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1998 | Buch

Geotechnik - Tunnelbau und Tunnelmechanik

Eine systematische Einführung mit besonderer Berücksichtigung mechanischer Probleme

verfasst von: Prof. Dr. techn. habil. Dimitrios Kolymbas

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Über dieses Buch

Dieses Werk bietet eine systematische und dabei verständliche Einführung in den modernen Tunnelbau. Berücksichtigung finden Entwurfselemente und Ausrüstung sowohl von Straßen- als auch von Eisenbahntunneln. Ferner enthält es die Grundzüge der Felsmechanik und geht dezidiert auf die statistischen und anderen mechanischen Probleme des Tunnelbaus ein. Älteren, mehr intuitiven Konzepten wird hiermit ein rein rationaler Zugang gegenübergestellt. Eine Vielzahl von neuen approximativen Formeln erlaubt eine schnelle Vordimensionierung und eine Abschätzung der relevanten Parameter. Die Benutzung dieser Formeln wird an Beispielen aus durchgeführten Tunnelbauprojekten erläutert.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Einführung

Die nachfolgenden Tabellen informieren über einige der bekanntesten durchgeführten Tunnelbauprojekte.

Dimitrios Kolymbas
2. Einrichtungen in Straßentunneln

Aus ökologischen Gründen sollte dem Gebirge kein oder nur möglichst wenig Wasser entzogen werden. Es sollen gefaßt und abgeleitet werden: BergwasserTagwasser (aus den Portalen eindringendes Niederschlagswasser bzw. Schmelzwasser von Schnee- und Eisresten)Betriebswasser

Dimitrios Kolymbas
3. Belüftung

Man unterscheidet zwischen der Baubelüftung (während der Bauzeit) und der Betriebsbelüftung. Die Kosten für letztere können sich bis auf 30% der Tunnelbaukosten belaufen.

Dimitrios Kolymbas
4. Beleuchtung von Straßentunneln

Es werden die in Abb. 4.1 angegebenen Bereiche unterschieden1. Eine Einfahrtsbeleuchtung ist in der Einfahrtsstrecke erforderlich, die sich aus der Einsichts- und Übergangsstrecke zusammensetzt.

Dimitrios Kolymbas
5. Geotechnische Untersuchungen

Die geotechnischen Untersuchungen sollen alle für die Baumaßnahme maßgebenden Baugrundeigenschaften erfassen1. Sie sollen in Zusammenarbeit mit dem Entwurf, der Bemessung und der Bauausführung erfolgen.

Dimitrios Kolymbas
6. Gebirgscharakterisierung

Die Charakterisierung von Böden („Lockergestein“) erfolgt nach Methoden der Bodenmechanik und basiert auf der Korngrößenverteilung, Dichte, Scherfestigkeit, Plastizität usw. Bei Fels („Festgestein“) ist die Charakterisierung viel schwieriger, denn die (ohnehin komplizierten) Gesteinseigenschaften entsprechen selten den Eigenschaften eines größeren Felsmassivs bzw. Felsverbands. Diese Abweichung ist durch die allfälligen Trennflächen, sowie durch die örtlich variable Verwitterung bedingt.

Dimitrios Kolymbas
7. Vortrieb

Der Baubetrieb in einem Tunnel heißt Vortrieb und besteht aus Ausbruch, Sichern und Abtransport des Ausbruchmaterials (Schuttern). Man unterscheidet folgende Vortriebsartenl: konventioneller bzw. zyklischer Vortrieb (sequential excavation method), maschineller bzw. kontinuierlicher Vortrieb, Schildvortrieb, Preßvortrieb.

Dimitrios Kolymbas
8. Schildvortrieb

In nicht standfestem Gebirge kann der Vortrieb im Schutze eines Schildes erfolgen1. Der Schild ist ein Zylinder aus Stahl (ausgebildet als Hohlkasten) mit meist kreisförmigem Querschnitt. Der Außendurchmesser des Schildes ist um 1/80 bis 1/100 größer als der Außendurchmesser des Tunnels, damit man die Tübbinge auch bei kleinen Richtungsänderungen einwandfrei einbauen kann. Der Schild ist vorne mit Schneiden versehen und wird mit Pressen in das Erdreich hineingedrückt. Die Pressen üben bei Drücken bis zu 400 bar Kräfte von ca. 1 bis 3 MN aus. Ihr Hub beträgt 0,80 bis 1,50m. Sie benutzen den bis zum Schildschwanz reichenden Tunnelausbau als Widerlager. Durch verschiedene Beaufschlagung der Pressen läßt sich die Richtung des Vortriebs steuern. Dazu sollte aber die Schildlänge das 0,8 fache des Durchmessers nicht überschreiten.

