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Open Access 2023 | OriginalPaper | Buchkapitel

Gesundheitsförderliche Gestaltung des ambulanten Sozialdiensts bei vacances

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Zusammenfassung

Das Unternehmen vacances – Mobiler Sozial- und Pflegedienst GmbH engagiert sich als aktiver Praxispartner im Projekt FlexiGesA, speziell im Bereich der gesundheitsförderlichen Arbeitsgestaltung für Mitarbeiter*innen aus der Hauswirtschaft und Betreuung. Mittels Befragungen und in zahlreichen Workshops mit Mitarbeitenden konnten Belastungen, die die Interaktionsarbeit mit sich bringt, identifiziert werden. Mit Führungskräften konnten konkrete Maßnahmen entwickelt und erprobt werden, die perspektivisch die sog. Einfacharbeit in der Hauswirtschaft unterstützen und die Mitarbeiter*innen psychisch entlasten, wie die Einführung von regelmäßig stattfindenden Mitarbeitergesprächen und Dienstbesprechungen. Während der Projektlaufzeit ist im Zuge der umfangreichen Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten ein positiver Wandel im hauswirtschaftlichen Bereich sichtbar geworden. Im hier vorliegenden Beitrag werden sowohl die Forschungs- und Entwicklungsaktivtäten im Projekt als auch die Überführung konkreter Maßnahmen in die Praxis des Sozialdienstes bei vacances fokussiert. Dabei wird einerseits speziell auf die Wünsche und Bedarfe der in der Interaktionsarbeit tätigen Mitarbeiter*innen und andererseits auf arbeitsorganisatorische Aspekte aus Sicht der im Unternehmen tätigen Führungskräfte eingegangen.

1 Einleitung

Der Arbeits- und Gesundheitsschutz ist in nahezu allen Bereichen der Berufs- und Arbeitswelt mittlerweile zu einem wichtigen Themenfeld avanciert. Ein bedeutsamer Teilaspekt des Arbeits- und Gesundheitsschutzes bezieht sich auf die psychischen Belastungen am Arbeitsplatz. Nicht zuletzt durch die weltweite Coronapandemie zusätzlich in den Fokus gerückt, betrifft das insbesondere auch den Gesundheits- und Pflegebereich. Hohe Arbeitsbelastungen und neue Herausforderungen in nahezu allen Tätigkeitsbereichen des Pflegesektors werden aktuell intensiv diskutiert und es wird nach Lösungsoptionen gesucht.
An dieser Stelle setzt das Verbundprojekt FlexiGesA an, in dem speziell die Auswirkungen von psychischen Belastungen auf die Arbeit von Dienstleistungsunternehmen der ambulanten Pflege fokussiert sind. Im Projekt wurden Maßnahmen entwickelt, die dazu beitragen, gesündere Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten in diesen Bereichen zu schaffen. Das Unternehmen vacances Mobiler Sozial- und Pflegedienst GmbH fungierte in diesem Projektkontext als Praxispartner. Es wurden gemeinschaftlich zahlreiche Interventionsmaßnahmen und Handlungsempfehlungen entwickelt, die speziell die Arbeit im ambulanten Sozialdienst des Unternehmens betreffen. Als beteiligte Ziel- und Personengruppen sind hier die Mitarbeiter*innen im hauswirtschaftlichen Bereich (Haushaltshilfen) und die in der Sozialdienstkoordination tätigen Personen (Sozialdienstkoordinator*innen) zu nennen. Bereits während der Projektlaufzeit wurden entwickelte Interventionsmaßnahmen und Handlungsempfehlungen in der alltäglichen Praxis des Unternehmens vacances implementiert. Seither tragen sie zur nachhaltig gesundheitsförderlichen Arbeitsgestaltung für alle beteiligten Personengruppen bei. Nachfolgend sollen die Kernaspekte dieses Entwicklungs- und Implementationsprozesses dargelegt werden.
Nach einer Vorstellung des Unternehmens vacances und seiner Strukturen sollen zunächst Aufgaben des Sozialdienstes und im speziellen die des hauswirtschaftlichen Bereichs beschrieben werden, bevor die im Projekt gemeinschaftlich entwickelten Interventionsmaßnahmen und Handlungsempfehlungen für die Praxis vorgestellt und in ihrer Wirksamkeit reflektiert werden.

