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2022 | OriginalPaper | Buchkapitel

Fallstricke politischer Pandemiesteuerung

verfasst von : Ricardo Gómez Pomeri

Erschienen in: Die Corona-Zumutung

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Auf das Verhalten der Menschen kam es letztendlich an, und eben auch auf die Fähigkeit der Politik, es entscheidend in die richtige Richtung zu beeinflussen. War die Coronapolitik überhaupt in der Lage dazu? Diese Frage spricht eine entscheidende Herausforderung der Coronapolitik an.

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Fußnoten
1
Siehe Luhmann (1981, S. 97).
 
2
Neben der Regulierung, der Information/Orientierung und der Umfeldgestaltung wurden auch Finanzierungsmaßnahmen angewandt. Diese umfassten die Steueranreize, um zu Kaufentscheidungen zu motivieren sowie Zuschüsse und Subventionen, die der Bund und die Länder beschlossen haben, um die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Coronapandemie abzufedern. Darauf gehen wir in diesem Buch nur punktuell ein.
 
3
Siehe Simon (1959).
 
4
Siehe Kristol (1980).
 
5
Der Begriff „wicked problems“ geht zurück auf Mittel and Webber (1973).
 
6
Einen guten Überblick über Inhalte und Geschichte des Konzepts „gesellschaftlicher Resilienz“ geben Beendigter and Fathi (2017). Das Konzept kann auf Individuen, Organisationen und Gesellschaften angewandt werden. Einer Gefahr, die mit dem Konzept verbunden ist, muss man sich bei seiner analytischen Anwendung bewusst sein: Es kann dazu führen, die Bedeutung von Systemfunktionen und -strukturen im Krisenmanagement und -prävention zu Lasten der politischen Prozesse und der individuellen Verantwortung zu überschätzen. Das Konzept ist auch ambivalent, weil Resilienz sowohl den Wandel als auch die Trägheit von Systemen begünstigen kann. Beispielsweise kann die Ressource Vertrauen ein resilienzfördernder Faktor sein, zu großes Vertrauen in Staat und Politik kann dagegen die Menschen zur Passivität veranlassen. Diese Ambivalenz begründet die Kritik an der Unschärfe des Begriffes. Und dennoch hilft er, Systemvoraussetzungen zu verstehen, die Gesellschaften befähigen beziehungsweise hindern, eine gesellschaftliche Disruption zu bewältigen.
 