Dimitrios Kolymbas
9. Sprengvortrieb

Der Sprengvortrieb (drill and blast) wurde erstmals 1627 durch den Tiroler KasparWeindl an einem Silberbergwerk in Banská Štiavnica (Schemmnitz, Slovakei) angewandt. Er ist sowohl für hartes Gestein (z.B. Granit, Gneis, Basalt, Quarz), als auch für weiches Gestein (z.B. Mergel, Lehm, Ton, Kreide) geeignet. Daher eignet er sich für wechselnde Gebirgsverhältnisse. Darüber hinaus ist er vorteilhaft bei relativ kurzen Tunneln, wo sich eine Vortriebsmaschine nicht lohntsehr hartem Gesteinnicht-kreisförmigen oder großen Querschnitten.

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10. Sicherung

Die Sicherungsarbeiten umfassen alle Vorkehrungen während und nach dem Ausbruch, um das ausgebrochene Profil solange vor Steinfall, Niederbruch, Tagbruch und unzulässigen Deformationen zu schützen, bis die endgültige Verkleidung fertiggestellt ist. Ferner sollen durch die Sicherungsarbeiten Unfälle und Schäden vermieden werden. Zu den Sicherungsarbeiten gehören Profilieren, Anbringen von Netzen, Spritzbeton (evtl. armiert), Anker, Stahlbögen mit/ohne Verzug, Fertigelemente.

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11. Bohren, Brechen und Schneiden

Bohren1 (drilling) umfaßt das Lösen und Fördern des Gesteins zur Oberfläche, so­wie die Kühlung der Bohrkrone. Zur Förderung des Bohrguts und zur Kühlung wird die Spülung (flushing) herangezogen. Bei Erkundungsbohrungen verwendet man hauptsächlich Wasser zur Spülung, während bei Schlagbohrungen mit Druck­luft gespült wird. Zähe Spülflüssigkeiten zieht man zur Bohrlochstützung heran. Bei der Herstellung von Sprengbohrungen erstrebt man eine hohe Bohrgeschwindigkeit und einen möglichst geringen Verschleiß der Bohrkrone. Bei Erkundungsbohrun­gen strebt man einen guten Kerngewinn und eine stabile Bohrlochwand an. Bei Bohrungen zur Förderung von Erdöl und Erdgas spielt die minimale Störung des umliegenden Gesteins eine große Rolle.

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12. Innenschale

Man geht bei der Bemessung des Ausbaus meist davon aus, daß im Bauzustand die Belastung auf die Tunnelschale infolge Gewölbewirkung auf ca. 50% der Primärspannung reduziert wird. Diese reduzierte Belastung soll vom Spritzbetonausbau aufgenommen werden können. Im Endzustand soll die Belastung wieder auf die volle Primärspannung ansteigen und soll ganz von der sog. Innenschale aufgenommen werden können. Obwohl diese Annahme nie begründet worden ist, hat sie sich gut bewährt, denn sie erhöht die Sicherheit. Man bedenke, wie hinderlich Reparaturen von stark befahrenen Eisenbahn-und Straßentunneln sind. Zudem übernimmt die Innenschale die Dichtungsfunktion.

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13. Vergleich von TBM mit Sprengvortrieb