2 Relevanz des Projekts FlexiGesA für das Unternehmen

Das Unternehmen vacances – Mobiler Sozial- und Pflegedienst GmbH ist ein privater sozialer Dienstleiter, der Kund*innen mit einem Hilfebedarf in ihrer Häuslichkeit im gesamten Stadtgebiet von Bremen sowie z. T. auch in umliegenden Gemeinden versorgt. Die ambulante Pflege auf der einen Seite und die ambulante Hauswirtschaft und Betreuung auf der anderen Seite gelten als Hauptarbeitsbereiche bei vacances. Das Unternehmen vacances expandiert seit seiner Gründung im Jahr 1995 stetig. Der Aufbau neuer Zweigstellen und Standorte im gesamten Bremer Raum macht es erforderlich, stets nach qualifizierten Fachkräften zu suchen und personell zu expandieren. Im Herbst 2021 beispielsweise eröffnete vacances eine neue Tagespflege für bis zu 25 Gäst*innen. Derzeit beschäftigt das Unternehmen rund 180 Mitarbeiter*innen. Im Bereich der ambulanten Pflege besteht das Team aus 60 Mitarbeiter*innen, die sich auf drei Standorte aufteilen. Der Sozialdienst arbeitet im gesamten Bremer Gebiet an fünf Standorten mit 100 Mitarbeiter*innen. Im Verwaltungswesen des Unternehmens sind aktuell 15 Mitarbeiter*innen beschäftigt.
Zum Zeitpunkt des Projektstarts (im Jahr 2018) zeichnete sich beim Unternehmen „vacances“ noch ein anderes Bild: Zu der Zeit beschäftigte vacances 90 Mitarbeiter*innen. Rund 80 % der Belegschaft waren damals weiblichen Geschlechts. Die ambulante Pflege umfasste rund 50 Mitarbeiter*innen an zwei Standorten in Bremen. Der Sozialdienst hatte im Jahr 2018 ca. 30 Mitarbeiter*innen, deren Tätigkeitsbereich das gesamte Bremer Stadtgebiet abdeckte. Außerdem waren damals 10 Mitarbeiter*innen im Bereich der Verwaltung und der Geschäftsführung tätig. Schon damals stand für vacances fest, dass der Bereich des Sozialdienstes sukzessiv stärker ausgebaut werden sollte, um die steigende Nachfrage bedienen zu können. Insbesondere durch die Einführung der strukturellen Pflegereform, die durch die Einführung der Pflegegrade im Jahr 2017 ausgelöst wurde, stieg die Nachfrage im Bereich der ambulanten Hauswirtschaft und Betreuung rapide an. Für vacances stand fest, dass in diesem Kontext einerseits ein großes Expansionspotenzial, andererseits jedoch auch große Herausforderungen im Sinne umfangreicher Transformationsprozesse liegen würden.
Der Start des Projekts FlexiGesA und die Beteiligung von vacances als Praxispartner fiel im Jahr 2018 also in eine Zeit, in der das Unternehmen ohnehin durch starke Wachstumstendenzen und Umstrukturierungsbedarfe an der Implementierung neuer Konzepte interessiert war. Aus vorangegangenen Projekten, in denen vacances bereits mitwirkte, konnten bereits viele positive Effekte in unterschiedlichen Kontexten für die betriebliche Praxis genutzt werden. So war die Motivation von vacances hoch, auch durch das FlexiGesA-Projekt neue Impulse zu erhalten. Geplant war von Anfang an, diese Impulse gezielt auf die Mitarbeiter*innen des Sozialdienstes zu beziehen, deren psychische Gesundheit damit in den Blick genommen wurde.

3 Aufgaben des Sozialdienstes

3.1 Tätigkeitsbereiche von Mitarbeitenden in der Hauswirtschaft

Ein gewöhnlicher Arbeitstag eine*r Mitarbeiter*in in der Hauswirtschaft startet in der Regel bei den Beschäftigten zu Hause. Jede*r Mitarbeiter*in hat über einen Zugang zum Online-Dienstplanprogramm von vacances die Möglichkeit einzusehen, bei welchen Kunden*innen zu welcher Zeit und in welchem zeitlichen Umfang ambulante Dienstleistungstätigkeiten ausgeführt werden müssen. Mitarbeiter*innen finden dort alle relevanten Informationen zu Kund*innen und außerdem, welche*r Sozialdienstkoordinator*in in der vacances-Zentrale zuständig ist. Zu den relevantesten Informationen für eine individuelle Auseinandersetzung mit den anstehenden Aufgaben von Sozialdienstmitarbeiter*innen gehört die Kundenadresse (Straße, Hausnummer, Stadtteil o. Ä.) und die aktuelle Telefonnummer. Außerdem ist der vereinbarte Stundenumfang und die Uhrzeit vermerkt, zu der die Arbeit bei den jeweiligen Kunden*innen aufgenommen werden soll. Ferner werden den Mitarbeiter*innen allgemeine Informationen zum Wohnumfeld der Kunden*innen gegeben. Dazu gehört beispielsweise, ob Kunden*innen mit einer/m Partner*in zusammenleben, ob Haustiere zugegen sind oder Angaben zum Zustand der Wohnung oder des Hauses. Darüber hinaus sind Besonderheiten hinterlegt, die es beim Dienstleistungseinsatz zu beachten gilt. Das kann zum Beispiel die Information sein, dass eine Schwerhörigkeit bei Kunden*innen vorliegt oder bestimmte Personen wegen Krankheit oder anderer Gebrechen speziell eingeschränkt sind.
Jede*r Mitarbeiter*in im Bereich der Hauswirtschaft hat einen festen Kundenstamm. In der Regel wird jede*r Kunde*in wöchentlich oder auch vierzehntägig mit einer Mindesteinsatzzeit von zwei Stunden versorgt. Je nach vertraglich festgelegten wöchentlichen Sollstunden, versorgt jede*r Mitarbeiter*in unterschiedlich viele Kunden*innen. In der Hauswirtschaft beginnt eine Festanstellung mit mindestens neun Soll-Arbeitsstunden bei einer 5-Tage-Woche. Muss ein*e Mitarbeiter*in mehrere Kunden pro Tag versorgen, so ist im zeitlichen Verlauf der Einsätze immer eine Wegezeit von 15 min zwischen zwei Einsätzen einkalkuliert. Dabei ist stets zu beachten, dass einige Mitarbeiter*innen durchaus mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Einsatz zu Einsatz fahren, wohingegen andere ein Auto nutzen oder gar mit dem Fahrrad unterwegs sind. Für die Sozialdienstkoordinator*innen bedeutet das, bei der Touren- und Einsatzplanung darauf zu achten, dass die festgelegte Wegezeit nicht überschritten wird. Durch das digitale Dienstplanprogramm von vacances wird zudem die Arbeitszeit von Mitarbeitenden erfasst. Durch das „Abzeichnen“ der Einsätze bestätigen die einzelnen Kollegen*innen, dass Kunden*innen im vereinbarten Umfang versorgt worden sind.
Die Aufgaben eines jeden Mitarbeitenden im Bereich des Sozialdienstes umfassen hauptsächlich die Unterstützung von Kunden*innen im Haushalt. Hierzu zählt insbesondere das Reinigen der Häuslichkeit, die Besorgung von Lebensmitteln, Tätigkeiten der häuslichen Betreuung wie z. B. Begleitung von Arztbesuchen oder Spaziergängen, Betreuung von Kindern, Zubereitung von Mahlzeiten und ähnliche andere Tätigkeiten. Die Mitarbeiter*innen sind während ihres Einsatzes beim Kunden in der Regel alleine vor Ort. Jede*r Kunde*in hat individuelle Wünsche und Ansprüche, was für den Mitarbeiter*innen stets mit einer neuen Herausforderung verbunden ist. Die individuellen Wünsche besprechen die Sozialdienstmitarbeiter*innen meistens mit Kunden*innen direkt während des Einsatzes ab. Klar ist: Mitarbeitende müssen sich bei jedem Einsatz auf eine andere Persönlichkeit und ein anderes Umfeld einstellen. Dabei begegnen ihnen stets andere Einschränkungen pro Einsatz und demnach ändert sich auch fortlaufend der individuelle Hilfebedarf. Neben den körperlichen Anstrengungen, die Hauswirtschaftskräfte tagtäglich bewältigen, stellen mit steigender Relevanz auch die psychischen Anstrengungen ein Problem dar. Im Bewusstsein des Unternehmens vacances ist es sehr wichtig, dass bei der Tätigkeit der Mensch nicht vergessen wird. Sollten Probleme bei Einsätzen auftreten, haben Sozialdienstmitarbeitende stets die Möglichkeit, die jeweils für den*die jeweilige*n Kunden*in zuständigen Sozialdienstkoordinator*innen zu kontaktieren.
Neben den Herausforderungen für die Mitarbeitenden im praktischen Sozialdiensteinsatz bei Kunden*innen, wird durch die vorangegangenen Beschreibungen klar, dass speziell auch die Sozialdienstkoordinator*innen eine besondere Verantwortung tragen. Ihre Planungen sind entscheidend dafür, dass für Mitarbeitende im Einsatz die Arbeit bewältigbar bleibt.