7
Die britische Job Agentur für medizinische Berufe ID Medical hat im Jahr 2019 die Gesundheitssektoren in 24 OECD-Staaten anhand von drei Indikatoren verglichen: die Ausgaben für den Gesundheitssektor als Anteil des Bruttosozialprodukt, die Anzahl der Krankenhausbetten, Ärzte und Pflegepersonal sowie die durchschnittliche Lebenserwartung in den jeweiligen Ländern. Deutschland landete zusammen mit der Schweiz und hinter Japan auf Rang 2. Der Londoner Think Tank Legatum Institut hat ebenfalls 2019 im Rahmen des Legatum Prosperity Index den Gesundheitsbereich von 167 Länder bewertet, und zwar anhand von Kriterien wie die allgemeine Gesundheit der Bevölkerung, den Zugang zu Gesundheitsdiensten und die Qualität des Gesundheitssystems. Nach den Ergebnissen dieser Untersuchung belegte Deutschland den 12. Platz hinter Länder wie Singapur, Japan, die Schweiz und Südkorea, die die ersten vier Plätze belegten. Eine Untersuchung, die Wissenschaftler der John Hopkins Center for Health Security im Rahmen des Global Health Security Index im Herbst 2019 vorgelegt haben, kam zu dem Ergebnis, dass kein Land der Welt im Herbst 2019 ausreichend auf eine Epidemie oder eine Pandemie vorbereitet war und jedes Land hatte wichtige Defizite zu adressieren. Das galt der Untersuchung zufolge uneingeschränkt auch für Deutschland. Die Untersuchung umfasst 195 Ländern und sechs Grundkategorien, von denen drei unmittelbar Fragen einer Pandemie-Vorsorge betreffen: „Prävention of the Emergence or Release of Pathogens“, „Early Detention and Reporting for Epedemics of Potential International Concern“ und „Rapid Response to and Mitigation of the Spread of an Epidemic“. Im Mittel dieser drei Kategorien erhielt Deutschland insgesamt 68,6 von 100 möglichen Punkten und belegte Platz 15. In der ersten Kategorie rangierte Deutschland auf dem 13. Platz hinter den USA, Schweden und Thailand, die die ersten drei Plätze belegten. In der zweiten Kategorie belegte Deutschland den 14. Platz hinter den USA, Österreich, Lettland und Kanada, die auf den ersten vier Plätzen rangierten. Bemerkenswert in dieser Kategorie aus deutscher Sicht sind die hohen Bewertungen, die Deutschland in zwei Unterkategorien erhielt: „Laboratory System“ und „Real-time Surveillance and Reporting“. Aufgrund der hohen Leistungsfähigkeit des dezentralen deutschen Laborsystems erhielt Deutschland in der ersten Unterkategorie die volle Punktzahl – 100 Punkte – und belegte in der Untersuchung den ersten Platz. In der zweiten Unterkategorie erreichte Deutschland ebenfalls 100 Punkte. Das ist dem „Electronic Surveillance System for Infectious Disease Outbreaks (SurvNet)“ zu verdanken, das das RKI im Jahr 2001 eingeführt hat. Dieses System ermöglicht die Erfassung seuchenrelevanter Daten im Bereich Mensch, Tier und Umwelt durch die lokalen Gesundheitsbehörden und die elektronische Übermittlung an das RKI. Auffallend aus deutscher Sicht ist aber auch die niedrige Bewertung – 50 Punkte – bei der Unterkategorie „Epidemiology Workforce“. Diese erfasst, inwieweit ein Land epidemiologische Trainingsprogramme aufstellt und anwendet, Studien- und Trainingsreisen für Gesundheitspersonal finanziert, damit sie aus den Erfahrungen anderer Länder lernen können, und über genügend trainierte Feldepidemiologen verfügt. Deutschland hatte auf einem wichtigen Feld der Vorsorge folglich zu wenig gemacht. Schließlich landete Deutschland in der dritten Kategorie nur auf dem 24. Platz. Aus deutscher Sicht lassen auch die Ergebnisse in einer Unterkategorie aufhorchen, die die Kontrolle von Infektionen und die Verfügbarkeit von Ausrüstungen (Schutzkleidung, Geräten) erfasst. In dieser Unterkategorie erhielt Deutschland magere 50,0 Punkte.
 
8
Der Anfang machte die Stadt Jena am 7. April, als sie eine Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr, in allen Verkaufsstellen und Gebäuden mit Publikumsverkehr einführte. Einige Tage später hat die Stadt sogar eine Maskenpflicht für Büros vorgeschrieben, wenn mehr als eine Person im Raum war. Es blieb aber eine bemerkenswerte Ausnahme.
 
9
Eine Aufstockung der Intensivbettenkapazität beispielsweise durch eine Aufschiebung nicht dringender Operationen bedeutete nämlich hohe finanzielle Einbußen für die Krankenhausbetreiber, deren Vertreter nun rasch einen finanziellen Ausgleich verlangt haben. Die Bundesregierung hat daher ihre Appelle zur Erhöhung der Kapazitätsgrenze mit der Ausspannung eines finanziellen Schutzschirmes für die Krankenhäuser untermauern müssen.
 
10
Die John Hopkins University Center for Systems Science and Engineering (JHU CSSE) veröffentlichte ebenfalls täglich Fallzahlen, die sie auch aus inoffiziellen, aber schnelleren Quellen zusammentrug. Die Fallzahlen der JHU waren daher zeitlich näher am Infektionsgeschehen, sie litten dennoch ebenfalls unter einem gewissen „time-lag“.
 