Der Anteil von TBM-Einsatz im Tunnelvortrieb steigt weltweit und hat in Nordamerika 90% erreicht1. Bei zu hartem oder schwierigem Gestein, bei niedrigen Arbeitskosten und wegen der langen Anlaufzeit sieht man noch oft vom TBM-Einsatz ab. Durch Verbesserungen hat sich jedoch der Einsatzbereich von TBM in letzter Zeit erweitert. Durch bessere Bohrtechnik kann man jetzt härteres Gestein (bis zu einer Festigkeit von über 400 MPa) durchörtern. Auch geklüftetes und lockeres Gestein konnte mit eingezogenem Schneidkopf, geeigneten Schilden und NÖT-Sicherung durchörtert werden. Von seiner Konstruktion her bietet ein Schild Schutz gegen Verbrüche der Firste und gegebenenfalls auch der Ortsbrust. Hingegen hat man bei Sprengvortrieb oft Probleme bei unvorhergesehenen Störzonen. Als Beispiel eines diesbezüglich vorteilhaften Einsatzes von TBM sei der Los Rosales Tunnel in Bogotà erwähnt. Der dort vorkommende harte Sandstein „arenisca dura“ war an einigen Stellen so mürb, daß er (in Mengen von bis zu 6 m3) aus Injektionsbohrlöchern herausfloß. Nur mit einer TBM konnte dieser Tunnel erfolgreich vorgetrieben werden.

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14. Grund- und Bergwasser

Durch Untersuchung des Chemismus des Bergwassers muß immer geklärt werden, ob es mit den verwendeten Materialien (Beton bzw. Spritzbeton, Stahl, Dichtungsfolien) verträglich ist.

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15. Schuttern

Das Schuttern (=Abtransport des gebrochenen Materials, mucking) umfaßt Aufladen, Transport, Abladen und erfolgt entweder mit LKW oder im Gleisbetrieb. Hydraulische und pneumatische Förderung, sowie Förderbänder haben im Tunnelbau eine untergeordnete Bedeutung.

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16. Neue Österreichische Tunnelbauweise

Die Neue Österreichische Tunnelbauweise (NÖT, New Austrian Tunnelling Method, NATM) entstand in den Jahren 1957 bis 19651 und erhielt ihren Namen zur Unterscheidung von der alten österreichischen Tunnelbauweise. Eine Reihe österreichischer Tunnelspezialisten (VON Rabcewicz, Pacher, Müller-Salzburg) haben diese Tunnelbauweise entwickelt, die im wesentlichen darauf beruht, den Tunnel konventionell (d.h. zyklisch) vorzutreiben, die Sicherungsmittel (in erster Linie Spritzbeton) möglichst sparsam anzuwenden und nach den Grundsätzen der Beobachtungsmethode vorzugehen. Das Gebirge soll dabei möglichst wenig zerrüttet (entfestigt) werden, wohl aber hinreichend deformiert, damit seine Festigkeit um den Tunnel herum weitgehend mobilisiert wird. Dadurch entfallen die früher verwendeten dicken und steifen Schalen, bei denen man nicht auf satten Kontakt zum anliegenden Gebirge achtete. Nach Müller-Salzburg2 wurden die Grundgedanken der NÖT schon früher vorausgeahnt (Ržiha, Heim, Andreae), die NÖT wurde aber erst mit der Entwicklung der Spritzbeton-und Felsmeßtechnik möglich. Da viele Bestandteile der NÖT schon früher eingeführt worden sind, ist ihre konzeptionelle Abgrenzung gegenüber anderen Methoden schwierig und hat eine lange und noch andauernde Diskussion hervorgerufen. Es soll betont werden, daß sich diese Diskussion nicht auf die Methode, sondern auf die Bezeichnung NÖT bzw. NATM bezieht. Mangels genauer Definition herrscht Unklarheit darüber, was die NÖT eigentlich ist.

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17. Sicherheit beim Vortrieb

Vor Beginn des Vortriebs ist ein Alarmplan1 zu erstellen, der folgende Punkte beinhalten soll.

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18. Druckluftverfahren

Von den verfügbaren Methoden zur Grundwasserhaltung im Bauzustand Absperren (Dichtungswände, Injektionen, Vereisung)AbsenkenVerdrängenist letztere im Hinblick auf eine minimale Umweltbeeinträchtigung (keine Setzungen infolge Grundwasserabsenkung, keine bleibenden Grundwassersperren) am vorteilhaftesten1. Das Grundwasser kann dadurch verdrängt werden, daß man an der Ortsbrust Flüssigkeitsdruck oder Druckluft aufbringt.

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19. Unterwasser-Tunnel

Für die Kreuzung von Land- und Wasserwegen stehen folgende Möglichkeiten zur Verfügung1.