4 Tätigkeitsbereiche von Sozialdienstkoordinator*innen

Die Tätigkeitsbereiche der Sozialdienstkoordinator*innen sind sehr vielfältig und beziehen sich zum einen auf das Themenfeld der Mitarbeiter*innenführung und zum anderen auf die Koordination und Betreuung von Kunden*innen.
Jede*r einzelne Sozialdienstkoordinator*in bei vacances ist für ein bestimmtes Einzugs- bzw. Versorgungsgebiet zuständig. Versorgungsgebiete bestehen in der Regel aus einzelnen Bremer Stadtteilen, z. T. sind jedoch auch stadteilübergreifende Gebiete zusammengefasst. In einem solchen Versorgungsgebiet betreut jede*r Koordinator*in verschiedene Kunden*innen. Eine Facette dieser Kunden*innenbetreuung bezieht sich auf die Unterstützung und Beratung bei den Kostenträgern. D. h. ein*e Sozialdienstkoordinator*in kümmert sich darum, den Kontakt zu Pflegeversicherungen, Krankenkassen oder auch Sozialämtern zu halten und finanzielle Dinge abzuwickeln. Außerdem sind die Sozialdienstkoordinator*innen – wie bereits zuvor erwähnt – für die Terminierung und Planung der Praxiseinsätze zuständig. Einsatzumfang und zu verrichtende Aufgaben werden bei einem in der Regel telefonisch geführten Erstgespräch erörtert und oftmals hier bereits festgelegt. Bei Fragen und/oder Problemen bei der Umsetzung sind die Koordinator*innen ständige Ansprechpartner*innen für den*die Kunden*innen sowie auch für andere Abteilungen im Unternehmen. Sozialdienstkoordinator*innen haben dadurch eine stark vernetzende Funktion im Unternehmen und auch in der Kommunikation nach außen.
Speziell die Aufgaben von Sozialdienstkoordinator*innen im Bereich der Mitarbeiter*innenführung sind als sehr vielfältig zu bezeichnen. Die bereits angesprochene Dienstplanung ist ein großer Bestandteil dessen. Organisatorisch nimmt diese Aufgabe viele zeitliche Ressourcen in Anspruch. Dabei ist stets die Balance zu halten, sowohl Wünsche von Mitarbeiter*innen zu beachten als auch jede*n einzelne*n Mitarbeiter*in im Rahmen seiner*ihrer Sollstunden zu beschäftigen. Sozialdienstkoordinator*innen sind ferner für die Urlaubsplanung oder auch eine (Ad-hoc-)Planung bei Krankheitsfällen von Mitarbeiter*innen verantwortlich. Neben der Koordination laufender Einsätze und deren Planung obliegt es auch dem*r Sozialdienstkoordinator*in, neue Mitarbeiter*innen für den hauswirtschaftlichen Bereich zu finden, für das Unternehmen zu gewinnen und schließlich als neue*n Kollegen*in einzustellen. Dazu gehört die Sichtung von Bewerbungsunterlagen, die Einladung zu Vorstellungs- bzw. Bewerbungsgesprächen und die Koordination weiterer einstellungs-relevanter Verfahren und Spezifika.
Um die verschiedenen Tätigkeiten und organisatorischen Aspekte in den einzelnen Sozialdienst-Teams zu koordinieren, wird zweimal im Monat eine Teambesprechung aller Sozialdienstkoordinator*innen einberufen. Diese finden im Beisein der Leitungsperson für den gesamten Sozialdienstbereich bei vacances statt. Somit ist sichergestellt, dass die Ebene der Unternehmensleitung stets über die aktuelle Lage der Einsatzpraxis im Bilde ist.

