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27.11.2014 | Energietechnik | Interview | Online-Artikel

Vom Smart Grid zum intelligenten Strommarkt

verfasst von: Andreas Burkert

4:30 Min. Lesedauer

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„Mehr Markt wagen!“, fordern die Springer-Autoren Professor Christian Aichele und Oliver D. Doleski. Doch ist das angesichts großer multinationaler Energiekonzerne, die den Strommarkt sozusagen unter sich aufgeteilt haben, nicht chancenlos? Und welche Vorteile bietet der intelligente Strommarkt.

Mit „Smart Market: Vom Smart Grid zum intelligenten Strommarkt“ erscheint ein Buch über die Zukunft des deutschen wie auch des internationalen Strommarkts in einer Zeit, in der sich multinationale Energiekonzerne mit lokalen Energieerzeugern über die Energieversorgung streiten. Wer von beiden Parteien wird von Ihrem Buch mehr profitieren?

Aichele: Das Buch richtet sich an alle Akteure eines zukunftsorientierten intelligenten Energiemarktes. Manager und Praktiker mittelständisch geprägter Stadtwerke werden von den Inhalten ebenso profitieren können, wie die Vertreter der großen Regionalversorgungsunternehmen und der vier Energiekonzerne. Aber auch Berater, Lehrende und Studierende mit energiewirtschaftlicher Ausrichtung sowie die Vertreter von Verbänden und Institutionen mit Fokus Energie und Umwelt werden angesichts der thematischen Breite und Facettenvielfalt von der Lektüre profitieren können.

Welche Chancen haben Energieerzeuger im intelligenten Strommarkt, die ausschließlich auf regenerative Energien setzen und damit letztendlich das Wesen der Energiewende sind?

Doleski: Im Smart Market werden Energiemengen und daraus abgeleitete Dienstleistungen zwischen allen relevanten Akteuren des Energiemengenmarkt diskriminierungsfrei, d.h. ohne erschwerende Barrieren, gehandelt. Jeder Marktteilnehmer, der Energie oder energienahe Dienstleistungen anbieten möchte, erhält auch Zutritt. Als marktorientiertes Energieversorgungssystem ist der Smart Market in seinen Genen gewissermaßen demokratisch angelegt und steht demnach auch den Produzenten regenerativer Energie offen. Da diese Energieerzeuger häufig nicht der tradierten Energiewirtschaftsbranche zurechenbar sind und oft über eine hohe Dynamik, Flexibilität und Risikobereitschaft verfügen, wird die Bereitschaft Instrumente des Smart Market anzuwenden sehr hoch sein. Damit wird der intelligente Strommarkt wesentlich von Erzeugern regenerativer Energien mit vorangetrieben werden.

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Smart Markets, so schreiben Sie, bilden den entscheidenden Lösungsansatz zur optimalen Abstimmung von Erzeugung, Verteilung, Speicherung und Verbrauch. Das gelingt aber doch nur, wenn alle mitmachen?

Aichele: Fraglos steht und fällt die Idee eines intelligenten Energiemarktes mit dessen Akzeptanz durch die Mehrheit der Marktakteure. In diesem Punkt unterscheidet sich der Smart Market nicht von anderen gesellschaftlichen oder ökonomischen Austauschbeziehungen. Allerdings sehen wir die potenzielle Gefahr mangelnder Teilnahme tatsächlich als eher gering an. So hängt im Jahr 2030 die sichere und stabile Energieversorgung vermutlich ganz entscheidend von verbesserter Energieeffizienz, Verbrauchsreduzierung durch mehr Transparenz auf der Abnehmerseite und die netzentlastende Verlagerung des Energieverbrauchs ab.

Doleski: Vor diesem Hintergrund besteht inzwischen bei Versorgungsunternehmen, Serviceanbietern, Politik und nicht zuletzt Verbrauchern weitgehend Konsens darüber, dass nur intelligente Marktlösungen das Energiesystem in Zukunft stabil halten können. Der Smart Market ist die bestmöglichste Lösung die Energiewende kostengünstig zu realisieren und auch kleine Akteure wie regionale Erzeuger, Genossenschaften und lokale und regionale Energievertriebe von der Energiewende profitieren zu lassen. Es ist letztendlich auch Aufgabe der Politik Fehlentwicklungen regulatorisch zu vermeiden.

Mit der intelligenten Vernetzung aller am Energiemarkt beteiligten Akteure lässt sich bedarfsgerecht der Energiemengenmarkt steuern. Doch wie viel Intelligenz verträgt der Energiemarkt der Zukunft, ohne das einzelne Marktteilnehmer benachteiligt werden?

Aichele: Vorweg ein Wort zum Intelligenzbegriff. Im Kontext von Smart Market hat Intelligenz selbstverständlich nichts mit „künstlicher Intelligenz“ oder Science-Fiction zu tun. Wie weitläufig bekannt, wird Smart hier lediglich als Synonym für leistungsfähige Steuerung von Netzen und Systemen mittels moderner Informations- und Kommunikationstechnologie verstanden. Oder kurz – der Einsatz von IT. Angesichts heute umfassend und günstig verfügbarer IT-Kapazitäten ist nicht davon auszugehen, dass IT-Nutzung einzelne Marktteilnehmer benachteiligen könnte. Ähnlich wie im Netzbereich muss eine Nutzung der IT-Plattformen für alle Akteure transparent und offen sein. Eine einseitige Ausnutzung ggf. sich bildender IT-Monopole oder Oligopole durch wenige im Regelfall große Akteure muss regulatorisch entgegen gewirkt werden.

Welches Geschäftsmodell beziehungsweise welche Geschäftsidee wird Ihrer Ansicht nach in fünf Jahren am Energiemarkt am erfolgreichsten sein?

Doleski: In fünf Jahren werden wir nicht das eine erfolgreiche Geschäftsmodell im Smart Market sehen. Vielmehr werden sich eine ganze Reihe innovativer Produkte und Dienstleistungen rund um die intelligente Steuerung von Energiemengen etablieren. Die zahlreichen zu erwartenden Entwicklungen im Smart Market werden auch einen erheblich größeren Zeitraum benötigen um sich durchzusetzen und zu etablieren, viele Geschäftsmodelle, Ideen und Produkte werden auch nach kurzer Zeit wieder verschwinden und von erfolgreicheren bzw. erfolgversprechenderen Konstrukten ersetzt werden.

Man muss wohl kein Prophet sein um zu vermuten, dass Lösungen um lokale und regionale Energiemarktplätze, virtuelle Kraftwerke und Energieeffizienzdienstleistungen in Zukunft erfolgreich sein werden.

Zur Person

Prof. Dr. Christian Aichele lehrt Wirtschaftsinformatik an der University of Applied Sciences Kaiserslautern. Dort ist er auch Studiengangleiter Information Management / Wirtschaftsinformatik und führt als Partner der TOPAS Consulting GmbH seit über 18 Jahren Projekte in der Wirtschaft durch.

Oliver D. Doleski ist branchenübergreifend agierender Unternehmensberater in den Bereichen Unternehmensführung und Prozessmanagement. Nach verschiedenen leitenden Funktionen, unter anderem beim deutschen Weltmarktführer der Halbleiterindustrie, widmet er sich derzeit in der Energiewirtschaft intensiv dem Thema Smart Market. In diesem Zusammenhang liegt sein Forschungsschwerpunkt im Bereich der Geschäftsmodellentwicklung.

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