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20. Schächte

Schächte sind vertikale oder schräge Tunnel. Die Abteufung eines Schachtes (shaft sinking) ist ein schwieriges Unterfangen. Liegt am unteren Zielpunkt ein Tunnel bzw. Stollen nicht vor, so muß die Abteufung „blind“ von oben nach unten erfolgen. Die Schwierigkeit besteht darin, daß man beim Schuttern und Abpumpen des Bergwassers gegen die Schwerkraft arbeiten muß, z.B. nach dem Lufthebe-bohrverfahren (air lift). Liegt hingegen am unteren Ende ein Tunnel bereits vor (bottom access), so kann man das Abbaumaterial und das Bergwasser durch ein Pilot-Bohrloch nach unten fördern. Schächte ohne Zugang von unten werden erforderlichenfalls durch Sprengen vorgetrieben. Bei Lockergestein erfolgt die Sicherung durch eine vorher eingebaute Bohrpfahl-bzw. Schlitzwand oder nach dem Gefrierverfahren. Letzteres wird oft für tiefe Schächte im Bergbau (mehrere 100m tief) angewandt. Der tiefste Schacht der Welt (2,7 km) wird zur Zeit als Aufzugsund Belüftungsschacht einer Goldmine in Südafrika geplant. Tiefe Schächte müssen bewettert werden. Bei Zugang von unten wird eine sog. Pilotbohrung in einem oder zwei Arbeitsgängen schrittweise aufgeweitet. Die Aufweitung kann maschinell von unten nach oben (raise bored shaft,upreaming, siehe Abb. 20.1) oder von oben nach unten (downreaming) erfolgen. Erforderlichenfalls kann anschließend eine weitere Aufweitung mit Sprengvortrieb von oben nach unten erfolgen. Bei größeren Durchmessern (ab ca. 4 m) ist das Aufbohren nach oben riskant infolge möglichen Nachbruchs der Ortsbrust, schwierigem Auswechseln von Schneidrädern, eingeschränktem Anpreßdruck, Nachbruch der Wand (die während des Bohrvorgangs weder inspiziert noch gesichert werden kann) und Wassereinbruch (Gegenmaßnahmen wie z.B. Injizieren können erst nach Vollendung des Aufbohrens eingeleitet werden).

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21. Elektrische Einrichtungen im Tunnelvortrieb

Für Baustellen unter Tage sind zusätzliche elektrotechnische Maßnahmen erforderlich, die an den üblichen Baustellen nicht erforderlich sind1. Der in erheblichen Mengen auftretende Feinstaub führt zusammen mit der Feuchtigkeit zu Kriechströmen. Elektrische Geräte müssen daher einen Schutz gegen schädliche Staubablagerungen aufweisen. Ferner müssen elektrische Geräte gegebenenfalls gegen Spritzwasser, Strahlwasser und Überflutung geschützt sein. Zu berücksichtigen ist auch die erhöhte mechanische Beanspruchung durch enge Platzverhältnisse, Fahrverkehr, Steinschlag und Hereinbrechen von Erdmassen. Explosive Gasgemische können entstehen durch Gasaustritt aus dem Gestein oder aus Altlasten, Gasflaschen oder Akkumulatoren. In diesem Fall (festzustellen durch geeignete Gasmeßund Gaswarngeräte) sind folgende Maßnahmen durchzuführen: Abschalten elektrischer MaschinenEntfernen des PersonalsBelüften

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22. Beispiele durchgeführter Tunnelbauprojekte

Gebaut im 6. Jahrhundert v. Chr. zur Wasserversorgung der Stadt Samos1. Seine Länge beträgt 1.040m, seine Querschnittsmaße durchschnittlich 1,80×1,80m. Der Tunnel verläuft fast waagrecht, und um überhaupt als Wasserleitung funktionieren zu können, wurde eine Rinne mit einem Gefälle von 0,5% eingetieft. Diese hat am Nordeingang eine Tiefe von 3,50 m und am Südeingang eine Tiefe von 8,50 m. Der Tunnel wurde mit Hammer und Meißel im harten Kalkstein vorgetrieben und beidseitig aufgefahren. Bei nachbrüchigen Stellen wurde ein Ausbau mit Blöcken von bis zu 60/80/120cm vorgenommen (siehe Abb. 22.2). In der Firste wurden zwei Platten von ca. 20 bis 30 cm Stärke aneinandergelehnt. Sie wurden direkt unter die Felsdecke (ohne einen nachträglich aufgefüllten Hohlraum) gepaßt. Besonders erstaunlich für die damalige Zeit ist die Vermessung und der erfolgreiche beidseitige Vortrieb, obwohl kein Sichtkontakt zwischen den beiden Portalen besteht. Zur Vergrößerung der Wahrscheinlichkeit des Zusammentreffens beider Vortriebe wurde (nach Kienast) ein sog. Fangstollen (siehe Abb. 22.1) verwendet, obwohl er beim Tunnel von Eupalinosdank der guten Vermessung gar nicht nötig war, wie sich nachträglich herausstellte.