5 Entwicklungen im hauswirtschaftlichen Bereich durch das Projekt FlexiGesA

5.1 Interventionsmaßnahme: Mitarbeiter*innengespräche

Als im Jahr 2018 der Umstrukturierungsprozess im Bereich des Sozialdienstes angestoßen und sukzessive intensiviert wurde, wuchs auch der Bedarf, sowohl neu zu beschäftigende als auch vorhandene Mitarbeiter*innen in ihrer Arbeit wertzuschätzen, individuelle Bedarfe aufzunehmen, zu adressieren und mit steigender Teamgröße den Überblick zu behalten. Zu diesem Zweck konnte insbesondere Weiterentwicklungsbedarf im Kontext des bereits bestehenden Verfahrens bei Mitarbeiter*innengesprächen identifiziert werden. Im Zuge des Projektverlaufs konnte das Instrument der Mitarbeiter*innengespräche neu aufgelegt, stark erweitert und nun verpflichtend eingeführt werden. Neben den wertschätzenden Aspekten für Mitarbeiter*innen im hauswirtschaftlichen Bereich und der Gelegenheit, auf Herausforderungen und Probleme direkt einzugehen, hat das Mitarbeiter*innengespräch insbesondere für die Sozialdienstkoordinator*innen eine spezielle Funktion. Sie haben ein Führungsinstrument an der Hand, welches sie dazu nutzen können, Gespräche mit ihren Mitarbeitenden effektiver und zielgerichteter zu führen. Besagte Mitarbeiter*innengespräche werden jährlich mit allen Mitarbeitenden geführt. Bis dato hatten die Sozialdienstkoordinator*innen lediglich einen rudimentären Beurteilungsbogen zur Hand, demzufolge sie ihre Mitarbeiter*innen mit Punkten auf einer Kompetenzskala bewerten konnten. Hierzu zählen Einschätzungsitems in den Dimensionen „persönliche Kompetenz“ und „Fachkompetenz“.
Dieses relativ undifferenzierte und wenig flexible Instrument konnte im Projekt FlexiGesA adaptiert werden. Speziell individuelle Bedarfe der Mitarbeitenden sollten stärker in den Fokus gerückt werden. Außerdem sollten stärker die Belastungen der Mitarbeitenden adressiert werden, um frühzeitig auf Situationen reagieren zu können, die ggf. mittel- oder langfristig zu gesundheitlichen Problemen führen können. Es entstand daraufhin ein neues Führungsinstrument für die Mitarbeiterjahresgespräche, welches nun drei Teile umfasst: Erstens ist die Mitarbeiter*innenbeurteilung durch die Vorgesetzten enthalten. Zweitens ist eine Checkliste verfügbar, mit der die Beurteilung der Arbeitssituation aus Sicht der einzelnen Beschäftigten in der Hauswirtschaft reflektiert werden kann. Schließlich wird daraufhin als drittes prospektiv in die Zukunft geschaut und eine Zielvereinbarung getroffen, die dann im nächsten Mitarbeiter*innengespräch als Grundlage herangezogen wird, um zu schauen, welche Ziele erreicht wurden.
Für die Durchführung der Jahresgespräche sind unternehmensintern einige Grundsätze und Ziele festgelegt worden. Dazu zählt beispielsweise, dass sich genügend Zeit für das Gespräch genommen wird oder nicht nur die aktuelle Situation, sondern auch die Arbeit und relevante Ereignisse aus dem abgelaufenen Jahr reflektiert werden. Die Mitarbeiter*innenbeurteilung durch Vorgesetzte soll bereits vor dem eigentlichen Gespräch geschehen. Als Leitlinien für diese Beurteilung dienen acht Bewertungskriterien, die nicht bei jeder Beurteilung aufgeführt werden müssen, sondern nur, wenn diese auch individuell relevant sind. Diese Kriterien berühren folgende Aspekte:
  • Arbeitsqualität (Rückmeldungen von Kunden*innen)
  • Leistungsbereitschaft (Engagement und Motivation des*der Mitarbeiter*innen)
  • Belastbarkeit (Aufmerksamkeit und Ausdauer unter Belastungen)
  • Effektivität (Arbeitsweise zielorientiert, systematisch und angemessenes Arbeitstempo)
  • Teamfähigkeit
  • Flexibilität (offen für Veränderungen)
  • Selbstständigkeit (selbstständiges Arbeiten, Lösungssuche)
  • Erscheinungsbild (gepflegtes Erscheinungsbild)
Die kriteriengeleitete Beurteilung dient zur Vorbereitung auf das Mitarbeiter*innenjahresgespräch durch die entsprechenden Führungskräfte.
Zur Vorbereitung für Mitarbeitende wird mit der persönlichen Einladung zum Jahresgespräch auch die angesprochene Checkliste zur Arbeitsqualität versendet. Die Checkliste dient dazu, die Arbeitsbedingungen aus Sicht der Beschäftigten zu bewerten. Diese Checkliste sollen Mitarbeitende vor dem Gespräch ausfüllen und zum Termin mitbringen. Mitarbeiter*innen können auf der Checkliste mithilfe von Smileys die individuelle Zufriedenheit in sechs Bereichen ausdrücken. Diese Bereiche umfassen folgende Aspekte:
  • Arbeitsorganisation
  • Arbeitstätigkeit
  • Fortbildungen
  • Vorgesetztenverhalten
  • Team-/Betriebsklima
  • Arbeitsmittel/Arbeitsumgebung.
Außerdem haben Mitarbeiter*innen hier die Möglichkeit, Gefährdungen und Belastungen zu nennen sowie eigene Verbesserungsvorschläge zu äußern. Aus einem zuvor einseitigen Bewertungsinstrument, das von Führungskräften für die Kommunikation mit einzelnen Mitarbeiter*innen genutzt wurde, ist ein Instrument für die Etablierung eines gleichwertigen Dialogs zwischen Führungskraft und Beschäftigten geworden.
Durch diese Adaption konnte insbesondere das Ziel erreicht werden, dass Jahresgespräche strukturierter und für beide Seiten vorteilhaft ablaufen. In der Vergangenheit berichteten Führungskräfte häufig davon, dass Mitarbeiter*innen oftmals Schwierigkeiten hatten, punktuell ihre Herausforderungen und Probleme zu benennen und reflektiert über ihre Arbeitssituation nachzudenken. Es wurde bisher der Dialog vermisst, sodass sich beide Personengruppen im Jahresgespräch gleichgewichtig einbringen konnten. Ziel der beidseitigen Beurteilung ist, dass im Gespräch beide Seiten ihre Beurteilung erläutern und wenn notwendig gemeinsame Maßnahmen und Möglichkeiten (bspw. veränderte Arbeitszeiten) gefunden werden können. Diese sind dann stets als Teil der Zielvereinbarung zu formulieren.
Ein Effekt der Projektzusammenarbeit ist die Erkenntnis für vacances, dass die obligatorische Gefährdungsbeurteilung auch „gelebt“ werden sollte. So entstand die Idee, diese auch in das Mitarbeiter*innenjahresgespräch einfließen zu lassen. Vorgesetzte haben dafür eine Übersicht der arbeitsbezogenen Gefährdungsgruppen mit jeweils Beispielen für typischerweise auftretende Gefährdungen. Anhand dieser Beispiele können im Gespräch Gefährdungen offen angesprochen und thematisiert werden. Mitarbeiter*innen können bei Bedarf aufgeklärt werden. Auf möglicherweise bislang nicht erkennbare Gefährdungen kann hingewiesen werden.
Die zuvor bereits angesprochene Zielvereinbarung wird schriftlich festgehalten und beide Seiten unterschreiben das Vereinbarte. Die Zielvereinbarung wird den Mitarbeitenden in einem letzten Schritt in Kopie ausgehändigt sowie in die Personalakte sortiert.