11
Zu Availability Bias siehe Dobelli (2011, S. 45 ff.).
 
12
Zum Beispiel machen James D. Davidson und William Rees-Mogg in ihrem 1997 erschienenen Buch „The Sovereign Individual“ folgende Prognose über die Auswirkungen der digitalen Revolution auf die Verfassheit von Staaten: „By 2025 at the least, it will be evident that you cannot make the superstate work – there may be no greater China, no European Union no United States, and probably only a little Russia. If they survive they will be very different, more like voluntary associations.“
 
13
Darauf wies u. a. der Expertenrat der Bundesregierung zu COVID-19 hin, wie bereits erwähnt. Seine Stellungnahme stellt allerdings eher auf technische Probleme und Lösungen ab, um die Datenqualität und -verfügbarkeit zu verbessern. Die dahinter liegenden politischen und institutionellen Fragen, die hier und in den nächsten Abschnitten in den Vordergrund gestellt werden, sind dort nicht thematisiert worden.
 
14
Die Ausnahme ist die Entwicklungszusammenarbeit, die vom Deutschen Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit (DEval) und den Evaluierungseinheiten der Durchführungsorganisationen kontinuierlich evaluiert wird.
 
15
Siehe beispielsweise Ragnitz (2021).
 
16
Siehe Schoenmakers (2021).
 
17
Durch Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen sowie Hygienemaßnahmen – die sogenannten AHA-Regeln: Abstand halten, Hände waschen und Alltagsmasken tragen – sollten die Infektionsketten unterbrochen und die Ausbreitung des Virus eingedämmt werden. Das Maßnahmenpaket hatte es in sich: Schließung von Kitas, Schulen und Universitäten, Schließung aller Geschäfte, die keine lebensnotwendigen Güter verkaufen, Schließung von Restaurants, Bars und Cafés sowie Theater, Konzertsäle, Kinos, Museen und Sportvereinen, Grenzschließungen und -kontrollen, Reisewarnungen und -verbote sowie das Verbot, Verwandte und Freunde außerhalb des gemeinsamen Haushalts zu treffen.
 
18
Siehe Schaap and van Twist (1999, S. 63–65).
 
19
Für eine ausführliche theoretische Diskussion siehe Terrier and Koppenden (1999, S. 79–97).
 
20
Den Begriff „Nudging“ haben der Verhaltensökonomen Richard Thaler – er erhielt 2017 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften für seine Forschungen zur Verhaltensökonomie – und der Rechtswissenschaftler Cass Sunstein geprägt. Siehe Thaler and Sunstein (2008) sowie die in der Fußnote 29 ausgeführte Literatur (auch zum Framing-Konzept). Zum Framing siehe auch Tversky and Kahneman (1981); Wehling (2018) und Dobelli (2011, S. 173 ff.).
 
21
In Deutschland wurde Framing vor allem im Zusammenhang mit dem „Framing Manual“ der ARD einem breiten Publikum bekannt. Dieses interne Dokument der ARD, das Vorschläge für die Verbesserung der Kommunikation des Senders enthielt, wurde Anfang 2019 in der Presse intensiv diskutiert. Die meisten Kritiker sprachen damals vom Versuch der „Sprachmanipulation“ und „Vernebelung“.
 
22
Banerjee und Duflo (2020, S. 89–90).
 
23
Siehe ebenda.
 
24
Ebenda, S. 90.
 
25
Siehe ebenda.
 
26
Für eine ausführliche Diskussion siehe Dueck (2004).
 
27
Für eine vertiefte Diskussion siehe ebenda.
 
28
Ebenda, S. 17.
 
29
Ebenda, S. 21.
 
30
Aus den Ausführungen von Dueck (2004, S. 34) kann man entnehmen, dass das kein coronatypisches Phänomen und auch kein exklusives Phänomen der Politik ist.
 
Metadaten
Titel
Fallstricke politischer Pandemiesteuerung
verfasst von
Ricardo Gómez Pomeri
Copyright-Jahr
2022
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-38435-7_4