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23. Große Tunnelbauprojekte der Zukunft

Folgende Tunnelbauprojekte werden (unter anderem) zur Zeit geplant:Øresund: Zwischen Dänemark und Schweden, 5 km lang.Byfjord: Bei Stavanger in Norwegen, 5,8 + 4,4 km lang.Fehmarn Belt: Zwischen Dänemark und Deutschland, 19 km lang.Straße von Messina: Zwischen dem italienischem Festland und Sizilien, 17 km lang. Man erwägt einen im Wasser schwebenden Tunnel.Gibraltar-Tunnel: Zwischen Spanien und Marokko, 27,5 km lang, Unterquerung einer 305 m tiefen Wasserstraße. Der Tunnel soll ca. 100 m unterhalb des Meeresgrundes verlaufen und ca. 350 Milliarden Schilling kosten. Die Bauarbeiten sollen Ende 1997 beginnen.Hwang Ho - Talsperre: Am gelben Fluß in China. Hierzu ist ein 200 km langes Tunnelsystem vorgesehen. Bis Ende 1998 sind rund 160 km Tunnel fertigzustellen.Behring-Straße: Zwischen Sibirien und Alaska. Geplante Länge: 97 km. Geschätzte Kosten: 50 Milliarden Dollar, Bauzeit bis zu 20 Jahre. Das Gestein (Granit) ist unproblematisch. Die Anschlußbaustrecken (3.300 km in Sibirien und 1.800 km in Alaska) in z.T. Permafrost-Boden stellen ein großes Problem dar.Bohai Straße: Ein 58 km langer Unterwassertunnel soll die Halbinseln Shandong und Liadong in China verbinden.

Dimitrios Kolymbas
24. Die Rolle der Mechanik im Tunnelbau

Die Tunnelmechanik umfaßt die Tunnelstatik und darüber hinaus einige weitere mechanische Betrachtungen, die für den Tunnelbau relevant sind. Das Wort „Tunnel“ ist hier im weitesten Sinne zu verstehen und umfaßt auch Stollen und Schächte.

Dimitrios Kolymbas
25. Materialverhalten

Tunnel werden sowohl im Lockergestein (Boden), als auch im Festgestein (Fels) aufgefahren. Der Übergang zwischen Boden und Fels ist fließend, und es gibt viele Gesteinsarten, die man sowohl als „Fels“ als auch als „Boden“ bezeichnen kann. Sofern man von einer allfälligen Anisotropie und Klüftung absehen kann, wird daher die Festigkeit von Fels oft genauso wie die des Bodens modelliert. Die Unterschiede sind dann quantitativ, aber nicht qualitativ. Sind, andererseits, die einzelnen Kluftkörper eines Festgesteins im Vergleich zum Tunneldurchmesser relativ groß, so sind kontinuumsmechanische Betrachtungen fehl am Platze, und man muß die in Frage kommenden Felsblöcke gesondert betrachten. Um das Geomaterial einheitlich anzusprechen, ungeachtet dessen, ob es sich um Boden oder Fels handelt, wird im Tunnelbau oft das Wort „Gebirge“ oder „Gestein“ verwendet. Nachfolgend werden die Eigenschaften von Gestein dargestellt, wobei im wesentlichen die Begriffe Elastizität, Plastizität, Reibung und Kohäsion erläutert werden.

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26. Axialsymmetrische Spannungs und Deformationszustände

In diesem Abschnitt werden einige Formeln der Kontinuumsmechanik präsentiert, die später gebraucht werden.

