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2018 | OriginalPaper | Buchkapitel

Geschichte der Armut im abendländischen Kulturkreis

verfasst von : Gerhard K. Schäfer

Erschienen in: Handbuch Armut und soziale Ausgrenzung

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Armut ist eine relative, in den jeweiligen politischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Kontext eingebettete Größe. Im abendländischen Kulturkreis, dessen Einheit im Christentum wurzelte, war Armut allgegenwärtig und eine ständige Bedrohung Abgesehen davon, wie der biblischen Überlieferung in der Praxis entsprochen wurde, konnte es innerhalb der kulturellen Einheit des Abendlandes eine breite Skala sozialer Einstellungen im Blick auf die Armut geben, weil der metaphorische Charakter der religiösen Sprache und die Vielschichtigkeit des biblischen Verständnisses von Armut eine Anpassung an veränderte Situationen und unterschiedliche Interpretationen neuer Phänomene ermöglichten. Armut trat in der Geschichte des Abendlandes unterschiedlich in Erscheinung. Dies zeigt sich terminologisch darin, dass die Begriffe pauper und paupertas (arm, Armut) verschiedene Bedeutungen gewannen: Stand seit dem 6. Jahrhundert zunächst die fehlende Teilhabe an der gesellschaftlichen Macht im Vordergrund, so bildete seit der Jahrtausendwende die ökonomische Not den Kern dessen, was durch den Begriff Armut bezeichnet wurde. „Arm“ konnte sich in der mittelalterlichen Gesellschaft sowohl auf fehlende Ressourcen für ein angemessenes ständisches Leben beziehen als auch auf Gruppen, die ihren Lebensunterhalt nicht selbst sichern konnten. Freiwillige und unfreiwillige Armut wurden unterschieden, aber auch aufeinander bezogen. In der abendländischen Geschichte der Armut lassen sich Wendepunkte grob markieren: Bis ca. 1100 dominierte ein in der Feudalordnung verankertes Verständnis von Armut im Sinne der Abhängigkeit der „Armen“ von den potentes. Mit dem Wiedererstehen der Stadtkultur und dem Vordringen der Geldwirtschaft in Mittelund Westeuropa seit dem 11. Jahrhundert entstand die neue Armut der Lohnarbeiter. Zugleich radikalisierten die Armutsbewegungen die Orientierung am armen Leben. Jesu Nach der Schwarzen Pest (1348) setzte eine zunehmende Marginalisierung und Demütigung der „unwürdigen“ Armen ein. Die Unterstützung der „wirklichen“ Armen war im Abendland unbestritten; die „unwürdigen“ hingegen wurden seit dem späten Mittelalter immer stärker kriminalisiert und einer repressiven Sozialdisziplinierung unterworfen, bis um 1800 die gesellschaftliche „Nützlichkeit“ der Armen entdeckt wurde. In den gesellschaftlichen Entwicklungen traten Deutungsmuster zutage, die von dem Armen als Objekt der Caritas und Bruder Christi über die moralische Disqualifizierung des Armen bis hin zu dessen Dämonisierung reichten. Dem breiten Spektrum von sozialen Haltungen entsprach eine große Bandbreite von Bewältigungsstrategien der Armen – von der Selbsthilfe über Migration, Kriminalität und Vagabundentum bis hin zu Revolten. Während bei den Zeitgenossen religiöse und moralische Erklärungen der Armut dominierten, hat die historische Forschung das Spannungsverhältnis von Bevölkerungswachstum und Nahrungsspielraum als maßgeblich für die Massenarmut im vorindustriellen Europa herausgearbeitet und Krisen „alten Typs“ (Missernten etc.) für die kurzfristigen Verschärfungen der Lebensbedingungen namhaft gemacht.

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Metadaten
Titel
Geschichte der Armut im abendländischen Kulturkreis
verfasst von
Gerhard K. Schäfer
Copyright-Jahr
2018
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-19077-4_14

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