5.2 Interventionsmaßnahme: Dienstbesprechungen

Mitarbeiter*innen in der ambulanten Hauswirtschaftshilfe sind zumeist alleine unterwegs. Sie haben in ihrem täglichen Arbeitsumfeld keinerlei Kontakt zu ihren Kollegen*innen und können sich dementsprechend auch nur sehr selten mit Personen austauschen, die ähnliche berufliche Tätigkeiten verrichten und die dadurch auch ähnlichen Herausforderungen gegenüberstehen. Übergaben nach einem Arbeitstag, wie sie beispielsweise im Schichtdienst der ambulanten Pflege notwendig sind, gibt es bei vacances in der Hauswirtschaft nicht. Ein sehr großer Teil der Mitarbeiter*innen der Hauswirtschaft und Betreuung wünschten sich deutlich mehr Kontakt zu ihren Kollegen*innen. Sowohl in quantitativen Befragungen (durch die Jade Hochschule) als auch zusätzlich gestützt durch qualitative Methoden (durch das iaw der Universität Bremen) in Form von Workshops konnten diese Wünsche klar herausgestellt werden.
Um diese Aspekte zu adressieren und die Wünsche der Mitarbeiter*innen aufzunehmen, wurden im Jahr 2019 regelmäßige Dienstbesprechungen im hauswirtschaftlichen Bereich eingeführt. Diese finden zweimal jährlich in den einzelnen Teams statt. Die Dienstbesprechungen werden von den jeweiligen Sozialdienstkoordinatoren*innen angeboten und moderiert. Eine Dienstbesprechung nimmt rund zwei Stunden Zeit in Anspruch und findet in den jeweiligen Stadtteilen bzw. am jeweilig zuständigen Standort des Unternehmens statt. Jede*r Mitarbeiter wird schriftlich zu Dienstbesprechungen eingeladen. Eine Teilnahme ist für alle verpflichtend. Mitarbeiter*innen, die sich im Urlaub befinden oder aufgrund von Krankheit verhindert sind, sind von der Teilnahmepflicht ausgeschlossen.
Aufgrund der Tatsache, dass teilweise die Vermittlung von Fortbildungsinhalten für manche Themen sehr wichtig ist, hat sich das Team der Sozialdienstkoordinator*innen darauf geeinigt, dass die Dienstbesprechungen inhaltlich aufgeteilt werden. Die ersten 60 min werden mit Themen gefüllt, die die Sozialdienstkoordinatoren*innen mitbringen und ausgestalten. Themen, die das Unternehmen betreffen und auch Themen, die in den einzelnen Stadtteilen relevant sind, stehen bei diesen Inputs auf der Tagesordnung. Das können beispielsweise der Umgang mit dem Smartphone, Probleme bei der Nutzung der Dienst-Software, Umgang mit der Pandemie oder auch betriebliche Änderungen und aktuell zu adressierende Herausforderungen sein. Diese Themenbereiche werden in der Regel gemeinsam mit der Leitung des Sozialdienstes festgelegt und vorbesprochen. Dadurch ist sichergestellt, dass zentrale Informationen, die das Unternehmen betreffen, einerseits einheitlich an alle Mitarbeiter*innen weitergegeben werden können und andererseits Mitarbeitende die Möglichkeit haben, die für sie relevante Themen und Aspekte anzusprechen.
Die verbleibenden 60 min einer Dienstbesprechung werden mit Fortbildungsinhalten gefüllt werden. Hier werden Themen angesprochen, wie eine korrekte Haushaltsführung zu realisieren ist, welche Krankheitsbilder aktuell relevant sind oder aber welche Handlungsempfehlungen aktuell ausgesprochen werden können. Z. T. werden auch externe Referent*innen eingeladen. Welche Fortbildungsinhalte thematisiert werden, beschließen die Sozialdienstkoordinatoren*innen in einem gemeinsamen Abstimmungs-Meeting. Neben den vorbereiteten Input-Phasen werden in jeder Dienstbesprechung auch Fortbildungswünsche der Mitarbeiter*innen abgefragt. Oftmals fühlen sich Mitarbeiter*innen bei bestimmten Themen der ambulanten Hauswirtschaftsdienstleistungen noch unsicher und können an dieser Stelle ihren Weiterbildungsbedarf äußern.
Nach der Durchführung der ersten Dienstbesprechungen war die Rückmeldung vieler Mitarbeiter*innen sehr positiv. Coronabedingt musste im Laufe des Projekts jedoch insbesondere im Hinblick auf die Durchführung von Dienstbesprechungen umgeplant werden. Besprechungen in einer großen Gruppe stattfinden zu lassen, war im ersten Jahr der Pandemie nicht mehr möglich. Vacances hat sich im Zuge dessen dazu entschlossen, die Dienstbesprechung trotzdem weiterzuführen, allerdings auf kleinere Gruppengrößen auszuweichen. Da in allen Teams in der Leitung eines*r Koordinator*in rund 25–30 Mitarbeiter*innen vertreten sind, wurden die Gruppen geteilt. Die Einhaltung der Schutzmaßnahmen erforderten es, Dienstbesprechungen auf 10–15 Personen zu beschränken. Das bedeutete insbesondere für die Koordinator*innen einen erheblichen Mehraufwand in der Planung und Durchführung. Außerdem war es durch die Aufteilung nicht möglich, dass sich alle Mitarbeiter*innen untereinander kennenlernen konnten. Aufgrund des erheblichen Mehraufwands und der Wichtigkeit des Infektionsschutzes entschloss man sich bei vacances dazu, im Corona-Winter 2020/2021 weitere Dienstbesprechungen nicht stattfinden zu lassen.
Im Sommer 2021 konnten die Dienstbesprechungen wie ursprünglich geplant wieder mit voller Teamstärke durchgeführt werden. Den Mitarbeiter*innen wurde speziell nach der längeren Pause Zeit zum Kennenlernen eingeräumt. Neben einer ausführlichen Vorstellungsrunde konnten sich einzelne Mitarbeiter*innen austauschen und von ihren Erfahrungen im Umgang mit einzelnen Kunden*innen berichten. Die Dienstbesprechungen tragen dazu bei, Probleme in der Interaktionsarbeit mit Kund*innen zu besprechen und sich über Lösungsansätze auszutauschen. Zudem förderten die Dienstbesprechungen ein gutes Zusammengehörigkeitsgefühl im Sozialdienst.
Es lässt sich sagen, dass die Interventionsmaßnahme der Dienstbesprechung, wie sie im FlexiGesA-Projekt gemeinsam entwickelt und etabliert wurde, von allen Beteiligten sehr positiv angenommen worden ist. Durch die positiven Rückmeldungen und die schon jetzt deutlich sichtbaren, positiven Effekte werden Dienstbesprechungen im Bereich des Sozialdienstes auch zukünftig durchgeführt werden.