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27. Spannungs- und Deformationsfeld um einen kreisrunden Tunnel

Die analytische (d.h. formelmäßige) Angabe des Spannungs- und Deformation-sfeldes im Gestein, das einen Tunnel umgibt, gelingt nur für einige extrem vereinfachte Sonderfälle, die als Ausgangspunkt weiterer Betrachtungen dienen können. Zuerst werden einige Lösungen vorgestellt, die auf dem Hookeschen Gesetz beruhen, welches das einfachste Stoffgesetz für Feststoffe ist. Der Untergrund wird dabei als ein linear-elastischer, isotroper Halbraum betrachtet, der durch eine horizontale Oberfläche, die Geländeoberfläche, berandet wird. Der Tunnel wird als ein Loch mit Kreisquerschnitt idealisiert. Vor seiner Herstellung herrscht der sog. primäre Spannungszustand. Dieser Spannungszustand ist auch nach der Herstellung des Tunnels in hinreichend großer Entfernung maßgebend (sog. Fernfeld).

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28. Einige Näherungsformeln

Die hier abgeleiteten Näherungsformeln folgen aus einfachen Annahmen und erklären einige Grundsätze der Neuen Österreichischen Tunnelbauweise (NÖT). Sie beruhen auf der Überlegung, daß in der unmittelbaren Umgebung des Tunnelrandes die Hauptspannungstrajektorien parallel bzw. senkrecht zum Tunnelrand verlaufen müssen. So hat bei einem Tunnel mit Kreisquerschnitt (Radius r) die Trajektorie der Hauptspannung σθ am Tunnelrand den Krümmungsradius r. Hat der Tunnel keinen Kreisquerschnitt (z.B. Maulprofil), so muß man an jeder Stelle den lokalen Krümmungsradius nehmen (siehe Abb. 28.1).

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29. Anker

Im allgemeinen bezeichnet man als Anker Einlagen (hauptsächlich aus Stahl), die in das Gebirge zwecks Verbesserung seines Tragverhaltens eingebaut werden. Die vielfältige Bau- und Wirkungsweise solcher Einlagen1 hat zu einer nichteinheitlichen Terminologie geführt. Die nachfolgend aufgeführten Bezeichnungen stellen daher lediglich einen Vorschlag dar.

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30. Standsicherheit der Ortsbrust

Um die Geometrie des Problems zu vereinfachen, nehmen wir an, daß die Ortsbrust die Form einer Halbkugel hat (siehe Abb. 30.1).

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31. Schrankentheoreme

Für eine bestimmte Gruppe von plastischen Stoffen erlaubt die Plastizitätstheorie, aufgrund von sog. Schrankentheoremen (limit theorems) Versagenslasten (sog. Traglasten) abzuschätzen. Diese Abschätzung erfolgt durch die Bestimmung von oberen bzw. unteren Schranken der Traglast. Eine obere Schranke x o ist eine Last, die größer als die Traglast x l ist, während eine untere Schranke x u kleiner als die Traglast ist. Die Kenntnis einer unteren Schranke x u erlaubt eine sichere Bemessung, denn die vorhandene Last x vorh wird so gewählt, daß sie mit Sicherheit kleiner als die Traglast ist, sofern sie kleiner als x u ist. Die Schrankentheoreme gelten für diejenigen plastischen Stoffe, die die sog. Normalitätsbedingung erfüllen, auf welche hier nicht näher eingegangen werden soll. Es zählen dazu kohäsive Stoffe mit c > 0 und φ = 0. Nach dem Untere-Schranken-Theorem (lower bound theorem) tritt das Versagen nicht ein, wenn ein Spannungsfeld gefunden werden kann, das die Gleichgewichts- und Randbedingungen erfüllt und die Festigkeitsgrenzen des betrachteten Stoffes nicht verletzt. Ansonsten ist dieses Spannungsfeld frei wählbar und braucht insbesondere nicht das tatsächliche Spannungsfeld zu sein. Nach dem Obere-Schranken-Theorem (upper bound theorem) wird eine mögliche (also nicht unbedingt die tatsächliche) Bruchkinematik (sog. Bruchmechanismus) betrachtet. Die damit verknüpfte Dissipationsleistung wird unter der Annahme ausgerechnet, daß die Spannungen im betrachteten Körper die Grenzbedingung der Scherfestigkeit erfüllen. Wenn die so ermittelte Dissipationsleistung kleiner als die Leistung der Gewichtskräfte und der sonstigen äußeren Kräfte beim Versagen ist, dann muß der Körper versagen.

