recognition.
Zurück zum Zitat Poulsen, O. M., Breum, N. O., Ebbehøj, N., Hansen, A. M., Ivens, U. I., van Lelieveld, D., Malmros, P., Matthiasen, L., Nielsen, B. H., & Nielsen, E. M. (1995): Sorting and recycling of domestic waste. Review of occupational health problems and their possible causes. Science of the Total Environment, 168(1), 33–56. https://doi.org/10.1016/0048-9697(95)04521‑2CrossRef Poulsen, O. M., Breum, N. O., Ebbehøj, N., Hansen, A. M., Ivens, U. I., van Lelieveld, D., Malmros, P., Matthiasen, L., Nielsen, B. H., & Nielsen, E. M. (1995): Sorting and recycling of domestic waste. Review of occupational health problems and their possible causes. Science of the Total Environment, 168(1), 33–56. https://​doi.​org/​10.​1016/​0048-9697(95)04521‑2CrossRef
Metadaten
Titel
Digitalisierung der Handsortierung durch Künstliche Intelligenz, Machine Learning und Human Machine Interaction
verfasst von
DI Julian Aberger
DI Dr. Karim Khodier
Ass.-Prof. DI Dr. Renato Sarc
Publikationsdatum
15.11.2023
Verlag
Springer Vienna
Erschienen in
Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft / Ausgabe 1-2/2024
Print ISSN: 0945-358X
Elektronische ISSN: 1613-7566
DOI
https://doi.org/10.1007/s00506-023-01002-7

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