5.3 Interventionsmaßnahme: Ausarbeitung von Handlungsempfehlungen

Lange Jahre gab es im Unternehmen vacances unterschiedliche Herangehensweisen an die typischen Tätigkeiten der Sozialdienstkoordinator*innen. Jede*r hat bestimmte koordinatorische Aspekte andersartig umgesetzt, es bestanden lange keine einheitlichen Standards. Das wirkte sich auch auf die tägliche Arbeit der Mitarbeiter*innen in der Hauswirtschaft aus, die bei typischen Handlungssituationen im Kontakt mit Kund*innen – je nach zuständiger*m Sozialdienstkoordinator*in – unterschiedliche Verfahrensabläufe und Regeln beachten mussten.
Zur Vereinheitlichung von Verfahrensabläufen wurden im FlexiGesA-Projekt in einer Workshopreihe mit allen Führungskräften und der Leitung des Sozialdienstes zukünftig unternehmensweit geltende Handlungsempfehlungen zu verschiedenen Themenfeldern ausgearbeitet. Unterstützt wurde besagte Workshopreihe durch wissenschaftliche Mitarbeiter*innen des iaw der Universität Bremen. Bei einem ersten Workshop sammelten die Teilnehmer*innen mögliche Themenkomplexe, die für die Hauswirtschaftskräfte in der Vergangenheit bereits relevant gewesen sind und erarbeiteten eine Vorlage, die für die Ausarbeitung konkreter Handlungsempfehlungen herangezogen werden konnte. Bei weiteren Workshops wurden die wichtigsten Themen so zwischen den Sozialdienstkoordinator*innen aufgeteilt, dass der weitere Ausarbeitungsprozess fortan auf einzelne Personen aufgeteilt werden konnte. So konnten schneller konkrete Ideen gesammelt und nachfolgend konkretisiert werden.
Dieser Prozess hat dazu geführt, dass mittlerweile 20 unterschiedliche Handlungsempfehlungen entstanden sind. Jede dieser Empfehlungen ist in drei bis vier Abschnitte unterteilt und somit gleich aufgebaut: Zu Beginn wird das Thema der Handlungsempfehlung bei „Worum geht es?“ beschrieben und anschließend wird mit einer Empfehlung „Was ist zu beachten?“ weiterbearbeitet. Falls es das Thema erfordert, kann noch der Abschnitt „Ablauf“ eingebaut werden. Alle Handlungsempfehlungen schließen mit dem Abschnitt „Wo bekomme ich Hilfe?“ ab, bei dem immer sowohl ein*e Ansprechpartner*in als auch Kontakte für eine weitere Unterstützung für den Mitarbeiter*innen aufgeführt sind. Die Themen der jeweilig ausgearbeiteten Handlungsempfehlungen reichen vom Umgang der Hauswirtschaftskräfte mit spezifischen Krankheitsbildern (wie z. B. Messie-Syndrom), Standards im Beschwerdemanagement (z. B. Umgang mit Beschwerden von Angehörigen) bis hin zu Hilfestellungen für die Arbeit mit dem Online-Dienstplanprogramm.
In einem letzten Workshop stellte jede*r Sozialdienstkoordinator*in entsprechende Entwürfe der Handlungsempfehlungen im Team vor. Eine gemeinsame Diskussion über die genaue Ausgestaltung führte schließlich dazu, einen Konsens zu erreichen. Durch die kooperative Arbeit entstand im Team der Koordinator*innen ein gezielter Austausch zum zukünftigen Umgang mit speziellen Herausforderungen in der Hauswirtschaft. Die Handlungsempfehlungen machten es möglich, dass im gesamten Team seitdem grundlegende Verfahrensabläufe für den hauswirtschaftlichen Bereich vereinheitlicht werden konnten. Aufgrund der positiven Resonanz wurden die ausgearbeiteten Handlungsempfehlungen auch in das Qualitätsmanagement des Unternehmens vacances aufgenommen.
Alle bis dato ausgearbeiteten Handlungsempfehlungen wurden in einem letzten Schritt allen Mitarbeiter*innen des hauswirtschaftlichen Bereichs bei einer Dienstbesprechung vorgestellt sowie anschließend digital zur Verfügung gestellt. Hinzukommend wurde veranlasst, dass alle Handlungsempfehlungen künftig als ein wichtiger Bestandteil der Willkommensmappe auch neuen Mitarbeiter*innen direkt zur Verfügung stehen. Das bedeutet, dass alle neuen Kolleg*innen direkt zu Einstellungsbeginn die Handlungsempfehlungen unmittelbar ausgehändigt bekommen, um diese in ihrem Arbeitsalltag zu beachten. Das Unternehmen vacances hat es sich zur Aufgabe gemacht, zukünftig weitere Themenbereiche zu identifizieren und erarbeiten, für die es noch keine Handlungsempfehlungen gibt.