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32. Setzungen der Oberfläche

Neben dem Nachweis der Standsicherheit ist im Tunnelbau die Bestimmung der Setzungen an der Oberfläche des Geländes sehr wichtig. Allerdings kann man — generell in der Geotechnik — Verformungen mit noch weniger Treffsicherheit voraussagen als die Standsicherheit. Dies liegt vor allem daran, daß das Gebirge eine nichtlineare Spannungs-Dehnungs-Beziehung hat, so daß man die Verteilung der Steifigkeiten kaum korrekt erfassen kann. Nachfolgend werden einige Ansätze zur Setzung der Geländeoberfläche infolge der Auffahrung eines Tunnels betrachtet. Man sollte sich im klaren über ihre beschränkte Aussageschärfe sein.

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33. Erddruck auf Schächte

Die Bestimmung des Erddrucks auf einen Schacht ist ein räumliches Problem, für das einige schwer nachvollziehbare Lösungen existieren1. Es ist sicher richtig, zwischen seichten (Schachttiefe z « r0) und tiefen (z » r0) Schächten zu unterscheiden. Bei ersteren fällt die Krümmung der Schachtwand nicht ins Gewicht, und man kann den Erddruck als ein ebenes Problem nach den bekannten Regeln der Bodenmechanik ansetzen. Einen tiefen Schacht betrachten wir als senkrechten Tunnel. Der primäre Spannungszustand ist σ z = γz, σ h = Kσ z . Die horizontalen Spannungen sind axialsymmetrisch, weshalb bei Annahme eines elastischen Gebirges der Verlauf der radialen Spannung durch Gleichung 27.5 gegeben ist 33.1$$ {\sigma _r} = {\sigma _\infty } - \left( {{\sigma _\infty } - {\sigma _{r0}}} \right)\frac{{r_0^2}}{{{r^2}}} $$ wobei hier σ = σ h = Kγz und σ r0 = σ r r0 ist. Wir betrachten jetzt das Gleich-gewicht in radialer Richtung 33.2$$ \frac{{\partial {\sigma _r}}}{{\partial r}} + \frac{{{\sigma _r} - {\sigma _\theta }}}{r} = 0 $$ und den Zustand, daß die Materialfestigkeit gerade am Schachtrand voll mobilisiert ist. Wir nehmen also an, daß $$ {\sigma _\theta } = {K_p}{\sigma _r} + 2c\frac{{\cos \varphi }}{{1 - \sin \varphi }} $$

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34. Stabilitätsprobleme im Tunnelbau

Bei der Bemessung des Ausbaus von Schächten, die durch Außendruck belastet werden, müssen zwei Bruchmechanismen berücksichtigt werden:1. Die Druckspannung im Ausbau (berechnet nach der Kesselformel) erreicht die Druckfestigkeit des Materials2. Beulen des AusbausBeulen ist ein Stabilitätsverlust in dem Sinne, daß bei Einwirkung kleiner Störungen die Tragstruktur (hier: der Ausbau) nicht die Tendenz hat, ihre ursprüngliche Form zu erlangen, sondern eine neue Form einnimmt. Typisches Beispiel für einen Stabilitätsverlust ist das Knicken eines Stabs.

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35. Frostausbreitung beim Gefrierverfahren

Das für den Tunnel-bzw. Schachtbau relevante Problem ist: Wie schnell breitet sich der Gefrierkörper um die Gefrierlanzen aus? Die Ausbreitung von Wärme erfolgt durch Wärmestrahlung und durch Wärmeleitung. Hier wird nur die Wärmeleitung betrachtet. Der Wärmestrom q ist proportional zum Temperaturgradienten: 35.1\[q = - \lambda \nabla T\]$$ Die Proportionalitätskonstante λ heißt Wärmeleitzahl (thermal conductivity). Demnach beträgt die in der Zeiteinheit einem Volumenelement zufließende Wärmemen­ge35.2\[ - divq = \lambda div(\nabla T) = \lambda \Delta T\]$$

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36. Messungen

Rechnerische Voraussagen zum Verhalten des Gebirges beim Tunnelvortrieb sollten durch Messungen laufend kontrolliert werden (Beobachtungsmethode). Bei Abweichungen sollten die Berechnungen unter Zugrundelegung revidierter Eingangswerte korrigiert werden. Ferner können durch Messungen drohende Schadensfälle kurzfristig vorausgesagt werden, so daß man Gegenmaßnahmen ergreifen kann. Meßinstrumente1 sollten die zu messende Größe registrieren können, ohne sie zu beeinflussen. Dies ist insbesondere bei Spannungsmessungen oft schwer zu erreichen.

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37. Praxis der Ausbaudimensionierung

Das statische Problem, das der Dimensionierung des Ausbaus zugrundeliegt, ist die Wechselwirkung zwischen Ausbau und Gebirge. Am Hohlraumrand müssen die Verformungen (Normal- und Tangentialverschiebung) sowie Normal- und Schubspannungen von Ausbau und Gebirge übereinstimmen (mit Ausnahmen von Abhebungen und Relativverschiebungen an Gleitschichten oder Folien). Im Prinzip geht man wie beim Kennlinienverfahren vor, es wird jedoch von der stark vereinfachenden Annahme der Axialsymmetrie abgerückt. Der Ausbau wird als elastischer Balken mit Anfangskrümmung betrachtet. Das Gebirge wird entweder über einen linearen Bettungsansatz oder mit Finiten Elementen modelliert. Der Bettungsansatzl wird herangezogen, sofern der Ausbau relativ zum umgebenden Gestein steif ist2, d.h. wenn gilt $$ \frac{{{K_r}r_0^3}}{{EI}} < 200{m^{ - 1}}. $$

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38. Quellen- bzw. Schwellen

Gewisse Mineralien haben die Eigenschaft, bei Wasseranlagerung ihr Volumen zu vergrößern. Werden sie dabei behindert, so üben sie einen Druck, den sog. Quelldruck aus. Man unterscheidet1 zwischen mechanischem, osmotischem, intrakristallinem und hydratationsbedingtem (Übergang von Anhydrit zu Gips) Quellen. Diese Unterscheidung aber betrifft lediglich den Mechanismus der Wasseranlagerung und nicht die Phänomenologie des Quellvorgangs. So ist das „mechanische“Quellen gleichbedeutend mit dem Zurückfedern des Korngerüstes bei Entlastung, während das physikochemisch bedingte Quellen auf die Begierigkeit gewisser Mineralien nach Wasser zurückzuführen ist. Obwohl beide Wörter, „Quellen“und „Schwellen“ die Tendenz zur Volumenzunahme infolge Wasseranlagerung bedeuten und daher Synonyme sind, wird manchmal das Wort „Schwellen“in Zusammenhang mit der Anhydrit→Gips – Umwandlung und das Wort „Quellen“in Zusammenhang mit Tonmineralien verwendet.

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39. Wasserandrang

Verläuft ein Tunnel unterhalb des Grundwasserspiegels und hat keinen Ausbau bzw. eine Umfangsdränage, so strömt pro laufendem Meter Tunnel die Wassermenge Q hinein. Für die Geometrie nach Abbildung 39.1 mit r0 « h1 läßt sich Q im stationären Fall wie folgt abschätzen1: 39.1$$Q = \frac{{2\pi k(H - {h_a})}}{{ln(2{h_1}/{r_0})}}$$k ist dabei der Durchlässigkeitskoeffizient des Gebirges und hα ist die hydraulische Druckhöhe an der Tunnelkontur (bezogen auf die Linie AA). Gleichung 39.1 folgt aus der Potentialfunktion $$\varphi = \frac{Q}{{4\pi k}}\ln \frac{{{x^2} + {{(y + {h_1})}^2}}}{{{x^2} + {{(y - {h_1})}^2}}} - H$$

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40. Mechanik der Sprengung

Die Ausführungen in diesem Abschnitt basieren im wesentlichen auf dem Buch von B.N. Kutusow „Rasruschenije gornich porod wsriwom“ (Felsausbruch durch Sprengung), Verlag des Moskauer Instituts für Bergbau, Moskau 1992.

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Backmatter
Metadaten
Titel
Geotechnik - Tunnelbau und Tunnelmechanik
verfasst von
Prof. Dr. techn. habil. Dimitrios Kolymbas
Copyright-Jahr
1998
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-642-58839-6
Print ISBN
978-3-642-63752-0
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-642-58839-6