5.4 Interventionsmaßnahme: Arbeitssituationsanalyse (ASITA)

Die betriebliche Gefährdungsbeurteilung gehörte bereits vor Beginn des Projekts 2018 bei vacances zu den Instrumenten, die dem Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zuzuordnen sind. Bis dato umfasste die Gefährdungsbeurteilung jedoch hauptsächlich physische Faktoren. Mit dem Start von FlexiGesA wurde der Fokus jedoch auch auf die psychische Gesundheit gelegt.
Ein für das Unternehmen vacances neues Instrument wurde im Kontext des Projekts eingeführt und erprobt, das beide Facetten miteinander verbindet: Die Arbeitssituationsanalyse (kurz: ASITA). Eine ASITA wird im Rahmen eines zweistündigen Workshops durchgeführt und fokussiert stets fünf Schwerpunkte. Die Mitarbeiter*innen haben die Möglichkeit, folgende Aspekte zu beleuchten:
  • Die Arbeitstätigkeit
  • Die Arbeitsumgebung
  • Die Arbeitsorganisation
  • Das Gruppen- und Betriebsklima
  • Das Vorgesetztenverhalten
Im Rahmen des Workshops werden zu diesen fünf Schwerpunkten Lösungsvorschläge für die Minimierung von Belastungen entwickelt.
Für die Durchführung der ASITA-Workshops musste eine neutrale Person gefunden werden, die zudem einen gewissen Grad an Erfahrungswissen im Bereich des Sozialdienstes mitbringt sowie das Unternehmen vacances gut kennt. Gleichzeitig ist es wichtig, dass kein direktes Vorgesetztenverhältnis mit den Mitarbeitern*innen der Hauswirtschaft besteht. Ist das der Fall, steigt die Gefahr, dass die Teilnehmer*innen im Workshop in ihrem Verhalten gehemmt sind, sozial erwünscht antworten oder Ähnliches. Außerdem ist bei der Durchführung wichtig, dass die Moderation sich neutral verhält und z. B. eigene Gefühle und Meinungen nicht verbalisiert. Als geeignete Person für die Durchführung der ASITA-Workshops wurde im Unternehmen vacances die Leitung des Sozialdienstes identifiziert.
Die Leitung des Sozialdienstes führte im Rahmen des FlexiGesA-Projekts insgesamt sieben Workshops durch, um nach Stadtteilen allen Mitarbeiter*innen die Möglichkeit einer Teilnahme zu ermöglichen. Die Workshops wurden z. T. von wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen der Universität Bremen (iaw) begleitet.
Die Teilnahme an einem ASITA-Workshop war für alle Mitarbeiter*innen stets auf freiwilliger Basis möglich. Insgesamt haben während der Projektlaufzeit ca. 70 Mitarbeiter*innen aus der Hauswirtschaft daran teilgenommen. Die Ergebnisse jedes Workshops hat die Leitung des Sozialdienstes gebündelt an das Team der Sozialdienstkoordinator*innen weitergegeben. Im Koordinator*innen-Team erfolgte anschließend ein Austausch über die Belastungen der Mitarbeiter*innen. Außerdem wurden Vorschläge für mögliche Lösungswege aus den Workshops intensiv diskutiert und auf ihre Machbarkeit hin untersucht und bewertet. Schlussendlich wurden ausgewählte Lösungsansätze in einer Dienstbesprechung mit den Mitarbeitern*innen diskutiert. Lösungsansätze, die im Unternehmen vacances perspektivisch in Form von geeigneten Maßnahmen eingeführt werden können, wurden in diesem Rahmen vorgestellt.
Zahlreiche Rückmeldungen, sowohl vonseiten der Workshopteilnehmer*innen als auch der Sozialdienstkoordinator*innen, lassen den Schluss zu, dass alle Beteiligten dieser Interventionsmaßnahme sehr positiv gegenüberstehen. Die Teilnehmenden an den ASITA-Workshops betonten vor allem die persönliche Wertschätzung und das Eingehen auf Wünsche und Bedürfnisse der Beschäftigten. Das Team der Sozialdienstkoordinator*innen hob als besonders positiv hervor, dass durch die ASITA eine systematische und zielgerichtete Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Belastungssituationen der Mitarbeiter*innen möglich ist.
Durch die positiven Erfahrungen mit den ASITA-Workshops hat sich das Unternehmen vacances dazu entschieden, diese Interventionsmaßnahme zukünftig einmal jährlich im gleichen Format durchzuführen. Im Anschluss an jeden Workshop finden auch weiterhin Dienstbesprechungen statt.

5.5 Interventionsmaßnahme: Anpassungen der Strukturen im Bereich der Sozialdienstkoordinator*innen

Die traditionell im Unternehmen vacances gewachsenen Tätigkeitsbereiche von Sozialdienstkoordinator*innen beschränkten sich bis zum Start des Projektes FlexiGesA hauptsächlich auf die reine Betreuung von Kunden*innen im sozialen Bereich. Durch starke Expansionstendenzen war es jedoch unabdingbar, auch strukturell zahlreiche Anpassungen in diesem Bereich vorzunehmen. Ein zentraler Mechanismus dieses Veränderungsprozesses bestand darin, Sozialdienstkoordinator*innen zusätzlich zu ihren Aufgaben im Kunden*innen-Management außerdem die Personalverantwortung für ein eigenes Team zu übertragen, das den zugehörigen Kunden*innenstamm der jeweiligen Sozialdienstkoordinator*in betreut. Durch diese strukturelle Weiterentwicklung erlangten die einzelnen Sozialdienst-Teams eine gewisse Teilautonomie – sie versorgten fortan einen eigenen Kreis von Kunden*innen, hatten eine*n Ansprechpartner*in und konnten dadurch viel agiler operieren.
Für die Sozialdienstkoordinator*innen hatte dieser Strukturwandel zur Folge, dass sie vor neue Herausforderungen gestellt wurden. Mit Beginn des Projekts FlexiGesA war klar, dass in diesem Bereich umfangreiche Kompetenzen in der Mitarbeiter*innenführung und Team-Kommunikation erworben werden mussten.
Zu Beginn des Projekts im Jahr 2018 waren die Sozialdienst-Teams gerade erst im Aufbau befindlich. Hierfür war insbesondere förderlich, dass jede*r Sozialdienstkoordinator*in fortan durch die Zuordnung der Zuständigkeit für einzelne Stadtteile bessere Planungssicherheit hatte. Speziell die Übersichtlichkeit des Tätigkeitsgebiets konnte für die Planungsprozesse dadurch stark gesteigert werden. Zuvor hatte jede*r Koordinator*in Kunden*innen in unterschiedlichen Stadtgebieten betreut. Mitarbeiter*innen im hauswirtschaftlichen Bereich hatten dadurch stets mit anderen Ansprechpartner*innen Kontakt. Mit der strukturellen Neuordnung konnten organisatorische Aspekte, wie bspw. die Urlaubsplanung für die Mitarbeiter*innen, viel besser und effektiver überblickt werden. Außerdem konnte die Übersichtlichkeit einzelner Versorgungsgebiete gesteigert werden. Die zuständigen Sozialdienstkoordinator*innen sind dadurch in der Lage, die Versorgungslage vor dem Hintergrund verfügbarer Personalressourcen zu beurteilen. In der Konsequenz kann nun auf fluktuierende Bedarfe schneller reagiert werden und beispielsweise neue Mitarbeiter*innen zielgerichtet eingesetzt werden.
Für die einzelnen Sozialdienstkoordinator*innen wird mit steigender Verantwortung auch erforderlich, ihre eigenen Werte in Bezug auf die Mitarbeiterführung festzulegen und Leitungskompetenzen auszubauen. Das betrifft insbesondere auch – nicht nur zwischen Koordinator*in und Mitarbeiter*in, sondern auch zwischen Kunde*in und Mitarbeiter*in.
Damit die Arbeit für die Sozialdienstkoordinator*innen im Rahmen des Strukturwandels bewältigbar blieb, entstand im Einzugsgebiet Bremen Nord ein Tandem aus zwei eng zusammenarbeitenden Sozialdienstkoordinator*innen. Durch dieses im Projekt initiierte Pilotvorhaben sind sehr schnell positive Effekte sichtbar geworden. Insbesondere zeigte sich, dass die Arbeitsbelastung, die auf vier Schultern verteilt ist, sehr viel stressfreier vonstatten geht. Bei vacances war schnell klar: Das Tandemteam wird zum neuen Standardmodell. Beide Sozialdienstkoordinator*innen tragen zu gleichen Teilen die Verantwortung, sie können sich austauschen und in ihren individuellen Kompetenzen bestmöglich ergänzen.
Zudem können auch verdeckte psychische Belastungen bei Sozialdienstkoordinator*innen durch dieses Modell abgebaut werden. So stellte sich in Projekt-Workshops heraus, dass insbesondere in Vertretungssituationen (z. B. im Fall von Urlaub einer*s Sozialdienstkoordinators*in) durchaus beachtenswerte Belastungen auftreten. Einerseits tritt für Vertretungskräfte eine doppelte Belastung auf, weil eine Urlaubsvertretung übernommen werden muss, aber durch das Arbeiten mit bekannten Mitarbeitern und Kunden ist eine Vertretung besser und effizienter zu bewältigen. Andererseits ist es auch für diejenigen Koordinator*innen, die in den Urlaub gehen, belastend zu wissen, dass Kolleg*innen ggf. unter zusätzlichen Belastungen leiden. Durch eine gewissenhafte Übergabe im Tandemteam im Vorfeld einer Urlaubsvertretung wird diese potenzielle Belastung deutlich reduziert.

6 Ausblick

Durch das Projekt FlexiGesA konnte das Unternehmen vacances an vielen Stellen positive Weiterentwicklungen initiieren. Nicht zuletzt durch den stetig steigenden Bedarf im sozialen Bereich konnten zahlreiche Projektaktivitäten und dabei entwickelte Maßnahmen dazu beitragen, dass die Herausforderungen, die mit dem Wachstum und mit dem Auftreten neuer Aufgabenfelder einhergegangen sind, gemeistert werden konnten. Heute umfasst der Sozialdienst um die 120 Mitarbeiter*innen in Festanstellung, die von 8 Führungskräften betreut werden. Die wegweisende Entscheidung, die Sozialdienstkoordinator*innen sukzessive zu Führungskräften weiter zu qualifizieren und ihnen mit steigender Verantwortung einen eigenen Mitarbeiter*innen-Stamm zur Verfügung zu stellen, hat sich als sehr tragfähig herausgestellt. Weitere positive Effekte konnten durch die Entwicklung und die unternehmensweite Einführung der weiteren, zuvor thematisierten Interventionsmaßnahmen erreicht werden. Die Ausarbeitung von Handlungsempfehlungen gibt allen im Sozialdienstbereich tätigen Mitarbeiter*innen ein gut sortiertes Werkzeug für die tägliche Arbeit mit Kund*innen an die Hand. Darüber hinaus ermöglicht es die Arbeitssituationsanalyse (ASITA) auf sich ändernde Bedingungen in der Praxis schnell reagieren zu können und auch die psychischen Belastungen zukünftig stärker in den Blick zu nehmen. Mitarbeiter*innengespräche und Dienstbesprechungen sorgen auch zukünftig dafür, dass ein Austausch zwischen den Mitarbeitenden etabliert ist und ein Klima der Wertschätzung herrscht.
Abschließend lässt sich sagen, dass das Mitwirken im FlexiGesA-Projekt für das Unternehmen vacances zahlreiche neue Optionen eröffnet hat, mit aktuellen und zukünftigen Herausforderungen im sozialen Dienstleistungskontext umzugehen.
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Metadaten
Titel
Gesundheitsförderliche Gestaltung des ambulanten Sozialdiensts bei vacances
verfasst von
Isabel Staden
Copyright-Jahr
2023
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-37055-8_9

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